§ 2
Die Besonderheiten des Weltmarkts aufgrund der staatlichen Modifikation der Konkurrenz

Insofern der Weltmarkt das Werk des bürgerlichen Staates ist, der den Notwendigkeiten des unter seiner Herrschaft akkumulierenden Kapitals durch den Einsatz seiner Gewalt Anerkennung verschafft, erfährt die ökonomische Konkurrenz auffällige Modifikationen.

Aus dem Buch
1979, 2014, 2022 | 102 Seiten | ab 10 € inkl. MwSt.
Systematischer Katalog
Länder und Abkommen
Gliederung

§ 2
Die Besonderheiten des Weltmarkts aufgrund der staatlichen Modifikation der Konkurrenz

Insofern der Weltmarkt das Werk des bürgerlichen Staates ist, der den Notwendigkeiten des unter seiner Herrschaft akkumulierenden Kapitals durch den Einsatz seiner Gewalt Anerkennung verschafft, erfährt die ökonomische Konkurrenz auffällige Modifikationen .

Zunächst wird der Vergleich zwischen Kostpreis und Marktpreis von der Entwicklung der Kommunikationsmittel und -wege affiziert, welche von den Staaten begünstigt, bewerkstelligt oder auch nicht wird. An den räumlichen und zeitlichen Bedingungen des internationalen Warentausches findet der kosmopolitisch aktive Staats- und Geschäftsmann besondere Kosten und Risiken seiner Kalkulation vor.

Des weiteren hat der Staat den Konkurrenzkampf auf Grundlage der Marktpreise darin zu befördern, daß er den Streit über den angemessenen Maßstab der Preise erfolgreich führt: ob nämlich aus dem auswärtigen Handel ein anständiges Geschäft wird, hängt vom Stand des Wechselkurses ab. Die Verwendung nationalen Kreditgeldes, dessen Verhältnis zum Gold - das nur zum Saldieren von Überschüssen fällig wird - aufgrund der wirtschaftspolitischen Maßnahmen der Nationen im Innern veränderlich ist, verlangt den außenwirtschaftlichen Rechenkünstlern höchsten Einsatz ab. Das Geschäft des Devisenhandels, das sich aus der profitlichen Ausnützung von Angebot und Nachfrage ergibt und den Banken eine neue Aufgabe erschließt, fordert staatliche Überwachung und Richtlinien heraus. Im Interesse einer gelungenen Zahlungsbilanz, die gleichermaßen den Erfordernissen von Export und Import genügen muß, befördert oder bremst der Staat die verschiedenen Abteilungen des auswärtigen Handels, wobei seine Entscheidungen bezüglich Auf- und Abwertung naturgemäß nicht allen Beteiligten genehm sind. Dabei benützt er nicht selten seine Gewalt und den erreichten Stand der Abhängigkeit anderer dazu, auf das Hin und Her von Angebot und Nachfrage - von Waren wie Geld - nicht nur zu reagieren: er setzt Bedingungen durch Außenhandels- und Währungspolitik, durch die er die Produktion und Konsumtion seiner Bürger einerseits schützt, andererseits dieselben zwingt, sich der Konkurrenzfähigkeit seiner Wirtschaft auf dem Weltmarkt gemäß zu verhalten.

So sind ihm schließlich negative Wirkungen auf das Wachstum des nationalen Reichtums Grund für Maßnahmen, den von ihm selbst in die Wege geleiteten Freihandel um eine solide Pflege des Protektionismus zu ergänzen, und mit Angeboten der einen oder anderen Art von Außenwirtschaft verhandelt er bi-, tri- und multilateral in der gesamten Staatenwelt herum: Handelsverträge, Bündnisse und Integration sind die Titel für dieses Verfahren einer Nation, sich auf dem Feld internationaler Konkurrenz durchzusetzen. Nach dem jeweiligen Stand ge- und mißlungener Erpressung, deren ein Staat fähig ist, ist die Welt politisch eingeteilt.

a) Kommunikationsmittel

Die Bewältigung der Schwierigkeiten, die sich mit den größeren Entfernungen, also auch der Vermehrung von Zirkulationskosten auftun, hängt vom Wohlverhalten anderer Staaten ab: von allgemeinen Abkommen über die Freiheit der Meere über die Konditionen für Bau und Benutzung von Eisenbahnlinien und Kanälen bis hin zur Auflage von Telefonbücher wird alles Gegenstand besonderer Verhandlungen und Verträge, durch die sich entscheidet, was sich an unmittelbaren Transportkosten, Zinsen für Kredite und Versicherungsprämien sparen läßt. Dabei gilt es sich nicht nur mit dem Handelspartner ins Benehmen zu setzen, sondern auch mit Dritten (Transithandel), deren Straßen, Schienen, Flüsse und Luftkorridore benützt werden.

b) Besonderheiten der internationalen Zirkulation

Die Bezahlung der Waren mit nationalem Kreditgeld bewirkt die nächste Modifikation der Konkurrenz. In der inneren Zirkulation jeden Landes garantiert die Staatsgewalt den Kreditzeichen ihre Gültigkeit, doch geht mit dieser Ökonomisierung der Zirkulation des Kapitals auch eine Veränderung der "Kaufkraft" des Geldes einher. Die Verwaltung des Kredits, der dem Kapital gemäß seinen Konjunkturen zur Verfügung gestellt bzw. vorenthalten wird, führt zu Schwankungen des Verhältnisses Banknoten/Gold, was für die ausländischen Handelspartner ein Risiko darstellt. Die Festlegung von Paritäten beseitigt nicht die Unsicherheit bezüglich dessen, was man für in Zahlung genommene fremde Währung als Käufer im betreffenden Land zu einem anderen Zeitpunkt erhält, sondern ist Ausgangspunkt für die Kalkulation mit dem Wechselkurs. Im zunächst rein technischen Geschäft der Vermittlung von Devisen, die der Geldhandel'aus der Hand von Exporteuren empfängt, an Importeure, die sie für Zahlungen ins Ausland benötigen, wird daher um die günstigsten Handelsbeziehungen gestritten. Der An- und Verkauf von fremder Währung zum richtigen Zeitpunkt entscheidet mit über Produktionskosten und Erlös, die aus einem Auslandsgeschäft erwachsen. Dabei gerät die Spekulation auf die Schwankungen von Angebot und Nachfrage zu einem selbständigen Geschäft, das sich mittels Telefon der Unterschiede zwischen Wechselkursen örtlich wie zeitlich bedient. Auch der Anstrengung seiner Kunden, Devisen zum Zeitpunkt eines für sie günstigen Standes der Wechselkurse zu kaufen, um sie später zu verwenden, tragen die Währungsspezialisten Rechnung und lassen sich das für die Kundschaft partiell übernommene Risiko entgelten: Termingeschäfte nebst Swap. Mit all ihren Diensten machen sich die Devisenhändler allerdings nur beliebt, solange das Ergebnis ihres aufregenden Jobs ein genehmes ist: zur rechten Zeit müssen genügend Devisen für die anstehenden Auslandsgeschäfte da sein, und zwar zu einem vorteilhaften Preis. Dabei ist es gar nicht einfach, allen Interessierten zu Gefallen zu sein: schon am gegensätzlichen Interesse von Importeuren und Exporteuren bezüglich der Bewegung des Wechselkurses bemerken die Telefonisten in Sachen Weltgeld, daß ihnen die Ökonomisierung des internationalen Kauf- und Zahlungsmittels zwar ihren Beruf sichert, aber nicht für das Geschäft garantieren kann, dem dieser Beruf untergeordnet ist.

c) Währungs- & Handelspolitik: der wirtschaftspolitische Umgang des Staates mit dem internationalen Handel

Denn ein gelungener Außenhandel besteht keineswegs darin, daß irre viel Ware exportiert wird, wie linke Absatztheoretiker sich das vorstellen. Daß der Welthandel insoweit den Prinzipien des Kapitals gehorcht, daß er Tausch ist, gilt natürlich auch umgekehrt: auch der Import von möglichst viel Ware entspricht nicht dem Zweck der Akkumulation, welche die Nation anstrebt. Im Falle des Exportüberschusses häufen sich die Devisen des Auslands in den Banken, und die Verwendung dieser Gelder zur Vermehrung des Reichtums ist nicht gegeben, wenn sie niemand in Zahlung nimmt für Sachen, die dem Fortgang der Produktion dienen. Selbst im Falle der Begleichung von Überschüssen mit Gold stellt sich keine gewaltige Freude ein, da die Nation, aus der das Gold entfließt, zwar nicht kreditiert wird, jedoch schnell als Kunde entfällt, wenn sie nicht auch etwas zu verkaufen hat - also ihrerseits der Bereicherung fähig ist. Die Realisierung des Warenprodukts bringt einer Nation also nur dann die Nutznießung fremden Reichtums, wenn sie sich ihre Kontrahenten als Käufer erhält. Umgekehrt im Falle des Importüberschusses - die ins Ausland abfließenden Devisen, die dort niemand haben will, um einem etwas abzukaufen, ändern die Wechselkurse, was die Potenz als Käufer erlahmen läßt; und der Goldabfluß bewirkt dasselbe über das offenkundige Schwinden der Zahlungsfähigkeit. Der nationale Goldschatz ist nicht der Reichtum der Nation, sondern ein Mittel, ihn zu steigern - und diese Funktion erfüllt er, wenn er nur zum Ausgleich von Schwankungen eingesetzt statt "verbraucht" wird

So unbekümmert sich daher einzelne Kapitalisten dem Export oder Import verschreiben, so unausgeglichen der Handel mit dem einen oder anderen Land aussehen mag - der bürgerliche Staat bewährt sich auf dem Felde des Außenhandels erneut als ideeller Gesamtkapitalist, wenn er das Ideal einer ausgeglichenen Zahlungsbilanz und dementsprechend eine ausgeglichene Handelsbilanz verwirklichen will. Zu diesem Zweck betreibt er

  1. Währungspolitik, dh. er reagiert auf die Wechselkursänderungen, die sich über den Devisenmarkt ergeben, mit dem Beschluß generell neuer Paritäten. Da hierbei die Schädigung wichtiger Handelspartner ebenso wie eines Teils seiner kaufmännischen Internationalisten ansteht - je nachdem ob Auf- oder Abwertung -, sucht er die in seinem Interesse fällige Korrektur anderen Staaten anzuhängen. Es macht nämlich einiges aus, ob ein Staat das Verhältnis seiner Währung zum Gold ändert und die fälligen Kursbereinigungen gegenüber einem wichtigen Partner so vollzieht, daß er gleich die Relation seiner Währung zu allen anderen verändert, oder ob er sich vorteilhafte Import- bzw. Exportbedingungen erhält, indem er über eine Phase freundschaftlicher Stützungskäufe einem Partner entsprechende Lasten aufhalst - oder ob ihm der Wechselkurs seines Dollars länger als allen anderen gleichgültig ist, weil dieser Staat ln der Welt unbegrenzten Kredit genießt. Im Notfall bremst er seiner Währungspolitik schädliche Bedürfnisse seiner Geschäftsleute nicht nur mit Vorschriften und Kontrollen des Devisenhandels; er geht zur Devisenbewirtschaftung über, weil Währungspolitik eben
  2. Handelspolitik zu sein hat, also Behinderung oder Förderung des Außenhandels an den Punkten, wo er sich nach-/vorteilig auswirkt. Mit dem Instrumentarium des Protektionismus - mit Zöllen, Einfuhrbeschränkungen, Lizenzen und allerlei Abwandlungen solcher Erschwernisse schädlicher Konkurrenz - macht er sich zum Anwalt eines einseitig gedeihlichen Weltmarkts, zumindest für eine gewisse Frist. Denn die Reaktion der Partner, die ihrerseits entsprechende Mittel zum Schutze ihrer Ökonomie einsetzen, macht ihm deutlich, daß sein Nutzen vom Weltmarkt nicht ohne Konzessionen zu erreichen ist. Er wird deshalb auch gleichzeitig nach innen tätig und wirkt auf die Konkurrenzfähigkeit der geschützten Branchen hin. Wo sich Souveräne gegenüberstehen, gilt sogar im Verkehr mit "schwachen" Staaten das Grundgesetz internationaler Konkurrenz - Zugeständnisse müssen gemacht werden, andernfalls sahnt die Konkurrenz ab; am besten aber ist es, man macht sie überflüssig. Dann kann man es sich aber auch leisten, gar nicht über den Handel zu konkurrieren.
  3. Die neue Abteilung seiner Wirtschaftspolitik, die der bürgerliche Staat sich mit dem auswärtigen Handel eröffnet hat, verlangt ihm die Sorge um den wirkungsvollen Einsatz der Waffe seines Kapitals ab: die Produktivität in seinem Herrschaftsbereich hat er zum Mittel der nationalen Bereicherung zu machen - und die außerhalb ebenfalls, was ihn einerseits als rücksichtslosen Parteigänger des Wertgesetzes auftreten läßt, andererseits dazu bringt, den praktischen Vergleich der Warenpreise nicht so recht stattfinden zu lassen. Seine Partner auf dem Weltmarkt tun es ihm gleich, so daß sich ihre Beziehungen als der ständige Schacher um die Aufhebung und Neufestsetzung von Handelsschranken abspielen; Export- und Importbedingungen wechseln mit den Erfordernissen der Konjunktur, die auch als wirksamer Hebel der Erpressung taugt.

Im Austausch von Waren auf dem Weltmarkt findet ein Vergleich nationaler Produktivitäten statt, dessen Resultat nicht schwer auszumachen ist. Gewinn und Wachstum stellen sich bei den Nationen ein, die aufgrund der höheren Produktivität ihrer Unternehmen billig produzieren und Waren anzubieten haben, die andere gar nicht erst zustandebringen. Nationen mit niedriger Produktivität können da nur konkurrieren, wenn sie bei den Gewinnen Abstriche machen. Zur Produktion für den Weltmarkt gezwungen, wollen sie importfähig bleiben, vergrößern sie ihren Aufwand an Arbeit niedriger Produktivität und versorgen die Welt mit Produkten "arbeitsintensiver Industrie". Ihre protektionistischen Versuche werden entsprechend beantwortet, so daß sich nur noch währungspolitische Maßnahmen gegen die Wirkung des Wertgesetzes lohnen, die die Unterwerfung unter dies Gesetz vollenden. Modifiziert wird es schließlich einzig über das Elend derer, die arbeiten müssen und an deren körperlicher Verfassung zu bemerken ist, daß sie ihre Arbeitskraft unter Wert verkaufen müssen. Durch diese Modifikation bereiten sich die unterlegenen Nationen freilich intensiv auf ihre Rolle als Billiglohnländer vor, die ihnen durch die Herstellung grenzüberschreitenden Kapitalverkehrs zufällt: die Mittel der Arbeitsproduktivität, die als Kapital vorhanden sind, das sie nicht haben, lassen sich nämlich prima mit der billigen Arbeitskraft, die einfache Arbeit verrichtet, kombinieren. (Die Nationen, die sich am Irrwitz einer "bewußten Anwendung des Wertgesetzes" zu schaffen machen, trifft seine Macht in Gestalt des Weltmarktes nicht minder empfindlich, und auch dort müssen die Proleten den staatlich betriebenen Außenhandel finanzieren!)

d) Handelsverträge - Bündnisse - Kredit

In Handelsverträgen regeln Staaten untereinander die Konzessionen, die sie sich einander um der eigenen Bereicherung willen auf dem Felde des Warenaustausches machen. Diese Dokumente der Konkurrenz gestalten sich je nach den Drohungen, die die Beteiligten zu realisieren vermögen, als befristete Zusicherung von Lieferungen, die qualitativ und quantitativ festgeschrieben sind, als Rahmenkonditionen des freien Handels zwischen den Partnern, also als Regelung der Erschwernisse, die man für unverzichtbar hält, sowie als Einigung über den Umgang mit Dritten, die ja stets als Ausweg oder Opfer bilateraler Erpressung in Frage kommen. Da sich gewisse Schäden für die eine oder andere Seite nicht vermeiden lassen, gibt es Bündnisse, in denen die wechselseitige Erhaltung der Brauchbarkeit für alle Fälle zum Programm erhoben wird und die Nutznießer, also gewöhnlich die Urheber der festgelegten Paritäten, Diskriminierung und Begünstigung ganz viel "Verantwortung" für die Folgen ihres Geschäfts übernehmen. Neben Beschlüssen des gemeinsamen Protektionismus werden die nationalen Umgehungspraktiken gleich mit fixiert, und der Fall, daß eine nationale Währung ruiniert wird, ist auch vorgesehen - freundschaftliche Kreditierung in Swing-Abkommen, Verpflichtung zu Stützungskäufen etc. sichern den Fortgang des Handels, wobei der partnerschaftliche Dienst oft in der Existenzsicherung der anderen Nation, in der Bewahrung der Funktionsfähigkeit für den Weltmarkt besteht, was die Bürger dieser Nation zu wahren, weil opferbereiten Internationalisten prädestiniert. Daß die schönsten Vereinbarungen dieser Art nach Kriegen zustandekommen, ist sicher ebenso ein Zufall wie die Tatsache, daß ihre "Reform" unter dem Druck der Kräfteverhältnisse nicht nur in Handelskriegen endet.

e) Die Scheidung der Staaten nach den Kriterien des internationalen Handels

Die Unterscheidung der Nationen vom Standpunkt des Handels ist eine nach den Kriterien der Brauchbarkeit Für den imperialistischen Staat; sie wird praktisch vorgenommen und ist keine ideologische Angelegenheit:

  • Da gibt es arme Länder, die aber keineswegs unwichtig sind für den Welthandel. Der Verkauf ihrer Reichtümer macht andere glücklich, und die Einnahmen werden für die Stabilisierung des Staates verwandt. Weniger stabil ist dafür ihr Geld, so daß man sie zurecht Weichwährungsländer heißt und die aus- und eingehenden Lieferungen gleich in harter Währung fakturiert. Die staatlich festgesetzten Wechselkurse kommen auf dem Devisenmarkt nie zustande, die Verschuldung dieser Nationen ist die Geschäftsgrundlage und fordert Hilfe für die Zahlungsbilanz geradezu heraus.

Unter den armen Ländern gibt es allerdings auch reiche, die keine Schulden haben, sondern mit Öl ganz viele Petro-Dollars bzw. Gold anhäufen. Das wird ihnen ziemlich übelgenommen, zumal sie ein-ziemlich wackliges-Bündnis geschlossen haben, mit dem sie versuchen, einer Minderung ihrer Einnahmen durch den Kursverfall des Dollars entgegenzuwirken. Diese Einnahmen entspringen trotz mancher Gerüchte nicht dem Verkauf des Öls, sondern einem Anteil am offiziellen Verkaufspreis, der den Souveränen zugestanden wird. Diese verwenden ihre Rente konsequent wie die armen Staaten unter den armen und bewähren sich so als Hebel für die Nationen, bei denen man mit dem Erdöl was anzustellen weiß. Der Dollar-Reichtum ist für den Staat da und nicht umgekehrt (was am schönsten in den idiotischen Formen der Repräsentation hervortritt), wächst also nicht. Außer ein paar Landsleuten mit anständigem Einkommen und einem Militär leistet man sich viele Paupers, und für die Verrichtung der nötigen Dienste haben sich Scheichtümer Gastarbeiter an Land gezogen. Ein Problem sind diese Nationen für die Regisseure des Weltmarkts auch. Die Finanzierung ihrer Herrschaft macht sich im Kostpreis der industriellen Produktion bemerkbar, weil ja auch die Ölkonzerne und die Finanzminister was einnehmen wollen, so daß die Konkurrenz um den Import von Öl bisweilen nicht mehr als das richtige Verfahren angesehen wird.

  • Es gibt aber auch wirklich reiche Staaten, konkurrierende Handelsnationen, die einem ständig Märkte streitig machen, andererseits aber selbst einen anständigen Markt haben, so daß sich den Gegensätzen manche Gemeinsamkeit hinzugesellt. Um die Verlaufsformen beider dreht sich hier der Ausbau der Beziehungen. Export- und Importvolumen sind wichtige Daten in der weitergehenden Differenzierung von Freund und Feind, wobei es ziemlich auf die Tendenz ankommt, die da von seiten der gerade regierenden Wirtschaftspolitiker auf einen zukommt. Was steht einem da auf dem Auto- und HiFi-Markt, im Werftgeschäft, beim Maschinenbau und in der Elektronik-Branche ins Haus? Die jeweilige Währung und was mit ihr angestellt wird sind Gegenstand reger Anteilnahme, aber nicht deswegen, weil der Härtegrad entscheidend dafür ist, was sich der kleine Mann im Auslandsurlaub leisten kann. Die Konvertibilität nationaler Währungen, d.h. ihre Austauschbarkeit gegen Dollars, eröffnet den Kampf auf den Devisenmärkten, der allerdings an einer gewissen Ungerechtigkeit krankt: die einen sind auf den Devisenmärkten die Leitwährung, die anderen brauchen die Reservewährung, ohne die manche Geschäfte einfach nicht zu kriegen sind. Denn die stolzen Besitzer solcher Währungen benützen ihre Zettel keineswegs zur "Schaffung von Liquidität" ...
  • Die Staatshandelsländer fallen bei alledem gründlich aus dem Rahmen. Als Käufer treten sie auf dem Weltmarkt nicht auf, um sich durch die Einfuhr bestimmter Waren einen Vorteil im Vergleich Kostpreis - Marktpreis zu verschaffen; auch nicht, um Rohstoffe an Land zu ziehen, in dieser Hinsicht ist die SU gut versorgt. Die Importe, die der Ostblock tätigt, schließen Lücken, und zwar in der Sphäre der Konsumtion (Weizen) wie in Sachen Ausrüstung der Industrie. Die Exporte sind umgekehrt kein Verkauf von im Überfluß hergestellten und mit (Gewinn absetzbaren Produkten, sondern Mittel zur Devisenbeschaffung. Das weitgehende Desinteresse an einer Öffnung des Marktes und an der zugehörigen Herstellung einer konvertiblen Währung, das mit dieser Stellung zum Weltmarkt vorgeführt wird, ist für dessen Macher ein Ärgernis. Im Ostblock treffen sie eine Außenhandelspolitik an, die "prinzipiell diskriminiert", die das Bedürfnis nach Meistbegünstigung anmeldet und umgekehrt von Kontigentierung nicht ablassen will. Natürlich ist auch ein Kompensationsgeschäft nicht zu verachten, aber ein dauerhafter Handelspartner, gegen den sich die Waffe der Produktivität gründlich einsetzen läßt, wird so aus diesen Staaten nicht. Die Verschuldung einer Nation, die sonst den Ausbau der Beziehungen eröffnet, wird bisweilen sogar zum Anlaß genommen, auf Kosten des Konsums der "Massen" die Importe zu senken. Die Kreditierung eines Außenhandels, der weder Resultat von Überfluß noch Mittel für ihn ist, beunruhigt die Staatshandelsländer offenbar mehr als ihre Kreditgeber, die ihre Sicherheit nicht auf das sibirische Gold Gründen. Daß die schlimmsten Zeiten vorüber sind, in denen der Ostblock den internationalen Handel als ein Werk des Imperialismus geißelte, das einzig der Stärkung seiner Feinde dient, liegt an der Schwäche der Produktionsweise, in der der Staat nicht nur das Außenhandelsmonopol hat. Inzwischen ist man drüben der Auffassung, daß "der Außenhandel zur Effektivierung der gesellschaftlichen Arbeit" beiträgt, und zwar nicht nur im Comecon. Zu dieser Einsicht sind die Parteien der Arbeit über die Notwendigkeiten gelangt, die eine ineffektive Akkumulation im realen Sozialismus so mit sich bringt: mit Agrarprodukten und Erzeugnissen aus "arbeitsintensiver Industrie" werden die Resultate des "wissenschaftlich-technischen Fortschritts" erworben, die der Kapitalismus zuwege bringt, während sich die gleichnamige Revolution im realen Sozialismus nicht einstellt. Die SU hilft auch ihren Bruderländern nicht über entsprechende Schwierigkeiten hinweg, ja sie leistet sich im RGW sogar manchen Vorteil - so daß um bilaterale Beziehungen zum Westen kein RGW-Land mehr herumkommt und die Hauptfriedensmacht diese Freiheit auch zugesteht. Bis auf die SU und die DDR sind sie alle im GATT, bezahlen also die Meistbegünstigung (bzw. die Gewährung von Zollpräferenzen analog den Entwicklungsländern!) mit dem kostspieligen Einstieg in den Konkurrenzkampf. Die darüber knapp werdenden Devisen suchen sie durch Angebote auch gegenüber Ländern der ärmeren Sorte zu kriegen, die des "Dumpings" verdächtig sind, aber keineswegs auf die solide Grundlage der entwickelten Produktivität zurückgehen: keine Eroberung von Märkten und keine Verdrängung der Konkurrenz findet da statt, sondern das Stopfen der Löcher, die der Import aus dem Westen reißt. Der alte und neue economic warfare wird offenbar auch mit den Schranken fertig, die der Osten im Umgang mit Ware und Geld präsentiert, und China bietet auch in dieser Hinsicht schon längst keine Alternative mehr zur SU.

f) Vorgeschichte des Weltmarkts

Daß die entwickelten kapitalistischen Nationen sämtliche Naturschätze und Produkte dieser Erde brauchen können, und zwar als Mittel ihres Geschäfts - andere Länder sich dagegen schwer tun, brauchbar zu bleiben, weil sie der Bereicherung nicht fähig sind, liegt an der Vorgeschichte des Weltmarkts. Durch den Raub von Naturschätzen und Gold, die an ihren Ursprungsorten weder Ware noch Geld gewesen sind, haben die Musterländer des Fortschritts den Reichtum angehäuft, der für die Schaffung der kapitalistischen Industrie vonnöten war. Diese gewaltsame Aneignung, die in den Kolonien mit der Verwendung von Sklaven für die Vermehrung von Kapital fortgesetzt wurde, bildete die Grundlage auch für das Merkantilsystem, das an einer ewig positiven Handelsbilanz noch seine Freude hatte - und in den ehemaligen Kolonien hat der Abtransport der Schätze sowie die Zerstörung von Land und Leuten die moderne Perspektive des wechselseitigen Nutzens per großzügiger Einbeziehung in den internationalen Währungsfonds vorbereitet.

g) Ideologien über den Weltmarkt und für ihn

Da die Konkurrenz auf dem Weltmarkt zu ständigen Reibereien zwischen den Nationen führt, haben Nationalökonomen, Journalisten und Linke alle Hände voll zu tun, ihr nationales und kosmopolitisches Verantwortungsbewußtsein unter Beweis zu stellen. Ändert sich ein Wechselkurs für ihren nationalen Geschmack zu schnell oder zu langsam, entspricht eine Nation in einer Währungsschlange nicht ihren Vorstellungen von kooperativem Wohlverhalten - schon runzeln sie öffentlich die Stirn und warnen vor dem Zerfall "unseres" Weltwährungssystems; funktioniert es noch, fragen sie, und wer macht es denn kaputt? Die Linken mögen zwar nicht immer für die Stabilität der Weltwirtschaftsordnung umstandslos Partei ergreifen, doch wissen auch sie Rat: getreu der Devise, jedes Phänomen der Konkurrenz, das ihnen nicht paßt, zum Beleg für eine Krise hochzujubeln, entdecken sie nicht nur Schuldige für die flöten gegangene "Lösung der Probleme", sie behaupten auch zum x-ten Male, daß der Kapitalismus nicht geht, weil er nicht einmal (mehr) mit den Widersprüchen des Weltgeldes fertig wird. Locker verbreiten sie die Idiotie, daß eine "Ablösung" vom Gold stattgefunden hat - als ob nicht jedes Detail des IWF Zeugnis vom Gegenteil ablegen würde. Der Dollar, an dem sich alle Währungen messen müssen, mißt sich nämlich am Gold.

Die einschlägigen Schriften von Nationalökonomen reichen von patriotischen Beschimpfungen fremder Regierungen und der Macher von Bretton Woods bis zu sinnigen Modell-Alternativen: feste oder flexible Wechselkurse? Da wird die Exportabhängigkeit "unserer" Wirtschaft beschworen, wenn die Inflation oder auch Rationalisierung gerechtfertigt werden soll. Alle unangenehmen Seiten des auswärtigen Handels pflegt man streng nationalistisch in Termini der Sorge um die internationalen Beziehungen zu kleiden, weil die nämlich das Anliegen aller Weltbürger zu sein haben - vom Kongo-Neger bis zum Kumpel Erwin. Die Theorie der komparativen Kosten oder eine abgewandelte, differenzierte Kleinausgabe davon hält als wissenschaftliches Fundament her, um den allseitigen Nutzen des Welthandels zu untermauern, als ob die Bereicherung einer Nation dasselbe wäre wie die Versorgung der Welt mit Tuch, Portwein, Datteln und Arbeitsplätzen! Aber wo an Kosten für Arbeit gespart wird, haben auch die Linken eine Ergänzung zu dieser Ideologie beizusteuern und rechnen "werttheoretisch" mit Arbeitsstunden herum, die sich in ungerechten Proportionen tauschen. Auch im internationalen Handel werden aber nicht Arbeitsstunden getauscht, so daß sich BMW-Arbeiter mit Negern vergleichen, sondern Werte, über die Kapitale aus ihrer Produktivität Gewinn ziehen.