Tesla und der „Insane Mode“ seines Aufstiegs
Der ganz normale Wahnsinn eines ‚nachhaltig-grünen‘ Markteroberungsprogramms im Kapitalismus des 21. Jahrhunderts
Gibt es in den schweren Zeiten von Klima- und Corona-Krise wenigstens Pioniere mit Zukunftsvisionen, die anpacken und damit Erfolg haben, weil sie an sich und ihre gute Mission glauben? Auf jeden Fall! Elon Musk ist momentan der größte von ihnen. An ihn glaubt nämlich einstweilen das Finanzkapital und macht ihn zum reichsten Mann der Welt. Warum? Weil er sich die profitträchtige Elektrifizierung des globalen Auto-Wahnsinns vornimmt. Mit Auto-Fabriken, die er selber als „Hölle der Produktion“ bezeichnet. Von uns gibts das polit-ökonomische Porträt dieses kapitalistischen Helden.
Aus der Zeitschrift
Teilen
Systematischer Katalog
Länder & Abkommen
Gliederung
- 1. Das „Ökosystem“ Tesla: ein kapitalistisches Eroberungsprogramm auf dem globalen Automarkt der Zukunft
- 2. Voraussetzung und Grundlage der Tesla-‚Vision‘: Die Energie- und Mobilitätspolitik der großen Auto-Nationen
- 3. Die wirkliche Entscheidungsinstanz über Sein oder Nichtsein dieses innovativen Bereicherungsprogramms: Das Finanzkapital und seine Spekulation ‚auf die Zukunft‘
- 4. Der unternehmerische Kampf um rentable Produktion von E-Autos auf den Schlüsselmärkten der Welt
- 5. Eine Gigafactory für Grünheide/Brandenburg: ein Musterbeispiel dafür, wie das mit der klimaneutralen industriellen Modernisierung Deutschlands gemeint ist
Tesla und der „Insane Mode“ [1] seines Aufstiegs
Der ganz normale Wahnsinn eines ‚nachhaltig-grünen‘ Markteroberungsprogramms im Kapitalismus des 21. Jahrhunderts
„I think we should try to make the future better. It would be better if we mitigated the effects of global warming and had cleaner air in our cities and weren’t drilling for vast amounts of coal, oil and gas in parts of the world that are problematic and will run out anyway.“
„If somebody said you’re gonna pour the liquid remains of dinosaurs into your vehicle and burn them in order to move from one place to another, releasing toxic fumes – and by the way, you better not have your car on in a closed room cause you’re gonna die – you’d say, ‚Why are we doing that?‘“ (Elon Musk, in: Rolling Stone, 30.11.17)
„Teslas Ziel ist, den Übergang der Welt zu nachhaltigem Verkehr bzw. nachhaltiger Energie zu beschleunigen.“
„Sie werden umsonst reisen können, für immer, mit purem Sonnenlicht!“ (Elon Musk, in: Insane Mode, S. 72)
Dafür lieben die Millionen Twitter-Follower ihren Elon Musk, den „Visionär“, „genialen“ Erfinder und „Ideengeber“, wenn er mit lockeren Sprüchen die mit Diesel und Benzin betriebene Mobilität des weltumspannenden Kapitalismus ins Abseits stellt und sich und sein Unternehmen Tesla als den ‚Retter der Menschheit‘ präsentiert, der mit seiner ‚Mission‘ verhindert, dass Big Auto [die etablierten Auto-Konzerne] das Elektroauto tötet
(Elon Musk). Eine ganze Stufe profaner haben Musk und sein Unternehmen Tesla den Respekt anderer Teile der bürgerlichen Welt gefunden, von sich einsichtig gebenden Managern der etablierten Konkurrenz bis zum um das Klima besorgten kritischen Menschen. Dem E-Auto-Pionier wird zugute gehalten, dass er das elektrisch betriebene Automobil gegen alle möglichen machtvollen Widerstände zur „Marktreife“ gebracht, also aus dem vielleicht intellektuell reizvollen, aber marktwirtschaftlich irrelevanten Status der ‚Vision‘, der ‚Idee‘ herausgerissen hat. Tesla ist die Avantgarde des Besseren: Als deutsche Ingenieure noch an Thermofenstern ihrer betrügerischen „Clean Diesel“ gebastelt haben, hat Tesla ein emissionsfrei, fast autonom fahrendes und leistungsfähiges „Smartphone auf Rädern“ hingestellt, darüber hinaus ganz ohne Staat auch noch für die nötige Ladeinfrastruktur quer über den Globus und eine saubere Solarstromproduktion gesorgt und so die längst überfällige „Transformation“ „unserer“ Zivilisation in eine klimafreundliche Welt angestoßen.
Natürlich finden sich in einer offenen demokratischen Gesellschaft neben diesen Elogen auf Musk und Tesla genügend „Hasser“ und Skeptiker, die dem Tesla-Hype und Musk-Kult nicht auf den Leim gehen wollen und dann an der Persönlichkeit Elon Musks kein gutes Haar lassen: Sie halten ihn mit seinen versponnenen Ideen von der Mars-Besiedelung bis zur rücksichtslosen Führung seiner Unternehmen eher für einen gnadenlosen Selbstdarsteller, größenwahnsinnigen Egomanen und – ja, vermutlich sogar das: einen typisch amerikanischen „Ausbeuter“, der sich nicht an die Gepflogenheiten deutscher Tarifpartnerschaft hält.
Die seriöse freie Öffentlichkeit sammelt diese moralischen Stellungnahmen mit positivem wie negativem Vorzeichen fleißig ein und verfertigt daraus einen mustergültigen Pro- und Contra-Aufsatz. Sie interessiert sich für den beherrschenden, gar nicht so exotischen Zweck, der in den famosen „Sprunginnovationen“ von Musks Unternehmen steckt, überhaupt nur in einer Hinsicht: ob die Rechnung dieses Vorhabens aufgeht, also Erfolg hat, oder nicht. Und solange die Produktionszahlen und Quartalsgewinne steigen, der Börsenwert munter auf die Billion US-Dollar zusteuert, will man Musk, wie verrückt-genial-brutal-visionär-... er auch sein mag, in der Summe die Anerkennung nicht verweigern: Reichster Mensch der Welt, Respekt, wenn man Tesla quasi im Alleingang zum innovativsten und wertvollsten Autokonzern der Welt gemacht hat!
1. Das „Ökosystem“ Tesla: ein kapitalistisches Eroberungsprogramm auf dem globalen Automarkt der Zukunft
Der marktwirtschaftlich profane Kern von Elon Musks Secret Tesla Motors Master Plan
, [2] die Menschheit vor klimaschädlichen Emissionen mit einem E-Auto zu retten, ist die Unternehmensstrategie von Tesla, sich nicht darauf zu beschränken, mit einigen tausend Luxusfahrzeugen die Dollar-Millionen der Reichen und Schönen in Hollywood und anderswo abzugreifen. Musk zielt mit seinem Einstieg in die Luxusklasse des Automarkts darauf, Zug um Zug sein Start-up zum Massenhersteller auf einem der geldschwersten Märkte der Welt zu entwickeln, den so potente Kapitale wie VW, Toyota und Co bewirtschaften. Damit hat er sich etwas vorgenommen. Denn mit dem Einstieg in diesen Markt einer Schlüsselindustrie ist es mit der Präsentation irgendeiner ‚visionär-neuen‘ Dienstleistung, für die man einen Haufen Rechnerkapazität, ein Büro und im Überfluss verfügbare Billiglöhner mobilisiert, nicht getan.
Das Oligopol von gerade mal einem Dutzend Konzernen, bereichert um einige ihrer chinesischen Geschöpfe, die zu eigenständigen Konkurrenten aufgewachsen sind, entwickelt mit seinem Kommando über ein Heer von Ingenieuren im Rhythmus von wenigen Jahren und ganz nach seinen Maßstäben immer neue und perfektere Gebrauchswerte, die die Produkte der Konkurrenz alt aussehen lassen. Im selben Rhythmus erneuern sie mit ihrer Kapitalmacht die technologischen Potenzen, mit denen mit einem Minimum an bezahlter Arbeit an den Montagebändern ein Maximum an Automobilen in entsprechender Qualität produziert wird. Die etablierten Konzerne, die den Weltmarkt bewirtschaften, definieren auf diese Weise nicht nur den Stand des industriellen Fortschritts, also der Arbeitsproduktivität, mit der überhaupt rentabel Fahrzeuge zu produzieren sind. Sondern mit ihrem Bedarf an einer Vielzahl von Werkstoffen und Vorprodukten, die sie für die rentable Produktion des komplexesten Gebrauchswerts brauchen, der in die private Konsumtion der Gesellschaft eingeht, setzen sie auch noch die Maßstäbe für einige andere Kapitalsphären, die sich die Automobilunternehmen zu ihren globalen Lieferketten schmieden, damit sie möglichst exklusiv über die lohnendsten Produktionsmittel im Kampf um rentable Produktion verfügen: Von der chemisch-metallurgischen Grundstoff- über die elektronische Industrie bis zu global verstreuten und organisierten Komponentenherstellern fungieren ganze Abteilungen des Kapitals etlicher Nationen wesentlich als Zulieferer der Herren des globalen Automarkts.
Diese gemütlichen Verhältnisse der Schlüsselindustrie ‚Automobil‘, die jedes Jahr die Welt mit ca. 100 Mio. Fahrzeugen überschwemmt, will sich Elon Musk erobern, und dafür buchstabiert er mustergültig die Techniken eines kapitalistisch-industriellen Aufbruchs durch. Erstens mit der Entwicklung eines ‚revolutionär-innovativen‘ Produkts, das in seinen Gebrauchseigenschaften einerseits einen technologischen Vorsprung mit Alleinstellungsmerkmal gegenüber den jahrzehntelang perfektionierten Verbrennermobilen erringt: Der Betrieb ist wegen des elektrischen Antriebs energetisch deutlich effizienter und lokal emissionsfrei; gemäß den technischen Anforderungen des elektrischen Antriebs wird das Fahrzeug von Grund auf neu konstruiert, um die schwere Batterie im Fahrzeugboden zu integrieren; eine neue IT-Architektur um einen potenten Zentralrechner herum erlaubt eine Weiterentwicklung des Automobils über den Lebenszyklus hinweg („Over-the-Air-Update“) und im Zusammenspiel mit Sensoren aller Art höhere Stufen der Fahrassistenz. Zugleich ist dieser neu definierte Gebrauchswert in Reichweite und Fahrleistung den überkommenen Produkten ebenbürtig. Um dem fein ausdifferenzierten Geschmack des globalen Publikums, wie ihn das ausgreifende Profitinteresse der etablierten Autoindustrie geschaffen hat, und dessen verschieden großer Zahlungsfähigkeit zu entsprechen, stellt Tesla zweitens nach und nach eine ganze Modellpalette auf die Beine und kreiert mit ganz viel Propaganda und Verheißungen – siehe Musks Sprüche oben – auch noch einen moralischen Vorsprung seiner Produkte: Tesla schafft sich ein Markenimage, das das grüne, um das Klima besorgte Umweltgewissen ausschlachtet und mit dem Leistungs- bzw. Technikfetischismus moderner Kunden versöhnt, die im eigenen Automobil ihre Erfolgspersönlichkeit repräsentiert wissen wollen.
Dieses ‚Wunderwerk‘ aus Technologie- und Werbekompetenz – fast peinlich, daran zu erinnern, aber vielleicht doch nötig angesichts der Musk-Legenden über die Tesla-Produkte – hat sich als Ware des Unternehmens zu bewähren. Und dafür kommt es drittens unbedingt darauf an, dass die neu definierten Eigenschaften der Tesla-Modelle Roadster/S/X/3/Y exklusiver Besitzstand des Unternehmens Tesla, also sein Eigentum sind und bleiben. Tesla unternimmt alles, was Geheimhaltung und die segensreichen Errungenschaften des von den Welthandelsnationen weltweit durchgesetzten Eigentums- und Patentrechts hergeben, um die etablierten Konkurrenten vom eigenen Vorsprung nach Möglichkeit auszuschließen – so viel zu Musks „Rettung der Menschheit“ vor dem Klimawandel mit Innovationen... [3] Schließlich ist das erst einmal die entscheidende Sonderstellung, deretwegen sich die Ware verkauft, und zwar nicht zu irgendeinem Preis. Den Marktpreis für diese und jene Automobilklasse definieren die großen Konzerne mit ihrer überlegenen Produktivität und Produktmasse; und da muss es sich Musk bzw. Tesla kraft seiner finanziellen Potenz leisten – siehe dazu Punkt 3. –, auf die alles entscheidende kapitalistische Qualität des lohnenden Verkaufs durch rentable Produktion der Ware Automobil eine ganze Zeit lang zu verzichten: Jahrelang verkauft Tesla Autos zum vorgegebenen Marktpreis für Luxuskarossen, rücksichtslos gegen die eigenen weit höheren Produktionskosten, wie sie anfallen, wenn ein Start-up mehr oder weniger in Kleinserie aus am Weltmarkt gekauften Komponenten Automobile zusammenschraubt. [4]
Was Musk sich da leisten muss, kann er sich dank der ungeheuren Finanzkraft, die hinter seinem Start-up steht, auch leisten. Sie erlaubt ihm sogar die Mobilisierung von noch mehr Vorschuss bei ausbleibenden nennenswerten Geldrückflüssen für die Aneignung von Entwicklung und Produktion der strategischen Teile der Ware als Sphäre des zukünftigen eigenen Geschäfts, vergrößert also die „Fertigungstiefe“. Tesla baut mit einem Ladenetz systematisch die notwendigen Bedingungen des Konsums aus, den das Unternehmen den Kunden eine Zeit lang als Gratisdienstleistung anbietet, und schließt das Handelskapital von Profiten durch den exklusiven Verkauf der Ware über das Internet aus: Musk will das ganze Erlebnis [!] um Tesla kontrollieren. Vom Design der Batteriepacks zum Programmieren der Software über die Herstellung der Fahrzeuge, den Bau der Komponenten, das Management der Infrastruktur und den Verkauf der Produkte ...
[5] Darüber hinaus erschließt sich das „Full Stack“-Start-up Tesla neue Geschäftsfelder Zug um Zug zu einem ganzen „Ökosystem“ – wie heutzutage die marktwirtschaftliche Übergriffigkeit moderner Kapitale auf mehrere Branchen verniedlicht wird – bevor es mit seinem Autogeschäft überhaupt Profit gemacht hat. Tesla eignet sich fremdes produktives Eigentum an, übernimmt nämlich das Energieunternehmen Solar City und macht damit Produktion und Verbrauch erneuerbarer Energie mit und ohne Automobil zu seinem Geschäft.
Denn darum geht es: Tesla dockt total affirmativ an die global durchgesetzten Schönheiten des fossil angetriebenen Individualverkehrs an, dessentwegen Land und Leute zu sog. „Auto(fahrer)nationen“ zugerichtet worden sind, um mit seinem ach so „innovativen“ Warensystem, mit dem es ein Alleinstellungsmerkmal am Automarkt hat(te), die etablierte Konkurrenz mit ihren überkommenen Produkten zu überholen und den Weltmarkt für sich als Quelle der Bereicherung zu erobern. Die Tesla-Produkte und das Geschäft mit deren Verbrauch sollen als Waren massenhaft einschlagen und Tesla zum „Global Player“ auf diesem Weltmarkt aufsteigen lassen. Dieses Vorhaben ist ein kapitalistisches Eroberungsprogramm größeren Kalibers, denn der 4-Billionen-Dollar-Markt, auf dem sich dieses Programm austobt, ist eben schon ganz ohne den kalifornischen Newcomer von Übernahmen und Fusionen, [6] von Rabattschlachten und Weltmarktführeransprüchen, denen die erreichten Marktanteile immerzu zu klein sind, geprägt. Auf diesem Markt geht es wesentlich um Verdrängung bis Vernichtung der Konkurrenten, deren Geschäftsfelder und -anteile man übernehmen will. Mit Tesla, dem Aufbau eines halben Dutzends Gigafabriken auf der grünen Wiese und dem daran geknüpften Wachstumsanspruch, ist ein weiterer Konkurrent in der Welt, der diesen marktwirtschaftlichen Kampf mit Millionen zusätzlicher Fahrzeuge anheizt, um ihn für sich zu entscheiden – indem er die produktiven Potenzen sachlicher wie menschlicher Art bei den Konkurrenten ihrer kapitalistischen Überflüssigkeit überführt.
Dass daraus mehr wird als ein weiterer Fall eines meteoritengleich verglühenden Nischenherstellers, der mit dem Einbau von ein paar tausend 18650er Laptop-Zellen in das Chassis eines englischen Sportwagenbauers beginnt, liegt ganz außerhalb dieses „genialen“ Projekts. Tesla ist Objekt gewichtiger polit-ökonomischer Interessen: zum einen der langfristig angelegten Standortpolitik der Weltmacht Nr. 1 im Speziellen und aller großen Autonationen im Allgemeinen, zum anderen der finanzkapitalistischen Spekulation, die als quasi unbegrenzte Finanzquelle Elon Musk bzw. seinem Unternehmen als entscheidendes Mittel der Behauptung auf dem Markt die nötige Kapitalgröße erschließt.
2. Voraussetzung und Grundlage der Tesla-‚Vision‘: Die Energie- und Mobilitätspolitik der großen Auto-Nationen
Der systemgemäß aberwitzige Gebrauch der materiellen Automobil-Überproduktion, resultierend aus dem Mobilitätsbedürfnis der kapitalistischen Warenproduktion und ihrer Figuren und resultierend in Auto-Städten, endlosen Staus und einer chronischen Zunahme der klimawirksamen und -schädlichen Gase in der Atmosphäre, hat den USA und den anderen maßgeblichen Auto-Nationen der Welt immer nur in einer Richtung zu denken gegeben: mehr Natur und Lebensraum in Straße verwandeln und mit zunehmender Verkehrsdichte die Schadstoffe pro Auto per Gesetz auf das Maß beschränken, mit dem ihr Volk gesundheitsmäßig noch einigermaßen über die Runden kommt.
Etwas anders als es sich patriotische Fans der deutschen Autoindustrie mit ihren Vorstellungen eines ewig rückständigen Amerika mit seinen spritschluckenden Pick-ups zusammenreimen mögen, fördern die USA (v.a. in Gestalt der kalifornischen Umweltbehörde CARB und etlicher weiterer US-Staaten) seit ca. 20 Jahren und mit dem langen Atem ihrer Dollar-Finanzmacht die Elektromobilität als national relevante Innovation: Sie etablieren ein Punktesystem, das E-Auto-Quoten verlangt; das Energieministerium legt ein 25 Mrd. Dollar schweres Kreditprogramm auf, und 7 500-Dollar-Steuergutschriften belohnen den Kauf „fortschrittlicher Autos“, was nach streng marktwirtschaftlicher Logik zu Entwicklung, Produktion und Verkauf emissionsfreier Fahrzeuge inklusive der damit nötigen Energieinfrastruktur anregt. [7] Als maßgebliche Prämissen dieser E-Mobilitäts-Förderungen fasst der US-Staat fest ins Auge, dass erstens auf seinem Territorium das produktive Geschäft mit dem automobilen Individualverkehr auch in der weiteren Zukunft in immerzu wachsendem Umfang stattfinden muss. Und zweitens trifft er mit den Förderprogrammen, die in ihrer Wirkung über die Autobranche selbst hinausreichen, eine ganz wesentliche Weichenstellung für sein nationales Vorhaben, die Produktion und den Verbrauch erneuerbarer Energien als gewichtige (Geschäfts-)Alternative zu Öl und Gas zu etablieren. In diesem Sinne nimmt die US-Mobilitäts- und Energiepolitik die aktuellen, fossil betriebenen Geschäftsmittel der Autokonzerne als langfristige Schranken des nationalen Kapitalstandorts ins Visier: Die Verbrennertechnik gilt ihm – bei allem Respekt vor den überkommenen Geschäftsmitteln seiner Kapitale – als technisch und geschäftlich weitgehend ausgereizt; eine massive Reduktion der Schadstoffe ist nur mit zunehmenden Kosten, wenn technisch überhaupt zu erreichen; jedenfalls verteuert der Staat mit seinen Maßnahmen diese Technologie im Verhältnis zu alternativ-fortschrittlichen Technologien und liefert so finanzielle Anreize, dass Start-up-Klitschen wie große Konzerne [8] ganz gemäß ihrem privaten Geldvermehrungstrieb neue Produkte als Geschäftsmittel erfinden, damit Wachstumsmärkte „der Zukunft“ begründen oder alte Märkte neu erobern, jedenfalls in der Schlacht ums Wachstum die Kapitalvermehrung hinkriegen, die mit den alten Produkten nicht mehr zu haben ist. [9]
Die USA befördern also nach allen Regeln der Standortpolitik mit beeindruckenden Dollarsummen eine Kapitalkonkurrenz, die auf ihrem Boden von ihrem automobil-industriellen Komplex mit den Mitteln des technischen Fortschritts geführt wird – um die zukünftigen, weltweit erwirtschafteten Dollar-Erträge aus dem Geschäft mit vier Rädern und ohne CO2. In Tesla finden die USA ein in allen diesen Hinsichten förderungswürdiges Objekt: Tesla entwickelt und produziert in Eigenregie in Kalifornien, also auf US-Boden, nach der technischen Seite hin marktreife Produkte für die emissionsfreie Mobilität. Und mit der finanzstarken Beteiligung der etablierten Konzerne Daimler-Benz und Toyota an dem Silicon-Valley-Start-up fließen nicht nur die Subventionen des US-Staates. Staatliche Behörden von Universitäten bis zum Militär treten auch noch als zahlungskräftige Kunden der Energiesparte Tesla Energy auf – ein weiterer Beitrag dazu, dass das Unternehmen überhaupt die Verheißungen der ersten Jahre überlebt und den Status eines wachstumsträchtigen Industriekapitals erringt. [10]
Zu diesem Status trägt auch die andere Abteilung der US-Staatsgewalt bei. Die US-Justiz schädigt nicht nur die europäische Konkurrenz von Tesla und ihre Diesel-Weltmarktstrategie, [11] sondern macht auch auf den politischen Willen, vor allem in Deutschland, Eindruck. Vielleicht in Umfang und Tempo verschieden, aber dem Prinzip nach gleich betreiben alle potenten Staaten, die eine Autoindustrie bei sich beheimaten, diese Art von Standort- und Energiepolitik und verallgemeinern damit den Einstieg in die E-Mobilität zur unumkehrbaren, global durchgesetzten Sachlage der Konkurrenz für die Autoindustrie in den USA, China, Europa und Japan. [12] Daran schmarotzen Elon Musk und sein Unternehmen: Erst die politischen Vorgaben machen das Tesla-Geschäftsmodell zu einer Geschäftsperspektive für den gesamten Weltmarkt, und Tesla gewinnt die interessierte Aufmerksamkeit der Finanzspekulanten in ihrer aufreibenden Suche nach Gelegenheiten, aus Geld mehr Geld zu machen.
3. Die wirkliche Entscheidungsinstanz über Sein oder Nichtsein dieses innovativen Bereicherungsprogramms: Das Finanzkapital und seine Spekulation ‚auf die Zukunft‘
Die Entwicklung eines exklusiven marktreifen neuen Gebrauchswerts, ein ausuferndes Geschäftsmodell drum herum und – das vor allem: der Einsatz der maßgeblichen Staaten, ihren Kapitalen den Umstieg auf klimafreundliche Mobilitätsprodukte verbindlich vorzuschreiben, sind der politökonomische Stoff, aus dem die „gigantische Zukunft“ besteht, die Tesla allen Vermögensbesitzern und -verwaltern zum Kauf andient. Seit seiner Gründung im Jahr 2004 hat Tesla als AG allen Investoren auch gar nichts anderes anzubieten als die Beteiligung an der Aussicht auf zukünftige Gewinne, denn die ersten 15 Jahre ist die Firma mit Produktion und Verkauf von Autos nicht profitabel: Sporadisch ausgewiesene Gewinne entstammen den Kassen der etablierten Konzerne, die sich wegen der staatlich verhängten CO2-Regime ihre Verschmutzungsrechte von Tesla kaufen, um weiterhin mit ihren fossil betriebenen Fahrzeugen ihre Geschäfte zu machen, sodass man mit einiger Berechtigung sagen kann, dass Teslas eigentliches Produkt immer neue Zukunftsverheißungen waren
. [13] Tesla lebt und überlebt vom beständigen und wachsenden Zustrom weltweit vagabundierenden Geldkapitals, das in seinem Übermaß Risikoanlage sucht und in Tesla in steigender Masse findet: Periodisch vergrößert Musk Betriebsvermögen und Finanzkraft Teslas durch immer größere Neuemissionen von Aktien.
Die NASDAQ- bzw. Dow-Jones-Börsennotierung Teslas verallgemeinert diese Spekulation auf Tesla und fügt der spekulativen Geldgier das entscheidende Moment hinzu: Der öffentliche Handel mit Tesla-Aktien weist einen ewig steigenden Aktienkurs aus; die Investoren können in den täglich veröffentlichten Börsenberichten ihrem in Tesla-Aktien angelegten Geldvermögen beim Wachsen zusehen; das lockt weitere Spekulanten mit ihrem Bedürfnis nach wachsender Masse von Anlage in Form von Tesla-Aktien an, dem das Unternehmen gerne Rechnung trägt und Aktien neu emittiert, deren gewachsene Masse wieder im Kurs steigt, usw. usf.
Diese Selbstbezüglichkeit des finanzkapitalistischen Spekulationszirkels hat den Zweifel am Gelingen als ständigen Begleiter im Gepäck und fordert vom Unternehmen und seinem Führer Daten und Verheißungen, die den Zweifel erschlagen bzw. das wachsende spekulative Interesse an Tesla-Wertpapieren nähren. Elon Musk und seine Tesla-Propaganda verstehen sich auf die schöne Kunst, dieses spekulative Interesse anzufüttern und bei der Stange zu halten: In jährlich stattfindenden „Battery days“ und anderen „Events“ sowie täglichen Unternehmensmeldungen werden öffentlich Haltbarkeit und Ausbau des technologischen Vorsprungs von Tesla (im Bau der elektrischen Energiespeicher oder der wachsenden Fähigkeiten des „Autopiloten“) als Garantie wachsenden zukünftigen Geschäfts ins Bild gesetzt; Großspurigkeit in Sachen Ankündigung neuer Modelle über Jahre im Voraus, Anstieg der Produktionsziffern und der technischen Leistungsfähigkeit der Autos gehören zu diesem soliden Handwerk genauso wie die Selbstinszenierung Musks als Avatar eines unschlagbaren Angebots an das globale Geldkapital: Musk präsentiert sich auf der einen Seite als rastloser, alle Grenzen des Denk- und Machbaren überschreitender ‚Visionär‘, der stets aufs Neue exotische Zukunftsprojekte von der Mars-Besiedelung über Hyperloop bis zur künstlichen Intelligenz aus der Taufe hebt. Auf der anderen Seite hat Musk ausweislich seines gewaltigen Privatvermögens hinreichend bewiesen, dass er zugleich die sympathische Erfolgsfigur verkörpert, die kraft ihrer marktwirtschaftlichen Grundqualifikationen aus allem Geld macht: Er verklickert der Menschheit erfolgreich, welche marktwirtschaftlichen Bedürfnisse sie demnächst haben wird, um deren Befriedigung zum Stoff seiner privaten Bereicherung zu machen, indem er seine Visionen zum begehrten Objekt der finanzkapitalistischen Spekulation macht. Die verschafft Musk das nötige Kapital, um die Menschheit mit seinen ‚Visionen‘ zu beglücken, diese also in den Status wirklicher Geschäftemacherei zu überführen. [14]
Musks Unternehmen Tesla schrammt zwar einige Male an der Pleite vorbei, nämlich immer dann, wenn die Spekulation ihrem Zweifel am Gelingen des spekulativen Zirkels Rechnung trägt und der ständig notwendige Geldzustrom kurzzeitig versiegt. Insgesamt aber katapultieren die Investoren in ihrer spekulativen „Logik“ Tesla zum wertvollsten Autohersteller der Welt, der mit einem Börsenwert von einer Billion US-Dollar so viel wert ist wie alle Konkurrenten zusammen, und verleihen der Geschäftsidee eine kapitalistische Realität: Tesla erschließt sich mit dieser Glanzleistung des US-Kapitalmarkts eine quasi unerschöpfliche Finanzkraft, um Produktion und Vermarktung seiner Waren erfolgreich voranzutreiben. [15] Das Engagement des Finanzkapitals, das ausweislich des Aktienkurses Tesla so bewertet, als hätte es schon alle Konkurrenten auf diesem Markt besiegt, gibt damit aber auch den unbedingt zu erfüllenden Erfolgsmaßstab für Tesla vor: Ein permanentes Wachstum seiner Geschäfte mit den Gigafactorys ist erforderlich – ausreichend, um die positive Rechnung der Finanzkapitalisten auf die weitere Wertsteigerung ihrer Engagements zu untermauern und damit den spekulativen Zuspruch in Gang zu halten, auf den Tesla angewiesen ist.
4. Der unternehmerische Kampf um rentable Produktion von E-Autos auf den Schlüsselmärkten der Welt
„Herzlich willkommen in der Hölle der Produktion!“ (Elon Musk, in: „Insane Mode“, S. 291)
Eines, das sollte man in dem Zusammenhang vielleicht noch erwähnen, hat für Elon Musk damit schon mal ganz gut geklappt: Mit der ausufernden Spekulation auf sein Unternehmen, dessen größter Einzelaktionär er ist, ist er deren größter Profiteur und einer der reichsten Menschen der Welt geworden – fast ohne Ausbeutung lebendiger Arbeit in Fabrik und Büro. Für den Mann mit seiner unternehmerischen Mission steht aber noch an, mit den Finanzmitteln, die ihm die Investoren spendieren, einen weltweit agierenden Produktionsapparat in „Tesla Speed“ zu schmieden, der in seiner Größe die entscheidende Qualität hat, die aufstrebende Konkurrenz in Sachen E-Auto am Markt zu besiegen.
Denn der monopolistische Vorsprung, den Tesla in Produkt und Produktionsverfahren bei Batterien, Antriebssteuerung und IT-Architektur hat, und der Verkauf von CO2-Zertifikaten, seine bisherige Profitquelle, haben ein Verfallsdatum: Die Auto-Multis beschleunigen selber ihre „Transformation“ und schmieden ihre Erfolgsmittel mit der Macht ihrer Kapitalgröße. Tesla muss sein technologisches Monopol so schnell und umfassend ausnützen, dass es E-Autos in einer Größenordnung produziert, die Rentabilität herstellt und entscheidende Marktanteile besetzt, bevor die Konkurrenz nachzieht und flächendeckend den Markt mit ihren Waren überschwemmt. Dafür setzt Tesla seine Finanzmacht ein: die Ausweitung der Produktion auf eine Größe, die in keinem Verhältnis zur bisherigen Betriebsgröße steht, sondern die Behauptung auf den Weltmärkten gegen die Konkurrenten, also den kapitalistischen Markterfolg unterstellt, der mit der anvisierten Erweiterung erst herzustellen ist: Tesla plant und organisiert eine Vervielfachung der Jahresproduktion von ein paar Hunderttausend auf mehrere Millionen E-Autos binnen weniger Jahre durch die simultane Errichtung von Gigafactorys auf den entscheidenden Erdteilen. Darin bedient sich Tesla jenseits der staatlichen Förderungen all der Errungenschaften, die der moderne Weltkapitalismus dafür hergibt, wie z.B.:
– Tesla bedient sich der erforderlichen geistigen Potenzen und wirbt im Dorado der Digitalisierungskonzerne Silicon Valley vor allem IT-Ingenieure an und ab.
– Mit der Aussicht darauf, den Markt der absoluten Schlüsseltechnologie für die E-Mobilität – Bau und Evolution der Fahrzeugbatterien – von Anfang an zu beherrschen, legt das kalifornische Start-up den globalen Multi Panasonic auf ein Bündnis mit sich fest, von dem die Konkurrenz ausgeschlossen ist, sodass Tesla mit der Gigafactory 1 exklusiv und schlagartig den „Bottleneck“ überwindet und Batterien in Massenproduktion, also Gigawattstunden-Kapazität, produziert.
– Tesla-Ingenieure explorieren ganze Staaten (DR Kongo, Indonesien) neu auf ihre Tauglichkeit, sie mit ihren Rohstoffen in Teslas Lieferketten einzuspannen, damit das Unternehmen langfristig-strategisch über die Schlüsselrohstoffe zu lohnenden Preisen für die Herstellung von Batterie und Antriebsstrang verfügt – ein neues ‚grünes‘ Kapitel, das da aufgeschlagen wird, in dem alten Elend, dass ganze Weltregionen inklusive ihrer Bevölkerung auf die schäbige Rolle festgenagelt sind, Kapitale mit Rohstoffen zu versorgen.
– Für die Verfügung über die notwendigen Potenzen eines rentablen Produktionsprozesses für Automobile und Solarenergie mit dementsprechender Arbeitsproduktivität eignet sich Tesla kraft seiner Finanzmacht nicht nur fremdes produktives Eigentum an (den deutschen Anlagenbauer Grohmann; das US-Solarunternehmen SolarCity). Längst macht sich Tesla daran, in seinen Montagehallen die Maßstäbe der Konkurrenz in Sachen Ersparnis von bezahlter Arbeit durch produktivere Maschinerie selber zu setzen und voranzutreiben. [16]
Für die Bedienung dieses schnellstmöglich zu errichtenden und vor allem auch schnellstmöglich zu vernutzenden globalen Produktionsarrangements organisiert Elon Musk in seinem 17-stündigen Arbeitstag ein Heer von Arbeitskräften – womit klar ist, für wen und wofür die Produktion von ‚grünen‘ Autos zur Hölle
wird. Tesla macht die Belegschaften konsequent als Manövriermasse für die Einlösung der unternehmerischen Vorgabe haftbar, eine explodierende Produktion in konkurrenzfähiger Qualität abzuliefern.
Dafür duldet Tesla im Umgang mit der Arbeitskraft keinerlei Rücksichten oder Schranken, seien sie gewerkschaftlicher, tariflicher oder staatlicher Natur. [17] Tesla macht Ernst mit der totalen Hoheit über die Arbeitskraft und verbittet sich in seinen Montagewerken jegliche Art von Mitsprache der Belegschaften (Betriebsräte), ver- und behindert erfolgreich jede kollektive Interessenvertretung (aktive Gewerkschaften) und kann auf der Grundlage, dass jeder Beschäftigte auf sich in seiner Ohnmacht zurückgeworfen ist, in aller Freiheit die Eckdaten in Sachen Lohn und Leistung verfügen: Die Arbeitszeiten werden unter regelmäßiger Missachtung staatlicher Vorschriften entgrenzt, wenn rund um die Uhr und überall in der Produktion nachgearbeitet und nachgebessert werden muss, damit das Wachstum der Produktion in den vorgegebenen Zeiten und Raten zustande kommt; mit dem Monatsgehalt sind alle Ansprüche abgegolten, egal wie lange für die Erfüllung der geforderten Produktionsziele gearbeitet wird; und in der Lohnhöhe beansprucht Tesla für sich Tarifhoheit, ignoriert also kollektiv ausgehandelte Tariflöhne. Das ist der Gehalt der öffentlichen Ansprache Elon Musks an alle Tesla-Beschäftigten, dass sie die großartige Chance haben, an einer „Mission“ teilzuhaben, die das Pochen auf kleinkarierten Regelungen wie 40-Stunden-Woche usw. nicht verträgt und nicht duldet. Diese Teilhabe schließt darüber hinaus noch ein, dass Tesla Lohnteile in Aktienoptionen ausreicht, also als Kapitalvorschuss einbehält, und so auch an der Stelle die Beschäftigten für den Sieg in der Konkurrenz um das zukünftige Geschäft mit Automobilen in Haftung nimmt. So offen dieses Ergebnis ist, so eindeutig ist die Wirkung von „Tesla Speed“ auf die Arbeitskraft: In den seit Jahren produzierenden Montagewerken in den USA verzeichnet Tesla Rekordwerte – im Verschleiß der Arbeitskraft, ablesbar an Krankheit, Fluktuation und Arbeitsunfällen.
5. Eine Gigafactory für Grünheide/Brandenburg: ein Musterbeispiel dafür, wie das mit der klimaneutralen industriellen Modernisierung Deutschlands gemeint ist
Der deutsche Staat findet diesen kapitalistischen Aufbruch dermaßen attraktiv, dass er für seine Kooperationsformen mit dem Tesla-Kapital ein paar bemerkenswerte Updates in Sachen Erschließung staatlichen Territoriums für die Bedürfnisse kapitalistischen Wachstums entwickelt. Genehmigung und Förderung der Gigafactory in Grünheide/Brandenburg durch die brandenburgische rot-schwarz-grüne Koalition könnten in ihrer Art eine durchaus wegweisende Blaupause für eine Ampelregierung in Berlin sein, wenn dieses neue Zentrum des Fortschritts
den gesamten Standort D industriell modernisiert, d.h. auf digitale und klimaneutrale Erfolge des Kapitals trimmt.
Für die ‚Gigafactory 4‘ [18] weisen die staatlichen Behörden mit einem gewissen Mut zum Risiko dem Unternehmen ein mehrere hundert Hektar großes Waldgebiet östlich von Berlin zu, das flussaufwärts eines relevanten Wasserschutzgebiets liegt. Das kann im Fall von industriellen Schadstoffeinträgen zwar betroffen sein, was aber für die Entschlossenheit der staatlichen Behörden, den Bedürfnissen des Unternehmens in jeder Hinsicht Rechnung zu tragen, kein Einwand sein darf: Tesla verlangt einen Standort in Randlage zur Metropolregion Berlin, der ihm neben modernem Großflughafen, schienen- und straßengebundener Verkehrsinfrastruktur den Zugriff sowohl auf höchstqualifizierte technologische Arbeitskraft inklusive der staatlichen Forschungsstellen wie auf williges, gewerkschaftsfreies Billigproletariat erlaubt. [19] Die besondere Vorgabe Teslas ist Genehmigung und Errichtung in „Tesla Speed“ aus oben genannten Gründen, weswegen das Unternehmen den deutschen Behörden ganz unbescheiden vorschlägt, unverzüglich grundlegende Änderungen an Genehmigungs- und Raumordnungs- sowie Planungsgesetzen vorzunehmen
(SZ, 9.4.21). Die Behörden können dieser privatkapitalistischen Anspruchshaltung auf unmittelbare Dienstbarkeit der staatlichen Bürokratie viel abgewinnen [20] und machen die spezielle Tesla-Konkurrenzstrategie ausdrücklich zu ihrer Sache: In demonstrativer praktischer Selbstkritik umgeht die Landesregierung die rechtsstaatlichen Genehmigungsverfahren, erteilt 19 Vorabgenehmigungen für die Abholzung des Waldes und die Errichtung des Werks und befreit Tesla von staatlichen Arbeitszeitbeschränkungen. [21] Damit werden staatlich gewollt Fakten geschaffen, an denen sich die Bedenken des Wasserwirtschaftsamts bzgl. Wasserbedarf und -sicherheit und Hunderte von Einsprüchen von lokalen Bürgerinitiativen ganz praktisch blamieren. Während der Bautätigkeit werden sie formvollendet ins Justizsystem eingespeist und Zug um Zug von den Justizbehörden abgeräumt. [22] Das zweite Update betrifft die staatliche Kooperation bei der Attraktion von Arbeitskraft für das Unternehmen: Die brandenburgische Arbeitsagentur richtet Büros auf dem Werksgelände ein und versteht sich als verlängerter Arm von Tesla in der grenzüberschreitenden Rekrutierung mittelosteuropäischer Billigarbeitskraft. Auch eine Art, die Verhältnisse von Lohn und Leistung, wie sie Tesla als großindustriellen Normalfall am deutschen Standort etabliert, als staatlich erwünscht ins Recht zu setzen. [23] Gewerkschaftliche Mahnungen, dass Tesla doch bitte das deutsche Tarifsystem und Mitbestimmungsrecht einhalten möge, werden vernommen und abgebucht. Ansonsten fließen aus europäischen und deutschen Staatskassen ca. 1,4 Mrd. Euro Subventionen an Tesla.
Diese Parteinahme des deutschen Staates für einen US-amerikanischen Konzern gefällt nicht jedem. Linke und rechte Patrioten mutmaßen undemokratische, intransparente Verfahren in der Genehmigung, wenn es so zugeht, bezweifeln den nationalen Nutzen von so viel „Sonderbehandlung“ in Sachen zukünftiger Steuergelder und Arbeitsplätze und wittern eine Prostitution deutscher Macht, die den ausländischen Konkurrenten überhaupt erst zur Gefahr für die einheimische Autoindustrie großzieht.
Dabei lehrt dieser Fall geradezu paradigmatisch, was unter der Parole der „digitalen und klimaneutralen Modernisierung Deutschlands“ zu verstehen ist. Wenn die regierende Politik eine ganze Region an die Spekulation Teslas überantwortet, den Automarkt zu erobern, macht sie sich zum Parteigänger der erfolgreichen Kombination von Maßstab setzender Hoheit über Arbeit und technologischer Potenz, die mit ihren innovativen Produkten Quelle zukünftigen nationalen Wachstums zu werden verspricht. Denn die demokratischen Standorthüter verbuchen den amerikanischen Newcomer mit seinen Entwicklungs- und Produktionsabteilungen als neue, zusätzliche Waffe für die industrielle Offensive, die Deutschland als führender Automobilstandort gegen die konkurrierenden Standorte Europas und der restlichen Welt startet. [24] Dass sich mit Tesla gerade das potente Kapital am Standort D ansiedelt, das sich für diese Offensive gar nicht „transformieren“ bzw. dekarbonisieren muss, sondern exakt jetzt schon auf großer Stufenleiter mit den Geschäftsmitteln des „Green Deals“ wirtschaftet – zweifellos ein Glücksfall für Deutschland
(z.B. Oliver Krischer von den Grünen, stellvertretend für den Rest). Dass dafür auch noch eine „struktur- = kapitalschwache“ Region neu erschlossen wird – umso besser für die Nation.
[1] Insane Mode (=wahnsinniger Modus), Titel von: Hamish McKenzie: Insane Mode – Die Tesla-Story, Kulmbach 2019. Zitiert ist im Titel das besonders sportliche Fahrprogramm in Tesla-Fahrzeugen, mit dem der Hersteller für die Konkurrenzfähigkeit seiner Produkte wirbt: Beschleunigung einer Boden-Boden-Rakete, Straßenlage usw. usf. Der Begriff wurde wie „Tesla Speed“ zum geflügelten Wort für den rasanten Aufstieg des Konzerns zum wertvollsten Hersteller der Welt.
[2] Die Quintessenz von Musks genialem Masterplan im Tesla-Unternehmensblog am 2.8.2006: Baue einen Sportwagen. Nimm das Geld, um ein preisgünstiges Auto zu bauen. Nimm das Geld, um ein noch preisgünstigeres Auto zu bauen. Und sorge gleichzeitig dafür, dass es Lademöglichkeiten für emissionsfrei produzierten Strom gibt. Aber sag es niemandem.
(Zitiert nach Niedermeyer, Edward: Der Ludicrous-Modus, München 2021, S. 34)
[3] Zu Beginn der Tesla-Karriere bot Musk kurzzeitig und natürlich öffentlichkeitswirksam die Öffnung der Patente an, gerade so, als ginge es ihm jetzt tatsächlich um die möglichst schnelle allgemeine Verbreitung der E-Autos. Die kleine Bedingung: die etablierten Konzerne sollten ihrerseits – im Tausch – ihre technologischen Fähigkeiten für und Patente auf die rentable Produktion eines Fahrzeugs preisgeben. Zu diesem Tauschgeschäft ist es dann doch nie gekommen...
[4] Das erste Tesla-Modell „Roadster“ wird zu einem Kostpreis von 200 000 US-Dollar zusammengeschraubt – bei einem kalkulierten Verkaufspreis von ca. 90 000.
[5] McKenzie, a.a.O., S. 232
[6] Jüngstes Großbeispiel: die Übernahme von Opel durch PSA und dessen Fusion mit FCA zu dem Konzern Stellantis, der mit der Produktion von ca. 10 Mio. Fahrzeugen pro Jahr diese Vernichtungskonkurrenz überleben und bestimmen will.
[7] Alle Hersteller müssen eine Mindestquote an Zero-Emission-Vehicles verkaufen; im sog. CO2-Pooling sind die Credit Points für verkaufte E-Autos unter den Herstellern handelbar, d.h. Tesla macht mit seinen 100 % Elektroautos ein Geschäft mit den traditionellen Konkurrenten, die die Quoten bis heute untererfüllen und Points von Tesla kaufen müssen.
[8] Selbstverständlich probten auch die etablierten US-Konzerne den Einstieg in den Markt mit „fortschrittlichen Antrieben“, deren Produktion sie wegen fehlender Rentabilität, Konkurs und stark sinkender Benzinpreise zwischenzeitlich aber auch wieder aufgaben.
[9] Dass mit dieser Förderung zukunftsträchtiger Autoindustrie und allem, was dazugehört, das „Mobilitätsproblem“ in Stadt und Land „nicht gelöst“ würde, ist ein verkehrter Einspruch der Kritiker der Automobilindustrie im Allgemeinen und der Tesla-Skeptiker im Speziellen: Die maßgeblichen Auto-Staaten lösen hier nicht ein Problem nicht; sie tun mit allem, was in ihrer Macht steht, alles dafür, dass der Irrsinn mit der Ware Auto, den Straßen usw. auch mit E-Mobilen auf gesteigertem Niveau weitergehen kann!
[10] Technische Innovation reicht dem US-Staat als Förderungsgrund nicht. Diese muss sich als unbedingt profitabel erweisen: Der Kredit des US-Energieministeriums von 2008 über 465 Mio. Dollar ist jenseits der Bedingung, dass Tesla ein neues E-Auto und zukunftsweisende Batterietechnologie produziert, daran gebunden, dass Tesla fürderhin keine weiteren Förderungen braucht, also die Profitabilität erreicht. Überzeugend für das Ministerium ist der schon erreichte Geschäftserfolg, also das Beteiligungsinteresse von bzw. die Batterie-Lieferverträge mit Daimler-Benz und Toyota. Mit der Größe Teslas steigen die Subventionen für den amerikanischen technologischen Fortschritt: Für die Errichtung der ersten Batterie-Gigafactory in Kooperation mit Panasonic in Reno/Nevada erhält Tesla weitere 1,9 Mrd. Dollar Staatsgelder.
[11] Siehe dazu den Artikel Vom imperialistischen Charakter von Stickoxidwerten, Betrugssoftware und Fahrverboten in GegenStandpunkt 4-17.
[12] Die EU und China bugsieren seit Jahren die Autohersteller mit ihrem CO2-Reduktionsregime zu emissionsfreien Antrieben, verknüpft mit Quotenregelungen, Strafzahlungen und Förderprämien für elektrische Fahrzeuge.
[13] Edward Niedermeyer, a.a.O., S. 65
[14] Den Hunderte von Millionen schweren Grundstock seines Vermögens macht Musk um die Jahrtausendwende zur Hoch-Zeit der sog. „Internetblase“ mit dem Verkauf der von ihm gegründeten Internetfirmen, z.B. Paypal, in der Werbe- und Bezahlwirtschaft. Tesla-Chef wird er, indem er die Firmengründer ausschaltet und aus der Firma drängt. Der Aufstieg seines erfolgreichen Weltraumkonzerns SpaceX verdankt sich dem Willen des US-Staates, Raumfahrtprojekte an private Unternehmen zu vergeben.
[15] Diese Finanzkraft nötigt mittlerweile den Vorständen der etablierten Konkurrenz allerhöchsten Respekt ab, weil damit wirklich die Kapitalgröße am Werk ist, ihnen das Leben schwer zu machen: Zusätzliche Kostensenkungen und ein schnellerer Umbau seines Unternehmens seien entscheidend, um gegenüber den neuen amerikanischen Rivalen mit starker Finanzkraft zu bestehen, sagte VW-Chef Diess dazu in einem Interview mit der Agentur Bloomberg. Ihn beschäftigt dabei nicht nur die Frage, wie VW mit Tesla mithalten kann, sondern auch das Risiko, dass mit Apple ein weiterer mächtiger Konkurrent mit nahezu unbegrenzten finanziellen Mitteln in den Automarkt eintreten könnte. ‚Was sich wirklich verändert hat – und was ich nicht in dem Maße erwartet hätte –, ist der Blick der Kapitalmärkte auf unsere Industrie‘, sagte Diess.
(FAZ, 7.1.21)
[16] Tesla treibt das Ideal der vollautomatisierten Fabrik voran und hat eine neue Druckgussmaschine eingeführt, mit der die Zahl der Teile, aus denen eine komplette Karosserie gefertigt wird, von 70 auf vier gesenkt wird; fast die Hälfte eines Fahrzeugs wird aus einem Werkstück geformt.
[17] Auch staatlich verfügte Produktionsunterbrechungen duldet Musk nicht: Im Bewusstsein der Systemrelevanz seines Unternehmens setzt er sich ausdrücklich über die coronabedingte Werksschließung in Fremont/Kalifornien hinweg und droht mit der Verlagerung des Werks im Falle staatlicher Sanktionen nach Texas – und bekommt Recht und darf die Produktion hochfahren.
[18] In Grünheide sind Produktionsfabriken für Autos und Batterien geplant. Ohne Zulieferfirmen geht Tesla in der Endausbaustufe von 40 000 Beschäftigten aus.
[19] Kein Witz, so wirbt Musk öffentlich über Twitter um Arbeitskräfte: Bitte arbeiten Sie bei Tesla-Giga-Berlin. Es wird super Spaß machen!
(Zitiert nach: Lausitzer Rundschau, 20.10.20)
[20] Das Bundesverkehrsministerium dazu: Das Anliegen, die Planungs- und Genehmigungsverfahren in Deutschland weiter zu beschleunigen, teilen wir voll und ganz.
(SZ, 9.4.21)
[21] Elon Musk will noch 2021 in Grünheide die ersten Autos vom Band rollen lassen. Der Zeitdruck ist groß. Mit beiden Erlaubnissen [gemeint sind die jüngsten Vorabgenehmigungen des Landesumweltamtes] darf Tesla nun werktags rund um die Uhr arbeiten, an Sonntagen von 7 bis 20 Uhr. Für die Behörde liegt ein schneller Bau auch im öffentlichen Interesse. Denn die beschleunigte Umsetzung solcher Projekte für die Energie- und Mobilitätswende sei ‚erforderlich, um die ambitionierten Klimaschutzziele erreichen zu können‘. Tesla selbst habe ein legitimes Interesse wegen der wachsenden E-Auto-Konkurrenz, heißt es in den Bescheiden: ‚Mit einem in Deutschland produzierten Model Y kann das europäische Marktpotenzial dafür rechtzeitig bedient werden, wenn ein Produktionsstart in 2021 realisiert werden kann.‘
(Tagesspiegel, 16.9.21)
[22] ‚Mittlerweile ist die Einwendungsfrist abgelaufen und die geltend gemachten Bedenken lassen nicht erkennen, dass dem Vorhaben erhebliche Genehmigungshindernisse entgegenstehen‘, heißt es wortgleich in beiden Zulassungen des Landesumweltamtes. Die vorgetragenen Bedenken seien inhaltlich bekannt und ‚fanden eine ausreichende Berücksichtigung bei der Feststellung der überwiegenden Wahrscheinlichkeit einer Genehmigungserteilung‘. Brisanter ist, dass die Behörde eine Vorentscheidung zum Wasserproblem fällte, das als das gravierendste gilt. Mit der erteilten 16. Zulassung darf Tesla diverse Versickerungs- und Löschwasserbecken nach dem neuen dezentralen Niederschlagsentwässerungskonzept errichten, gegen das der Wasserverband Strausberg-Erkner (WSE), aber auch Naturschutzbund und Grüne Liga im Hauptverfahren erhebliche Bedenken vorgebracht haben. Die Becken ragen in den oberen Grundwasserleiter, die Fabrik befindet sich teils im Trinkwasserschutzgebiet. Von allen Institutionen, die um Stellungnahmen gebeten wurden, meldete allein der WSE Bedenken gegen den vorzeitigen Bau der Becken an. Die Behörde hält sie für unbegründet.
(Ebd.)
[23] Für VW-Chef Diess jedenfalls stellen die Lohn- und Leistungsverhältnisse von Tesla die Sachlage der Konkurrenz dar, auf die er sich beruft, wenn VW seinerseits in die Offensive geht, am Stammwerk Wolfsburg bezahlte Arbeit einspart, um die Rentabilität der E-Auto-Produktion zu verbessern: ‚Es steht außer Frage, dass wir uns angesichts der neuen Marktteilnehmer mit der Wettbewerbsfähigkeit unseres Werks in Wolfsburg befassen müssen‘, hieß es vom Konzern. Tesla werde in Grünheide ‚neue Maßstäbe in der Produktivität und bei den Skalen setzen‘.
(FAZ, 14.10.21)
[24] Entscheidende Bedingung für die Vorabgenehmigungen war Teslas Versprechen, in Deutschland nicht nur Montagebetriebe, sondern ein Entwicklungszentrum zu errichten, in dem die wissenschaftlich-technologischen Grundlagen vor allem der Energiespeicherung für Kfz als Konkurrenzwaffen des Kapitals vorangetrieben werden.