Und noch ein Fortschritt für „America first!“ und die Welt
Trump befreit Amerika vom Korea-Konflikt

Ein Artikel über Trumps imperialistische Friedenspolitik gegenüber dem altgedienten Feind Nordkorea, deren Fortschritte und Widersprüche beweisen, wie konsequent und seriös der schlecht beleumundete US-Präsident die Revision der eingerichteten imperialistischen Weltordnung betreibt.

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Und noch ein Fortschritt für „America first!“ und die Welt
Trump befreit Amerika vom Korea-Konflikt

Nach einer Phase eskalierender militärischer Feindseligkeiten und einer ungezügelten Drohungs- und Vernichtungsrhetorik in seinem ersten Amtsjahr – North Korea will be met with fire and fury and frankly power, the likes of which this world has never seen before[1] – irritiert Trump die Welt und erschreckt insbesondere das außenpolitische Establishment der USA mit einer neuartigen Friedens- und Verständigungsdiplomatie und der Demonstration ausnehmend guter menschlicher Beziehungen zum Führer der traditionellen nordostasiatischen Feindnation – I was really being tough – and so was he. And we would go back and forth. And then we fell in love, okay?[2] –, worin die Kritiker seiner Linie mindestens einen Fall von Trumps erratischer außenpolitischer Art, mehrheitlich aber so etwas wie strategischen Hochverrat entdecken.

Zu ihren Befürchtungen haben die Vertreter der traditionellen amerikanischen Erzfeindschaft gegenüber Nordkorea in einer Hinsicht allen Grund: Was Trump da – schon mit der ihnen offensichtlich viel näher liegenden Eskalation bis hin zum offen angedrohten Einsatz von Atomwaffen – durch- und vorführt, das ist die mit dem von ihm bekannten Getöse einschließlich eines großzügigen Verschleißes an politischem Personal einhergehende Entschlossenheit, auch und gerade am Fall der 70 Jahre alten Feindschaft zu Nordkorea die amerikanische Weltpolitik grundsätzlich und allgemein neu auszurichten – zum Nutzen seiner Nation und der Welt.

I. Trumps Update der amerikanischen Nordkorea-Strategie

1. Trumps Kritik an 70 Jahren Feindschaft gegen Nordkorea: zu viel Respekt für den Gegner

Auch in Bezug auf seine Nordkorea-Politik versäumt Trump zu keiner Zeit klarzustellen, dass diese Neuausrichtung nicht nur eine praktische Kritik an der Linie seiner Vorgänger ist, sondern dass sie genau so, als Absage und Abrechnung, gemeint ist.

Er bilanziert sieben Jahrzehnte einer Feindschaft, die erstens nichts erbracht hat. Das mag sich zwar nur vom Standpunkt des Präsidenten der Weltmacht so ausnehmen,   [3] aber der gilt nun einmal: Der unendlich viel kleinere Feindstaat ist noch immer nicht besiegt, sondern hält sich allem militärischen und politischen Bemühen der USA zum Trotz, schreitet in der Produktion autonomer nuklearer Souveränitätsmittel sogar voran und verbindet das alles mit fortgesetzten Demonstrationen und Proklamationen seiner Ansprüche auf die Korrektur der politischen Landkarte Koreas und seines frechen Antiamerikanismus.

Womit für Trump zweitens zu bilanzieren ist, dass diese Politik der im Resultat unentschiedenen Konfrontation der Weltmacht USA sogar geschadet hat: Diese Art, amerikanische Macht- und Gewaltmittel – nicht – einzusetzen, bedeutet nicht nur einen sinnlosen und riesigen Aufwand – z.B. military drills, or as I call them war games –, sondern gesteht dem Feind, schlicht dadurch, dass Amerika ihn unbesiegt überleben lässt, den Status eines quasi gleichrangigen Gegners zu. Denn gemäß Trumps Diagnose bestätigt die ‚Methode‘, auf jede Bemühung der Gegenseite mit einer zwar überlegenen, aber letztlich doch irgendwie maßvollen, also beschränkten Gegen-Eskalation mittels noch mehr Rüstung, noch größerer Manöver etc. zu antworten, die Führung des zwergenhaften Feindes nur in der Einbildung, sie könne mit ihren paar Raketen und Sprengköpfen der amerikanischen Supermacht irgendwie gefährlich werden oder ihr auch nur irgendwie Eindruck machen.

Insgesamt ist dieser in Nordostasien angesiedelte Fall ein weiteres Beispiel für das Grundübel bisheriger amerikanischer Weltpolitik, wie sie Trump zur Kenntnis nimmt und verurteilt: Die hat sich seiner Meinung nach in ihren Feindschaften eingerichtet, statt sie mit dem einzig zulässigen Resultat zu Ende zu bringen, und dabei den einzig zulässigen Maßstab – Amerikas Nutzen – komplett vernachlässigt. Kern dieses Übels, sich selbst auf Konfrontationen und Frontziehungen zu verpflichten und durch diese Amerikas Macht fesseln zu lassen, ist der falsche Ehrgeiz gewesen, der Welt konkurrierender und rivalisierender Staaten eine Ordnung für ihren Gewaltgebrauch untereinander und sogar für ihre inneren Verfassungen aufzunötigen und sich zum Polizisten zu machen, der auf ihre Einhaltung dringt. Das ist offensichtlich nie abschließend möglich, jedenfalls bis dato zu keinem Abschluss zu bringen und hat ebenso offensichtlich nur Amerikas Feinden und falschen Freunden genutzt und nebenbei die Welt mit noch viel größeren als den ohnehin von Amerika laufend geführten, langen und teuren Kriegen bedroht:

„Frankly ... if another administration came in instead of this administration ... you’d be having a nice, big, fat war in Asia.“ [4]

2. Trumps Korrektur: endlich Frieden per Deal zwischen Ungleichen

Auch und gerade am prominenten Fall Nordkorea macht Trump mit dieser falschen Generallinie Schluss und verpasst der amerikanischen Korea-Politik das gemäß seiner neuen Generallinie und den Besonderheiten dieser Affäre fällige Update.

Die Prämisse von Trumps Friedenspolitik: geklärte Rangordnung

Dessen wichtigstes Element und erster Schritt besteht darin, die Machtverhältnisse zwischen Nordkorea und Amerika so unbezweifelbar eindeutig klarzustellen, wie sie seiner festen Auffassung nach ohnehin sind. Seine Politik der militärischen Bedrohung und der damit einhergehenden Feuer und Zorn-Ansagen, die den Skeptikern und Kritikern irgendwie noch eingeleuchtet hat, hatte eben diesen Gehalt und Zweck: Nordkorea klarzumachen, was sein minderer Rang und Platz innerhalb der Welt der Objekte und Adressaten amerikanischer Machtentfaltung ist. Was bei diesem Staat vor allem bedeutet, ihm beizubringen, dass sein über die Jahre mit viel Anstrengung und unter Inkaufnahme bedeutender ökonomischer und politischer Repressalien beschafftes Atomarsenal den USA keinen Respekt einflößt. Dafür ist ein vorher nie erreichtes Maß an unmittelbarer militärischer Bedrohung, begleitet von ebenfalls bis dato unbekannten un-diplomatischen, per Twitter oder vom Golfplatz aus versandten Beschimpfungen, genau passend: für die längst fällige, von seinen Vorgängern aber nie erteilte Lektion nämlich, dass die Überlegenheit amerikanischer Gewaltmittel so sehr außer Zweifel und Reichweite jeder denkbaren Bedrohung seitens eines Staates wie Nordkorea steht, dass der Präsident erstens selbst wie kein zweiter beeindruckt ist von ihrer zerstörerischen Wucht – unsere [nuklearen Fähigkeiten] sind so gewaltig und mächtig, dass ich zu Gott bete, dass sie niemals eingesetzt werden müssen – und dass darum zweitens ihr Einsatz überflüssig ist. Darin besteht für Trump der Sinn und Zweck der US-Militärgewalt, deren Vernachlässigung durch fehlende Finanzmittel und deren Verschleiß durch falsche Kriege er seinen Vorgängern zur Last legt: Die keinerlei Berechnung seitens des Gegners zulassende, in jeder Hinsicht unverhältnismäßige Überlegenheit muss – wenn Amerika es nur darauf anlegt – jedes kriegerische Messen beenden, bevor es beginnt, also obsolet machen. Alles andere verfälscht nur die Rang- und Reihenfolge von Macht und Ohnmacht in der Welt, verundeutlicht in den Augen des unterlegenen Gegners den gewaltmäßig-strategischen Abstand zu den USA und ihren Gewaltmitteln, auf deren Unvergleichlichkeit und Uneinholbarkeit Trump so viel Wert legt. Gerade gegenüber einem Staat wie Nordkorea, dem ein Stück atomarer Aufrüstung gegen alle amerikanischen Versuche, sie zu sabotieren, zu verhindern, zurückzudrehen, gelungen ist, gilt es daher klarzustellen, dass ihm dieser Erfolg nichts nützt – und dass er ihn selbst, noch ganz ohne einen für ihn nicht zu gewinnenden Krieg, nicht aushält.

Denn auf der Basis der demonstrierten Obsoletheit eines kriegerischen Kräftemessens schreitet Trump zum entfesselten Einsatz der Waffe, die für ihn das eigentliche operative Mittel amerikanischer Durchsetzung ist: der einzigartigen Fähigkeit der USA, Nationen vom kapitalistischen, mit amerikanischem Geld und amerikanischem Kredit funktionierenden Weltmarkt abzuschneiden und ökonomisch zu ersticken, deren Führer meinen, sich eine von ihm irgendwie für belangvoll gehaltene Gegnerschaft zu Amerika leisten zu können. Darum mündet sein militärisches Auftrumpfen in eine Verschärfung des Sanktionsregimes gegen Nordkorea. Das bedient sich zwar aller Elemente, Instrumentarien und auch völkerrechtlichen Hebel, die Amerika im Verlauf der Jahrzehnte – nicht zuletzt im Umgang mit Nordkorea – seinem Dollarimperialismus verschafft hat. Nun aber unter der neuen Prämisse, diesen Fall lästiger Konfrontation endgültig loszuwerden, was einschließt, dass Amerika unter Trump den anderen Nationen, auf deren ‚compliance‘ es für die Wirksamkeit dieses Regimes angewiesen ist, ebenso ultimativ erpresserisch kommt: Etwas anderes als die Aussicht, im Zweifelsfalle auch sie zu Betroffenen amerikanischer Wirtschaftsstrafmaßnahmen zu machen, will der US-Präsident ihnen nicht mehr anbieten.

Diese Klarstellung nach allen Seiten hin ist dem Erneuerer unangekratzter amerikanischer Überlegenheit und Freiheit – davon ist er überzeugt – gelungen. Belege dafür findet er nach eigener Auffassung zum einen in der ‚Zustimmung‘ und in der Beteiligung, die er für seine Sanktionen von den dazu erpressten Nationen erhält; zum anderen aber und vor allem ist Kronzeuge für die Wirksamkeit, also Richtigkeit seines Vorgehens der nordkoreanische Führer selbst.

Der Inhalt der Friedensdiplomatie: unverhandelbare Angebote für einen Deal

Mit dem beginnt Trump eine neuartige Diplomatie, mit welcher er vorführt und vorantreibt, was seine Vision für die amerikanisch-nordkoreanischen Beziehungen ist, die wiederum exemplarischen Charakter für den globalen Auftritt Amerikas haben sollen.

Mit seiner Gipfeldiplomatie löst er insbesondere bei denjenigen Strategen des amerikanischen Imperialismus Aufregung und hektische Obstruktionsversuche [5] aus, für die Amerikas Weltmacht mit der Praxis regionaler und globaler Frontziehungen, militärischer Allianzen und exemplarischer Ordnungskriege zusammenfällt. Trump ist gemessen an den alten Leitsätzen und Feindbildern amerikanischer Weltpolitik exakt so undogmatisch, wie er umgekehrt sehr dogmatisch darauf besteht, Amerikas Macht endlich richtig zu gebrauchen: nämlich dazu, allen anderen Staaten ihren jeweiligen minderen Status und die absolute Vormachtstellung der USA vor Augen zu führen, um ihnen auf Basis dieser Prämisse diejenigen Deals aufs Auge zu drücken, die er für Amerika als nützlich ansieht und die die anderen wegen eindeutig geklärter Verteilung bilateraler Macht- und Ohnmachtverhältnisse nicht ablehnen können und auch nicht ablehnen sollten – schon zum Wohle ihrer Völker, gegen die Trump schließlich überhaupt nichts hat. Das heißt im Falle Nordkoreas, dass es außer der fehlenden Einsicht der nordkoreanischen Führung in ihre Ohnmacht und die Nutzlosigkeit ihrer atomaren Gewaltmittel tatsächlich kein Hindernis für das gibt, was für Trump ‚gute Beziehungen‘ sind. Dass sich Kim nach der Konfrontation von 2017 und angesichts der laufenden Sanktionen auf zunächst geheime Verhandlungen eingelassen hat, beweist in Trumps Augen hinreichend, dass er die militärische Sinnlosigkeit seiner Rüstungsanstrengungen und demonstrativen Raketentests eingesehen hat. Für so viel Realismus verdient der ehedem kleine Raketenmann, dass ihm die Trump-Administration das unschlagbare Angebot eines Deals unterbreitet, das zugleich das einzige ist, was sie bereithält, und dessen Ernsthaftigkeit der Chef der Administration per Gipfeldiplomatie und Vier-Augen-Meeting persönlich beglaubigt: totale atomare Abrüstung im Tausch gegen einen wirklichen Frieden, inklusive eines förmlichen Friedensabkommens.

Was Trump an der Politik der nordkoreanischen Führung stört, ist also – das geht daraus mit aller Deutlichkeit hervor – nicht deren ‚Räson‘, nicht ihre sozialistische Art, das Volk zu benutzen, auf einen Führer bzw. eine Dynastie solcher Figuren einzuschwören. Und erst recht nicht irritiert Trump die von Kim verfochtene und personifizierte Anspruchshaltung seines Staates, für die er regelmäßig die Einzigartigkeit des tüchtigen koreanischen Volkes zitiert und beschwört, das seit Jahrzehnten, versammelt hinter seinen Führern, um seine volle, mit dem Süden ‚wiedervereinigte‘ Souveränität kämpft. Wenn überhaupt irgendetwas, dann ist es dieser Standpunkt, den Trump an so einem Exoten wie Kim allenfalls versteht und an dessen politischer Physiognomie sogar liebenswert findet, wenn er in Stimmung ist. Aber letztlich ist auch das egal: Es geht Trump, es geht nämlich Amerika schlicht nichts an, wie und wofür in Nordkorea das Volk wirtschaftet [6] – solange dessen Führer nur einsieht, dass er mit seinem Staat Amerika nicht das Wasser reichen, geschweige denn sich mit der Supermacht anlegen kann, und sei es nur, um mit ihr um die Konditionen ihres Umgangs mit ihm zu feilschen. Mit aller Entschiedenheit besteht Trump auf dem doppelten Inhalt seiner großen Revision des amerikanischen Verhältnisses zu Nordkorea, für deren schlichte Dialektik den Betonköpfen des traditionellen amerikanischen Establishments jedes Verständnis fehlt: Er verlangt von Nordkorea den unverhandelbaren Verzicht auf jeden Anspruch und Versuch, Amerika mittels nuklearer Waffen und Raketentechnik irgendeine Form der Anerkennung, des Respekts, letztlich der Existenzgarantie abzutrotzen. Und er ist bereit, im Falle dieses Verzichts eben diese Existenzgarantie als einseitigen Akt Amerikas zuzusichern, eben weil er im Weiteren keinen Grund für eine Feindschaft seines mächtigen Amerika gegenüber diesem ohnmächtigen und, abgesehen von seinen ungehörigen und störenden Waffen, eigentlich unwichtigen Staat kennt. Im Gegenteil: Auf Basis der nordkoreanischen Anerkennung, dass innerhalb der bilateralen Beziehungen einseitig Amerika definiert, was diese ‚gut‘ im Unterschied zu ‚angespannt‘ oder ‚schlecht‘ macht, wirft Amerikas Führer dem unterlegenen Gegenüber keinen nationalen Ehrgeiz vor, sondern kann sich Frieden im Zeichen des Nutzens für Amerika auch für Nordkorea nur als eine prächtige Zukunft – great prosperity and wealth – vorstellen.

So gestaltet sich dann Trumps Diplomatie: Er überzieht Nordkorea mit den schärfsten Sanktionen in der langjährigen Geschichte amerikanischer Anti-Nordkorea-Sanktionen und behandelt das nicht als Hindernis, sondern als das passende Ambiente für eine mit allen Albernheiten weltpolitischer Männerfreundschaften zelebrierte Gipfeldiplomatie. Die nutzt er dazu, seinem nordkoreanischen Kontrahenten permanent allen Respekt für dessen Einsicht in die Unverhandelbarkeit amerikanischer Entwaffnungsforderungen zu zollen, die er auf diese Weise für unverrückbar erklärt. Von Trumps Standpunkt aus gibt es für eine Einwilligung Nordkoreas in bzw. vollzogene Unterwerfung unter die FFVD-Linie der USA – final fully verified denuclearization – zugleich keinerlei Eile: Es sind ja nicht die USA, die irgendetwas von den koreanischen Raketen und Atomsprengköpfen zu befürchten hätten. Vielmehr ist es Nordkorea, das den Druck amerikanischer Sanktionen auf Dauer nicht wird aushalten, sich also letztlich nicht dem Schluss wird verweigern können, dass seine Waffen, wenn sie schon als Mittel im Rahmen des Szenarios eines Krieges gegen Amerika nicht taugen, auch als diplomatisches Druckmittel für die Ausgestaltung des bilateralen Friedens nichts bringen. Von seinem strategischen Ansatz und Ausgangspunkt her verfügt der von seinen Widersachern als politisch kurzsichtig und erratisch gescholtene Trump über viel strategische Geduld: Er lässt sich von neuen nordkoreanischen Raketentests oder der Wiederinbetriebnahme irgendwelcher Nuklearanlagen zu keinerlei Abrücken von der in die Abkürzung FFVD gegossenen ultimativen Forderung nötigen, aber eben auch zu keinerlei Abbruch der Diplomatie und der Rücknahme seines Angebots, zwischen beiden Ländern endlich die Zeit sinnloser Konfrontation zu beenden. Im Vertrauen auf die willensbildende Wirksamkeit amerikanischer Sanktionen – und den nationalen Ehrgeiz des nordkoreanischen Führers in Rechnung gestellt – gesteht Trump seinem neuen dicken Freund glatt eine Lernkurve zu, also auch die Zeit, sich auf der zu bewegen:

„Wir spielen nicht das Spiel mit Zeitvorgaben. Ob es zwei Jahre oder fünf Monate dauert, spielt keine Rolle, es gibt keine Atomtests und keine Raketentests.“ (Trump in einem Radiointerview am 25.2.19)

Und wenn es doch zu Nuklear- und Raketentests kommt, verweigert Trump den Nordkoreanern und den Scharfmachern in Washington einfach jeden Anschein, davon beeindruckt zu sein, ist auch so souverän, ein geplantes Gipfeltreffen wegen so etwas kurzerhand platzen zu lassen, und schiebt einen überaus freundlichen Brief [7] hinterher, der nur diesen einen Inhalt hat: Er hält an seinem Programm und Angebot eines einseitig definierten Deals mit einem sich in seine Unterlegenheit fügenden Nordkorea fest. Davon können ihn auch die ohnmächtigen Machtdemonstrationen des nordkoreanischen Militärs und die entsprechenden Frechheiten des lediglich noch nicht vollständig zur Besinnung gekommenen, ansonsten aber schon auf dem richtigen Weg befindlichen nordkoreanischen Führers partout nicht abbringen.

Die Rolle der traditionellen Rivalen und Alliierten für Trumps Frieden: keine

Eingeschlossen in den Ersatz der jahrzehntealten Definition und Behandlung Nordkoreas als gefährlicher Störfall der amerikanischen Weltordnung durch Trumps Linie der machtvollen Bereinigung eines unnötigen Konflikts mit einem für Amerika nie und nimmer gefährlichen, aber frechen Staat der unteren Kategorie ist eine gründliche Neugestaltung der Rollen, die Amerika in diesem Zusammenhang anderen Staaten zubilligt bzw. eben nicht mehr zubilligt. Das ist ein weiterer Hauptpunkt, der Trumps bis weit hinein in die engeren Kreise seines außenpolitischen Personals angesiedelte Widersacher zu heftiger Kritik und – da, wo sie es vermögen – zu Widerstand aufstachelt. Die vertreten verbissen das seit Jahrzehnten von den USA verfolgte Prinzip, dass die Führerschaft Amerikas in dem Maße stabil ist, seine Alliierten in dem Maße verlässlich und nützlich sind, wie es der Weltmacht gelingt, sie in aus überlegener Warte angezettelte, ausgetragene, zu regelrechten regionalen Ordnungen ausgestaltete Dauerkonflikte und -fronten zu verwickeln. Und sie sind in ihrer Überzeugung, dass Amerikas Weltmacht nur so gesichert werden und funktionieren kann, hellauf entsetzt darüber, wie Trump an diesem einen – in ihren Augen: zentralen – Kristallisationspunkt globaler amerikanischer Machtentfaltung und Ordnungsstiftung einfach über jedes Freund-Feind-Schema hinweggeht und Amerika für Freund und Feind unberechenbar, also in ihren Augen schwächer macht.

Tatsächlich ist in Trumps Vision von einem endlich gesunden Verhältnis zwischen den USA und Nordkorea und in seiner Strategie für die Verwirklichung dieser Vision kein Platz für Erwägungen der Art, wie andere Nationen damit zurechtkommen könnten oder auch nicht, welchen Definitionen von nationaler Sicherheit oder Ansprüchen auf regionale Bedeutung und deren (Un-)Verträglichkeit mit den Ansprüchen regionaler Rivalen er damit mittelbar oder unmittelbar widerspricht. Für all so etwas ist Amerika unter seiner Führung nicht mehr zuständig und nicht mehr haftbar zu machen. So etwas wie eine regionale Ordnungspolitik ist Trump fremd – er blickt auf Nordkorea und entdeckt an diesem Staat und an dem, was Amerika von dem will und nicht will, keinen Grund für amerikanische Daueranstrengungen in dieser Weltgegend samt eigener massiver Präsenz, diversen Allianzen, diplomatischen Verhandlungsformaten usw.

Das von ihm verfochtene weltpolitische Prinzip – Amerika weist den Staaten der Welt mit aller Wucht ihren allemal nachgeordneten Rang zu, schließt mit ihnen auf dieser Basis die jeweils fälligen Deals ab und beachtet sie ansonsten nicht weiter – wendet Trump nicht nur auf Nordkorea selbst an, sondern auf alle dort angesiedelten bzw. an der Region interessierten Mächte, egal ob Feinde oder Alliierte oder sonst etwas. Das hat er schon in der Phase so gehalten, als er der Welt ein paar Wochen lang zu Befürchtungen hinsichtlich eines bevorstehenden Atomschlages gegen Nordkorea Anlass bot und sich um die Warnungen der – immerhin – Atommächte Russland und China vor einem militärischen Aufmarsch mit Atomkriegsperspektive vor ihrer Haustür nicht weiter scherte. [8] Und er setzt das fort, seit er mit Kim verhandelt: In die Verhandlungen selbst sind die Verbündeten nicht offiziell einbezogen, weltpolitische Rivalen schon gleich nicht. Jeder auf Nachfrage gegebenen Versicherung, dass Amerika auch bei seiner Annäherung an den neulich noch gemeinsamen Gegner für seine Partner selbstverständlich weiterhin die verlässliche Schutzmacht bleibe und deren Bedrohung durch Nordkorea inakzeptabel sei, folgt die Einordnung in America first!: die Versicherung, dass sich weder durch nordkoreanische Provokationen noch durch die Befürchtungen der lieben Alliierten etwas am neuen Hauptanliegen – FFVD und Friedensabkommen – ändert. [9] So macht Amerika zum einen den nordkoreanischen Verhandlungspartnern klar, dass ein Hantieren mit ihrem Atom- und Raketenpotenzial gegenüber amerikanischen Verbündeten ihnen keinerlei diplomatischen Spielraum gegenüber Amerika eröffnen wird. Und die Alliierten dürfen lernen, dass ihre Sicherheit Amerika zu nichts verpflichtet, was über das hinausgeht, was Amerika seiner Überlegenheit im Umgang mit Nordkorea schuldig ist. Das bringt dem Trump-Buddy Shinzo Abe so manche peinliche Befragung vor seinem Parlament ein und sorgt im Verhältnis zu Südkorea für noch viel mehr Aufregung, die Trump ganz zur Angelegenheit dieses Staates und seiner politischen Führung macht: Bei allen Richtung Seoul verschickten Glück- und Segenswünschen zu einer großartigen gesamtkoreanischen Zukunft macht die Trump-Administration immer klar, dass sie die innerkoreanischen Beziehungen nur soweit interessieren, wie sie ein Beitrag zu ihrem Deal mit Nordkorea darstellen, und dass die Gewährleistung südkoreanischer Sicherheit durch die amerikanische Militärpräsenz auf der Halbinsel ansonsten vor allem eines ist: teuer, also erstens eine Dienstleistung Amerikas, die zu bezahlen und zweitens womöglich nicht mehr von langer Dauer ist.

*

Dass sich weder sein nordkoreanischer Kontrahent einfach damit abfindet, was Trump ihm an ultimativen Angeboten macht, noch die Freunde und Alliierten Amerikas sich widerspruchslos in der geschwundenen strategischen Bedeutung und Rolle einrichten, die er ihnen zuweist, mögen seine Kritiker ihm als – eingetretenes, mindestens aber sich abzeichnendes – Scheitern seiner Linie vorbuchstabieren. Ihn kann das nicht erschüttern. Nach seiner Logik beweisen die auswärtigen Beschwerden über seine Politik und die Versuche, sie zu konterkarieren oder aufzuweichen, allenfalls, wie richtig er mit seinem Update für Amerikas Imperialismus auch in Asien liegt.

II. Nordkoreas Antwort

1. Kim entdeckt die Chance auf ein erfolgreiches Ende von 70 Jahren Behauptungskampf …

Nordkoreas Kim entdeckt an Trumps Deal-Making den entscheidenden Durchbruch für seine Nation: Erstmals sieht sich Nordkorea einem amerikanischen Präsidenten gegenüber, der es nicht auf einen Regimewechsel abgesehen hat, der die militärisch abgesicherte Existenz Nordkoreas nicht als zu beseitigenden Restbestand des Kalten Krieges definiert und beenden will, der daher auch nicht den südlichen Teil der Halbinsel und die angrenzenden Gewässer zum Aufmarschgebiet gegen Nordkorea bzw. umgekehrt den Aufmarsch gegen Nordkorea zum Mittel der strategischen Inbesitznahme bzw. Sicherung der Region macht:

„‚Wir sind nicht Ihr Feind und auch nicht Ihre Bedrohung.‘ ... ‚Wir streben keinen Regimewechsel an, wir streben nicht den Zusammenbruch des Regimes an.‘ ... Auch arbeiteten die USA nicht auf ‚eine beschleunigte Wiedervereinigung‘ von Nord- und Südkorea hin... Ebenso wenig suche Washington einen Vorwand, um sein Militär in den Norden zu schicken. Washington sei weiterhin zu Gesprächen mit der nordkoreanischen Führung bereit, wenn diese akzeptiere, dass sie abrüsten müsse.“ (Außenminister Tillerson, nach welt.de, 2.8.17)

Das bedeutet positiv: Kim entdeckt in Trumps Politik die Perspektive, endlich all das verwirklichen zu können, worauf die nordkoreanischen Führer schon seit langer Zeit hinarbeiten und wofür sie seit Jahrzehnten ihr Volk nach Kräften hernehmen: Zum einen ist das die – per Friedensvertrag förmlich zu besiegelnde – Anerkennung Nordkoreas als eines souveränen, ordentlichen und legitim geführten Staates seitens der Supermacht. Was für Nordkorea zweitens den ganz praktischen Erfolg in Aussicht stellt, dass mit einem nordkoreanisch-amerikanischen Friedensschluss der Materialismus der Nation in doppelter Hinsicht befreit wird: durch das Ende der auf totale Schwächung bis hin zur Zerstörung zielenden Sanktionen und durch die Relativierung der unbedingten Notwendigkeit, gigantische Teile der beschränkten ökonomischen Potenzen des Landes für die eigene Abschreckungsfähigkeit gegenüber der Supermacht und ihren regionalen Verbündeten zu opfern. Darüber hinaus wird Kim drittens auch der Möglichkeiten gewahr, die Trumps Willen, die Weltmacht aus ihrer Verstrickung in einen unnützen regionalen Dauerkonflikt zu befreien, für die weitergehenden – trotz aller feindseligen Bedrängung durch die Supermacht und ihre Alliierten nie aufgegebenen – Bestrebungen Nordkoreas bietet: Die Absage Trumps an die koreanische Mission seiner Vorgänger eröffnet die Perspektive für eine koreanische Halbinsel ohne amerikanische Militärpräsenz – in nordkoreanischer Diktion: ‚Besatzung‘ und ‚Bevormundung‘ des spalterischen und Amerika-hörigen Marionetten-Regimes in Seoul –, also für eine Vereinigung der Koreas, die den von Nordkorea seit jeher erhobenen Anspruch auf ganz Korea endlich realisiert. Und viertens darf sich Kim mit Trumps Linie des bilateralen Deals ausrechnen, dass sein regionales Umfeld nicht mehr einer von Amerika formierten anti-nordkoreanischen Front gleichkommt, innerhalb derer Nachbarn wie Japan für alle ihre nationalen Feindseligkeiten gegenüber Nordkorea der Rückendeckung und des strategischen Schutzschirmes durch die USA sicher sein können und entsprechend auftreten.

Also lässt sich Kim auf die bilaterale Geheim- und Gipfeldiplomatie ein, zelebriert die halb vollzogene, halb in Aussicht gestellte Friedensregelung seinerseits als Männerfreundschaft mit dem vormalig senilen US-Greis und stellt in Aussicht bzw. vollzieht ein paar Schritte in Sachen Denuklearisierung,[10] die demonstrieren sollen, dass es ihm mit seinem Part bei ‚Frieden gegen Abrüstung‘ Ernst ist. Tatsächlich nimmt Trump diese Maßnahmen positiv auf, stellt Teillösungen – Vorabmachungen zu einem Friedensvertrag, teilweise Lockerungen der Sanktionen – in Aussicht. Was Kim wiederum erfreut registriert als Beweis für den entscheidenden Unterschied Trumps zu seinen Vorgängern und der von ihnen betriebenen Denuklearisierungsdiplomatie: Für die war letztlich Nordkoreas nukleare Entwaffnung Voraussetzung, Hebel und Titel für seine Entmachtung, ein wirklicher Friedensschluss mit einer anerkannten Nation Nordkorea als Gegenleistung für deren atomaren Verzicht nie wirklich im Programm, was sich immer wieder nicht zuletzt an den Winkelzügen und bewusst herbeiverhandelten Sackgassen der amerikanischen Abrüstungsdiplomatie erwiesen hat.

Dieses Problem hat Kim mit Trump nicht. Sondern ein anderes.

2. … und ihren Haken

Das prinzipielle Störmoment kommt in die transpazifische Männerfreundschaft dadurch hinein, dass beide eine eher gegensätzliche Auffassung davon haben, was sie zu Freunden, nämlich die von ihnen geführten Nationen zu Verhandlungspartnern macht.

Kim nimmt das Angebot Trumps, mit Verzicht auf die Atomwaffen endlich zu einem Frieden samt nicht näher konkretisierten Perspektiven ökonomischer Zusammenarbeit zu kommen, als Ergebnis der Hartnäckigkeit Nordkoreas und seiner Erfolge auf dem Feld der militärischen Abschreckung und des ökonomischen Überlebenskampfes. Dass der Präsident der Weltmacht, die Nordkorea bis neulich noch auf dem Misthaufen der Geschichte landen lassen wollte, sich mit ihm zu Gipfeltreffen verabredet, feiert er als Beweis dafür, dass das kleine Nordkorea den großen USA das Zugeständnis abgerungen hat, dass es – außer durch einen Krieg mit gewaltigen Schäden auch für Amerika – nicht klein- und wegzukriegen ist. Dieser Standpunkt Kims trifft bei Trump auf den umgekehrten Standpunkt, dass sich der kleine Chairman nur durch die ihm konzedierte Einsicht in die außer Frage stehende Macht- und Wehrlosigkeit der von ihm kommandierten Staatsmacht zum Verhandlungspartner qualifiziert. Irgendein Moment von Augenhöhe gesteht Trump dem widersetzlichen Nordkorea-Mann genauso wenig zu wie all den anderen Staatsführern, mit denen er sich abgibt; seine Freundlichkeit denen gegenüber meint immer die ihnen zur gefälligen Einsicht nahegelegte Ungleichrangigkeit, im Extremfall: Belanglosigkeit der von ihnen geführten Nationen, ihrer Interessen und ihrer Machtmittel für Amerika.

Letztere sind im Falle Nordkoreas vor allem die Atomwaffen und Trägermittel. Kim tritt als Kommandeur der nordkoreanischen Atomstreitmacht auf, der sich mit deren – per Test ausgiebig bewiesener – Einsatzfähigkeit den Respekt der Weltmacht und damit der Welt verschafft hat. Für Trump besteht der ganze Gehalt des freundlich-friedlichen Verhältnisses darin, dass sich beide Seiten auf das gerade Gegenteil verständigen: darauf, dass sich Nordkorea mit seinem lächerlichen Atompotenzial niemals den Respekt Amerikas, sondern allenfalls immer weiteren Ärger einhandeln wird, also die Dinger ein für allemal und ohne Bedingungen abzuschaffen hat. Für Kim bedeutet das den Widerspruch, dass er für Fortschritte in Richtung des von ihm angestrebten Ergebnisses der Friedensverhandlungen auf das einzige Mittel verzichten muss, das er für die Ausgestaltung der Verhandlungen und die Sicherung erreichter Ergebnisse überhaupt in Anschlag bringen kann. Diesen grundsätzlichen Widerspruch versucht er dadurch handhabbar zu machen und unter Kontrolle zu halten, dass er die Verfügung über seine atomaren Vernichtungsmittel und die damit untermauerte Autonomie quasi als quantifizier- und zerlegbar behandelt, um gemäß dem von ihm verlangten Prinzip ‚Zug um Zug‘ für jeden Schritt des Verzichts auf ein Element seines Atomarsenals ein wirkliches und garantiertes Zugeständnis der anderen Seite zu erwirken, das seiner Leistung irgendwie ‚äquivalent‘ ist.

Genau damit holt er sich bei Trump eine Abfuhr, denn für den besteht, wie gesagt, der Kern des ganzen Verhandelns darin, dass Nordkorea einsieht, dass es nichts verlangen, auf nichts bestehen kann. In dem Moment, in dem Trump beschließt, dass Kim doch – immer noch – meint, er könne ihn mit Verweis auf seine Atomwaffen zu irgendetwas drängen oder nötigen, bricht er die Verhandlungen ab und macht Freund Kim in der allerfreundlichsten Kompromisslosigkeit klar, wie seine Deals nun einmal funktionieren bzw. wie ganz sicher nicht: Die Aufhebung der Sanktionen und die Dreingabe des Atompotenzials ‚Zug um Zug‘ abzuwickeln bedeutet in Trumps Augen, die ultimative amerikanische Forderung nach Nordkoreas nuklearer Selbstentwaffnung auf dieselbe Stufe zu degradieren wie den nordkoreanischen Wunsch nach einer Beendigung des Embargos – und das ist mit ihm nicht zu haben.

3. Nordkoreas Umgang mit Trumps Deal-Making: Länger durchhalten

Nordkorea reagiert darauf mit einer Mischung aus demonstrativer Empörung und Enttäuschung und endgültiger Ernüchterung darüber, dass sich an der Verhandlungsposition und -logik der USA im Verhältnis zu früher dann doch nichts geändert habe: Dieselben Gangster-Methoden der früheren Administrationen, dieselben unernsten Angebote und prompten Rückzieher bestimmen auch nun wieder deren Verhandlungsgebaren:

„Ein Berater des nordkoreanischen Außenministeriums erklärt, Pjöngjang werde nur dann zu Verhandlungen zurückkehren, wenn die USA allen Forderungen zustimmen. Kim Kye-gwan sagte klipp und klar, dass ‚es niemals Verhandlungen wie [die] in Vietnam geben wird, bei denen wir angeboten haben, eine Nuklearanlage des Landes gegen einige UN-Sanktionen einzutauschen, um die Leiden des friedfertigen Volkes auch nur ein bisschen zu lindern‘. Diese Bemerkung deutet darauf hin, dass der Vorschlag, den Kim Jong-un während seines zweiten Gipfeltreffens mit Trump in Hanoi [27.-28. Februar 2019 in Vietnam] gemacht hat, nicht mehr gültig ist. Kim hatte angeboten, den Nuklearkomplex Yongbyon im Tausch gegen die Aufhebung von fünf der elf UN-Sanktionen, die nach Ansicht Nordkoreas die heimische Wirtschaft und allgemeine Existenzgrundlage behindern, dauerhaft stillzulegen.“ [11]

Das ist der diplomatische Begleittext dazu, dass Nordkorea auch praktische Konsequenzen zweierlei Art zieht: Es nimmt das Atomprogramm wieder auf, fährt die einschlägigen Anlagen wieder hoch, testet Raketen und Raketenkomponenten, von denen es durchblicken lässt, dass sie entscheidend wichtig und qualitativ neu zur Entwicklung von Koreas interkontinentaler Raketenstreitmacht beitragen, und beweist so, dass die aufrechterhaltenen und verschärften Sanktionen auch und gerade diejenigen militärischen Fortschritte nicht verhindern können, die zumindest die US-amerikanischen Militärs als eine im Prinzip nicht hinnehmbare, qualitativ neue Stufe der nordkoreanischen Nuklearmacht betrachten. [12]

Damit das so bleibt, verordnet die Führung sich und ihrem Volk weitere und neue Anstrengungen an der ökonomischen Front – fürs Volk viel Gürtel-enger-Schnallen selbstverständlich inklusive und gleich mit angekündigt. Deren von der obersten Spitze der gesamten Nation verkündetes Ziel besteht darin, sich autark in allen Bereichen zu machen, die andernfalls verwundbar durch Amerikas Sanktionen sind oder sein könnten. Damit sollen wohlgemerkt nicht nur die gegenwärtigen, sondern erklärtermaßen ebenso alle für die Zukunft denkbaren und – eingedenk des eigenen Kurses – auch erwarteten Sanktionen ins Leere laufen. Und weil es darum geht, sich gegen einen in jeder Hinsicht überlegenen Gegner ökonomisch unempfindlich zu machen, dem man zugleich mit wachsenden militärischen Abschreckungsmitteln begegnen will, verlangt Kim zugleich, dass das Gebot der Autarkie kein Abstrich von, sondern der Auftakt zu einer verstärkt in Angriff zu nehmenden Entwicklung der entsprechenden technologischen Fähigkeiten ist, also mit einem umfassend projektierten technologischen und ökonomischen Fortschritt einhergehen soll. So, und nur so, sieht Kim seine Nation für das Ringen mit Trumps Amerika um Frieden, wie er ihn definiert, gerüstet.

Und zwar gerade aus dem Grund, dass er die sich ihm bietende Chance auf Frieden und Anerkennung eben nicht einfach als ein einziges Fake der US-Politik verwerfen will, sondern bei allem Gegensatz zu Trumps Deal-Making weiter versucht, für sein Land die Perspektive eines Friedens mit Amerika irgendwie zu erhalten. Also belässt er es nicht bei einer neuen Runde militärischer und ökonomischer Mobilisation und viel erneuerter Feindrhetorik. Er versucht daneben, die Politik Trumps zu unterscheiden in die guten Absichten, die Trump personifiziert, und in ein Agieren der USA auf der operativen Ebene, das erstens angeblich überhaupt nicht dazu passt, zweitens von Nordkorea keinesfalls akzeptiert werde und drittens von Trump jederzeit aus der Welt zu räumen sei. Diesen seinen Unterscheidungsbedarf rechnet Kim seinem Kollegen als dessen Widerspruch vor und fordert ihn auf, den zu bereinigen. Mit einer z.B. in einem Statement von Kims Schwester gegebenen Begründung, deren Logik Trumps optimistisch in die Zukunft blickendem Umgang mit gegenwärtigen ‚Schwierigkeiten‘ kongenial ist: Auch Nordkorea hat strategische Geduld genug, abzuwarten und darauf hinzuarbeiten, dass die USA die Aussichtslosigkeit ihres feindseligen Vorgehens gegen Nordkorea irgendwann begreifen; es wird sich im Lichte der persönlichen Beziehungen der beiden Top-Leader vor übereilten Negativurteilen und endgültigen Absagen genauso hüten wie vor zu viel Optimismus. Vor allem aber: Nordkorea wird die Zeit bis zu einem wirklichen Einsehen der USA in die Unvermeidlichkeit eines Friedensschlusses mit Nordkorea zu dessen Konditionen dafür nutzen, sich ökonomisch und militärisch noch besser zu rüsten, weil sich das, die autonome Gewaltpotenz, schon in der Vergangenheit als alternativlos bewährt hat. [13]

[1] Nordkorea wird mit Feuer und Zorn und, offen gesagt, mit einer Macht konfrontiert werden, wie sie diese Welt noch nie zuvor gesehen hat. (Trump zu Reportern während eines Aufenthaltes in seinem Golf Club in Bedminster, NJ am 7. August 2017 in Reaktion auf die Meldung, dass Nordkorea weitere Atomwaffentests in Betracht ziehe, New York Times, 8.8.17)

[2] Ich war wirklich hart – und er auch. Und wir sind hin und her gegangen [in den Verhandlungen]. Und dann haben wir uns verliebt, okay? (Trump vor Anhängern in West Virginia am 29. September 2018 über seine Vier-Augen-Diplomatie mit dem nordkoreanischen Führer Kim Jong-un, Reuters, 30.9.18)

[3] Zu den Errungenschaften und Widersprüchen der sieben Jahrzehnte währenden US-amerikanischen Strategie gegen Nordkorea siehe GegenStandpunkt 4-17: Rocket Man vs. dementer US-Greis: Nordkoreanisch-amerikanische Fortschritte in Sachen Souveränität und Weltmacht

[4] Offen gesagt ... wenn eine andere Administration anstelle dieser im Amt wäre ... hätten wir einen schönen, großen, fetten Krieg in Asien. (Trump zu Reportern bei einem Treffen im Weißen Haus, 2.1.19)

[5] Prominentester Vertreter dieser Fraktion ist sein damaliger Sicherheitsberater Bolton, der permanent versucht hat, Trumps unorthodoxe Außenpolitik in die Bahnen der überkommenen amerikanischen Strategie mit ihren Mitteln des Regime-Change und der Ordnungsinterventionen zu überführen. Dass er damit ein Hindernis für Trumps Deal-Making ist, sieht der irgendwann auch und schasst ihn:

‚Wir wurden sehr schlimm zurückgeworfen, als John Bolton über das libysche Modell sprach ... was für eine Katastrophe‘, sagte Trump vor Reportern im Weißen Haus. ‚Er benutzt das, um einen Deal mit Nordkorea zu machen? Und ich gebe Kim Jong-un nicht die Schuld für das, was er danach sagte, er wolle nichts mit John Bolton zu tun haben. Und das ist keine Frage von Härte. Es ist nur eine Frage von ungeschickt zu sein, so etwas zu sagen.‘ (Voice of America by Reuters, 11.09.19)

[6] Wir streben keinen Regimewechsel an, wir streben nicht den Zusammenbruch des Regimes an. (Außenminister Tillerson, 2017)

[7] Weil er Trumps Standpunkt so deutlich kennzeichnet, hier sein Brief an Kim Jong-un vom 24. Mai 2018:

 „Sehr geehrter Herr Vorsitzender,

 mit Blick auf unsere jüngsten Verhandlungen und Diskussionen bezüglich eines Gipfels, den beide Seiten lange angestrebt haben und der am 12. Juni in Singapur stattfinden sollte, danken wir sehr für Ihre Zeit, Ihre Geduld und Ihre Anstrengungen. Wir wurden informiert, dass das Treffen von Nordkorea erbeten worden war, aber das spielt für uns überhaupt keine Rolle. Ich habe mich sehr auf das Treffen mit Ihnen dort gefreut. Ich habe aber wegen Ihres enormen Ärgers und der offenen Feindseligkeit in Ihrem jüngsten Statement leider das Gefühl, dass dieses lange geplante Treffen zum jetzigen Zeitpunkt unangebracht wäre. Dieser Brief soll deswegen zum Ausdruck bringen, dass der Singapur-Gipfel, zum Wohle beider Seiten, aber zum Schaden für die ganze Welt, nicht stattfinden wird. Sie reden über Ihre nuklearen Fähigkeiten, aber unsere sind sind so gewaltig und mächtig, dass ich zu Gott bete, dass sie niemals eingesetzt werden müssen.

 Ich habe gespürt, dass ein wunderbarer Dialog zwischen Ihnen und mir zustande kam, und letztlich ist es einzig dieser Dialog, der zählt. Ich freue mich sehr darauf, Sie eines Tages zu treffen. In der Zwischenzeit möchte ich Ihnen für die Freilassung der Geiseln danken, die nun zu Hause bei ihren Familien sind. Das war eine wunderbare Geste, die wir sehr zu schätzen wussten.

 Sollten Sie Ihre Ansicht im Zusammenhang mit dem äußerst wichtigen Gipfel ändern, zögern Sie bitte nicht, mich anzurufen oder mir zu schreiben. Die Welt, und Nordkorea im Besonderen, haben eine große Gelegenheit für andauernden Frieden und großen Fortschritt und Wohlstand verpasst. Diese entgangene Chance ist ein wirklich trauriger Moment in der Geschichte.

 Mit freundlichen Grüßen,

 Donald J. Trump, Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika“

[8] Siehe dazu den bereits erwähnten Artikel in GegenStandpunkt 4-17.

[9] Mike Pompeo musste sich bei den üblichen Senatsanhörungen vor seiner Berufung zum Außenminister mehrfach fragen lassen, ob – und hatte einige Mühe, die Inquisitoren davon zu überzeugen, dass – in der Korea-Strategie der Administration die Sicherheitsbedürfnisse der Alliierten Südkorea und Japan überhaupt noch irgendeine Rolle spielen.

Auf die erneute Frage des republikanischen Senators Cory Gardner, ob ‚das einzige Ziel der Vereinigten Staaten‘ in Bezug auf Nordkorea deren Denuklearisierung sei, antwortete Pompeo mit einer Einschränkung. ‚Wir müssen sicherstellen, dass wir unseren Verbündeten in der Region – den Südkoreanern, den Japanern und auch anderen – weiterhin einen strategischen Abschreckungsrahmen bieten. Aber der Zweck des Treffens ist es, die Bedrohung für die Vereinigten Staaten anzugehen.‘ (Japan Times, 13.4.18)

[10] Auch die dafür zuständigen Satelliten-Spione und politischen Auswerter in Washingtoner Think Tanks konstatieren und konzedieren, dass Nordkorea im Zuge dessen zu Rückbau- und Abwrackaktionen schreitet, die es so – insbesondere was ihren Charakter der freiwilligen Vorleistung und die in Aussicht gestellten Fortsetzungen anbelangt – in der Geschichte der Rüstungsdiplomatie zwischen beiden Staaten noch nie gegeben hat.

[11] Hankyoreh vom 13.1.20 (südkoreanische Zeitung)

[12] Die definieren sie da, wo sie Nordkorea die Fähigkeit zusprechen, das amerikanische Festland mit Raketen erreichen zu können.

[13] Im Folgenden größere einschlägige Passagen der Presseerklärung von Kim Yo-jong (23.3.20), der Schwester Kim Jong-uns, die auf ein Schreiben Trumps antwortet und jedenfalls bezüglich der Übersetzung des Selbst- und Rechtsbewusstseins rivalisierender staatlicher Gewalthaber in einen entsprechenden Stil politischer Lyrik mit Trump definitiv Augenhöhe beanspruchen darf:

 „Wir haben ein persönliches Schreiben des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, Donald Trump, an den Vorsitzenden des Komitees für Staatsangelegenheiten, Kim Jong-un, erhalten.

 Wir halten es für eine gute und angemessene Entscheidung, dass der US-Präsident Anstrengungen unternimmt, um die guten Beziehungen, die er mit unserem Vorsitzenden hatte, aufrechtzuerhalten, indem er erneut ein persönliches Schreiben zu einem Zeitpunkt sendet, in dem große Schwierigkeiten und Herausforderungen bei der Entwicklung der bilateralen Beziehungen bestehen, und meinen, dass dies hoch einzuschätzen ist. ...

 Präsident Trump sagte, er schätze seine Beziehungen zum Vorsitzenden Kim Jong-un, und er sagte, es sei schwierig seine Gedanken zu äußern, da in letzter Zeit nicht oft kommuniziert wurde. Er erklärte, auch in Zukunft in engem Kontakt mit dem Vorsitzenden bleiben zu wollen.

 Wir halten ein solches persönliches Schreiben von Präsident Trump für ein gutes Beispiel der besonderen und festen persönlichen Beziehungen mit dem Vorsitzenden Kim Jong-un.

 Zum Glück sind die persönlichen Beziehungen zwischen den beiden großen Führern nicht so weit auseinander wie die konfrontativen Beziehungen der beiden Länder; sie sind sogar sehr gut.

 Aber die Beziehungen zwischen der Demokratischen Volksrepublik Korea und den USA und ihre Entwicklung sollten nicht übereilt im Lichte der persönlichen Beziehungen zwischen den beiden ‚top leaders‘ beurteilt werden, und darüber hinaus sollten weder Vorhersagen noch Erwartungen in Bezug darauf gemacht werden.

 Da es sich um enge Beziehungen dieser beiden Männer handelt, die ihre Länder vertreten, würde sich das normalerweise positiv auswirken, aber niemand weiß, wie sehr die persönlichen Beziehungen sich verändern und die künftigen Beziehungen zwischen den beiden Ländern damit bestimmen würden; und überhaupt ist es nicht gut, voreilige Schlussfolgerungen zu ziehen oder sich Hoffnungen zu machen.

 Wenn Unvoreingenommenheit und Ausgewogenheit nicht gewährleistet sind und einseitige und gierige Absichten nicht zurückgenommen werden, werden sich die bilateralen Beziehungen weiter verschlechtern.

 Ich persönlich bin der Meinung, dass die bilateralen Beziehungen und der Dialog für beide nur denkbar sind, wenn das Gleichgewicht dynamisch gehalten wird und moralisch bleibt und Gerechtigkeit zwischen den beiden Ländern gewährleistet wird, und nicht einfach nur durch persönlichen Briefwechsel zwischen den zwei Führern.

 Sogar in diesem Augenblick arbeiten wir hart daran, uns auf uns allein gestellt zu entwickeln und zu verteidigen – inmitten des grausamen Umfeldes, das die USA nur allzu gern ‚bereitstellen‘.

 Wir versuchen, auf den Tag zu hoffen, an dem die Beziehungen zwischen den beiden Ländern so gut sein werden wie die zwischen den beiden Spitzenführern, aber es muss der Zeit überlassen und beobachtet werden, ob dies tatsächlich geschehen kann.

 Wir werden jedoch nie Zeit verlieren oder vergeuden, sondern uns permanent verändern, um für diese Zeit noch mächtiger zu sein, genau so wie wir es in den vergangenen zwei Jahren gemacht haben.

 Zum Schluss möchte ich dem US-Präsidenten aufrichtig dafür danken, dass er dem Vorsitzenden sein unveränderliches Vertrauen geschenkt hat.“