§ 5
Kulturimperialismus oder die neben der Politik praktizierte Ideologie

Den Hauptfiguren des imperialistischen Treibens, den Politikern, die über Swap und Swing, VW do Brasil und Polenverträge, Europa und SALT, also auch mit Recht über Leben und Tod entscheiden, bleibt auch eine weitere Verantwortung nicht erspart: sie müssen die Öffentlichkeit ihrer und der anderen Länder mit der intensiven Pflege des internationalen Vergleichs beglücken. Schließlich haben die Bürger hier wie dort mit Arbeit, Tugend und Not geradezustehen für die hohen internationalen Ziele der Nation, und da darf die Ausgestaltung des ideellen Lohnes nicht zu kurz kommen. Das Bewußtsein, zur richtigen Nation zu gehören und entsprechend in der Welt repräsentiert zu sein, macht Zweck und Inhalt des Kulturimperialismus aus. Und der ist wie alles Wichtige keine "bloße" Theorie, sondern auch Praxis.

Aus dem Buch
1979, 2014, 2022 | 102 Seiten | ab 10 € inkl. MwSt.
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Gliederung

§ 5
Kulturimperialismus oder die neben der Politik praktizierte Ideologie

Den Hauptfiguren des imperialistischen Treibens, den Politikern, die über Swap und Swing, VW do Brasil und Polenverträge, Europa und SALT, also auch mit Recht über Leben und Tod entscheiden, bleibt auch eine weitere Verantwortung nicht erspart: sie müssen die Öffentlichkeit ihrer und der anderen Länder mit der intensiven Pflege des internationalen Vergleichs beglücken. Schließlich haben die Bürger hier wie dort mit Arbeit, Tugend und Not geradezustehen für die hohen internationalen Ziele der Nation, und da darf die Ausgestaltung des ideellen Lohnes nicht zu kurz kommen. Das Bewußtsein, zur richtigen Nation zu gehören und entsprechend in der Welt repräsentiert zu sein, macht Zweck und Inhalt des Kulturimperialismus aus. Und der ist wie alles Wichtige keine "bloße" Theorie, sondern auch Praxis.

Das niedere Volk hierzulande wird mit der Propaganda seines Lebensstandards beglückt, der im Kontrast zum realen Sozialismus und zu den Negern Wunder wirkt. Erstens hat man offensichtlich das bessere System erwischt, zweitens Staatsmänner, die tüchtig sind und auf die Freiheit aufmerken, was sie aber auch unbedingt müssen, weil man ist drittens nun einmal ein Mitglied der fähigsten Rasse. Mitleid mit auswärtiger Armut muß allerdings auch sein, und vor allem die Anerkennung auswärtiger Gepflogenheiten, so exotisch-irrational die Sitten auch sein mögen. Dies, um die prinzipiell geschätzte Selbstzufriedenheit in all den Fällen zu bremsen, wo die Ideologie der Hilfe anderen Völkern gegenüber ernstgenommen und daher in ihren praktischen Konsequenzen mißbilligt wird. Die Mitmachübungen, die der Mär von der Völkerfreundschaft gewidmet sind und das Gegeneinander der Nationen als zelebriertes Miteinander daßstellen, gehen auf die Lösung der schwierigen Aufgabe, Respekt und Verachtung unter einen Hut zu bringen. Olympiaden, Fußball-Länderspiele sowie kleinere Begegnungen der unheimlichsten Art sind imperialistische Staatslektionen, ganz gleich, wie sie enden. Wo Furcht am Platz ist und Wachsamkeit, geht aus Filmen und Schlagern hervor.

Gebildete Menschen werden gemäß ihrer Bildung nicht nur mit Fremdsprachen, sondern auch mit Vorzügen und Nachteilen der eigenen wie fremden Kultur vertraut gemacht, so daß sie, kaum erwachsen, vor inter-nationalistischer Toleranz nur so strotzen. Der Genuß des Fremden, dem man sich auf Bildungsreisen, sonst aber nicht, anbequemt, erfährt hier seine Betonung gegenüber der Selbstzufriedenheit, die sich im proletarischen Auslandsurlaub feiert. Und in den institutionalisierten Auswärtsspielen vom Goethe-Institut über den Austausch-Lehrer und -Schüler bis zum Orchestergastspiel wird das nationale Erbe modest demonstriert.

Die umgekehrte Demonstration der "Kleinen" bis "Unterentwickelten", die mit ihren Sportlern, Tanzgruppen und Bastkunstwerken ein paar Punkte im globalen Anerkennungszirkus machen möchten, fällt dagegen peinlich aus, weil sie Repräsentation ohne das zu Repräsentierende ist. Die Anstrengung ist zu leicht kenntlich als Ersatz für nationale Größe, die ohne Reichtum nun einmal nicht zu haben ist - wovon auch der Ostblock manches Lied singen kann. Seine Zeugnisse der Macht werden ohne viel Federlesens und mit viel Neid als Akte der Dressur und Indizien der Unfreiheit entziffert.

Fazit hier wie dort: Nix Kultura.

a) Pflege des Nationalismus: Anerkennung und Kritik anderer Nationen

Die Erziehung zum Nationalisten ist gelungen, wenn jedermann als Weltbürger hinter der Außenpolitik seines Staates steht. Diejenigen, die sich der Meinungsbildung mit staatlichem Auftrag und Gewissen verschrieben haben, lassen es sich nicht nehmen, ihrem Publikum die Weltlage nach dem Motto klarzumachen "Was heißt das für uns?". Und damit kein Hirn der Annahme erliegt, zwischen den Interessen des Staates und denen eines ordinären Individuums könnten gewisse Diskrepanzen vorkommen, legen sie besagte Frage als unerbittlichen Maßstab an jeden Akt des Weltgeschehens an, von der Einrichtung einer Botschaft über den Import von Goldbarsch bis zum Krieg. Das heißt freilich nicht, daß im Ressort "Außenpolitik" jede Meinung mit der demokratischen Lüge beginnt, Staat und Volk seien ein Herz und eine Seele; der Opportunismus des nationalen Standpunkts gebietet auch das Gegenteil. Einmal, wenn einem der eigene Staat zu lasch vorkommt und Kritik von der Warte des Steuerzahlers, Verbrauchers oder Weltbefreiers ansteht; zum anderen hat die Differenz Staat-Bürger in der heuchlerischen Begutachtung der Maßnahmen anderer Staaten immer ihren Platz. Auch über die Seite, für die da Partei ergriffen wird, befindet ein verantwortungsbewußter Internationalist mit einem klaren "Ca depend ". Gegen zuviele Linkswähler in einem verbündeten Staat wird sich um letzteren besorgt; spielt sich eine auswärtige Regierung zu einem Hindernis für die eigenen Staatspläne auf, wird auch einmal die fremde Bevölkerung zum moralischen Anhaltspunkt. In den auf Grundsätzliches zielenden Debatten um "glaubwürdige Außenpolitik" spielt deshalb der Vorwurf der Prinzipienlosigkeit eine bedeutende Rolle, obwohl davon in keiner Partei die Rede sein kann: Schmidt hat nicht mehr gegen Pinochet als Strauß, und Brandts brüderliche Umarmungen mit KP-Vorsitzenden sind ebensowenig Zeichen der Unterwerfung unter den Bolschewismus wie ein Freßgelage der CDU/CSU jenseits der Oder-Neiße-Linie. Wer in der Führung eines Staates seine Lebensaufgabe gefunden hat, dem konzediert noch jeder demokratische Journalist, daß er in der Wahl seiner Gesprächspartner nicht wählerisch zu sein hat - und Erfolglosigkeit ist die einzige Sünde der Außenpolitik. Immerhin leisten gelegentlich heuchlerische Hinweise auf die Unfreiheit in der Fremde einen unentbehrlichen Beitrag zum guten Gewissen des Weltbürgers: mit dem Kompliment an die geglückte demokratische Herrschaft daheim wird die Lüge kolportiert, alle östliche und südliche Leuteschinderei sei nicht Mittel wie Produkt eigener staatlicher Interessen. Das ist eben das Schöne an der Menschenrechtswaffe, daß man sie differenziert zum Einsatz bringen kann. Andere haben sie nicht einmal, und die öffentliche Propaganda für außenpolitische Leistungen der Regierung erschöpft sich im Vorzeigen der Anerkennung durch die Mächtigen der Welt, wenn sie auf Besuch kommen; im Osten leicht überhöht zur Predigt der Völkerfreundschaft, die auch aus der Vorsprache des "Hauptfeinds aller Menschen" eine Aufwertung des amerikanischen Volkes zu drechseln versteht.

Im Westen wie im Osten führt die staatlich verpflichtete oder gegängelte Besichtigung der Chancen auf dem Globus zur Herausbildung einer Rangliste von Freund- und Feindschaften, wobei dem jeweiligen Tabellenplatz auch gleich das entsprechende Wohlverhalten zugeordnet ist.

Das Prinzip aller Stellungnahmen zum Ausland und seinen Menschen, der Zynismus der Souveränität, liegt in ihrer Beurteilung "in bezug auf uns". Wer dieses Prinzip verfolgt, nimmt unter dem Vorwand, nicht seinem willkürlichen Geschmack, sondern dem aller zu entsprechen, den Standpunkt der höchsten Gewalt ein, die er anerkennt. So als hinge der angemessene Umgang mit jenen Leuten von seiner Einschätzung ab, be- und verurteilt er alles und jeden, der nicht unter der Botmäßigkeit seines Souveräns steht, als Beschränkung und Gefahr. Diese Gefahr läßt sich herausstreichen und fordert dann ihre Relativierung durch eigene Stärke: von der Angst zur Kriegsbereitschaft! Als relativierte oder für (zur Zeit) gering befundene bietet sie freundlichere Aspekte daß: sie ist,in ihrer Eigenart gewürdigt, ein bedingtes Kompliment wert. Was schließlich den Moralismus der Souveränität angeht, der jeden Neger unbedingt zu seiner Hautfarbe beglückwünscht, so entbehrt auch er nicht einer materiellen Grundlage.

b) Staatsbürgerliche Zurichtung - Xenophobie & Völkerfreundschaft - Von den Konjunkturen imperialistischer Moral

Kein Wunder, daß die staatlich gehegte Xenophobie auch gebremst sein will. In welchen Formen die Gegensätze gegen andere Staaten und Völker ausgetragen werden, darüber behält sich ein anständiger souveräner Staat die Entscheidung vor, und entsprechend der an höchster Stelle für angemessen befundenen Gangart wird die Hetze gegen Land und Leute eingerichtet, so daß sich der Nationalismus der Bürger funktional betätigt. Wenn Entspannung und größere Geschäfte mit dem Osten fällig sind, ist eine Demonstration gegen den Besuch aus dem Kreml unangebracht; umgekehrt bedarf das Strauß-Image in den sowjetischen Medien gewisser Korrekturen, wenn die Partei der Arbeiterklasse ihre Beziehungen zur BRD künftig mit dem Erz-Revanchisten abwickeln muß; französische Winzer gefährden die Fortschritte des europäischen Einigungswerks, wenn sie italienische Weinimporte in die Kanalisation schütten, und Amis wie Chinesen müssen sich daran gewöhnen, daß sie es mit traditionsreichen Völkern zu tun haben, also nicht mit gefährlichen Schlitzaugen und Yankees. Die unvermeidliche Zurschaustellung gemeinsamer Interessen zwischen den Unterhändlern verlangt denen, die von den getätigten Geschäften nie was haben, eine kaum bewundernswerte Flexibilität ab. Und vor allem viel Vertrauen in die diplomatischen Fähigkeiten ihrer Herrschaften, die sich dafür mit jeweils aktuellen Ideologien bedanken: so begann gleich nach dem letzten Krieg eine Riesenzusammenarbeit mit den Völkern, die eben noch mit Bomben nicht geizten; der europäische Gedanke kreuzte plötzlich auf und eine atlantische Partnerschaft keimte, daß es nur so krachte - und überall, in Korea, Cuba und Vietnam, in Prag und Afrika steht seitdem "unsere Freiheit" auf dem Spiel. Der Systemvergleich wurde zur von Adenauer bis Lieschen Müller gleichermaßen gut gehandhabten ideologischen Waffe, die inzwischen bei gewissen Gelegenheiten sogar von Konservativen auch einmal nicht eingesetzt wird. So weiß auch ein Unionsmann die "Eigenart" der Magyaren und Russen zu würdigen, und die Effizienz politischer Unterdrückung wird schon immer als Pluspunkt des Ostens vermerkt. "Bei denen erfährt doch keiner was, wenn einer draufgeht", hieß der Kommentar zu den ersten Weltraummanövern der Russen-und dieser Kommentar war nicht kritisch, sondern neidvoll gesprochen. Die Chinesen sind schon geraumer Zeit keine "blauen Ameisen" mehr, sondern ein starker Staat mit viel Rückhalt bei seinem Volk, das die neuere Geschichte des Welthandels auch endlich - wegen seiner Botmäßigkeit und der Ambitionen der KPCh - auszunützen gestattet. Ministerien verteilen auf Glanzpapier Argumente für Entwicklungshilfe, die betonen, daß es sich lohnt; die auf die Armut hinweisen, aus der sich noch jeder ein schlechtes Gewissen zurechtlegen kann. Keine Unverschämtheit unterbleibt, wenn für offizielle Entwicklungshilfe - die die Armut hervorbringt - geworben wird und Spenden für die minderjährigen Skelette erbeten sind. Aus der Politik, die er zuläßt, soll sich kein einziger Staatsbürger des freien Westens ein Gewissen machen - aus ihren Opfern aber schon; am besten, er schämt sich Für jedes Wurstbrot und spendet auf die einprägsamen Kontonummern der internationalen Wohlfahrtsvereine und für die dreckigen Weltkinder- und Frauenabende, auf denen die Disco-Affen der Pop-Szene samt Präsidentengattinnen ihre Show abziehen.

Ein intakter Weltbürger wird mit dem Zynismus staatlicher Souveränität am besten fertig, wenn er deren Pendant beherrscht, die imperialistische Moral: er darf sie nicht praktizieren, um Vorteile herauszuschlagen. Umgekehrt sogar muß er sich zur Einsicht bequemen, daß die staatlich erzwungenen Vorteile der Nation das relativ Beste sind, was er kriegen kann. Seine Politiker machen deshalb dem auf seine Wertarbeit und sein Steuerzahlen getrimmten Arbeitsmann ständig klar, wie er sich - mit ausländischen Kollegen konfrontiert - abschätzig und anerkennend zugleich gebärden kann: "sie machen die Drecksarbeit, die ein Deutscher nicht mehr erledigen will!". An polnischen Aussiedlern und vietnamesischen Flüchtlingen muß ein gewöhnlicher, d.h. von seiner Arbeit lebender Mensch seine Toleranz gegenüber den Opfern und seinen Haß gegen den anderen Staat pflegen; auf keinen Fall darf ihn die Sache mit den Arbeitsplätzen ärgerlich machen, die er sonst bei jedem Anlaß zu schlucken hat. Was kümmert ihn schon der Aberwitz, daß die Meistbegünstigung den östlichen Staaten nur eingeräumt wird, wenn sie Leute ausreisen lassen! Handelsverträge sind Geschäftsbedingungen, und die gehen ihn nichts an; wenn Ausländer oder Ex-Deutsche an Land gezogen werden, so kann er darin höchstens einen Beweis dafür sehen, daß sein Staat nicht nur fürs Geschäft, sondern auch für die Freiheit Opfer bringen läßt. Bei den offenkundigen Geschäften, die das Parlament und seine honorigen Waffenschieber mit Negerhäuptlingen machen, muß jedermann den Materialismus seines Staates honorieren - auch wenn er gelernt hat, daß Negerhäuptlinge die Menschenrechte mißachten. Die imperialistische Moral fordert vom kleinen Mann, seinen Materialismus dem Idealismus der Nation zu opfern und seinen Idealismus - über Freiheit, Recht und so Zeug - am Materialismus des Staates zu relativieren. Wenn er zu letzterem nicht umstandslos bereit ist, kann er sich bei amnesty international betätigen und andauernd auswärts Herrschaft kritisieren; oder eben warme Decken abliefern, auf UNESCO-Konzerte gehen und sich Bilder anglotzen, auf denen man sieht, wie dürr vornehmlich Kinder und Weiber in Entwicklungsländern geraten. Die Caritas und andere Clubs nehmen seine Mark!

Die Anstrengungen im modernen Erziehungswesen, die sich mit dem Signum der Aufklärung schmücken, stellen daher notwendige Neuerungen daß: die Bekanntschaft mit dem Elend, das die internationale Zusammenarbeit so gebiert, ist gefordert, damit jedermann den Beweis antritt, daß es sein Werk nicht ist. Der Staat bedankt sich mit diesem Beweis seiner Bürger und nimmt ihn für sich in Anspruch. Auch historisch, wenn er in Ost-West-Schulbuchkommissionen für eine ausgewogene Daßstellung der Kriegsschuld Deutschlands eintritt: l. fifty-fifty, 2. nicht Volk, aber Hitler, 3. hängt dem neuen Staat nicht immer Zeug an, was der alte zu verantworten hat.

Wert gelegt wird also in Friedenszeiten auf die Trennung zwischen anständigen Deutschen (Amis, Franzosen, Italienern ...), die nur für ihr Vaterland gewesen sind, und denen, die solch' ehrbares Ansinnen mißbrauchen. Der Rede von den "häßlichen Deutschen", dem Nationalismus der anderen, wird so ein kurzes und schmerzloses Ende bereitet: ihr wollt doch auch einen so fähigen Kanzler, wie wir ihn haben, oder? Die dritte Welt hat freilich solche Sorgen nicht - Senghor hat an der größten deutschen Uni einen Dr. h.c. gekriegt, weil die Negerseele mit der ihr eigentümlichen Kultur will man nicht verletzen, sondern ausnützen! Der moderne Rassismus anerkennt mit der nützlichen politischen Herrschaft, zu der mehr oder minder studierte Neger fähig sind, auch den Menschenschlag, dessen "Natur" sich da äußert. Hatte die alte Lehre darauf bestanden, Untermenschen auch als Vieh zu behandeln, so ist mit überwundenem Kolonialismus das Zugeständnis fällig, daß die Barbarei in all ihren Ausgestaltungen der für sie zuständigen Rasse zu überlassen sei, weil die werden schon wissen, welche Lebensgewohnheiten für sie passen. Auf keinen Fall darf sich ein "Kulturimperialismus" anmaßen, die Exoten aus den Lebensumständen herauszureißen, in die der Imperialismus sie zwingt. Wenn sie auch nichts zum Beißen haben, die Brüder, so soll man ihnen doch ihre "kollektive Identität" und so Zeug nicht nehmen, denn das ist ihre Kultur und Tradition. Letztere ist als nationale zu schätzen, weil sie stärker ist als der Kommunismus, wie ein Krieg in SO-Asien so schön beweist. Auch bei den Russen soll es sich - nicht zuletzt linken Analysen zufolge - weniger um eine Revi-Herrschaft handeln als um gewisse Konsequenzen asiatischer Gemütsverfassung, die sich schon in Peter dem Großen äußerte.

c) Massenkultur auf imperialistisch: Sport als Begegnung der Völker

Dem weltbürgerlichen Nationalbewußtsein sind nicht nur ein paar Widersprüche eigen, die leicht zu Krämpfen im Hirn führen können. Die gewöhnlichen Leute hüben wie drüben, oben wie unten kriegen ihren imperialistischen Geist immerzu nur anerzogen, ohne selbst für ihr Bewußtsein geradestehen zu dürfen, daß sie zum richtigen Volk gehören. Arbeiten und politischer Gehorsam sind Notwendigkeiten, und durch die kann man sich schwerlich auszeichnen im internationalen Vergleich, wenngleich die Repräsentanten der Nation mit den Resultaten der heimischen Ausbeutung flott angeben. Geht man im Auslandsurlaub ebenso forsch zu Werk, so handelt man sich allerhand Nachteile an - deren geringster besteht darin, daß die Angeberei mit Kosten verbunden ist: die Demonstration der Überlegenheit ist keine, weil sie sich am Geldbeutel als das Gegenteil eigener Stärke bemerkbar macht. So ist es nur konsequent und ein Zeichen von hehrer Gesinnung, daß die Staatsmänner für die Zeit zwischen den Kriegen etwas für die praktizierte Heimatliebe tun. Getrennt vom ökonomischen Gegeneinander und von den politischen Händeln organisieren sie den internationalen Sportbetrieb, in dem der Leistungsvergleich des Spiels der Repräsentation des Staates untergeordnet wird. Wenige kommen in die Auswahl, in der zu sein eine Ehre bedeutet. Dafür muß man Sport wie einen Beruf betreiben, also seine sonstigen Fertigkeiten leicht vernachlässigen, weswegen bei manchem dieser Nationalhelden ein Interview zur nationalen Katastrophe ausarten kann. Sieg oder Niederlage sind keine sportliche Angelegenheit, sondern Bewährung der Nation oder eine Schande. Deshalb gehen sie auch nicht nur die Sportler an, sondern ihren Verband, damit ein Ministerium und auch die Öffentlichkeit. Damit diese ihre Begeisterung Für den Sport auch von der richtigen politischen Warte aus relativiert - daß sie politisch agieren, die fanatischen Fans, ist kein Problem -, steht eine Heerschar von Kommentatoren bereit, die Form, Verläßlichkeit und Selbstbewußtsein der nationalen Repräsentanten von Berufs wegen registrieren und bei Auftritten, die unter "Schande" fallen, für Konkurrenten und die Sporthilfe Stimmung machen.

Selbst bei Anabolika-Debatten bleiben sie ausgewogen, weil ohne die Tabletten "unsere" Sportler im Nachteil sind gegenüber dem Osten. Mit der Phrase von der "Trennung zwischen Sport und Politik" reden sie unverhohlen der nationalen Durchschlagskraft auch auf diesem Nebenkriegsschauplatz das Wort, zählen die Medaillen, beschimpfen die "Staatsamateure" im anderen Teil Deutschlands, zählen dann auch wieder die Medaillen von hüben und drüben zusammen und feiern Sportgrößen aus sämtlichen deutschen Reichen der Vergangenheit. Die Aktivität der "Massen" besteht in der Anfeuerung ihrer "Lieblinge", in der vor, während und nach dem Wettkampf durchgehaltenen Parteilichkeit und bisweilen im Absingen der Nationalhymne, auch der l. Strophe. Da haben dann wieder die Radiofritzen einiges zu tun, um die dazugehörigen Ideale an den Mann zu bringen - Fairneß, Dabeisein ist alles, gerechtes Ergebnis, nicht unverdient, profihafte Einstellung (= liefert einen guten Beleg für den Schmarrn vom Leistungslohn) und unnötiges Foul ...

Das internationale Sportgeschehen ist also eine politische Einrichtung, die den "Massen" die Gelegenheit gibt, ihren Nationalismus auszutoben und auf dem Feld der außerökonomischen Konkurrenz, der Repräsentation, dazu beizutragen, daß keine Zweifel über das richtige Vaterland aufkommen. Wo nicht nur der kleine Mann arm dran ist, sondern auch die Nation im ökonomischen Leben ihre Schwierigkeiten hat, sich zu behaupten, stellt sich bisweilen ein Mißverhältnis zwischen der Größe einer Sportnation und dem, was sie sonst noch ist, ein: aber gerade deswegen ist das Geld für die Aki-Buas nicht zum Fenster hinausgeworfen, Österreich macht ein Geschäft aus Schnee und Skiern, die cubanischen Boxer kämpfen für den Sozialismus, und an den chinesischen Tischtennisspielern ist nur eines auszusetzen - daß sie manchmal vor lauter Völkerfreundschaft absichtlich verlieren.

d) Kultur: Musik und Film

Noch drolliger geht es in der Szene der restlichen Massenkultur zu, in der sich die Menschheit sinnvoll von den Strapazen nicht nur der Arbeitswelt, sondern auch von den Anstrengungen der hitzigen Debatten erholen kann, in denen jeder vom Standpunkt des Bundestrainers aus Stellung bezieht. Während in der Abteilung "Nationalsport" der Eindruck entstanden sein mag, es gehe einseitig um deutsche Ausnahme- & Randerscheinungen - der Eindruck ist falsch: wenn die CSSR gegen die UdSSR Eishockey spielt, wird in Prag und Brünn um den Prager Frühling gekämpft; die italienischen Fans heißen "tifosi", und mit der Objektivität des Publikums im Wembley-Stadion soll es auch nicht so weit her sein -, so ist die Welt der Schlager untrüglich international, und zwar nach Form und Inhalt. Sie bieten eine vollständige Sozialgeographie, und die fällt ein Urteil nach dem anderen über die Eigenarten der anderen Völker und Länder, damit sich auch jedermann eine Vorstellung davon machen kann, wie schön und anders - gemessen an der eigenen Umgebung - es überall zugeht. Hier kommt nichts als das vor, was es ist, weil der Standpunkt der guten oder schlechten Auslandserfahrung zur Hervorbringung moderner Kunstwerke eingesetzt wird. Die ganze Welt erscheint hier als Mittel privater Wünsche und Anliegen, jedes Land gerät zur Sphäre gewaltiger Genüsse und tragischer Erlebnisse auf dem Gebiet Wein, Weib und Gesang. Kritische Stimmen seitens intellektuell ambitionierter Beobachter und Teilnehmer der Unterhaltungsszene konnten gar nicht ausbleiben, so daß sich schließlich das Repertoire erheblich erweitern ließ. Neben rassigen Weibern, lauen Nächten, heißen Festen, ansehnlichen Landschaften, wohltuenden klimatischen Verhältnissen und Getränken aller Art, die zu den entsprechenden Rhythmen und Musikinstrumenten verzehrt werden, besteht die Welt inzwischen auch aus armen Indiojungen und reichen Bösewichtern; Herrschaft und Knechtschaft sowie Moritaten sozialen Auf- und Abstiegs haben Einzug gehalten in die leichte Muse, die sich dann "mit Anspruch" vorträgt. Nicht einmal aber bei antümperialistischen Klängen, Antikriegsliedern und Menschenrechtssongs scheint man zu gewahren, was nun an Stelle der "Scheinwelt" ausgerechnet zur Unterhaltung taugen soll - eher hält man den internationalen Ungerechtigkeitsschmarrn mit seiner folkloristischen Einkleidung für bewußtseinsverändernd ...

Der Film hat es sich natürlich angelegen sein lassen, die Idiotien der Schlager zu ganzen Handlungen auszubauen. Alberne Romanzen spielen sich an der Copa Capana, in Florenz, Paris und in San Diego ab, an den entscheidenden Stellen fangen die Geigen und Mandolinen an, so daß der Einsatz des Schlagerstars nicht fehlgehen kann. Ernster wird deshalb auch der Heimatfilm genommen, weil der einen Landstrich samt dem dazugehörigen Menschenschlag mit seinen Licht- und Schattenseiten verhandelt und das Fremde noch immer mit dem Bösen identifiziert. Zur Feier nationalen Heldentums gibt es dieses Genre auch in den USA, der SU und in China, wobei der Übergang zum Kriegsfilm ebenfalls überall beherrscht wird. Gut und Böse sind zwischen den Lagern manchmal säuberlich verteilt, manchmal in ihnen, auf daß der unerläßlichen Typenbildung Genüge getan sei. Als persönliches Schicksal einzelner Helden zur Darstellung gebracht, wird so mancher Krieg zum Gegenstand des Entsetzens, das der Unterhaltung dient.

Im Spionage- und Kriminalfilm verkleiden sich die Gegensätze von Imperialismus und Recht in "action", und außer'den Schauplätzen ist auch die personifizierte Moral international. Schlitzaugen, Neger und heruntergekommene Weiße kommen zu ihrem Recht als Allegorien ihrer natürlichen Moral, Ausnahmen bestätigen die Regel, auch bei den Indianern im Western, der zusammen mit den Bürgerkriegsschinken den Aufstieg der imperialistischen Macht Nr. l, der durch Virtuosen der Gewalt zustandegekommen ist, in die Aufs und Abs freier Individuen übersetzt. Selbstverständlich haben die amerikanischen Agenturen in dieser Branche zu Recht den Ruf der Avantgarde eingeheimst, weil sie sich so intensiv an der Vermenschlichung aller imperialistischen Notwendigkeiten zu schaffen gemacht haben. Der Zufall als Konstruktionsprinzip tut da seine Wirkung, wenn alle Untaten der imperialistischen Entwicklung ihren heutigen Opfern zur Unterhaltung vorgesetzt werden, inzwischen auch als Anti-. Verständlich, daß die Massenkultur bei den europäischen Wertehütern wenig beliebt ist, denn erziehen tun ihre Werke zu nichts - sie bestätigen bestenfalls die Vorurteile und Ideale in dem Maße, wie sie sich ihre jugendlichen Genießer zueigen gemacht haben und wiederentdecken wollen. Daß letzteres geschieht, ist sicher, und konjunkturbewußte Filme- wie Schlagermacher denken auch bei ihrem Schaffen verantwortungsbewußt an die "heute fällige" Botschaft. Dadurch nehmen sie ihren Produktionen freilich manches an "Unterhaltungswert", sie werden langweilig wie die Kulturfilme, die im Geist der renovierten imperialistischen Moral die Natur ganzer Erdteile als furchtbar interessanten Kulturfall unter die Leute bringen möchten. Mehr Erfolg ist da schon den Urhebern von Comics beschieden, in denen die Charaktere des modernen Welttheaters mehr oder minder gekonnt mit Strichen zur Physiognomie gestaltet werden, in Sprechblasen ihre guten und bösen Absichten mitteilen - und als Viecher, Akteure der Vergangenheit oder Zukunft Weltkrieg spielen.

e) Internationalisierung des höheren Blödsinns

Daß Intellektuelle von all dem Zeug nichts halten, ist ein Gerücht: sie sind bloß wählerisch und suchen ihr elitäres Gemüt durch den Genuß entweder des "kritischen" Unsinns oder des neuesten Schreis aus dem Ausland zu bestätigen. Klar, ein japanischer Gastjodler, der sich mit seinen Kollegen aus Appenzell mißt, sagt ihnen nicht zu, denn landsmannschaftlich bornierte Sitten in Sachen Unterhaltung fallen nicht weltbürgerlich genug aus. Bei einem Film mit Humphrey Bogart fangen ihnen jedoch schon die Augen zu tropfen an, wenn sie hinterher den Regisseur wissen und sozialpsychologisch daherquatschen. Sie sind es auch, die mit Lob und Tadel ganze Wertskalen für Werke der Massenkultur erfinden, damit ihresgleichen erfährt, was "gut " und "in " ist, bestreiten Feuilletons und Zeitschriften und nehmen, allzeit kritisch, an Festivals teil. Bei amerikanischen Schlagern, französischen Chansons und südamerikanischer oder indischer Folklore entdecken sie immer Vorzüge, die dem einfachen Volk nicht eingehen - und wenn das Zeug dann über ihre Ansprüche vermittelt auf dem breiten Markt ist und auch von nicht kompetenten Menschen in Beschlag genommen wird, halten sie es für überholt, ergötzen sich plötzlich, heftig philosophierend, an wieder was Neuem oder auch ganz Altem. Der Unterschied "kommerziell" und "progressiv" liefert ebenso ein Armutszeugnis von dem armseligen Charakter der Philosophie wie die exaltierten Filmkritiken, die den Produzenten einen enormen Hang zum "Wagnis" bescheinigen. Handelt es sich gar um politisch engagierte Intellektuelle, so sind sie in der Lage, ganze Gedankengänge in Form von Comics zu offerieren - was ein Licht auf die so präsentierten Gedanken wirft.

So richtig ein Tummelplatz von Weltanschauungen für die gebildeten Stände hat die Unterhaltung aus dem Geiste des Imperialismus zu sein - dann fühlt man sich in ihr zu Hause und zelebriert den neuen Film von XY, in welchem das Böse über den Sheriff obsiegt, als wahrhafte Revolution. Ohne die zugehörige Ideologie scheint aber picht nur die banale Unterhaltung nicht abzugehen. Für die Sphäre "echter" Kunst gilt das noch mehr, und die zuständigen Abteilungen der Literatur- und Kunstgeschichte an der Universität liefern die weltbürgerlichen Urteile zum Kanon, vor denen einem graust. Der Staat hat schon recht, wenn er den höheren Blödsinn subventioniert, also in die Repräsentationskosten seiner Herrschaft einreiht und dadurch die Xenophobie gebildeter Menschen auf ihre Amtsgeschäfte beschränkt. Helmut Schmidt wird schon wissen, für wen er sagt, daß ihm aus Frankreich Notre-Dame und das savoirvivre exportwürdig dünken, daß der ungarische Komponist Liszt europäischen Geist atmet. Ohne Dante wäre Europa nämlich auch ärmer, von Dostojevski ganz zu schweigen. Jaja, das russische Ballett, die italienische Oper, die Surrealisten und die zeitlose Modernität von Shakespeare. So genießbar manche Kunstwerke sein mögen, so ungenießbar ist der ihnen beigelegte Sinn, mit dem sich Leute mit Abitur, Doktorat und einem entsprechenden Amt in die Pose des Weltbürgers werfen. Und wenn diese Typen als "kulturelle Mittler" agieren und die Bühne des internationalen Kulturaustausches betreten, stört höchstens beiläufig die Erinnerung daran, wozu manche Absolventen von Oxford und der Sorbonne fähig sind, sobald sie ihr Amt ausüben.

f) Die geschichtliche Leistung des Christentums

Die Bekanntschaft mit der fremden Kultur, die fingierte Vertrautheit mit den Größen und Delikatessen aller Herren Länder hat auch eine Geschichte. Während Kaufleute und Eroberer für die praktische Abhängigkeit der Völker untereinander zuständig waren, hat das Christentum für die geistigen Bande Sorge getragen. Die Mission hat das Werk der Kirche, als sie noch weltliche Macht war, würdig fortgesetzt und den gemeinsamen Maßstab der Werte geschaffen. Getreu dem Lehrsatz, daß der Mensch erst einer ist, wenn er der Selbstverleugnung kundig ist, haben die Sendboten des Glaubens Generationen von Negern mit dem Herrn Jesus die Haltung der abstrakten Freiheit nahegebracht. So kriegten sie neben neuen weltlichen Herren auch noch einen anderen, als dessen Knechte sie sich bekennen durften. Daß der Übergang von der Naturbefangenheit zur Anerkennung rechtlicher und sittlicher Herrschaft anderer Leute nicht übermäßig harmonisch verlief, ist weiter nicht schlimm - jedenfalls nicht für gestandene Christen. Die gehen nämlich schon immer mit der Konjunktur der gerade betriebenen Politik, d.h. ihr demokratisches Herrgottswissen legt sich nur unter Umständen mit den jeweiligen Machthabern an. Seine offiziellen Träger wissen genau, wann und wie sie die imperialistische Menschenschinderei bedauern, die soziale Frage in der "Dritten Welt" aufrollen und dem Volk die Anwendung von Gewalt ausreden müssen. Heute zeigt es der Papst aller Welt, wie funktional die Trennung der Kirche vom Staat auch im Fach internationale Politik zu handhaben geht. Da "sein Reich nicht von dieser Welt" ist, hetzt er seine Glaubensbrüder im Osten gegen die "ungerechte Herrschaft" auf, ermahnt in Südamerika angesichts der "sozialen Ungerechtigkeit" seine Schäflein zum Frieden - und redet angesichts der allgemeinen Ungerechtigkeit der Herrschaft überhaupt das Wort: vor der UNO in einer Rede über "soziale Stabilität", die jeden Soziologen beschämt. Daß er die Menschen, die nicht umstandslos verhungern, zu einem "einfachen Leben zugunsten der Ärmeren" auffordert, ist zwar unverschämt, aber ein durchaus würdiger Höhepunkt seiner Teach-in-Reise. Von der Mission zur Agitation, von der Predigt zum diplomatischen Hilfswerk der Weltherrschaft - das ist doch eine Karriere für eine Ideologie, deren Urheber schon vor 2000 Jahren gemerkt hat, daß man einmal für den abstrakten Christenmenschen samt seiner Würde, das anderemal für die konkrete Bedürftigkeit Stimmung machen muß, also für Spenden wirbt.

g) Wissenschaft imperialistisch

Die Ideologie, die zum Kulturimperialismus gehört, weil ihn alle Welt so lieb gewonnen hat, ist denkbar einfach: man soll keine Vorurteile nicht haben, und schon gleich gar keine einfachen - denn die sind keine Lösung.

Die komplizierten Vorurteile ernähren zwei ganze Wissenschaften. Die Geschichtswissenschaft sucht ganz vorurteilsfrei das "wir" nationaler Souveränität in den Ereignissen der Vergangenheit auf, verfügt also in der Frage "was bedeutet das für uns ? "- die sich auch stellvertretend im Namen wissenschaftlich bemutterter fremder Nationen stellen läßt - über ein handliches Prinzip, um dem kultivierten Staatsbürger die Gewalttaten sämtlicher Staaten bis zurück zu den ersten Pharaonen als Sinn zum Genuß darzubieten. Unter dem Eindruck einer wenig gelungenen Lektüre der "Deutschen Ideologie" und des "Kommunistischen Manifests" hat sich jedoch auch der hoffnungsträchtige linke Moralismus sein Plätzchen erobert. Manchmal erscheint deswegen auch das arg gebeutelte Volk als das Subjekt "unserer" Geschichte - und so besehen werden aus den verheizten und geliebten "Massen" lauter Vorkämpfer des gesellschaftlichen Fortschritts. Auch so stellt sich mit dem Stolz über das Erreichte ein bleibender Genuß imperialistischer Zustände ein!

Die Wissenschaft von der internationalen Politik betrachtet das imperialistische Geschehen nach den Geheimnissen des Erfolgs, der hier allein zählt. Sie untersucht alle weltpolitischen Konstellationen nach den Problemen und Perspektiven, die sie bieten, wählt als Standpunkt abwechselnd nationalistische und internationalistische Ideale, um die wirklichen oder nur in der Einbildung vorhandenen Mittel "gedanklich" zum Einsatz zu bringen. In ihren sandkastenmäßigen Nachempfindungen nimmt sie sich der Kollisionen der realen Welt in Gestalt von Modellen an und kalkuliert eifrig an sämtlichen Eventualitäten imperialistischer Konkurrenz herum. Mit diesen Rechnereien erfüllt sie ein Bedürfnis, aber gewiß nicht eines der außenpolitischen Praxis - bestenfalls bietet sie dem interessierten Intellektuellen die Illusion, dem imperialistischen Erfolg auf die Schliche gekommen zu sein. Kein Wunder, daß sich auch der Gestus des Warnens eingeschlichen hat - vor Mißerfolgen, welche den schönen Frieden der Konkurrenz gefährden könnten: so gibt es auch Friedensforscher und Konstrukteure von Modellen alternativer Entwicklungshilfe.