Der Ukraine-Krieg
Blutiges Lehrstück über den Segen staatlicher Souveränität und menschlicher Moral
Seit über anderthalb Jahren tobt in der Ukraine ein Krieg: staatliche russische gegen ukrainische Gewalt in bekannt gigantischem Ausmaß. Deutsche Außenpolitikerinnen haben diesen Krieg – von dem sie permanent erklären, dass er wegen eines Mangels an deutschem Waffennachschub keinesfalls enden darf und wird – ihrem Volk vom ersten Tag an als moralische Sache vorgelegt: Russland ist schuld an der schlimmen Gewalt, die Ukraine hat alles Recht, sich zu verteidigen, also mit mindestens demselben Maß an Gewalt zu antworten.
Argumente dafür gibt es allerhand. Die zielen alle darauf, dass der Mensch sich gleich in Form der gewünschten Antwort die Frage vorlegt, wer von den beiden in Kiew und Moskau residierenden Kriegsherren darf, was er tut, und wer nicht. Im Ernst soll man als der Wicht, der man bloß ist, sich in die Pose des Richters über die Gewalt von Staaten begeben, die weit jenseits dessen liegt, woran man als Individuum praktisch mit seinem Urteil überhaupt heranreicht. Obwohl die längst und immer weiter stattfindende Gewalt belegt, dass sich deren staatliche Kommandeure vom eigenen Urteil darüber, ob man sie selbst erlaubt hätte, wenn sie einen nur vorher gefragt hätten, genauso wenig abhängig machen, wie von der „Verurteilung“, also dem ideellen Verbot, das man ihnen noch nicht einmal förmlich zustellen kann.
Auf die ganz verkehrte Frage, ob Staaten ihre Kriege erlaubter- oder unerlaubterweise gegeneinander führen, gibt es darum auch in diesem Fall ausschließlich verkehrte Antworten. Die bestehen stets in dem Fehler, ausgerechnet die politisch begründete Gewalt von Staaten mit den Maßstäben menschlicher Moralvorstellungen und Empfindungen zu beurteilen, obwohl Menschen nichts als die Manövriermasse und das Verschleißmaterial der kriegführenden Höchsten Gewalten sind.