Imperialistische Konkurrenz um den südlichen Kaukasus und Zentralasien (Teil 2)

Amerika hat dort ein Interesse an stabilen Verhältnissen, unter denen seine strategischen Interessen geschützt werden; garantiert von Staaten, die in die amerikanische Weltordnung integriert sind. Diesem Interesse werden Länder subsumiert, deren Karriere als unabhängige Staaten mit einem polit-ökonomischen Absturz begonnen hat.

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Gliederung

Imperialistische Konkurrenz um den südlichen Kaukasus und Zentralasien[1] (Teil 2)

Der vorliegende Artikel handelt von einem Kapitel in der (Neu-)Aufteilung der Welt. Die maßgeblichen Subjekte, Amerika und Russland, konkurrieren um eine Weltgegend, welche sie als Gegenstand ihrer jeweiligen strategischen Interessen ausgemacht haben. Beiden Seiten geht es darum, sich den Zugriff auf sie zu verschaffen und dauerhaft zu sichern; die andere Seite dort zu verdrängen. Die ausschließende Beschlagnahmung der Region betreiben sie allerdings von sehr verschiedenen und konträren Standpunkten aus.

II. Amerika komplettiert seine Weltordnung

1. Die bescheidenen Ansprüche Amerikas und ihre Adressaten vor Ort

„Die strategischen Interessen der Vereinigten Staaten in Zentralasien betreffen drei Bereiche:
– den Bereich der Sicherheit; darin ist unser Kampf gegen Terrorismus, gegen Proliferation und Drogenhandel einbegriffen;
– den Bereich der Energie; dieser schließt ein den zuverlässigen und wirtschaftlich vernünftigen Transport von Kaspischem Öl und Gas zu den Weltmärkten und einen Gebrauch der Energieeinkünfte, der ein dauerhaftes und ausgeglichenes wirtschaftliches Wachstum begünstigt; sowie
– ein Interesse an inneren Reformen, eingeschlossen demokratische und marktwirtschaftliche Reformen in diesen Ländern, die die Menschenrechte fördern und Freiheit, Toleranz und Wohlstand in diesen Ländern mehren.“[2]

Amerika hat also ein Interesse an stabilen Verhältnissen, unter denen seine strategischen Interessen geschützt werden; garantiert von Staaten, die in die amerikanische Weltordnung integriert sind und sich positiv auf die dort gültigen Prinzipien beziehen. So gesehen will Amerika von den Staaten vor Ort auch nichts anderes und nicht mehr als vom Rest der Staatenwelt, weniger allerdings auch nicht. Vorbildlich wären von daher in etwa solche Verhältnisse und die Stabilität, die es von den Weltgegenden her kennt, in denen „freedom and prosperity“ gedeihen und ein funktionierender Staatsapparat flächendeckend für Recht und Ordnung sorgt.

Diesem Interesse werden Länder subsumiert, deren Karriere als unabhängige Staaten mit einem polit-ökonomischen Absturz begonnen hat. Seitdem sie sich mit der russischen Vorherrschaft auch vom Status eines Bestandteils der Sowjetunion und deren arbeitsteilig organisiertem Produktions- und Verteilungswesen emanzipiert haben, sind sie, was ihre ökonomischen Grundlagen angeht, gewissermaßen auf den kapitalistischen Naturzustand von Entwicklungsländern zurückgefallen. In ihrer sozialistischen Vergangenheit Teil der industriellen Basis einer Weltmacht, sind sie heutzutage nicht einmal mehr imstande, so elementare Angelegenheiten wie eine geregelte Wasser- und Stromversorgung zu garantieren. Denn Kapital, auf das jetzt alles ankommt, haben sie selber keines, und als Objekt der Prospektion auswärtigen Kapitals ist über sie erst einmal und bis auf weiteres das praktische Urteil ergangen, dass sie wenig bis nichts zu bieten haben, womit sich ein Geschäft machen ließe. Ihre ‚Wirtschaft‘ besteht demzufolge in dem trostlosen Bemühen der Herrschaft, aber auch der Bevölkerung, mit dieser marktwirtschaftlich begründeten Notlage zurechtzukommen und darin ihr Überleben zu sichern. Dank der Übernahme der sowjetischen Schulden durch Russland sind diese Staaten zwar schuldenfrei in ihre marktwirtschaftliche Zukunft eingetreten, aber da ihr Geldbedarf in keinem Verhältnis steht zu den wenigen Geldquellen, über die sie verfügen, sind sie in kürzester Zeit zu Schuldnern des IWF, der Weltbank und sonstiger Agenturen geworden, die mit ihrer Zahlungsunfähigkeit Politik machen.

Politisch verkörpern diese Herrschaften allesamt so ziemlich das Gegenteil von Stabilität. Nicht zuletzt deshalb, weil sie an einem eklatanten Mangel an Mitteln zur Etablierung eines unwidersprechlichen Gewaltmonopols leiden, sind sie immer noch im Wesentlichen mit den Problemen ihrer Staatsgründung, mit der elementaren Sicherung ihrer Herrschaft befasst. Die Titularnation ist aus den sowjetisch durchmischten Landesinsassen oft erst mühsam herauszukristallisieren, es gibt zu viele Falsche innerhalb der eigenen Grenzen, die zu Separatismus neigen, ihn praktizieren oder desselben verdächtigt werden und deshalb zu bekämpfen sind. Ihr politisches Innenleben ist daher von fortdauernden Anstrengungen zur Definition eines nationalen Volkskörpers – daher auch u.a. die Aufwertung des Islam zum Staatsanliegen – und zur Erzeugung des nötigen Gehorsams bestimmt. Und dieser Bedarf bleibt ihnen bis auf weiteres erhalten, da sich mit dem Gründungsakt Staat und Volk gründlich dissoziiert haben: Der Herrschaft sind die Mittel abhanden gekommen, das Volk zu benützen und darüber auf sich auszurichten; die neuen Nationalregime treten der aufgelassenen Sowjet-Gesellschaft mit nichts als dem Anspruch auf ein Volk gegenüber. Auch wenn sich die Volksmassen mehrheitlich unter ihre aus der realsozialistischen Politfolklore übernommene und nun absolut gesetzte Definition als Kasachen, Turkmenen, Georgier etc. einsortieren, Gründe, sich deswegen den neuen politischen Repräsentanten verpflichtet zu fühlen, stiftet das nicht; umgekehrt verfügen sie noch über genügend staatsmoralische Maßstäbe, um sich unentwegt schlechtes Regieren zu bestätigen. Ihre Loyalität ist auf vorpolitische Gemeinschaften geschrumpft, auf Clanbeziehungen, in denen die Probleme des Überlebens angegangen werden, oder auf Religionsgemeinschaften, die sich gar nicht darauf beschränken, bloß den passenden Reim auf die schlechte Welt zu verkünden, sondern glatt auf die Gestaltung des Gemeinwesens Einfluss nehmen wollen. Zwar sind die Völker mehr mit Überleben als mit der Veranstaltung von Aufständen befasst, Konkurrenten um die Macht gibt es aber schon. Die stammen regelmäßig aus den Reihen der Herrschenden selbst; denn wenn das Nationalstaatsprogramm produktiv ist, dann im Hinblick auf die Erzeugung von Unzufriedenheit – sei es mit der nationalen Machtentfaltung, die nicht vorankommt, sei es mit dem Ruin der Nation, der dadurch vorankommt.

Die Beziehungen dieser Staaten untereinander tragen auch nicht zu ihrer Stabilität bei, sondern sind vorwiegend von Feindschaft, nämlich dem wechselseitigen Verdacht geprägt, dass die andere Seite auf die Untergrabung der eigenen Herrschaft aus ist. Auch in der Hinsicht ist die Sicherung der schwächlichen Staatsmacht der mit Abstand wichtigste Punkt im Staatsprogramm.

2. Die Länder Zentralasiens aus amerikanischer Sicht

a) sicherheitspolitisch – eine einzige Katastrophe

An diese Staaten ergeht also der Anspruch, sie hätten auf ihrem Territorium zuverlässig alle Umtriebe zu unterbinden, denen Amerika den Kampf angesagt hat. Was eine ziemlich absurde Seite hat. Dummerweise handelt es sich bei diesen Staaten nämlich um solche, die in so gut wie keiner Hinsicht Herr ihrer inneren und äußeren Verhältnisse sind. Nicht wenige von ihnen stehen auf der Kippe und drohen in die Kategorie „failing states“ abzudriften, was von Amerika deswegen mit großer Sorge beobachtet wird, weil sie in ihrem Zustand als Erfüllungsgehilfen amerikanischer Sicherheitsinteressen gänzlich versagen – genau genommen sind sie mit diesem Zustand selbst der Grund all der Übel, die sie bekämpfen sollen. Ihre Schwäche bekommt aus amerikanischer Sicht ein großes Gewicht: Sie bieten Raum für terroristische Umtriebe, latenten oder praktizierten Anti-Amerikanismus; auf ihrem Boden und von ihm aus agieren islamistische Bewegungen. An der Tatsache, dass geklärte Machtverhältnisse im Inneren und gesicherte Grenzen zwischen diesen Staaten und zum weiteren Ausland die Ausnahme sind, stört Amerika, dass sie mit ihren notorisch porous borders dem Anliegen to stop a variety of things moving across borders in keiner Weise gerecht werden können. Über ihre Grenzen hinweg findet weitgehend unbehindert ein florierender Drogen-, Menschen- und Waffen-Handel statt. Was letzteren anbelangt, stellen diese Länder für Amerika eine Gefahr erster Güte dar: Sie beherbergen ein brisantes sowjetisches Erbe, größere Ansammlungen von Waffen, die die Weltmacht auf ihrem ehemaligen Territorium hinterlassen hat, zudem Fabriken, Experten, sources of WMD, die unschädlich gemacht sein wollen, weil den dortigen Mächten kein vernünftiger Umgang damit zuzutrauen ist. Die Regierungen haben gar nicht die Mittel, die von Amerika inkriminierten Geschäfte zu unterbinden – und zumeist auch nicht den Willen dazu, da die Mannschaft, die an der Macht ist, an diesen Geschäften mitverdient und sich darüber überhaupt erst die Geldmittel verschafft, die sie zur Bewältigung ihrer Affären benötigt. Ebenso das Staatspersonal, das eine der wenigen Gelegenheiten zu Geld zu kommen, diejenige, sich an der Grenze bestechen zu lassen, gerne wahrnimmt.

Diese Staaten sind für Amerika ein imperialistisches Problem eigener Art: Aus Mangel an herrschaftlicher Gewalt können sie der anspruchsvollen Auftragslage, mit der Amerika sie konfrontiert, nicht entsprechen; vielmehr sind sie deswegen immer auf dem Sprung, die Macht, über die sie gebieten, falsch zu gebrauchen. So gesehen, haben sie aus amerikanischer Sicht dann wieder zu viel Macht: Eigenmächtig zetteln sie Konflikte an und pflegen Feindschaften, die Amerika nicht bestellt hat – Konfrontationen im Fergana-Tal, an der Grenze zwischen Usbekistan, Kirgistan und Tadschikistan, ein mühselig eingefrorener Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan –, Auseinandersetzungen, die bloß die Stabilität in der Region bedrohen, auf die Amerika ein Recht hat. Ihre Konfliktlinien, aber auch die politischen und ökonomischen Arrangements, die sie treffen, liegen quer zu dem Freund-Feind-Schema, in das sie Amerika einsortieren will. So unterhalten sie gute Beziehungen zu Schurkenstaaten wie dem Iran; sie haben sich auch mit den Taliban arrangiert. Und Amerika macht sich Sorgen, dass sie in falsche Hände fallen könnten: We do not need more Afghanistans.[3]

b) energy-mäßig betrachtet – ein von Amerika zu erschließendes und der richtigen Zweckbestimmung zuzuführendes Potential

„Das Kaspische Becken birgt ein gigantisches Potential, welches die Möglichkeit zur Ausweitung der Produktion von 1,6 Millionen Barrel pro Tag im Jahr 2001 auf 5 Millionen im Jahr 2010 bietet. Dies wäre das größte von der OPEC unabhängige Produktionswachstum in der Welt. Dieses Öl aus der unzugänglichen (‚land-locked‘) Region über mehrere Pipelines zu den Weltmärkten zu transportieren ist seit Mitte der 90er-Jahre ein Hauptanliegen amerikanischer Außenpolitik. Zusätzlich zu größerer Energie-Sicherheit wird diese Politik auch dazu beitragen, die Selbständigkeit und ökonomische Lebensfähigkeit der neuen Nationen in der Region zu stärken.“ [4]

Dass es mit der „ökonomischen Lebensfähigkeit der neuen Staaten in der Region“ nicht so gut steht, seit sie sich besagten Weltmärkten geöffnet haben, ist selbstverständlich völlig unerheblich. Dank ihrer Öffnung, für die Amerika ja von der kalten Feindschaftserklärung bis hin zur Vorbereitung der kriegerischen Vernichtung der Sowjetunion alles getan hat und auf der es ihnen gegenüber weiterhin unerbittlich besteht, stellt sich nur mehr eine Frage: die nach dem Nutzen dieser Staaten für das kapitalistische Weltgeschäft. Und da können sich manche von ihnen glatt noch glücklich schätzen, dass sie dem überhaupt etwas zu bieten haben: Zufällig sitzen sie auf größeren Öl- und Gas-Vorkommen, mit denen die Weltmärkte etwas anfangen können. Diese Vorkommen sind seit Mitte der 90er-Jahre Gegenstand amerikanischer Außenpolitik, womit also entschieden wäre, für wen sie ein Potential sind. Selbstverständlich nicht für die Staaten, auf deren Territorium sie sich befinden, sondern für Amerika – schon allein deshalb, weil sie ja gar nicht über das Kapital verfügen, ohne das in der Marktwirtschaft kein Rohstoff an die Erdoberfläche befördert werden kann. Nicht nur deswegen geht die Vorstellung, die oben zitierter Mr. Larsen nahe legen möchte, es gebe da ein Transportproblem, das mittels amerikanischen Kapitals und amerikanischer Pipelines gelöst sein will, damit die im Kaspischen Becken lagernden Energieträger dort nicht auf ewig land-locked eingesperrt bleiben müssen, an der Sache, um die es den Vereinigten Staaten zu tun ist, ein wenig vorbei. Die Energieträger würden schon auch ohne freundliche Unterstützung der amerikanischen Außenpolitik ihren Weg zu den Weltmärkten finden, z.B. über die russischen Leitungsnetze – und wohin sonst sollten sie verbracht und verkauft werden? Worum es den Amerikanern geht, wenn sie es sich nicht nehmen lassen, diese Vorkommen höchstpersönlich den Weltmärkten verfügbar zu machen, und was sie meinen, wenn sie von energy-security reden und von einer unabhängigen Weltenergieversorgung, die mittels der Erschließung dieses „tremendous potential“ durch amerikanische Konzerne überhaupt erst so richtig unabhängig gemacht werden soll, das erschließt sich unzweideutig aus dem Hinweis auf die OPEC. Die USA betrachten die Öl- und Gasvorkommen im Kaspischen Becken als ihr Instrument zur Beseitigung einer von ihnen für unerträglich befundenen Abhängigkeit des kapitalistischen Weltgeschäfts von den Förderländern.[5] Die höheren imperialistischen Berechnungen, die sie an die Erschließung dieser Vorkommen knüpfen, gehen darauf, die Weltenergieversorgung von jeder auch nur denkbaren politischen Einflussnahme zu befreien. Wirkliche Unabhängigkeit gibt es auf diesem Feld für sie überhaupt erst dann, wenn es ihnen gelungen ist, durch die Vervielfältigung von Förderländern deren Konkurrenz so anzustacheln, dass denen jede Möglichkeit zur politischen Einflussnahme auf diesen Markt genommen ist. Das richtet sich erstens an die Adresse der OPEC-Staaten, die zwar schon längst nicht mehr fähig sind, so etwas wie ein Preiskartell auf die Beine zu stellen, die aber immer noch mit den Preisen ihres im Westen benötigten Rohstoffs Politik machen. Zweitens dürfen aber auch die „neuen Nationen“ in Zentralasien, noch bevor sie in ihre kapitalistische Funktion als Förder- und Durchleitungsländer so richtig eingesetzt sind, zur Kenntnis nehmen, dass das „tremendous potential“, über das sie hoheitlich gebieten, seine wahre imperialistische Zweckbestimmung darin hat, das Geschäft mit den Energieträgern von jeglichem Zwang zur Rücksichtnahme auf die Berechnungen von ihresgleichen zu befreien. Drittens zielt die Stiftung von „more energy security“, so, wie Amerika sie versteht und betreibt, auf den Ausschluss gewisser lokaler Schurkenstaaten vom Geschäft mit den kaspischen Rohstoffen:

„Steven Mann unterstrich, dass der Iran sich an keinen regionalen Energieprojekten beteiligen könne: ‚Grund dafür ist die Unterstützung des Terrorismus, die Torpedierung des Friedensprozesses im Nahen Osten und die negative Haltung bezüglich Massenvernichtungswaffen‘.“ [6]

Und viertens soll Russland aus diesem Geschäft herausgedrängt werden. Diesen Zweckbestimmungen lassen sich Öl und Gas tatsächlich nur über amerikanische Pipelines zuführen.

c) politisch – nicht gefestigt

In ihrer Eigenschaft als ehemalige Bestandteile der Sowjetunion und heutige GUS-Staaten sind die Länder Zentralasiens nach wie vor irgendwie Sphäre russischen Einflusses. Sie diesem Einfluss zu entziehen ist das wichtigste strategische Anliegen, das die USA in dieser Region verfolgen. Russland ist in der Rolle eines ‚Stabilitätsfaktors‘ in der Region unerwünscht, es wird von Amerika nicht mit Ordnungsfunktionen bedacht. Entsprechende Anträge Russlands, im „gemeinsamen Kampf gegen den internationalen Terrorismus“ von Amerika die Rolle einer regionalen Ordnungsmacht zuerkannt zu bekommen, wurden zurückgewiesen. Für Amerika ist Russland auch nach seiner Abkehr vom verkehrten System und seiner Wende zum richtigen immer noch und bis auf weiteres die Großmacht, die sich in die amerikanische Weltordnung nicht einbauen lässt. Amerika begegnet ihm mit dem Misstrauen gegenüber einer „schwachen Großmacht“, von der es weiß, dass sie in ihren Ambitionen in keiner Weise saturiert ist – woraus nach imperialistischer Logik nur eines folgen kann: dass ihre Macht, sich in der Welt Respekt und Anerkennung zu verschaffen, und ihr Einfluss immer noch viel zu groß sind und weiter eingedämmt und zurückgedrängt werden müssen.

Das einzige, aber auch entscheidende politische Plus der GUS-Staaten besteht aus amerikanischer Sicht daher darin, dass sie nunmehr „independent“ sind und ihre Unabhängigkeit von Russland – ihre Befreiung aus „russischer Fremdherrschaft“ – als die größte Errungenschaft ihres Systemwechsels betrachten. Dass sie unabhängig bleiben, ist die erste Sorge der USA. Schließlich weiß man in Washington auch, dass staatliche Unabhängigkeit für einen Staat kein Lebensmittel in dem Sinn ist und die betreffenden Staaten in ihren elementaren Überlebensinteressen in mancherlei Hinsicht von Russland materiell abhängen. Ihnen wird daher der gar nicht so abwegige Verdacht entgegengebracht, sie könnten aus Not rückfallgefährdet sein. Als „countries in transition“ sieht man sie auf dem Weg in die amerikanische Weltordnung, doch auf diesem Weg noch lange nicht angekommen. Das stellt sich aus amerikanischer Sicht als der entscheidende Unterschied dar, wenn man den Blick vom strategischen Raum westlich von Russland auf den strategischen Raum südlich von Russland richtet. Während dort die Nationen zum größten Teil erfolgreich eingetütet sind –

„Die Erweiterung der EU wird diese Nationen, von denen die meisten Mitglieder des sowjetischen Blocks waren, in den Westen einzementieren (cement into the West)“[7] –,

und die verbleibenden Nationen östlich des europäischen Erweiterungsgebiets – Weißrussland, Moldawien und die Ukraine – zum Objekt einer „Nachbarschaftspolitik“ der EU gemacht und im Rahmen derselben sorgfältig überwacht werden, gibt es hier für „die Integration“ noch viel zu tun – und lauter dubiose Nachbarstaaten. Was die Staaten Zentralasiens vermissen lassen – und da mögen die Regierenden noch so oft ihren Willen bekunden, die Zukunft ihrer Nationen marktwirtschaftlich und demokratisch zu gestalten –, ist eine im Sinne des Westens gefestigte Staatsräson. Sie sind eben noch nicht eingebunden in lauter Abhängigkeiten, die für jeden, der dort an die Regierung kommt, den Charakter einer feststehenden Geschäftsordnung haben, so dass Personalwechsel in der Führung ihre Ausrichtung nicht mehr in Frage stellen können.

3. Amerika nimmt eine Region unter Kontrolle – mischt sie also auf

9/11 and Afghanistan haben Amerika nach eigenem Bekunden verstärkt von der Wichtigkeit überzeugt, of not letting these states fail. Our big strategic interests in Central Asia … are not temporary.[8] Wie es sich für eine Weltmacht gehört, die sich für die Weltordnung zuständig weiß, bezieht sich Amerika auf diese Staaten gar nicht erst als staatliche Subjekte, die mit eigenen Interessen und Ambitionen unterwegs sind. Es hat eine Vision – Our vision is simple - für diese Staaten nämlich, und es stellt damit klar, dass diese überhaupt erst mit ihrem Lebenszweck vertraut und für ihn zurecht gemacht werden müssen. Seine vision ergibt sich daraus, dass es seine strategischen Interessen in die Region projiziert, den dort ansässigen Souveränen ihre Rolle zuweist und ihnen für diese Rolle eine neue Existenzgrundlage in Aussicht stellt. In der Indienstnahme der Staaten vor Ort geben sich die USA gewissermaßen staatsgründerisch; wahr ist daran so viel, dass Amerika diese Staaten gründlich umkrempelt: Es schafft sich seine Kreaturen, indem es diesen Staaten Angebote macht, die sie in ihrem kaputten Zustand kaum ablehnen können, verknüpft mit Aufträgen, die sie erst recht nicht ablehnen können. Und beides – Angebote wie Aufträge – umfasst im Prinzip ihre ganze militärische, ökonomische und politische Existenz.

a) Die militärische Inbesitznahme der Region und die Zurichtung der dortigen Staaten als Dienstleister dafür

Nach der eher rhetorischen Anfrage, ob es denn auch recht sei, haben die USA diverse Staaten der Region als Dienstleister und Stützpunkte für ihre Kriege in Afghanistan und im Irak in Anspruch genommen; Usbekistan wurde zum Pfeiler der amerikanischen Luftbrücke für den Afghanistan-Krieg ausgebaut; kleinere Stützpunkte wurden in Kirgistan und Tadschikistan eingerichtet. Und nachdem diese Kriege einerseits so recht kein Ende finden wollen, andererseits mit diesen Kriegen auch noch längst nicht alles erledigt ist, was man in der Krisenregion Naher und Mittlerer Osten zu erledigen gewillt ist, wird die zeitweilige Präsenz amerikanischen Militärs zur Dauereinrichtung in diesen Ländern, provisorische Stützpunkte für den Afghanistan-Krieg werden schlicht zu Trainingsbasen umdefiniert[9]; und die jeweiligen Regierungen werden dazu auch nicht einmal mehr der Form halber befragt. Die Anzahl der Stützpunkte in der Region nimmt nicht nur durch die gewonnenen Kriege zu; nun stehen US-Kräfte ja auch in Afghanistan und im Irak. Getrennt davon wird die militärische Kooperation mit Georgien eröffnet und ausgebaut, weil man das, was man im Kampf gegen den „internationalen Terrorismus“ dort für nötig hält, lieber selber in die Hand nimmt, als die Entscheidung darüber den Russen zu überlassen. Derzeit richten sich die amerikanischen Begehrlichkeiten außerdem verstärkt auf Aserbaidschan als Basis für die umfassende Kontrolle des Kaspischen Meeres: Aserbaidschan liegt strategisch bedeutsam am Kaspischen Meer, welches offizielle Stellen als Wasserstraße für die Gegner Amerikas beschreiben.[10] Mit dem Argument: „liegt strategisch bedeutsam“ ist völlig zureichend begründet, dass Aserbaidschan als amerikanische Aktionsbasis in dieser energie-strategisch interessanten und auch deshalb territorial umstrittenen Region zur Verfügung zu stehen hat. Kombiniert mit dem allfälligen Hinweis auf terroristische Umtriebe begründet dieses Argument das absolute Recht Amerikas, von Aserbaidschan aus das Kaspische Meer gleichzeitig unter Wasser und über Wasser, aber auch den Luftraum über dem Kaspischen Meer überwachen zu können.[11]

Amerika unterstellt den zentralasiatischen Krisengürtel so zunehmend seiner unmittelbaren militärischen Aufsicht und sichert sich die Kontrolle über das Geschehen in und zwischen den Staaten vor Ort. Dies hat für die Länder, die sich darauf einlassen, einerseits den Charakter von Militärhilfe; es ist ein Beitrag zu ihrer Stabilität, die sie selber nicht hinkriegen. Amerika ist ihnen dabei behilflich, ihre Grenzen zu sichern, ihr Hoheitsgebiet zu kontrollieren, unerwünschte Umtriebe zu bekämpfen – und damit elementaren amerikanischen Sicherheitsbedürfnissen nachzukommen. Sie kriegen so eine militärische Existenz als Unterabteilung der amerikanischen Militäraufsicht über die Region verpasst und auch spezielle Funktionen zugewiesen: z.B. für den Schutz einer Pipeline zu sorgen. Als eine solche Unterabteilung sind sie andererseits dann aber zugleich Objekt dieser Aufsicht. Sind erst mal US-Militärberater im Land oder ist ein US-Stützpunkt in der Nachbarschaft, wirft das für die lokalen Herrschaften nämlich schon ein wenig die Frage auf, welche Eigenmächtigkeiten sie sich noch leisten können. Sie müssen sich z.B. fragen, ob sie sich einen Gefallen damit tun, wenn sie einen Antrag der USA, sich als Basis für deren Feindschaften herzugeben, ablehnen (wie im Falle Turkmenistans geschehen, das sich im Krieg gegen Afghanistan lieber seine Neutralität bewahren wollte;[12] oder wenn sie die Bereitschaft zur Kooperation bei der Entschärfung des von ihnen geerbten Waffenpotentials vermissen lassen (wie im Fall Kasachstan, das nicht einsehen wollte, warum es überflüssige MIGs nicht nach Nordkorea verkaufen sollte).

Auch wenn die militärische Inbesitznahme Zentralasiens durch die USA noch lange nicht fertig ist, sie macht Fortschritte: Der zum Schurkenstaat erklärte Iran ist mittlerweile von mehreren Seiten her militärisch eingekreist. An der Westgrenze Chinas, der aufstrebenden Macht im Fernen Osten, hat man sich mit mehreren Kontrollposten festgesetzt. Und die militärische Umschließung Russlands, die im Westen weitgehend perfekt ist, kommt so Stück für Stück auch im Süden voran. Für Washington ist das sozusagen der logisch nächste Schritt in der Perfektionierung der amerikanischen Weltherrschaft, der auch der NATO wieder einen neuen Lebenssinn geben würde:

„Der Auftrag der NATO besteht immer noch darin, Europa und Nordamerika zu verteidigen. Aber wir glauben nicht, dass wir das hinbekommen, indem wir uns in Westeuropa, in Mitteleuropa oder in Nordamerika zur Ruhe setzen. Wir haben uns in unserer konzeptionellen Arbeit und mit unseren militärischen Kräften dem Osten und Süden zuzuwenden. Wir glauben, dass die Zukunft der NATO im Osten und Süden liegt. Es ist der Greater Middle East.“ [13]

Die europäischen Partner und imperialistischen Mitkonkurrenten müssen sich dafür nur noch einspannen lassen.

b) Von der Bewirtschaftung der Region

Erstes Anliegen der amerikanischen Weltmacht ist es, diese Weltgegend unter ihre Kontrolle zu bringen, sie fremden Einflüssen zu entziehen und zu ihrer Einflusssphäre zu machen. Sie pflanzt sich als Aufsichtsmacht militärisch in sie hinein und besteht auf diese Weise in einer ganz abstrakten Hinsicht auf ihrer Zuständigkeit: Gleichgültig dagegen, ob sie mit den dortigen Ländern und ihrem Inventar ökonomisch überhaupt etwas anzufangen weiß und tatsächlich nur sehr bedingt an ihrer Benutzung und Nutzbarmachung interessiert, beschlagnahmt sie diese für ihre strategischen Interessen.

Insofern, als die Staaten dieser Region an ihrem Unvermögen laborieren, dem einmal beschlossenen marktwirtschaftlichen Geldverdienen nachzukommen, nimmt es sich für sie zumeist sogar wie ein Angebot aus, wenn sich die USA anschicken, den strategisch wie ökonomisch interessanten Besitzstand dieser Staaten für sich zu erschließen und Anstrengungen zur Monopolisierung des strategisch wichtigen Geschäfts mit Erdöl und Erdgas unternehmen. Dieses Vorhaben schließt ein die Kontrolle über die lokalen Hüter des strategischen Rohstoffs, seine Förderung, die Transportwege, die Handelsbeziehungen, ist also letztlich und idealer Weise erst fertig, wenn die bewährten Multis das Geschäft von A bis Z im Griff haben. In der Hinsicht ist noch längst nicht alles geklärt. Offen ist vor allem noch die für die Rentabilität der Baku-Ceyhan-Pipeline ziemlich entscheidende Frage, ob sich Kasachstan darauf verpflichten lässt, sein Öl statt wie bisher in das russische Netz in die amerikanische Linie einzuspeisen. Aus diesem Grund findet zurzeit ein heftiges Gezerre zwischen Russland und Amerika um Kasachstan statt. [14] Klar aber ist, was für ein Vorhaben die Amerikaner da verfolgen und was das für die Staaten vor Ort bedeutet. Was ihre ökonomische Existenz betrifft, sind sie darin als Derivat der höheren strategischen Rechnungen vorgesehen, die Amerika mit der Region und ihren Reichtumsquellen anstellt. Mit dem Bau der von Amerika projektierten Pipeline-Trassen bekommen die an diesen Projekten beteiligten Staaten nicht nur ein für den Abtransport ihres natürlichen Reichtums notwendiges Stück Infrastruktur ins Land gestellt, sondern auch gleich noch eine fertige Definition ihrer Einkommensquelle sowie einen Daseinszweck für ihre Herrschaft mitgeliefert. Sie haben ihren Beitrag zur energy-security zu leisten, sie haben nicht nur für den Schutz einer Pipelinetrasse zu sorgen, sondern durch zuvorkommende Behandlung der auswärtigen Pipelinebetreiber auch gleich noch für deren Geschäftserfolg gerade zu stehen[15] – und dafür kriegen sie dann z.B. Lizenz- oder Durchleitungsgebühren.

Nach diesem Muster – Geld für konkrete Dienstleistungen – wird von Amerika überhaupt für die finanzielle Ausstattung der lokalen Herrschaften gesorgt bzw. genauer gesagt: unmittelbar die Finanzierung der Dienste organisiert, die man von ihnen haben will. Denn so, wie die meisten dieser Staaten ökonomisch beieinander sind, bekommen sie über einen regulären Staatshaushalt sowieso nicht die Finanzierung eines Staatsapparats hin, dem man alles Mögliche abverlangen könnte. In diesem Sinne listet ein Bericht der für „European and Eurasian Affairs“ zuständigen Abteilung in der US-Administration Hilfsprogramme auf, die Aufgaben für die dortigen Regierungen definieren und mit Finanzmitteln dotieren. Sehr sachgerecht, was die amerikanischen Bedürfnisse betrifft, steht dabei „border control“ im Vordergrund samt schlagkräftigen „interdiction capabilities“. Geld gibt es dafür für US-Stützpunkte und was so alles dazu gehört, von den Landerechten bis zu Freizeit-Facilities. Außerdem wollen die USA „Russland und den anderen eurasischen Staaten in den nächsten 10 Jahren 10 Milliarden $ zur Verfügung stellen für die Reduzierung von Bedrohungspotentialen, für Sicherheit und Hilfen zur Nicht-Weiterverbreitung“, inkl. „demilitarisation of former chemical and biological weapons facilities“. Finanzmittel fließen auch für Anstrengungen zur Seucheneindämmung und Armutsbekämpfung inkl. „water saving demonstration models for farmers“; für „counternarcotics efforts“, für eine „American University of Central Asia in Bishkek“, „human rights training for police“ – also für good governance im besten Sinne des Wortes.

In der Indienstnahme dieser Staaten verhalten sich die USA rücksichtslos gegen deren nationale Versuche, trotz des weitgehenden marktwirtschaftlichen Scheiterns über die Runden zu kommen; von der Bevölkerung und ihren Bemühungen um eine Subsistenz ganz zu schweigen. So schließen die verlangten Dienstleistungen im Rahmen der Grenzsicherung selbstverständlich das Vorgehen gegen, also den Verzicht auf die von den Amerikanern verbotenen Geschäfte ein; wenn diese gar nicht zufälligerweise zu den wesentlichen Einkommensquellen und Lebensmitteln der dortigen Staaten oder der dort ansässigen Bevölkerung gehören, so ist das deren Problem; Ersatzleistungen werden für den Verzicht auf derlei Geschäfte jedenfalls keine geboten; er ist einfach im Preis mit eingeschlossen, wenn man mit Amerika weiterhin auf gutem Fuß stehen will. Das gilt auch und in noch größerem Maße für ökonomische Beziehungen mit dritten Staaten, die den USA strategisch nicht ins Konzept passen. Die haben zu unterbleiben – gleichgültig dagegen, wie wichtig und unverzichtbar sie für die nationale Bilanz der betreffenden Staaten und den Bezug ihrer Herrschaftsmittel auch immer sein mögen oder sein könnten.

Mit dem, was die lokalen Herrschaften für ihre Dienste an der amerikanischen Weltordnung an Tantiemen geboten kriegen, lässt sich andererseits kein Staat machen. Eine wie auch immer geartete Bewirtschaftung dieser Region ist eben gar nicht im Programm der US-Weltordnung. Ihre Beschlagnahmung lässt ihnen auch keine Chance, ihr nation-building irgendwie anders hinzubekommen, weil die Herrschaft und deren Mittel damit schon verplant sind. Es ist ihr Pech, dass der Imperialismus sie zwar zum Objekt seiner möglichst exklusiven Zuständigkeit macht, mit ihnen aber gar nicht viel Nützliches anzufangen weiß. Die Festlegung ganzer Staaten auf die Rolle eines Treibstoff-Durchleitungslandes, die Funktion des Grenzschutzes oder eines US-Stützpunktes zementiert im Rest der Gesellschaft den Zerfall, der seit dem Abdanken der Sowjetunion dort eingetreten und in wüsten Erscheinungsformen zu besichtigen ist. Was aus imperialistischer Perspektive zu beklagen ist, dass diese failing states ihren Laden nicht unter Kontrolle haben und keine Stabilität garantieren können, ist also bei weitem nicht die ganze Wahrheit über die dortigen Verhältnisse. Dort ist vielmehr gar nicht viel Brauchbares vorhanden, was die zuständige Staatsmacht zusammenzuhalten hätte. Und das entgeht selbstverständlich auch der amerikanischen Aufsichtsmacht nicht, die diesen Staaten dann eben den Auftrag erteilt, wenigstens all das Unbrauchbare unter Kontrolle zu halten und auf ihr Armenhaus aufzupassen, auf dass von ihrem Territorium nicht Flüchtlingsströme, antiamerikanische Umtriebe und andere Wirkungen ausgehen, die die amerikanische Weltordnung stören könnten.

Wenn Amerika die Staaten vor Ort für seine strategischen Interessen in Anspruch nimmt und die Regierungen dieser Staaten dafür als Instrumente einspannt, so ist von diesen Regierungen also einiges an Rücksichtslosigkeit gegen deren nationale Belange gefordert. Die Durchsetzung der amerikanischen Ansprüche findet daher in der Form der dauerhaften und dauerhaft institutionalisierten erpresserischen Einflussnahme auf die Regierungsgeschäfte statt.

c) Regieren unter amerikanischer Betreuung

Wie man in Washington weiß, brauchen die Staaten viel „Hilfe“ bei der transition, die Amerika für sie vorsieht, weil sie selbst immer noch viel zu sehr an sich und ihre Drangsale denken. Man geht davon aus, dass ihre „transition an uneven, long-term, generational process“ ist, in dem es darum geht, den Regierungen ihren eigenen Willen zum Wechsel zu Demokratie & Marktwirtschaft immer und immer wieder als Sachnotwendigkeit vorzubuchstabieren, ihren Widerstand gegen ‚Reformen‘ aufzugeben, d.h. sich den Anforderungen, die die amerikanische Weltmacht an sie stellt, zu unterwerfen:

„Wenn wir mit den Führern der zentralasiatischen Länder sprechen, erinnern wir sie immer wieder daran, dass sie sich ordentlich anstrengen müssen, um ihren eigenen Versprechen und internationalen Verpflichtungen in Sachen demokratischer Pluralismus und ökonomische Öffnung nachzukommen.“ [16]

Da die dortigen Regierungen bei der Finanzierung ihrer Herrschaft weitgehend von den Amerikanern abhängig sind bzw. zunehmend abhängig gemacht werden, wächst denen eine weitreichende Erpressungsmacht zu. Und die setzen die USA auch jederzeit freimütig zur Belehrung uneinsichtiger Regierungen ein. Die werden zur Aufgabe von Rücksichten auf ihre nationalen Belange genötigt, und wenn sie sich dazu nicht nötigen lassen, haben sie ihren Kredit verspielt, im ökonomischen wie im politischen Sinn. Bei Mangel an Dienstbeflissenheit droht ihnen, wie im Falle Georgiens durchexerziert, ihre Amtsenthebung – oder die amerikanische Weltmacht dirigiert die Mittel einfach an ihnen vorbei, in die Hände von Organisationen und Agenturen, die sich Amerika als seine politischen Instrumente dort aufbaut:

„Nachdem viele Regierungen sich weiterhin Reformen widersetzt haben, lenkte die US-Regierung ihre Hilfsmittel um, weg von den Zentralregierungen hin zum Graswurzel-Niveau (grassroots level), mit besonderem Nachdruck auf Programmen zum Schüleraustausch und Internet-Zugang, Unterstützung von NGOs, unabhängigen Medien, Kleinbetrieben und reformwilligen Regionen und Städten.“ [17]

Es muss aus amerikanischer Sicht eben gar nicht von Übel sein, wenn diese Regierungen ihr Land nicht unter Kontrolle haben. Mit den Zerfallsprodukten dieser Staaten kann man jedenfalls auch prächtig ins Geschäft kommen und Politik machen. Sie erweisen sich womöglich sogar als handlichere Partner als so eine „Zentralregierung“. Im Falle fortgesetzter „Reformunwilligkeit“ werden den Regierungen daher von Amerika auch einmal ganze Regionen und Städte ausgespannt, um sie als Instrumente des amerikanischen Imperialismus einzuspannen. Dass die Medien und andere Institute in so einem Land von der Regierung unabhängig agieren, sie sich nicht als deren Instrumente bewähren, wird dann zu ihrem herausragenden Gütesiegel. So freilich untergräbt Amerika mit seiner Einflussnahme auch noch die Momente von Loyalität, auf die die Regierungen vor Ort bauen könnten und die sie herzustellen suchen.

Wenn so ein auf Graswurzel-Niveau heruntergebrachtes Land sich am Ende dann auch noch in den Hinsichten als unbrauchbar erweist, in denen es den USA auf seine Brauchbarkeit unbedingt ankommt, dann freilich darf man sich sicher sein, dass die dort herumfuhrwerkende Weltmacht die Schuld daran der zur Ohnmacht verurteilten Regierung gibt. Die trifft dann der notorische Vorwurf der Korruption – schließlich bleibt sie die Leistungen schuldig, für die sie von Amerika Geld bekommen hat.

III. Russland kämpft um seinen Platz in der Welt

1. Der Standpunkt, mit dem russische Antikommunisten die Sowjetunion in die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten aufgelöst haben

Wenn russische Politiker die GUS-Staaten als unser nahes Ausland bezeichnen, so unterstreichen sie damit einerseits die geostrategische Bedeutung, die diese Staaten für Russland haben und in der sie von Russland beansprucht werden. Als westlich und südlich angrenzende Nachbarn sind sie für die Sicherheit Russlands in elementarer Weise von Belang. Was in ihnen vorgeht, berührt unmittelbar den Schutz seiner Grenzen, seines Territoriums, des russischen Volks – immerhin leben 20 Millionen Russen in diesen Staaten. Die GUS-Staaten stellen ein strategisches Vorfeld zur von Amerika und Europa beherrschten Staatenwelt dar. In diesem unterhält Russland Militär-Stützpunkte eigener Art. Aus historischen Gründen, aufgrund der gemeinsamen sowjetischen Vergangenheit, befinden sich jenseits der eigenen Grenzen, also unter fremder Hoheit, integrale Bestandteile des russischen Verteidigungsapparates – Häfen, Anlagen der Luftraum-Überwachung, der Raumfahrt. Dasselbe gilt für die zivile Infrastruktur, die Energieversorgung, die Verkehrswege. Von der Sowjetunion geschaffen, haben auch diese nach deren Ende eine ihrem Funktionieren ziemlich abträgliche Aufsplitterung unter diverse fremde Hoheiten erfahren.

Mit dieser geostrategischen Definition verknüpft sich in der Rede von unserem nahen Ausland eine verwegene politische Einschätzung. Gemeint ist mit ‚Nähe‘ schon auch immer, dass diese Staaten für Russland ein sicherer Posten sind. Bis neulich jedenfalls meinte man in Russland, davon ausgehen zu können, dass die nationalen Spaltprodukte der Sowjetunion, auch wenn sie nun als unabhängige Staaten ihre eigenen Rechnungen anstellen, Russland weiterhin verbunden und Sphäre russischen Einflusses bleiben würden. Man meinte, sich darauf verlassen zu können, dass sie für sich gar nicht existenzfähig und in den elementaren Fragen ihrer staatlichen Existenz von Russland weiterhin abhängig sind und sich deshalb, schon aus nationalem Eigeninteresse, positiv auf Russland beziehen müssten. Dass sie zu einer militärischen Selbstbehauptung nur im Zusammenwirken mit der russischen Militärmacht fähig und bei der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der technischen Ausrüstung ihres Militärs auf den militärisch-industriellen Komplex in Russland angewiesen sind; dass sie mit ihren Versorgungs- und Transportnetzen an Russland angekoppelt sind; dass über dessen Gebiet und über dessen Unternehmen zumeist auch ihre Geschäfte mit dem westlichen Ausland abgewickelt werden; dass ihre Führungs- und Expertenposten mit Russen besetzt sind – all diese Abhängigkeiten verbuchte man in Russland quasi als Garantie dafür, dass man als regionale Vormacht dort respektiert würde. Als letztes und stärkstes Argument für diese Einschätzung wusste man das zwischen diesen Staaten und Russland eindeutig entschiedene Kräfteverhältnis auf seiner Seite.

Die neuen, von der Überlegenheit von Demokratie und Marktwirtschaft überzeugten Herren im Kreml, die durch die Zerlegung der sowjetischen Großmacht an die Macht gekommen waren – sie haben dem Streben nach nationaler Unabhängigkeit, das sich in mehreren Sowjetrepubliken gerührt hatte, Recht gegeben, weil sie in ihm einen wirksamen Hebel zur Zerschlagung der Macht der KPdSU ausgemacht hatten –, wollten anfänglich nicht wahrhaben, dass Moskaus Einfluss geschwunden ist; dass ihr Russland es nun mit Ausland zu tun hat. Sie haben einfach so getan, als gäbe es da einen Automatismus, der ökonomische und sonstige nützliche Abhängigkeiten dann schon verlässlich in politische Willfährigkeit überführen und Russland seine Vorherrschaft über seine Nachbarn sichern würde. Nicht gebührend in Rechnung gestellt haben sie, was es heißt, dass jetzt ‚nationale Unabhängigkeit‘ angesagt ist – obwohl man diesen Irrsinn kaum deutlicher hätte zur Vorführung bringen können: In ihrem Beschluss zur Gründung unabhängiger Nationen haben sich die politischen Führungen in den Republiken ja geradezu programmatisch zu einem Handeln bekannt, das sich grundsätzlich rücksichtslos gegen jede Sorte ‚ökonomische Vernunft‘ verhält. So profane Fragen wie die, wie man demnächst die Energieversorgung zu regeln gedenkt, zählen eben erst einmal nichts mehr, wenn und solange es darum geht, eine eigene Nation aufzumachen. Die nützlichen Beziehungen, die man bis neulich unterhalten hat, wurden von ihnen über den Haufen geschmissen. Weitaus bedeutsamer und erst einmal alles und allein entscheidend war für sie die Frage, wie man dem eigenen nationalen Standpunkt zur Durchsetzung verhelfen und ihn gegen seinesgleichen behaupten kann. Als Staatsgründer waren und sind sie erst einmal damit befasst, sich die von ihnen beanspruchten Machtmittel gewaltsam zu verschaffen, Grenzen zu definieren, ihre durchmischten Völker zu sortieren – d.h. sie kultivieren die herzlichsten Feindschaften gegen ihresgleichen sowie gegen die russische Vormacht, deren Anwesenheit in der Region von ihnen keineswegs als positive Existenzbedingung akzeptiert, sondern als mehr oder minder unerträgliches Hegemoniebestreben wahrgenommen wird.

Auf dieser Grundlage kommen für die neuen Staaten die nützlichen Beziehungen überhaupt erst wieder ins Spiel. Die sie betreffenden Fragen werden nun vom jeweiligen nationalen Standpunkt aus und gemäß der neuen marktwirtschaftlichen Rechenweise neu aufgeworfen, d.h. in der verwandelten Form von lauter zwischenstaatlichen Geld-, Rechts-, und Gewaltfragen, in denen das ausschließende nationale Mein contra Dein das Entscheidende ist. Und eben diese Fragen sind nun der Stoff, um den in ihrer wunderbaren ‚Gemeinschaft unabhängiger Staaten‘ gerungen wird: Soweit man aufeinander angewiesen ist, werden die Dienste nun nur mehr gegen Bezahlung geleistet. Auf diesem marktwirtschaftlich unbedingt richtigen Grundsatz wird auch dann bestanden, wenn die Gegenseite zur Zahlung nicht fähig ist. Weil das des öfteren der Fall ist, unterbleibt viel von dem, was früher im Rahmen der sozialistischen Arbeitsteilung geregelt war. Mit der Macht, das benachbarte Ausland von überlebensnotwendigen Mitteln abzuschneiden, erpressen sich die staatlichen Subjekte wechselseitig zur Anerkennung der Ansprüche, die sie gegeneinander in Anschlag bringen – das prägt nun die politischen Beziehungen zwischen diesen Staaten.[18]

Schon von daher ist Russland, das diesen Wahnsinn federführend mit losgetreten hat, etwas ganz anderes zugewachsen als das Erbe einer gesicherten Vormachtstellung in einem ihm freundschaftlich verbundenen Umfeld. Südlich seiner Grenze erstreckt sich ein Krisengürtel, der seine Interessen in mehrfacher Hinsicht bedroht: Der Umgang seiner Nachbarstaaten mit russischen Minderheiten beschert ihm ein Flüchtlingsproblem; Bürgerkriege gefährden die Sicherheit seiner Außengrenzen und seine Rechnungen mit den betroffenen Staaten; tschetschenische Kämpfer operieren vom benachbarten Ausland aus gegen Russland; die betreffenden Regierungen sind entweder selber von einem antirussischen Nationalismus beseelt oder nicht fähig, dergleichen Umtriebe zu unterbinden; usw. usf.

Und was das entschiedene Kräfteverhältnis betrifft: Amerika nimmt sich der neuen Nationalismen an, um sie Russland abspenstig zu machen, und damit droht für Russland die Rechnung mit seinem ‚nahen Ausland‘ endgültig nicht mehr aufzugehen. Wenn schon für sonst nichts, für den Willen zur Emanzipation von Russland kriegen die GUS-Staaten jede Menge Rückhalt durch die USA und können es sich daher leisten, ihrem übermächtigen Nachbarn den Respekt auch in Angelegenheiten zu verweigern, die für ihn von vitalem Interesse sind. Russland sieht sich damit konfrontiert, dass ihm alles, was es als Grundlage seiner Vormachtstellung in seinem „nahen Ausland“ verbucht hatte, angefangen von den umfänglichen russischen Minderheiten bis zu seinen militärischen Stützpunkten und seinen Transportnetzen, zum Problem gemacht werden kann. Die vermeintlichen Hebel zur Beeinflussung und Kontrolle der Partnerstaaten geraten zur politischen Last, wenn die dortige Regierung die russische Präsenz für unerwünscht hält. Seine militärischen Vorposten und Einrichtungen werden unbrauchbar oder unhaltbar, wenn sich das jeweilige staatliche Umfeld – wie z.B. Georgien – mit westlicher Rückendeckung auf eine feindselige Linie festlegt.[19]

2. Russland sieht sich genötigt, seinen Standpunkt zu korrigieren

In Kreisen des russischen Militärs und der russischen Politik werden seit einiger Zeit Beschwerden laut – nach dem Motto: So haben wir nicht gewettet! Man sieht sich getäuscht. Von Seiten der USA und der NATO, aber auch der EU wird nicht, wie versprochen, honoriert, dass Russland sein sozialistisches ‚Experiment‘ aufgegeben hat, sich zum Kapitalismus hat bekehren lassen und damit alles getan hat, um die Gründe für die Jahrzehnte lang bestehende Feindschaft zwischen den beiden Lagern zu beseitigen. Stattdessen sind für die russischen Beobachter in der militärischen Planung des Westens und der westlichen Führungsmacht immer noch direkte und indirekte Komponenten der antirussischen Ausrichtung deutlich erkennbar. Aus dem versprochenen partnerschaftlichen Nebeneinander wird so recht nichts, stattdessen betreibt Amerika so etwas wie ein fortgesetztes containment – so, als gehöre ihm die ganze Welt. Den – daran gemessen bescheidenen – Ansprüchen Russlands, in seinem nächsten Umfeld für Stabilität und Sicherheit zu sorgen, wird die Anerkennung verweigert. Wo es sich entsprechend betätigt, wird ihm das Recht dazu bestritten. Es hat dann noch jedes Mal mit dem Vorwurf zu rechnen, es würde in alte hegemoniale Gewohnheiten zurückfallen. Im Bewusstsein der eigenen Rechte versucht man sich gegen solche Drohungen mit der alten Feindschaft dann schon einmal mit klaren Worten zur Wehr zu setzen, wer hier mit maßlosen Ansprüchen unterwegs ist:

„Jedenfalls erstrecken sich die Kampfaufgaben, von denen der (russische) Verteidigungsminister spricht, nicht über die Grenzen der russischen GUS-Nachbarn und deren Verbündete hinaus, während die NATO-Strategie die ganze Welt erfasst, also ein wesentlich größeres Territorium als die Nordatlantische Region, die als der militärische Zuständigkeitsbereich der ‚20‘ gilt.“

Auch die Marktwirtschaft hat man sich anders vorgestellt. Jedenfalls nicht so, dass die führende Weltmarktnation die Besitzverhältnisse in der Welt gewaltsam zu ihren Gunsten entscheidet, so dass Russland mit seinen Konzernen in die Konkurrenz um Märkte gar nicht erst hineinkommt bzw. da, wo es verankert war – siehe Irak – herausgeworfen wird:

„Die internationale Praxis liefert den russischen Generälen ständig Beispiele, wo einzelne Länder bzw. Ländergruppierungen, die unter der Flagge des Kampfes gegen den Terrorismus und die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen agieren, dabei das Völkerrecht ignorieren, während die Militärmacht für die Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen einzelner Staaten und großer transnationaler Gesellschaften eingesetzt wird.“ [20]

Worüber beschweren sich die Russen da eigentlich? Als hätten sie noch nie etwas davon gehört, dass Imperialismus und Kapitalismus zusammengehören, bezichtigen sie ihre imperialistischen Konkurrenten des Foulspiels – gegen vermeintliche Regeln des internationalen Verkehrs und der Marktwirtschaft, die sie sich auf dem diplomatischen Parkett haben aneignen können und deren Gültigkeit sie selber dazu erfunden haben. Wie aus allen Wolken gefallen merken sie, dass der Kapitalismus in der Realität doch anders funktioniert, als es seine Ideale vom freien und fairen und zum Vorteil aller veranstalteten Wettbewerb glauben machen wollen; nämlich ungefähr so, wie es die Lehrsätze des Marxismus-Leninismus behaupten, die sie 70 Jahre lang gepredigt haben, die sie dabei selber immer weniger Ernst genommen haben und neulich endgültig in die Mottenkiste des ‚alten Denkens‘ verbannen wollten.

Derlei Erfahrungen veranlassen die russische Führung allerdings nicht dazu, die ihr entgegengebrachten Verdächtigungen wahr zu machen und zur alten antikapitalistischen Staatsraison zurückzukehren. Sie lässt sich vom amerikanischen Imperialismus vielmehr praktisch belehren, welchen Anforderungen ihr Land gewachsen sein muss, wenn es als kapitalistische Nation in der Konkurrenz bestehen will. Und in diesem Sinne bekennt sie sich heute zu einem neuen Realismus:

„Ziemlich lange waren viele Politiker und Bürger davon überzeugt oder wogen sich in der Illusion, dass das Ende einer Periode der militärpolitischen Konfrontation in der Welt Russland beinahe automatisch einen Weg in das Weltwirtschaftssystem offen legen wird… Es hat sich herausgestellt, dass das Leben viel komplizierter ist… Eine Norm der internationalen Gemeinschaft ist auch harter Wettbewerb um Märkte, um Investitionen, um politischen und wirtschaftlichen Einfluss. Und Russland muss in diesem Kampf stark und wettbewerbsfähig sein… In der Periode der Schwäche – unserer Schwäche – haben wir viele Nischen auf dem Weltmarkt räumen müssen. Und sie wurden sofort von anderen übernommen. Niemand will sie nun ohne weiteres zurückgeben und wird sie wieder hergeben, davon zeugt die Situation auf den Öl-, Stahl- und Flugverkehrsmärkten sowie auf den Märkten für andere Waren und Dienstleistungen. Die Schlussfolgerung liegt auf der Hand: In der modernen Welt will keiner auf dem Kriegsfuß mit uns stehen, keiner will es und niemand braucht es. Niemand wartet aber auch auf uns. Keiner wird uns extra helfen wollen. Um einen Platz ‚an der wirtschaftlichen Sonne‘ müssen wir selber kämpfen.“ (Putin, Botschaft an die Föderationsversammlung, 18.4.02)

Unter Putin nimmt Russland erstens Abschied von den Illusionen, mit denen es unter Jelzin in die Marktwirtschaft aufgebrochen ist. Es trennt sich von der Vorstellung, dass es mit seinen stattlichen, von der Sowjetunion ererbten Produktivkräften, seiner entwickelten Infrastruktur, seiner industriellen Ausstattung und seinen gebildeten Volksmassen zur erfolgreichen Teilnahme am Weltmarkt geradezu prädestiniert ist. Es hat sich nämlich herausgestellt, dass ihm zur kapitalistischen Bewirtschaftung all dieser Potenzen das Entscheidende fehlt: Kapital, das sich zum Zwecke seiner Vermehrung in diesen Potenzen anlegt, sie zu seinen Geschäftsmitteln macht und als solche in der nunmehr einzig vorgesehenen Weise nutzbar macht. Mangels eigenen Kapitals hat es seine nationalen Ressourcen der internationalen Geschäftswelt zur Nutzung überantwortet – anfänglich noch in der froh gemuten Erwartung, dass diese mit ganz viel Kapital einsteigt und sich als eine Art Entwicklungshelfer betätigt. Und auch diese Erwartung hat Russland aufgeben müssen. Es hat registrieren müssen, dass es sich mit seinem Beschluss, künftig kapitalistisch wirtschaften zu wollen, in eine nationale Notlage hineinmanövriert hat: Es hat sich zum Spekulationsobjekt auswärtigen Kapitals gemacht und von diesem den Befund eingehandelt, dass ein kapitalistisches Interesse an der Nutzung seiner menschlichen und industriellen Ressourcen nicht vorhanden ist, sie also nach der politisch in Kraft gesetzten und damit gültigen kapitalistischen Rechnungsweise wertlos sind. Statt in Russland zu investieren, hat sich das auswärtige Kapital die Handelspartner Russlands und die dort und in Russland vorhandene Zahlungsfähigkeit unter den Nagel gerissen; ansonsten hält es als übermächtige Konkurrenz den Weltmarkt besetzt, auf dem Russland ja eigentlich mit seinen Produkten Reichtum an Land ziehen wollte.

Womit Russland tatsächlich Geld verdienen kann, das beschränkt sich – neben dem Verkauf ‚strategischer Güter‘ – auf den Export seiner reichlich vorhandenen Naturschätze; dank einer glücklichen Fügung – wg. Irakkrieg war der Ölpreis gestiegen – hat es in den letzten Jahren mit dem Verkauf von Erdöl und Erdgas sogar so viel Dollars verdient, dass es sich aus dem Status eines vom Westen abhängigen und ihm verpflichteten Schuldenstaates zu großen Stücken freigekauft hat. In die wirtschaftspolitischen Rechnungen, die die russische Regierung anstellt, kehrt daher zweitens ein gewisser Realismus bezüglich der Frage ein, welche ökonomischen Mittel dem russischen Staat im „harten Wettbewerb um Märkte, Investitionen und politischen Einfluss“ überhaupt (noch) zu Gebote stehen. Hielt es Putin im Jahr 2000 vor dem deutschen Bundestag noch für angebracht, mit Blick auf die kapitalkräftige deutsche Wirtschaft herauszustellen, dass Russland doch kein Rohstoffland sei, dass es dort auf dem Feld der Hochtechnologie viel zu investieren und zu verdienen gebe, erklärt er heute seiner Nation die Lage so, dass Russland faktisch ein Rohstoffexportland ist, das im Verkauf von Energieträgern seine einzig funktionierende Geldquelle besitzt, und dass es mit den Finanzmitteln, die darüber ins Land kommen, ein nationales Kapitalwachstum überhaupt erst in Gang bringen muss.

Drittens hat die russische Führung mittlerweile begriffen, dass Russland auch diese Geldquelle zunehmend abhanden zu kommen droht, wenn es ihre Bewirtschaftung – wie von den auswärtigen Interessenten unter dem Titel ‚Öffnung‘ immer wieder gefordert – den vielgerühmten ‚Marktkräften‘ überlässt. Eines Besseren belehrt worden ist sie da von den Repräsentanten selbiger Marktkräfte aus dem Westen, deren Begehrlichkeiten darauf gerichtet sind, wachsende Anteile am Geschäft mit russischem Erdöl und Erdgas von russischen Konten auf ihre umzulenken; deren Anstrengungen darüber hinaus darauf abzielen, sich per Einkauf in das Aktienkapital der einschlägigen russischen Konzerne und damit der Finanzquelle selbst zu bemächtigen; und die obendrein alles unternehmen, um Russland möglichst ganz aus den Geschäften im Kaspischen Raum zu verdrängen und die zu ihrer exklusiven Sache zu machen. Neben den USA rückt in all diesen Hinsichten die EU Russland mit ziemlich eindeutigen Anträgen zu Leibe. Ihnen zufolge soll Russland einen diskriminierungsfreien Zugang zu den Energietransportnetzen gewähren, d.h. die Nutzung seiner Pipelines durch Dritte zulassen, ohne selber als Macht in Erscheinung zu treten, die daran ihre Bedingungen knüpft. Europa gewönne damit neue Freiheiten, an Russland vorbei die zentralasiatischen Förderländer in sein Geschäft einzubeziehen. Des Weiteren insistiert Europa auf einer „Reform“ des Gassektors; gemeint ist die Zerschlagung des russischen Gaskonzerns, dieses „staatswirtschaftlichen Dinosauriers“ mitsamt seinem innerrussischen Monopol, damit dann der EU und ihren zu weltmarktbeherrschender Größe zusammenfusionierten Energiekonzernen der Zugriff auf das russische Energiegeschäft auf ganz anderer Stufenleiter offen steht. Darüber hinaus verlangt die EU bei Erdgas und Erdöl eine Anpassung an die Weltmarktpreise, bestreitet Russland also das Recht zur freien Preisgestaltung auf seinem Binnenmarkt – wohlwissend, dass schon bei den jetzigen, ‚subventionierten‘ Preisen in Russland das Phänomen der Nichtzahlung von Stromrechnungen weit verbreitet ist. Darauf, dass dort höhere Preise in Ermangelung ausreichender Zahlungsfähigkeit das Wirtschaftsleben lahm zu legen drohen, will Europa keine Rücksicht nehmen; ein Erstarken der russischen Wirtschaftskraft gehört eben nicht zu den Anliegen, um die man sich in Brüssel kümmert. Wenn die EU solche Forderungen aufstellt und Russlands Absicht, der WTO beizutreten, als Gelegenheit zu einer diesbezüglichen Erpressung ausnützt, dann kann die russische Führung kaum übersehen, dass es dem hochverehrten Partner Europa darum geht, eben das Geschäft, auf das Russland setzt und seine ökonomische Entwicklung gründen will, an Russland vorbei zu organisieren, und dagegen legt Putin sein Veto ein:

„Das Rohrleitungsgassystem ist ein Kind der Sowjetunion, und nur wir sind in der Lage, es im Arbeitszustand aufrechtzuerhalten, selbst wenn es um Abschnitte geht, die sich außerhalb von Russland befinden, erklärte der Präsident in seinem Schlusswort auf den deutsch-russischen Regierungskonsultationen in Jekaterinburg. Es gibt eine Illusion, dass man ohne Russland zusätzliche billige Energieressourcen aus anderen Ländern beziehen kann, sagte Wladimir Putin. Aber in Usbekistan, betonte er, wo es solche Ressourcen gibt, befinden sich nur vier von 94 Umpumpeinrichtungen im Arbeitszustand. Dieselbe Situation besteht auch in Kasachstan und in Turkmenistan. Putin erklärte auch, dass der Staat das Gasleitungssystem und die Gesellschaft Gasprom weiter kontrollieren wird, und dass Letztere nicht aufgeteilt wird. Der Präsident hob hervor, dass die europäische Kommission keine Illusionen haben muss: Im Gasbereich wird man die Beziehungen mit dem Staat haben. Gleichzeitig hob Putin hervor, dass Russland an der Stabilität des Energiemarktes Europas und an den Lieferungen von billigen und qualitativen Energieträgern an diesen Markt interessiert ist.“ [21]
„Der Präsident empörte sich, wieso die Europäische Union so hartnäckig auf dem Ausgleich der in Russland geltenden Preise und der Exportpreise für Energieträger besteht. Wieso gerade diese Frage ein Hindernis beim Beitritt Russlands zur WTO darstellt? Der scharfe Ton ähnelte zeitweise einer Drohung: ‚Wir sehen das so: Russland werden die Arme verdreht, aber Russlands Arme werden immer stärker. Sogar so einem starken Partner wie der Europäischen Union wird es nicht gelingen, sie zu verdrehen.‘ Putin fuhr fort: Europa muss erstens am günstigen Gas interessiert sein und zweitens daran, dass die russische Wirtschaft nicht zusammenbricht. Zu diesem Zusammenbruch, so Putin, werde es jedoch bei einem Ausgleich der Preise für Energieträger unvermeidlich kommen. Das bedeute, dass das, was die WTO von Moskau verlange ‚falsch und unehrlich‘ sei.“ [22]

Von der Marktwirtschaft im Allgemeinen und dem Energiemarkt im Besonderen hat Putin also so viel verstanden, dass Russland von der westlichen Konkurrenz endgültig und dauerhaft zum bloßen Rohstofflieferanten für deren Geschäft degradiert wird, wenn es nicht selbst den Standpunkt der Konkurrenz einnimmt, von Staats wegen dafür sorgt, dass seine erste und wichtigste Devisenquelle in seinen Händen bleibt,[23] und das Geschäft mit der Energie unter seiner staatlichen Kontrolle und nach seinen nationalen Berechnungen selber aufzieht – auf großer Stufenleiter und in all seinen Abteilungen, also von der Erschließung von Energiereserven, über die Förderung, den Transport und die Raffinerie, bis zur Stromerzeugung und internationalen Vermarktung. In diesem Sinne soll sich Russland nach dem Willen seiner Regierung als ‚Energiemacht‘ aufbauen, die sich im Weltenergiegeschäft als Subjekt und bestimmender Faktor etabliert, d.h. in der Lage ist, eine eigene Preispolitik zu betreiben und anderen Beteiligten ihre Geschäftsbedingungen zu diktieren.

Dieses Vorhaben schließt als zentrales Kapitel das Projekt ein, den einheitlichen Energieraum der ehemaligen Republiken der Sowjetunion wiederherzustellen[24], und im Rahmen dieses Projekts bezieht sich Russland in neuer Weise auf sein ‚nahes Ausland‘.

3. Die Wiederentdeckung der GUS unter neuen Nutzen-Gesichtspunkten

Mit dem Ziel, sich als Basis für seine weitergehenden Ambitionen eine regionale Monopolstellung auf dem Feld der Energiewirtschaft zu erobern, betreibt Russland vermittels seiner einschlägigen Gas- und Strom-Konzerne, Gazprom und RAO EES, seit einiger Zeit einen Tauschhandel eigener Art. Es drängt seine Nachbarstaaten und ehemaligen Unionsverbündeten dazu, ihre Schulden, die sie aufgrund ihrer notorischen Zahlungsunfähigkeit gegenüber den russischen Gas- und Stromversorgern akkumuliert haben, mit der Übereignung ihrer Elektrizitätswerke, Raffinerien und Transportnetze an die russischen Konzerne zu begleichen. Neben den bereits abgeschlossenen Geschäften mit Georgien, Armenien und Moldova will die RAO EES bis Ende dieses Jahres entsprechende Aktiva in der Ukraine, in Kasachstan und Tadschikistan erwerben, berichtet deren Chef, Tschubajs, über den Stand seiner „aggressiven Pläne“. Über die politische Qualität dieser Pläne macht sich keine der beteiligten Seiten etwas vor. Weder die mit dem Ansinnen ihrer marktwirtschaftlichen Enteignung konfrontierten Nachbarn, von denen einige um ihre nationale Unabhängigkeit fürchten, noch die zuständigen russischen Politiker, die sich im Klaren sind, dass die Energie-Monopolgesellschaft bei der Realisierung dieser Projekte proamerikanische Stimmungen sowie den Widerstand lokaler politischer Eliten überwinden müsse, und zum Zwecke der Überwindung solcher Hindernisse des öfteren Stromabschaltungen oder die Einstellung der Belieferung mit Gas anordnen. Doch gibt es für die betreffenden Staaten durchaus auch positive Gründe, sich mit dem russischen Ansinnen anzufreunden. Schließlich haben sie ihre aus Sowjetzeiten stammenden energiewirtschaftlichen Kapazitäten zwischenzeitlich verrotten, zerstören und plündern lassen und sind selber gar nicht in der Lage, sie wieder instand zu setzen und nutzbar zu machen. Russland, das dazu sehr wohl in der Lage ist, hat ihnen also etwas zu bieten, wenn es ihre Anlagen übernimmt und sie in den Dienst des von ihm wieder belebten ‚einheitlichen Energieraumes‘ stellt. Wenn, allerdings auch nur soweit sie sich darauf einlassen, dürfen sie erstens damit rechnen, dass Russland Mittel in die Rettung und Aufmöbelung ihrer verwahrlosten Infrastruktur steckt:

„Der Chef der Föderalen Stromnetzgesellschaft hat gestern allem Anschein nach die georgischen Politiker und Energiekonsumenten ein wenig beruhigt. Er teilte mit, dass RAO „EES“ in den kommenden zwei bis drei Jahren bis zu 100 Millionen Dollar in die Stromwirtschaft Georgiens und 50 Millionen Dollar in die Modernisierung alter Energieobjekte investieren will. Diese „goldenen Berge“ wurden allerdings nur dem Teil der georgischen Energetik versprochen, der RAO gehört. Für die Wiederherstellung des Wasserkraftwerkes Suchumi in Abchasien und des Wasserkraftwerkes Ingur in Georgien will die Russische Aktiengesellschaft 60 bis 80 Millionen Dollar ausgeben. Rappoport zufolge werden bereits bis Ende dieses Jahres in die Stromnetze Georgiens 1,5 Millionen Dollar investiert und eine halbe Million Dollar für die Vorbereitung auf den Winter bereitgestellt.“

Zweitens bietet ihnen Russland eine gesicherte Energieversorgung zu vergleichsweise günstigen Preisen, die sich nicht am Weltmarkt orientieren, sondern am russischen Interesse an Partnerstaaten, die sich auf Russland und seine Energiewirtschaft hinorientieren lassen. Für Staaten, die mit ihrem Energiebedarf einerseits, ihrer Finanznot andererseits bislang von ihren lieben GUS-Nachbarn regelmäßig erpresst und drangsaliert worden sind, eröffnet die Kooperation mit Russland die Perspektive, missliche Abhängigkeiten loszuwerden; zumal ihnen drittens auch eine geschäftliche Beteiligung an den Projekten in Aussicht gestellt wird, die Russland bei ihnen aufzieht:

„Nun verkauft nicht Usbekistan Gas nach Kirgistan und Tadschikistan, sondern Russland, obwohl es immer noch lokales Gas ist, das die beiden Länder erhalten. Die Zahlungen für das Gas gehen dennoch an Gazprom und nicht an die usbekische Regierung. In den Verträgen hat Gazprom auch Zusagen darüber gemacht, den beiden Ländern dabei zu helfen, ihre eigenen Ressourcen zu entwickeln… Zwei Wasserkraft-Projekte könnten enorme Mengen Energie liefern, genug um Kirgistan und Tadschikistan zu regionalen Energie-Exporteuren zu machen… Russlands Beteiligung an den beiden Projekten würde Russland auch einen strategischen Zugriff auf die beiden größten Flüsse Zentralasiens erlauben, auf den Syr Darja und Amu-Darja, die das Wasser für die Landwirtschaft in Usbekistan, Kasachstan und Turkmenistan liefern.“ [25]

Das sind gar nicht so unattraktive Angebote für Länder, die ansonsten über kaum eine Einkommensquelle verfügen und, wie dem folgenden Bericht zu entnehmen ist, mit den absurdesten Notlagen zu kämpfen haben:

„In der Sowjetzeit wurde im Pamir, an den Flüssen Wachsch und Naryn, mit dem Bau einer Kraftwerkstreppe begonnen, und sie hätten nicht nur die Städte und Dörfer der vier nächstgelegenen Republiken mit Strom versorgen, sondern auch Vorräte an Süßwasser schaffen sollen. Im Winter ist es im Überfluss da, aber im Sommer, da die örtliche Feinstapelbaumwolle und das berühmte mittelasiatische Obst und Gemüse es am meisten brauchen, herrscht dort ein akuter Wassermangel. Es kam jedoch so, dass ein Teil der Wasserkraftwerke zur Sowjetzeit fast fertig wurde, während der andere Teil im Nullzyklus erstarrt ist. Nun muss Kirgisien, um die Zerstörung des Wasserdamms nicht zuzulassen, winters den Wasserüberschuss aus seinen Staubecken ableiten. Im Ergebnis überflutet das Wasser die fruchtbaren Böden in Kasachstan und Usbekistan, was natürlich bei den Nachbarn einen scharfen Protest und Unzufriedenheit auslöst. Es gibt nur den einen Ausweg: die ganze Kraftwerkstreppe bis zu Ende zu bauen… Die Realisierung des Projektes eines Wasserkraftwerk-Verbundsystems Zentralasiens wird in der Perspektive eine Verbilligung der Stromtarife bringen. Darunter auch für Russland. Kirgisien und Tadschikistan haben Russland bereits allein in den letzten vier Monaten über eine Milliarde Kilowattstunden Elektroenergie geliefert. …müsse sich diesem System auch Usbekistan anschließen, das nicht zur EurAsEC (Eurasische Wirtschaftsgemeinschaft) gehört, aber an stabilen Lieferungen von billiger Elektroenergie und selbstverständlich an der Regelung des Wasserhaushaltes zutiefst interessiert ist.“ [26]

Geknüpft sind derlei Angebote freilich an die Bedingung, dass sich die betreffenden Staaten zu Unterabteilungen des von Russland organisierten Energieraumes machen lassen und seine Geschäftsordnung akzeptieren. Zu der gehört es bzw. soll es nach dem Willen Russlands gehören, dass die Beteiligten ihr Erdöl- und Erdgas in russische Pipelines einspeisen und sich auch in der Frage der Transportwege nach Europa und in die Welt nicht zu Beiträgern der amerikanischen und europäischen Konkurrenzprojekte machen lassen. Russland, das selber beträchtliche Anteile der weltweit vorhanden Erdöl- und Erdgasreserven auf seinem Territorium versammelt, dringt darauf, dass Bezug und Verkauf von Energieträgern aus dem kaspischen Becken nur in Abstimmung mit und unter der Kontrolle von Gazprom stattfinden; es stellt entsprechende Anträge an Kasachstan; ein Abkommen über turkmenisches Gas ist bereits abgeschlossen. Die Ukraine, die von der EU als Transportweg für konkurrierende Billigangebote nach Europa beansprucht wird und sich die europäische Perspektive nicht verbauen will, wird von Moskau heftig dazu angehalten, ihre dem entgegenstehenden vertraglichen Verpflichtungen gegenüber Russland einzuhalten; wegen diesem Streit kommt das gemeinsame deutsch-russisch-ukrainische Gaskonsortium ewig nicht zustande:

„Im Erdgasabkommen mit Russland hat sich die Ukraine verpflichtet, aus Sibirien oder Turkmenistan bezogenes Erdgas nicht an dritte Länder weiterzuverkaufen, und wenn, dann nur an solche, die auch direkt Erdgas aus Russland beziehen und nur zu mit Russland abgesprochenen Preisen. Polen bezieht den größten Teil seines Erdgases aus Russland, möchte aber aus politischen Gründen diese Abhängigkeit verhindern.“ …kauft deshalb Erdgas bei einer ukrainischen Gesellschaft mit Sitz in Little Rock, Arkansas, Nachfolger einer Firma, die wegen Erdgasdiebstahl angeklagt wurde… „Die russische Firma Gaseksport weigert sich, Gas dieser Firma durch ihre Röhren und Pumpstationen zu leiten… Gegenwärtig ermitteln Staatsanwälte in beiden Ländern.“[27]

Im Handel mit Dritten besteht Russland darauf, dass der Export von Strom und Energieträgern direkt über Russland läuft oder zumindest zu den Konditionen abgewickelt wird, mit denen Russland nach außen auftritt. Dadurch sollen einerseits Versuche der europäischen und amerikanischen Konzerne unterbunden werden, Russland und seine Nachbarn als Konkurrenten gegeneinander auszuspielen; andererseits untersagt Russland auf diese Weise seinen Partnern im gemeinsamen Energieraum, die Spanne zwischen dem Weltmarktpreis und dem Preis, zu dem Russland sie beliefert, auszunutzen und russische Preise zu unterbieten. Russland selbst versucht so, in die Position der führenden östlichen Energiehandelsmacht zu gelangen, die für die aus dem eurasischen Raum stammende Energie als Monopolanbieter auftreten kann.[28]

Was daraus wird, das hängt in entscheidender Weise von der Frage ab, welche der konkurrierenden Mächte – Amerika und Europa, oder Russland – die Staaten der GUS politisch auf sich verpflichten kann. Für diese selbst spricht einerseits gar nichts dagegen, mit mehreren Seiten und d.h. auch mit Russland Geschäfte zu machen. Und andererseits ist an den Bedingungen, die ihnen die konkurrierenden Mächte bieten und setzen, auch für sie bemerklich, dass es einen Unterschied macht, ob sie es mit einer Weltmacht zu tun haben, die sie ihren imperialistischen Ordnungsinteressen subsumiert, oder mit Russland, das im Prinzip aus derselben kapitalistischen Notlage heraus tätig wird, an der auch sie laborieren – mit erheblich weniger kapitalismustauglichen Mitteln ausgestattet. Wenn dabei von Russland aus Geschäfte in Gang gebracht werden, für die wiederum einiges vom stillgelegten Inventar der Nachbarstaaten brauchbar zu machen ist, ergeben sich da durchaus übereinstimmende Interessen; und die haben in den letzten Jahren denn auch verschiedentlich wieder zur Annäherung an die alte Vormacht geführt. Doch die westlichen Mächte bestehen nachdrücklich auf Exklusivität. Die Staaten vor Ort sehen sich dadurch in eine schwierige politische Lage gebracht. Sie kriegen es zu spüren, dass an ihren Händeln – mögen die für sie auch nur die Sicherstellung der nationalen Stromversorgung betreffen – imperialistische Entscheidungsfragen der höchsten Güteklasse ausgetragen werden. Wenn sie sich mit Russland einlassen, verstoßen sie gegen amerikanische Weltordnungsinteressen und haben mit Konsequenzen zu rechnen; sie können da nur ziemlich ohnmächtig an das Verständnis der USA für ihre Notlage appellieren[29] – und wie wenig sie mit diesem Verständnis rechnen können, das hat der Fall Georgien gezeigt. Auch Europa übt massiven Druck auf sie aus, um sie davon abzubringen, sich in ökonomische und politische Abhängigkeiten von Russland zu begeben, und sie auf sein imperialistisches Projekt hinzuorientieren.[30]

Russland wiederum hat sich auch in dieser Hinsicht von seinen imperialistischen Konkurrenten belehren lassen und die Lektion gelernt, dass seine ökonomischen Interessen nur soviel zählen, wie es fähig und bereit ist, ihnen Respekt zu verschaffen und sich als politisches Gewaltsubjekt zu behaupten.

„Um den gebührenden Platz unter der Sonne zu erobern, müssen wir nicht nur ökonomisches Wachstum aufweisen, sondern auch militärische Muskeln zeigen. Dafür ist es erforderlich, in mehreren Gebieten im postsowjetischen Raum entweder Militärstützpunkte zu haben oder Vereinbarungen zu treffen, die es gestatten würden, Truppenkontingente in den jeweiligen Regionen schnell aufzustellen.“ [31]

Gegen die Bemühungen der USA, sich in den unmittelbar an Russland angrenzenden Staaten militärisch festzusetzen und Russland dort zu verdrängen, unternimmt Moskau wieder verstärkt Anstrengungen, sich in diesen Ländern als Standortbetreiber zu behaupten, von ihren politischen Führungen als Schutzmacht akzeptiert zu werden und sich als Militärausrüster für sie unverzichtbar zu machen:

„‚Jegliche Pläne, die militärische Infrastruktur der Nato bis an unsere Grenze auszuweiten, treffen auf unsere ernsten Bedenken‘, äußerte Verteidigungsminister Sergej Iwanow. Die Sicherheit einiger Länder dürfe nicht auf Kosten anderer erreicht werden… Während Grossmann in Moskau war, traf sich Putin mit den Verteidigungsministern von 10 GUS-Staaten und versprach ihnen Vorteile, wenn sie mit Russland militärisch zusammenarbeiteten. Dazu gehöre, dass Moskau den Armeen der GUS-Staaten eine kostenlose militärische Ausbildung anbieten werde. Man plane auch, gemeinsame Luftabwehrsysteme zu entwickeln. Zudem biete man den Ländern der ‚Kollektiven Sicherheitsvertragsorganisation‘ Waffen und Militärtechnik zu russischen Binnenpreisen.“ [32]

Russland sieht sich zur militärischen Selbstbehauptung genötigt, aber seine diesbezüglichen Anstrengungen stellen für es bleibenderweise eine heikle Angelegenheit dar. Sie werden von der russischen Nation stets von Bedenken begleitet, ob sich Russland damit einen Gefallen tut:

„Im Spiel mit den USA und der NATO um die Einflusssphären in der GUS sollte Russland nicht auf die ‚Militärkarte‘ setzen. Diese Politik würde gegen uns arbeiten. Die USA versuchen bereits, Russland aus Zentralasien zu verdrängen, und sind bereit, das unter anderem auch mit militärischen Methoden zu tun.“ [33]

Solche Reflexionen zeugen von dem Dilemma, in das sich Russland mit seiner neuen Staatsraison hinein manövriert hat: Schließlich setzt es, wenn es zu ‚militärischen Methoden‘ greift, seine guten Beziehungen zum Westen aufs Spiel, von denen es sich auf seinem Weg zur anerkannten Macht in der kapitalistischen Welt nach wie vor abhängig weiß.

Der Kontrast zum Auftreten der USA ist nicht zu übersehen: Amerika braucht zur militärischen Behauptung seiner Interessen nicht genötigt zu werden. Es kennt derlei Bedenken nicht. Es nimmt auf gute Beziehungen keine Rücksicht, sondern stellt die Beziehungen, die es haben will, gewaltsam her. Nutzen und Kosten seines Imperialismus sind für es eben keine Frage. Für Amerika, das den Weltmarkt nur als Sphäre seiner Bereicherung kennt und in Anspruch nimmt, das mit seinem Kapital überall in der Welt eingemischt ist, gilt die Gleichung, dass imperialistische Gewalt eine ökonomische Potenz ist. Russland, das mit seinen Interessen in dieser Welt erst Fuß fassen will, bekommt diese Gleichung negativ zu spüren.

[1] Der so titulierte Raum erstreckt sich vom Osten der Türkei und dem östlichen Schwarzen Meer über den südlichen Kaukasus und das Kaspische Meer bis zum Westen Chinas und von der Südgrenze Russlands bis zum Norden des Iran, Afghanistans und Pakistans. Er umfaßt die ehemaligen Sowjetrepubliken und heutigen GUS-Staaten Georgien, Armenien, Aserbeidschan, Kasachstan, Usbekistan, Kirgistan, Tadschikistan und Turkmenistan.

[2] A. Elizabeth Jones, Assistant Secretary for European and Eurasian Affairs. Testimony Before the Subcommittee on the Middle East and Central Asia House International Relations Committee, October 29, 2003

[3] Alle Zitate aus: Oversight of Foreign Assistance Programs – Europe and Eurasia. Charles Ries, Principal Deputy Assistant Secretary for European and Eurasian Affairs. Statement to the Senate Foreign Relations Committee. Washington, DC, April 2, 2003

[4] International Aspects of U.S. Energy Security, Alan P. Larson, Under Secretary for Economic, Business, and Agricultural Affairs, Testimony Before the Senate Foreign Relations Committee, Subcommittee on International Economic Policy, Export and Trade Promotion, Washington, DC, April 8, 2003

[5] Andere US-Experten drücken sich da noch direkter aus: Die völlige Loslösung vom Öl aus dem Mittleren Osten, wo zwei Drittel der bekannten Weltreserven liegen, wird nicht möglich sein. Eine Reduzierung der Bedeutung dieser Energiequellen würde aber Washington erlauben, in der Regionalpolitik weniger Rücksicht auf arabische Positionen zu nehmen; anders ausgedrückt, es entfiele die Erpressbarkeit durch Saudi Arabien, das bereits 1973 mittels Ausfuhrembargo die schwerste Wirtschaftskrise des Westens seit den 30er Jahren auslöste. Die US-Außenpolitik wäre freier als heute, bei regionalen Konflikten der Wertegemeinschaft mit beteiligten Staaten oder den eigenen politischen Prinzipien den Vorrang vor wirtschaftsstrategischen Interessen zu geben. (Sidney E. Dean: Strategische Energiepolitik der USA. www.oilandgasinternational.com)

[6] Präsidentenberater Steven Mann zu Besuch in Aserbaidschan. Baku, 5.6.03, 525CI QAZET

[7] Jones, 13.3.2003

[8] Jones, 29.10.2003

[9] Washington Post zur Umstrukturierung der US-Streitkräfte, FAZ, 26.3.04

[10] Seeking to Block Terrorist Route, Rumsfeld Asks Help in Azerbaijan, NYT December 4, 2003

[11] „‚Wir beabsichtigen, schon bald Aserbaidschan Militärhilfe zu leisten. Ich denke, dass unsere Hilfe aus Sicht der regionalen Sicherheit sehr wichtig ist‘, erklärte während seines gestrigen (21.11.) Treffens mit dem Präsidenten Aserbaidschans Ilham Alijew, der stellvertretende Leiter des Kommandostabs der US-Truppen in Europa, General Charles Wald.“ (Gespräche über US-Militärhilfe für Aserbaidschan in Baku – Präsident Ilham Alijew will Verteidigungspotential seines Landes stärken. Baku, 22.11.2003, 525CI QAZET) In diesem Fall treffen sich einmal die strategischen Bedürfnisse der USA und das Bedürfnis der lokalen Staatsmacht nach militärischem Beistand durch die Supermacht. Und bei so einer erfreulichen ‚Kooperation‘ sehen die USA auch Demokratie und Stabilität bei einem dynastischen Übergang der Macht vom alten auf den jungen Alijew bestens aufgehoben. Auf Vorladung der US-Regierung haben deswegen die Oppositionsführer vor der Wahl in Washington zu erscheinen, wo ihnen mitgeteilt wird, dass ein Machtwechsel in ihrem Land unerwünscht ist. Enttäuscht gibt der Sprecher der „Union pro-aserbaidschanischer Kräfte“ zu Protokoll: Nach Ansicht des Vertreters der ‚Sozialdemokratischen Partei Aserbaidschans‘ treten die USA für den Erhalt des jetzigen Regimes ein, das es ihnen ermöglicht, die eigenen Interessen zu wahren. Deswegen versuche Washington die Opposition davon zu überzeugen, die jetzige Regierung nicht zu behindern. ‚Deswegen begrüßen wir nicht die Einladung der Oppositionellen nach Übersee. Wir sind der Meinung, dass nicht die USA, sondern das aserbaidschanische Volk darüber entscheiden muss, wer in Aserbaidschan an die Macht kommt‘. (Kritik an Washingtons Politik. Baku, 12.6.2003, 525CI QAZET) Auch nach der Wahl findet die Opposition mit ihren Beschwerden über Wahlfälschung und trotz aller empörten Hinweise auf Georgien nur wenig Resonanz.

[12] Pech für Turkmenistan, dass es auch „strategisch bedeutsam liegt“, nämlich im Norden vom Iran und Nordwesten von Afghanistan; wenn es bei der Lage meint, sich amerikanischen Aufräumbedürfnissen verweigern zu können, muss es sich nicht wundern, dass es auf der Liste mit Demokratieverstößen ganz oben steht. Umgekehrt müssen sich allerdings auch die Freunde der Demokratie nicht wundern, wenn ein solcher Staat dann probiert, mit allen inneren Kräften aufzuräumen, die als Hebel für den von auswärts beantragten Machtwechsel fungieren könnten.

[13] Bemerkungen von R. Nicholas Burns, ständiger Vertreter der USA bei der Nato, auf der Konferenz über „NATO und der größere mittlere Osten“, Prag, 19.10.03

[14] Aus US-Sicht ein Stück interesseloser Hilfe für Kasachstan: Auf dem Gebiet der Energie-Politik helfen die Vereinigten Staaten Kasachstan und internationalen Ölfirmen, einen gesetzlichen Rahmen zu entwickeln, der den Ölproduzenten in Kasachstan Zugang zur BTC-Pipeline verschafft. Diese Anstrengung wird die Reichweite unserer Strategie der vielfachen Pipelines in Zentralasien erweitern. (Jones, 29.10. 2003)

[15] Das Betreiberkonsortium hat da ziemlich genaue Vorstellungen und es hat sich die auch schon vertraglich absichern lassen: Die Baku-Tiflis-Ceyhan-Linie bildet den Gegenstand eines Abkommens zwischen Aserbaidschan, Georgien und der Türkei – abgefaßt worden ist es von Anwälten von BP ebenso wie die einzelnen Verträge zwischen jeder der drei Regierungen und dem von BP angeführten Konsortium: Diese Verträge stellen BP und seine Partner weitgehend frei von allen gegenwärtigen und zukünftigen Gesetzen in den drei Ländern, die mit den Planungen der Gesellschaft in Konflikt geraten könnten. Die Verträge berechtigen BP dazu, von den Regierungen Kompensation zu fordern, falls irgendein Gesetz (einschließlich Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtsgesetzgebung) die Pipeline weniger profitabel macht. Aus diesem Grund haben NGOs die Verträge als ‚kolonialistisch‘ bezeichnet. (Pipelinestan revisited (b) AsiaTimes 25.12.03)

[16] Mrs. Jones, 29.10.03

[17] Jones, Januar 03. Da ist man schon mit allerhand Vereinen vor Ort: In jeder früheren Sowjetrepublik sind wir dabei behilflich, einen Platz zu schaffen für tausende NGOs, die Veröffentlichungen unabhängiger Medien und demokratische Parteien – da, wo noch vor 10 Jahren nichts davon vorhanden war. Unter repressiven Bedingungen, wie in Weißrussland oder Turkmenistan, zielen diese Anstrengungen vor allem darauf, die Hoffnung auf einen Wechsel am Leben zu halten. In anderen Ländern hingegen ist die Zivilgesellschaft zunehmend dazu in der Lage, als wirkliches Gegengewicht gegenüber willkürlichen Staatsmaßnahmen zu fungieren. Beispiele dafür gab es im letzten Jahr in der Ukraine, wo es der Opposition auf der Grundlage eines massiven Engagements von NGOs bei der Überwachung der Stimmenauszählung gelungen ist, die Parlamentswahlen zu gewinnen. Oder in Kirgistan, wo der Druck von NGOs dazu führte, dass ein Dekret des Präsidenten, das die Pressefreiheit beschränkte, zurückgezogen wurde. In Tadschikistan bewirkte eine fortgesetzte Kampagne von NGOs die Zulassung des ersten unabhängigen Radiosenders. (Charles Ries)

[18] Kirgistan und Tadschikistan sind seit den Zeiten der Sowjetunion von Gaslieferungen aus Usbekistan abhängig. Da sie alle brüderliche Sowjetrepubliken waren, gab es zwischen ihnen keine Frage der Bezahlung. Aber mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und dem Entstehen der unabhängigen Staaten waren die Tage der freien Gasversorgung vorbei. Kirgistan und Tadschikistan gehörten zu den ärmsten Sowjetrepubliken und gehören nun zu den ärmsten Staaten in der GUS. Beide Staaten häuften schnell hohe Rechnungen an für das Gas, das sie verbrauchten. Usbekistan hat die Belieferung der beiden Länder des öfteren unter Verweis auf diese Schulden ausgesetzt. Aber viele haben sich über den Zeitpunkt dieser Unterbrechungen gewundert, der fast immer politischen Entscheidungen zu folgen schien, die der usbekischen Regierung nicht gefallen haben… (Kirgistan und Tadschikistan hoffen, dass der Deal mit Gazprom ihre Winter wärmer macht. Radio Free Europe/Radio Liberty, 22.5.03, rferl.org)

[19] Russische Experten wissen da von folgenden Schwierigkeiten zu berichten: Aber die Lage unserer Stützpunkte ist nicht überall stabil. Zum Beispiel ziehen wir derzeit die 14. Armee aus Moldova ab (hätten sie bis Ende des Jahres abziehen sollen, was jedoch am Widerstand von Tiraspol scheitert). Georgien besteht auf dem Abzug unserer Truppen aus Batumi und Achalkalaki im Laufe von drei Jahren. Aserbaidschan erhebt Einwände gegen des Raketenabwehrobjekt in Gabala, weil wir mit der Bezahlung im Rückstand sind. Die Ukraine hat uns aus dem gleichen Grund den Zugang zum Flughafen Saki versperrt, wo sich das einzige Übungsgelände der Seefliegerkräfte befindet. Im Jahr 2017 läuft übrigens der Vertrag mit der Ukraine über Sewastopol aus. Es ist unklar, ob dieser verlängert wird oder die Schwarzmeerflotte gezwungen sein wird, nach Noworossijsk umzusiedeln… Hypothetisch gesehen schließe ich z.B. die Möglichkeit nicht aus, dass unsere Militärs in Georgien umzingelt und als Geiseln genommen werden könnten. Ebenso unklar ist die Situation mit einigen russischen Raketenfrühwarnstationen. (Moskau, 6.11.2003, Moskowskij Komsomolez)

[20] Viktor Litowkin, Oberst a.D., militärpolitischer Kommentator der RIA „Nowosti“. Russland droht nicht, es mahnt. Moskau, 13.10.03

[21] RIA Nowosti, 9.10.03

[22] Iswestija 10.10.03

[23] Auswärtige Investoren, deren ‚Engagement‘ in die russische Energiewirtschaft im übrigen gerne gesehen ist, haben das als erste Bedingung zu akzeptieren. Die entsprechende Klarstellung ist von Seiten der Regierung Putin neulich im Zusammenhang mit der Verhaftung des Yukos-Chefs Chodorkowskij ergangen. Abgehandelt ist diese Affäre in GegenStandpunkt 4-03, S.36

[24] Tschubajs, Iswestija, 18.9.03; auch die folgenden Zitate

[25] Kirgistan und Tadschikistan hoffen, dass der Deal mit Gazprom ihre Winter wärmer macht. RFE/RL, 22.5.03

[26] RIA-„Nowosti“ 24.2.

[27] Junge Welt, 19.9.03

[28] Gewissermaßen als logisch nächsten Schritt plant Russland den Aufstieg vom Großlieferanten der europäischen Gashändler zum Konkurrenten auf deren Markt: Wenn Gasprom – etwa durch den geplanten Einstieg bei der ostdeutschen VNG und in Italien – künftig direkt Erdgas anbietet, wird es von Gashändlern wie Ruhrgas und Gaz de France unabhängig und zu einem dominierenden Unternehmen in Europa. (Handelsblatt, 12.6.03)

[29] „Nach Verhandlungen mit Putin sagte Karimow (der Staatschef von Usbekistan), dass nach dem Ende der Sowjetunion viele ehemalige Sowjetrepubliken in einer Art von Euphorie geglaubt hätten, sie würden genügend neue Handelspartner finden. Aber dieser Glaube hat sich als Irrtum erwiesen, sagte Karimow, und jetzt ist es an der Zeit, Handel und ökonomische Verbindungen zwischen den ehemaligen Sowjetrepubliken und insbesondere zwischen Usbekistan und Russland wiederherzustellen. Sowohl Karimow als auch der usbekische Außenminister betonten gleichzeitig, dass der usbekische Wunsch, die Wirtschaftsbeziehungen zu Russland zu erweitern, keine Verschlechterung der Beziehungen mit den USA zu bedeuten hätte… eine Verbesserung der Beziehungen mit Russland sollte nicht so interpretiert werden, dass Taschkent in Richtung Russland abdriftet.“ (Karimow: Bessere Beziehungen mit Russland nicht auf Kosten des Verhältnisses zu den USA. RFE/RL, 9.6.03)

[30] So hat die EU gegenüber der Ukraine jüngst erst wieder klargestellt, dass sie sich ihre europäischen Zukunftsperspektiven – ungeachtet, ob ihr die jemals eröffnet werden – endgültig abschminken kann, wenn sie sich nicht von der Vorstellung trennt, mit beiden Seiten ins Geschäft kommen zu können.

[31] Andrej Kokoschin, korrespondierendes Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften und Abgeordneter der Staatsduma. RIA-Nowosti, 8.1.04

[32] FAZ 13.12.03

[33] Generaloberst Leonid Iwaschow, Vizepräsident der Akademie für geopolitische Probleme