Neue Fronten im arabisch-islamischen ‚Krisenbogen‘
Ein Programm des passiven Imperialismus für den Irak
Auch für den Nahen Osten erneuert Obama Amerikas unbedingten Führungsanspruch. Dort gilt es auf mögliche Feinde im Allgemeinen aufzupassen, um „America’s own security against those who threaten our citizens, our friends, and our interests“, zu verteidigen. Wo auch immer die USA ein Stück Welt zum Gegenstand ihrer Aufmerksamkeit machen, da haben sie ihre Hoheit, in letzter Instanz sich und ihre Zuständigkeit zu sichern, also das Recht, als Schutzmacht aufzutrumpfen. Im Nahen Osten gilt es insbesondere den Iran auch mit kriegerischen Mitteln an allem zu hindern, was man in Washington als Griff nach der Atombombe wertet. In der Region, in der Bush zwei Kriege für nötig hielt, um Amerika sicher zu machen, bleibt die Herstellung einer Kriegsfront das entscheidende Mittel für „the renewal of American leadership“. Das verbindet die USA mit Israel – dafür werden aber auch die Anrainer beansprucht. Und in diesem Geist wird der Irak in eine von Washington definierte und beaufsichtigte ‚Eigenstaatlichkeit‘ überführt.
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Länder & Abkommen
Neue Fronten im arabisch-islamischen
‚Krisenbogen‘
Ein Programm des passiven
Imperialismus für den Irak
Am 12. Dezember 2011 treten Obama und der irakische Premierminister al-Maliki gemeinsam vor die Presse, um „das Ende des Krieges zu markieren“ und eine neue Ära auszurufen, in der nun „normale Beziehungen“ Einzug halten:
„Wir sind hier, um das Ende dieses Krieges kundzutun und ein neues Kapitel in der Geschichte unserer beiden Länder aufzuschlagen – normale Beziehungen zwischen souveränen Staaten, eine gleichberechtigte Partnerschaft, basierend auf gemeinsamen Interessen und gegenseitigem Respekt. Herr Premierminister, mit dem Ende dieses Krieges wendet sich Irak seiner Zukunft zu, und die irakischen Bürgerinnen und Bürger sollen wissen, dass sie nicht alleine sind. Sie haben in den Vereinigten Staaten von Amerika einen starken und dauerhaften Partner. Deshalb bekräftigen der Premierminister und ich heute unsere gemeinsame Vision von einer langfristigen Partnerschaft zwischen unseren Ländern. Dies steht im Einklang mit unserem strategischen Rahmenabkommen und ähnelt den engen Beziehungen, die wir zu anderen souveränen Staaten haben. Einfach ausgedrückt: Wir bauen eine umfassende Partnerschaft auf.“
Normale Beziehungen zwischen souveränen Staaten
,
gleichberechtigte Partnerschaft
: Wörtlich genommen
sind diese Beteuerungen ein Hohn auf das wirkliche
Verhältnis zwischen der Weltmacht von jenseits des
Atlantik, die gerade ihr Besatzungsregime beendet, und
dem Land, dessen Bürger wissen sollen, dass sie nicht
alleine sind
, sondern auch weiterhin von einem
starken und dauerhaften Partner
betreut werden.
Obamas Ansage selbst widerspricht schon jeder Art von
Gegenseitigkeit
: Die gemeinsame Vision
betrifft auf irakischer Seite die gesamte Verfassung, ja
das Überleben des Landes und verknüpft das mit einem der
zahlreichen weit ausgreifenden Interessen der USA; die
langfristige Partnerschaft
beider Seiten macht
nicht etwa die irakischen Bürger und Bürgerinnen
zu Kumpanen, mit denen zusammen die Amerikaner sich ihrer
Zukunft zuwenden
würden, sondern die USA zum
übermächtigen Nachbarn des Irak, der auch am weiteren
Schicksal dieses Landes maßgeblich mitzuwirken gedenkt.
Eben darin ist das irakisch-amerikanische Verhältnis
freilich in der Tat normal
, nämlich den engen
Beziehungen
ähnlich, die wir zu anderen souveränen
Staaten haben
: Für die USA ist eben dies der
Normalfall, dass sie den souveränen
Staaten
wo auch immer auf dem Globus ihr
Interesse als Angebot zur Partnerschaft antragen und
klarmachen, dass die Partner ohne gegenseitigen
Respekt
vor Amerikas Interesse keine Zukunft
haben. Subjekt und Adressat der gleichberechtigten
Partnerschaft
stehen damit schon mal fest; also auch,
wer hier wen in den Status einer
anerkannten Souveränität erhebt und Inhalt und
Richtlinien partnerschaftlicher
Politik definiert.
Im Sinne einer oberhoheitlichen Begutachtung des neuen souveränen Partners erteilt der US-Präsident dem Irak und seiner Herrschaft erst einmal Bestnoten.
„Irak sieht sich großen Herausforderungen gegenüber. Aber es gibt beeindruckende Fortschritte... Millionen haben ihre Stimme abgegeben und dabei zum Teil sogar ihr Leben riskiert, um an freien Wahlen teilzunehmen. Der Premierminister führt die integrativste Regierung, die es bisher gab. Die Iraker bauen effiziente, unabhängige und transparente Institutionen auf... Die irakische Wirtschaft wird in den kommenden Jahren laut Schätzungen noch schneller wachsen als die Chinas oder Indiens... auf dem Weg, wieder zu einem der führenden Ölproduzenten der Region zu werden... die irakischen Truppen... patrouillieren auf den Straßen, zerschlagen die Milizen und führen Antiterrormaßnahmen durch. Heute ist die Zahl der Gewalttaten – trotz fortgesetzter Angriffe derjenigen, die den Fortschritt im Irak verhindern wollen – auf historisch niedrigem Niveau. Das, Herr Premierminister, ist Ihrer Führungsstärke und den Fähigkeiten sowie der Opferbereitschaft der irakischen Truppen zu verdanken... Zum ersten Mal seit zwanzig Jahren wird Irak Gastgeber für das nächste Gipfeltreffen der arabischen Liga sein. Das ist ein starkes Signal für die gesamte arabische Welt. Die Menschen in der Region werden einen neuen Irak sehen, der sein eigenes Schicksal bestimmt, ein Land, in dem Menschen verschiedener Glaubensrichtungen und unterschiedlicher Abstammung ihre Differenzen friedlich und innerhalb eines demokratischen Prozesses beilegen können.“
Obamas gnadenlose Schönfärberei der irakischen
Verhältnisse geht dort in blanken Zynismus über, wo sie
ihre Widerlegung gleich mitliefert: Die friedliche
Beilegung
politischer Differenzen
auf dem Weg
freier Wahlen verlangt von vielen Wählern den Mut, ihr
Leben zu riskieren
; die integrativste Regierung,
die es bisher gab
, ruft fortgesetzte Angriffe
von Milizen mit abweichender Zielsetzung hervor; die
Effizienz
der neuen Institutionen benötigt auf
Seiten der bewaffneten Kräfte des Staates eine Menge
Opferbereitschaft
. Tatsächlich koexistieren Stämme
und Glaubensgemeinschaften nur dort einigermaßen
friedlich, wo sie den Staat bereits in einzelne Teile
zerlegt, sich gegeneinander abgeschottet haben und der
integrative Ministerpräsident seine opferbereiten
Soldaten noch nicht zur Herstellung einer souveränen
Herrschaft über das ganze Land in Marsch gesetzt hat. Das
Wachstum der Wirtschaft, das der US-Präsident mit
einigen bemerkenswerten statistischen Daten
illustriert, findet auf so niedrigem Niveau statt, dass
schon jede wieder instand gesetzte Ölquelle
„Bemerkenswertes“ dazu beiträgt. Um den Zugriff auf die
Ölquellen, den Ölexport und die Erlöse daraus streitet
die Regierung im Übrigen so erbittert wie ergebnisoffen
mit der Kurden-Regierung im Norden und den
Provinzmachthabern im Süden; der Weg, wieder zu einem
führenden Ölproduzenten der Region zu werden
, ist für
den Staat noch ziemlich weit.
In Wahrheit spiegeln Obamas Komplimente an den Kollegen
al-Maliki freilich weniger eine demokratie-idealistische
Selbsttäuschung der US-Regierung wider als die Erwartung,
was ein in die Souveränität entlassener Irak im Sinne
einer umfassenden Partnerschaft
mit der
Führungsmacht gefälligst zu leisten hat. In dem Sinn geht
der Präsident die einzelnen Punkte – die nationalen
Institutionen, die Wirtschaft, die
innere und die regionale Sicherheit –
noch einmal durch; diesmal in der für US-Weltpolitiker
charakteristischen Mischung aus Forderung und
Hilfszusage. Er präsentiert seinem Partner eine Agenda,
deren imperialistische Logik sich vom Ende her vielleicht
am leichtesten erschließt.
a) „Wir bilden Partnerschaften für die regionale Sicherheit“
„Ebenso wie Irak zugesagt hat, sich nicht in die Angelegenheiten anderer Länder einzumischen, so dürfen sich auch die anderen Länder nicht im Irak einmischen. Die Souveränität Iraks muss respektiert werden. Zudem sollte es keinen Zweifel daran geben, dass uns der Rückzug aus dem Irak die Möglichkeit gegeben hat, unsere Ressourcen neu auszurichten, Fortschritte in Afghanistan zu erzielen, Al Kaida zu schwächen und uns auf das breite Spektrum der Herausforderungen vorzubereiten, das vor uns liegt. Täuschen Sie sich also nicht, unsere starke Präsenz im Nahen Osten bleibt bestehen, und die Vereinigten Staaten werden sich unerschütterlich für die Verteidigung ihrer Verbündeten, Partner oder Interessen einsetzen.“
Das Entscheidende steht am Schluss: Die USA bleiben auch nach dem Abzug ihrer Besatzungstruppen aus dem Irak mit einer Militärmacht in der Region ‚präsent‘, die nicht bloß irgendwie ‚stark‘, sondern allen Armeen der Anrainerstaaten turmhoch überlegen ist. Sie wahren ihre Fähigkeit und bleiben entschlossen, eigene Interessen gegen alle denkbaren Widerstände durchzusetzen und den Partnern und Verbündeten in der Region als konkurrenzlose Schutzmacht gegenüberzutreten. So bleiben die Letzteren mit ihren politischen Anliegen von Amerikas „leadership“ abhängig, nämlich für deren Verwirklichung insbesondere da, wo sie mit anderen Mächten in Konflikt geraten dürften, auf Billigung und Unterstützung aus Washington angewiesen. Andere Mächte müssen bei der Verfolgung eigener politischer Ziele die USA als Entscheidungsmacht einkalkulieren und gut überlegen, wieviel Abweichung von US-Interessen und Kollision mit US-Schützlingen sie sich herausnehmen können – angesichts der überlegenen amerikanischen Zerstörungsmacht vor ihrer Haustür. So entfaltet Militärgewalt imperialistische Produktivkraft.
Für den Irak, dessen Führung der Friedensnobelpreisträger ganz offen vor diesbezüglichen Täuschungen warnt, folgt aus dem Abzug der amerikanischen Besatzungsarmee eine generelle politische Richtlinie, die den imperialistischen Sinn der nationalen Souveränität eines zweitklassigen US-Verbündeten sehr deutlich definiert: Souveränität bedeutet Nicht-Einmischung – des Irak wie in den Irak. Für sich genommen eine nette Ironie: Wer so entschieden ein allseitiges „Hände weg!“ dekretiert, der nimmt das politische Schicksal der Region exklusiv selbst in die Hand. Ein Widerspruch liegt für die USA da freilich keineswegs vor. Sie sehen sich gar nicht auf einer Stufe und lassen sich schon gleich nicht auf ein Niveau herab mit den Staaten, denen sie jede Einflussnahme über die irakischen Grenzen hinweg untersagen. Sie stehen als Ordnungsmacht von vornherein und ganz selbstverständlich über den Staatsgrenzen, deren Undurchlässigkeit für zwischenstaatliche Einmischungsinteressen sie vorschreiben.
Die Richtlinie, die Obama in so abstrakter Form für und
in Bezug auf den Irak erlässt, ist für den souveränen
Partner und dessen Nachbarn konkret genug. Verhindern
will die US-Regierung den weiteren Ausbau, am besten
überhaupt die Fortführung der Politik, die der irakische
Regierungschef als Oberhaupt einer Partei der
schiitischen Volksmehrheit betreibt. Unterbinden will sie
insbesondere die Beziehungen mit dem Amerika-feindlichen
„Mullah-Regime“ nebenan, die al-Maliki aus gewichtigen
nationalen Gründen eingegangen ist: Im Iran hat er einen
Partner, der für das ökonomische Überleben des Landes
tatsächlich von Nutzen ist; und dort findet er auch
Rückhalt für sein Unterfangen, in der Konkurrenz der
arabischen Staaten um Respekt und Gefolgschaft wieder
mitzumischen, gegen die mittlerweile dominierenden
sunnitischen Golf-Monarchien vor allem, eventuell sogar
als Schutzmacht oder wenigstens als Anwalt der dort
unterdrückten schiitischen Minderheiten sowie an der
Seite der von dort und aus dem Westen angefeindeten
syrischen Staatsgewalt. Das alles: die Anbahnung einer
gewissen Allianz mit dem Iran, aber auch schon die
nationalen Ambitionen der schiitischen Führung in Bagdad
selber und aktuell die nicht feindseligen Haltung zum
Nachbarn Assad, steht in Widerspruch zu den
Frontstellungen, an denen entlang die
Obama-Administration gerade die Kräfteverhältnisse in der
Region neu durchsortiert. Dagegen richtet sich also der
Einspruch, den der US-Präsident mit der Warnung vor
Einmischung einlegt und nicht bloß mit dem Hinweis auf
Amerikas fortdauernde starke Präsenz
unterstreicht: Die Anmerkung, dass der Abzug der
amerikanischen Kampf- und Besatzungstruppen allein der
Stärkung dieser ‚Präsenz‘ im Hinblick auf anstehende
nächste wichtige Vorhaben der Weltmacht dient – es geht
um ein effektiveres Vorgehen gegen al-Kaida sowie um die
Bewältigung von Herausforderungen
, die nicht
weiter benannt werden, aber auch kein Geheimnis sind: die
Atompolitik des Iran in erster Linie, daneben die
Unwägbarkeiten des innerarabischen Aufruhrs –,
stellt unmissverständlich klar, dass eine Ermächtigung
der irakischen Regierung zur eigenmächtigen Definition
und Verfolgung nationaler Ziele damit nicht
verbunden ist. Souveränität ist eben keine Lizenz, nach
eigenem souveränem Ermessen zu agieren.
Ganz folgerichtig bezieht sich Obamas nächstes Freundschaftsangebot auf die Eigenmittel, die der irakische Souverän braucht, wenn er sich behaupten und womöglich als Machtfaktor in der Staatenwelt zurückmelden will:
b) „Wir bilden Partnerschaften für unsere gemeinsame Sicherheit“
„Herr Premierminister, wir haben erörtert, wie die Vereinigten Staaten Irak helfen könnten, seine Truppen auszubilden und auszustatten, nicht, indem wir amerikanische Truppen dort stationieren oder US-Basen in den Irak verlegen – diese Tage sind vorbei – sondern, indem wir die Art von Ausbildung und Unterstützung anbieten, die wir auch anderen Ländern anbieten. Angesichts der Herausforderungen, denen wir uns in einer sich rasch verändernden Region gemeinsam gegenübersehen, haben wir uns auch auf die Einrichtung eines neuen, offiziellen Kommunikationsweges zwischen unseren nationalen Sicherheitsberatern geeinigt.“
Welche Rolle der Irak in der Konkurrenz der regionalen
Staatsgewalten spielt und überhaupt anstreben kann,
nachdem er das amerikanische Besatzungsregime losgeworden
ist, das ist selbstverständlich nicht bloß eine Frage des
politischen Willens. Das hängt entscheidend von
seiner Fähigkeit ab, seine Grenzen zu hüten,
Einwirkung von außen zu unterbinden, die zerstrittenen
Völkerschaften im Land effektiv unter Kontrolle zu
bringen, nach außen respektabel aufzutreten, von Partnern
wie Gegnern ernst genommen zu werden – also zuerst und
vor allem von seinen Gewaltmitteln. Deren
Beschaffung und Erhaltung, einschließlich der Einweisung
und Schulung des militärischen Personals, erklären die
USA zu ihrer Sache. Sie sichern sich damit eine faktische
Oberhoheit über die politischen Ambitionen ihres
Partners. Denn so ist die Abstimmung mit Washington als
Sachzwang in das Instrumentarium eingebaut, das vorgibt,
was eine irakische Regierung sich überhaupt vornehmen
kann. Natürlich muss dieser Sachzwang wirksam gemacht,
die Abstimmung tagesaktuell vollzogen, der irakische
Souverän in seine funktionalen Dienste für die
gemeinsame Sicherheit
eingewiesen werden. Das
Instrument dafür ist die Einrichtung eines neuen,
offiziellen Kommunikationsweges zwischen unseren
nationalen Sicherheitsberatern
.
Die Auftragslage selbst, für deren Bewältigung die USA
ihren Partner ausstatten und über die sie mit ihm
‚kommunizieren‘, ergibt sich aus der gemeinsamen
Sicherheits
-Lage, die mit Herausforderungen in
einer sich rasch verändernden Region
wieder sehr
abstrakt, aber auch wieder unmissverständlich genug
umschrieben ist. Feindliche und störende Umtriebe, von
denen es im Nachkriegs-Irak mehr als genug gibt, sind
wirksam zu bekämpfen; die Festlegung der jeweiligen
Kampfziele erfolgt – angesichts der ‚raschen
Veränderungen‘, mit denen in der Region immer zu rechnen
ist – in ständiger Absprache zwischen Führungsmacht und
Vasall. Die Drecksarbeit erledigen die tapferen
irakischen Truppen; die Freiheit haben sie jetzt – die
Weltmacht lässt sich auf das Niveau der heillosen
blutigen Streitereien zwischen Parteien und Milizen im
Land nicht mehr herab; sie beendet ihr Engagement als
Ordnungspolizei, mit dem sie sich quasi zur Partei unter
Bürgerkriegsparteien degradiert hat. Stattdessen sorgt
Amerika für Waffen und für das passende Kommando über
einheimische Ordnungskräfte. Und um die Beschaffung der
nötigen Finanzmittel kümmert die kapitalistische
Führungsmacht sich auch:
c) „Wir bilden Partnerschaften für mehr Handel“
„Wir machen den Warenexport und die Entwicklung von Neuerungen für unsere Unternehmen leichter. Wir werden unsere Erfahrungen in den Bereichen Landwirtschaft und Gesundheit austauschen. Wir werden zusammenarbeiten, um den Energiesektor im Irak zu entwickeln, während die irakische Wirtschaft vielseitiger wird und wir Irak stärker in die Weltwirtschaft integrieren. Wir bilden Partnerschaften für Kontakte zwischen unseren Bürgern und insbesondere den jungen Menschen. Im Rahmen des Fulbright-Programms begrüßen wir mehr irakische Studierende und zukünftige Führungskräfte zum Studium in den Vereinigten Staaten. So entstehen Freundschaften, die unsere Länder für Generationen miteinander verbinden werden. Außerdem werden wir im Bereich Wissenschaft und Technologie enger zusammenarbeiten.“
Landwirtschaft und Gesundheit
hin, vielseitige
Wirtschaft
her: der US-Regierung liegt an der
Verfügbarkeit der irakischen Ölquellen. Und natürlich
denkt sie bei der ‚Entwicklung des Energiesektors‘ des
Landes an die Geschäfte, die amerikanische Firmen damit
machen sollen. Das Interesse der USA gilt darüber hinaus
dem Land as a key oil producer
, schließt also den
übergeordneten Gesichtspunkt der Ölversorgung überhaupt
ein: Es geht darum, dass die nach wie vor wichtigste
Energiequelle des globalen Kapitalismus reichlich, sicher
und billig zu haben ist; also um ein ganz wesentliches
Mittel des weltweiten Wirtschaftswachstums, das
amerikanisches Kapital für seine Akkumulation braucht und
die amerikanische Nation aktuell für die Überwindung
ihrer Wirtschaftskrise. In ihrer Verantwortung für die
Weltwirtschaft findet die US-Regierung sich berechtigt
und berufen, auf die Staaten aufzupassen und einzuwirken,
die die politische Macht über die Quellen dieses
Rohstoffs innehaben. Deswegen ist der ‚Nahe Osten‘ eine
Schlüsselregion amerikanischer Weltpolitik; die
Gewaltverhältnisse zwischen und in den dortigen Staaten
sind von herausragender strategischer Bedeutung und
bedürfen der durchgreifenden Kontrolle durch die mit
überlegener Militärmacht vor Ort präsente Weltmacht. Das
müssen die unmittelbar betroffenen Souveräne als
Bedingung ihrer Souveränität akzeptieren, als Prämisse
und Leitfaden ihrer eigenen politischen Ambitionen. Und
das haben alle externen Mächte zu respektieren, die
ihrerseits mit ihren ökonomischen Bedürfnissen und
eigenen Kontrollansprüchen auf die nahöstliche Ölregion
losgehen. Nach dieser imperialistischen Logik, die vom
Ölgeschäft bis zum Militäreinsatz reicht, haben
Bush-Vater und Bush-Sohn im Irak ihren Weltordnungskrieg
geführt; nach derselben Logik treibt Obama das Projekt
einer Sicherheitsallianz mit dem Irak voran.
Derselbe Zusammenhang zwischen Geschäft und Gewalt gilt
auch umgekehrt; und was Obama seinem Kollegen an
„Partnerschaften“ anträgt, macht auch das deutlich: Im
Rahmen seines Kampfes um die Erneuerung der Führerschaft
Amerikas in der Welt braucht der Chef der „one
indispensable nation“ den Irak für ein zentrales Stück
der Weltordnung: für die Isolierung und die drohende
Einkreisung des Iran, durch die das ‚Mullah-Regime‘ von
seinen atomwirtschaftlichen Ambitionen wirksam
abgeschreckt oder notfalls gewaltsam abgebracht werden
soll – ein Vorhaben, dem im Sinne der US-Politik gegen
die Weiterverbreitung von Atomwaffen übergeordnete
strategische Bedeutung zukommt –; er braucht die Allianz
mit Bagdad zudem für die Zerschlagung des militanten
muslimischen Antiamerikanismus, für den al-Kaida steht;
für eine wirksame Kontrolle des Kräfteverhältnisses
zwischen den Staaten der Region und in den arabischen
Unruhe-Nationen braucht die Weltmacht entscheidenden
Einfluss auf die politische Willensbildung und die
militärischen Fähigkeiten des Landes. Unter dieser
übergreifenden strategischen Zwecksetzung wird der Irak
mit Militärhilfe und vermittels fest
institutionalisierter Absprachen für die Stiftung
ordentlicher Verhältnisse, nämlich für von Fall zu Fall
festzulegende Gewaltaktionen in Anspruch genommen und,
was eigene Vorhaben betrifft, unter Aufsicht gestellt.
Dieses sicherheitspolitische Interesse bestimmt Ansprüche
und Angebote der US-Regierung hinsichtlich der
ökonomischen Verfassung des Landes. Unter dem
Gesichtspunkt ist die ‚Entwicklung des Energiesektors‘
ein durchaus wichtiger Bestandteil eines Neuaufbaus der
irakischen Nationalökonomie, der darauf abzielt, das
Überleben der Nation und damit das Eigeninteresse ihrer
Führung vom Interesse und Zugriff der auswärtigen
privaten – was praktisch bedeutet: insbesondere der
amerikanischen – Geschäftswelt abhängig zu machen. In den
materiellen Lebensprozess der irakischen Gesellschaft
werden mit einer solchen ‚Integration in die
Weltwirtschaft‘ Garantien für die Bedienung
amerikanischer Geschäftsinteressen und zugleich für die
Ausrichtung der Gesellschaft überhaupt auf den
transatlantischen Partner, also gegen abweichende
Tendenzen und antiamerikanische Umtriebe eingepflanzt.
Das ist jedenfalls der Plan; und damit der aufgeht,
spendiert Amerika Mittel für die nachhaltige – für
Generationen
wirksame – Amerikanisierung der
irakischen Elite. Die Wiederbelebung des Ölgeschäfts,
deren ordentliche Abwicklung Obama den Regierenden zur
Pflicht macht, wird im Übrigen dafür sorgen, dass die
gemeinsame Sicherheit
zu finanzieren ist und die
dafür angebotene Militärhilfe sich bezahlt macht. Und
dass unsere Unternehmen
dabei nicht zu kurz
kommen, wird auch gleich abgemacht. Wenn die nicht bloß
mit Ölförderung und -vermarktung, sondern in breitem
Kontakt mit der Bevölkerung Geld verdienen, im Geschäft
mit den Bauern und mit der Gesundheit, dann wirkt auch
das unweigerlich positiv auf Sitten und Denkweise der
Bevölkerung zurück. Auf einen solchen imperialistischen
„dual use“ der Geschäftemacherei setzen die Amerikaner
jedenfalls und versprechen dem Partner in diesem Sinn
tatkräftige Beihilfe zur Entwicklung einer entsprechenden
politischen Kultur:
d) „Wir bilden Partnerschaften für Demokratie“
„Herr Premierminister, Sie haben gesagt, dass die Iraker eine Demokratie anstreben, ‚einen Staat der Bürger, nicht der Glaubensgemeinschaften‘. Wir bilden also Partnerschaften, um die Einrichtungen zu stärken, von denen die Demokratie im Irak abhängig ist – freie Wahlen, eine lebendige Presse, eine starke Zivilgesellschaft, professionelle Polizeikräfte und eine professionelle Strafverfolgung, eine unabhängige Justiz, die gerecht urteilt, sowie transparente Institutionen, die im Dienste aller Iraker stehen.“
Das „also“ – Herr Premierminister, Sie haben gesagt...
Wir bilden also Partnerschaften...
– ist entweder
bittere Ironie oder ein zynischer Scherz: als wäre die
Ansage des irakischen Regierungschefs ein realistisches
Versprechen, das man durchaus beim Wort nehmen könnte.
Die Partnerschaften
, die Obama also
in
Aussicht stellt, benennen denn auch, ebenso wie
al-Malikis Staat der Bürger, nicht der
Glaubensgemeinschaften
, keine Tatsachen, sondern
woran es vom Standpunkt der amerikanischen Oberaufsicht
in der tatsächlichen Verfassung des Irak fehlt,
und zwar so grundsätzlich, dass die politische
Hinterlassenschaft der amerikanischen Besatzung im Grunde
in die moderne Rubrik der „failing states“ einzuordnen
wäre. Auf den positiven Inhalt der Etiketten, die
al-Maliki auf die politischen Zustände in seinem Land
draufklebt und Obama auf die versprochenen
Partnerschaften
, kommt es aber sowieso nicht
weiter an. Ein „nation building“ im Sinn der vorherigen
US-Präsidentschaft, die Errichtung eines „Leuchtturms“
jener politischen Sitten, die einen fertigen
imperialistischen Klassenstaat westlichen Musters
auszeichnen, ist und bleibt unter der
Obama-Administration abgesagt. Nicht aus Einsicht in die
Voraussetzungen einer demokratischen Herrschaft, die sich
auf ein Volk von „hard working“-Steuerzahlern mit
patriotischen Meinungen über den Erfolgsweg der Nation
stützen kann – Voraussetzungen, die in dem verwüsteten
Ölstaat mit einer kapitalistisch kaum benutzten, nach dem
Sturz Saddams auf Stammesloyalitäten und fromme
Überzeugungen eingeschworenen Bevölkerung einfach nicht
gegeben sind –: Die US-Regierung hat ihre
imperialistischen Ziele im Sinne regionaler
Sicherheit
neu definiert und den Aufwand für eine
durchgreifende und umfassende Befriedung des Landes durch
Besatzungstruppen für überflüssig, vor allem aber die
Verstrickung in die innerirakischen Machtkämpfe für
kontraproduktiv befunden. Stattdessen verlangt sie dem
irakischen Partner Sicherheitsdienste, verlässliche
Energielieferungen und die Öffnung des Landes für private
Wirtschaftsinteressen ab. Und dafür fordert sie an
Ordnungsleistungen nicht mehr, aber auch nicht weniger
als ein effektives Vorgehen gegen alles, was die
tatsächliche politische Verfassung des Landes ausmacht.
Das Kompliment an die zuständige Herrschaft, es bei der
Verwirklichung demokratischer Grundsätze und
Verkehrsformen doch schon ganz schön weit gebracht zu
haben, ist weder blanker Idealismus noch bodenloser
Zynismus, sondern eine Ermunterung der integrativsten
Regierung
aller Zeiten in ihren Machtkämpfen und
zugleich eine Direktive, wogegen sie vorzugehen
hat: Starke Zivilgesellschaft
steht für die
Verhinderung eines ‚Gottesstaats‘ wie im Iran;
professionell
und unabhängig
sind ein
Polizei- und Justizapparat dann, wenn sie sich nicht von
den Maßstäben muslimischer, womöglich iranisch
beeinflusster schiitischer Sittlichkeit leiten lassen;
Institutionen im Dienste aller Iraker
sind solche,
die den politischen Ambitionen von Volksgruppen, Stämmen,
Religionsgemeinschaften resp. der für diese auftretenden
Parteien und Milizen keinen Raum geben. Per Saldo soll
nichts von all dem geduldet werden, was sich in der
zerstrittenen Bevölkerung des Landes tatsächlich an
politischem Willen rührt und was an politischen Zwecken
verfolgt wird. Der Sinn freier Wahlen
liegt
insofern gerade nicht darin, eine erfolgreiche Partei mit
ihrem Programm ins Recht zu setzen und an die Macht zu
bringen, sondern in der Unterordnung aller parteilichen
Programme unter ein Verfahren der
Ermächtigung, das nicht mehr und nicht weniger zustande
bringen soll als eine gesamtstaatliche Herrschaft
überhaupt, die auftragsgemäß funktioniert.
Amerika will in Bagdad eine Regierung, die den einzigen
Zweck verfolgt, in diesem Sinn professionell
zu
sein – also alle real existierenden teils staatswidrigen,
teils nationalistischen, jedenfalls für das strategische
Konzept der USA dysfunktionalen Bestrebungen
niederzukämpfen. Das Lob, sie würden schon am
allerintegrativsten wirken, erinnert die amtierenden
Machthaber an diesen Zweck – und daran, dass ihre ganze
Macht vom Dienst an dieser Aufgabe abhängt. Also an ihr
wohlverstandenes Eigeninteresse als Höchste Gewalt, auf
das der US-Imperialismus auch in diesem Fall baut.