Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
„Schummel-Griechen machen mit ihrem Schuldendrama unseren Euro kaputt!“ (Bild):
Ein Lehrstück über europäischen Nationalismus von oben und von unten
Im Frühjahr 2010 bekommt nicht nur, aber allen voran Griechenland Schwierigkeiten, für seine Staatspapiere auf den internationalen Finanzmärkten das Interesse von Investoren zu wecken. Aus deren Sicht taugen die dortigen Wachstumsaussichten nicht mehr dafür, den Vermögenswert der Staatsanleihen zu garantieren. Misstrauisch geworden fällen sie mit ihren Anlageentscheidungen das Urteil: Griechenland hat zu viel Staatsschulden und zu wenig Geschäftswachstum.
Aus der Zeitschrift
Systematischer Katalog
Länder & Abkommen
„Schummel-Griechen machen mit ihrem
Schuldendrama unseren Euro kaputt!“ (Bild):
Ein Lehrstück
über europäischen Nationalismus von oben und von
unten
Der Euro-Nationalismus der Regierenden
Im Frühjahr 2010 bekommt nicht nur, aber allen voran Griechenland Schwierigkeiten, für seine Staatspapiere auf den internationalen Finanzmärkten das Interesse von Investoren zu wecken. Aus deren Sicht taugen die dortigen Wachstumsaussichten nicht mehr dafür, den Vermögenswert der Staatsanleihen zu garantieren. Misstrauisch geworden fällen sie mit ihren Anlageentscheidungen das Urteil: Griechenland hat zu viel Staatsschulden und zu wenig Geschäftswachstum.
Unter diesem ungesunden Verhältnis leidet wiederum nicht
nur Griechenland. Mutmaßungen über die Ursachen werden
laut, und es mehren sich die Stimmen, die die
Konkurrenzniederlagen der unterlegenen Nationalökonomien
Europas mit den unfair
und unkooperativ
erzielten Konkurrenzerfolgen Deutschlands in Zusammenhang
bringen:
„Deutschland hat seine Lohnstückkosten und seine Arbeitskosten insgesamt seit gut zehn Jahren im Vergleich zu seinen Partnern gesenkt und sich dadurch auf den Exportmärkten Wettbewerbsvorteile verschafft.“(SZ, 16.3.10). Darauf gibt der deutsche Finanzminister eine bemerkenswerte Antwort:
„Herr Schäuble … wies die Kritik seiner europäischen Gegenspieler … zurück, dass Deutschlands Exportmodell irgendwie für die Not der schwächeren Länder verantwortlich sei. ‚Ich möchte sehr klar, ruhig und besonnen die Kritik in Abrede stellen, dass die, die ziemlich erfolgreich im Wettbewerb sind, für die Probleme anderer verantwortlich zu machen sind.‘“ (Financial Times, 17.3.)
Ein offenes Wort! Dass die Finanznöte der Länder mit negativer Handelsbilanz etwas damit zu tun haben könnten, dass Deutschland sie mit seinen Exporten erfolgreich niederkonkurriert – völlig abwegig! Wer den Offensiven des Exportvizeweltmeisters nicht gewachsen ist, ist selber schuld!
Mit dieser Absage an irgendeine Art Rücksichtnahme stellt
der deutsche Finanzminister klar, wie das europäische
Einigungswerk gemeint ist, das in dem Ruf steht, mit ihm
sei die Feindschaft der Staaten Europas endgültig
überwunden: In Europa betreiben die Nationen einen harten
Wettbewerb
um die exklusive Aneignung von
Geldreichtum gegeneinander. Die
Vergemeinschaftung ihrer Märkte und schließlich sogar
ihrer Währung ist jedem einzelnen europäischen
Mitgliedsstaat Mittel, sich zu stärken. In der
Krise bekennen sich die politischen Administratoren der
größten Volkswirtschaft in Europa
dazu, dass sie
sich auch durch Probleme
der Partnerländer von
ihren Eroberungsfeldzügen auf ausländischen Märkten nicht
bremsen lassen wollen. Und ganz nebenbei kommt in diesem
Streit auch zur Sprache, worin das erfolgreiche deutsche
„Modell“ besteht: radikale Lohnsenkung,
Lohnzurückhaltung der deutschen Gewerkschaften
bei
steigender Arbeitsleistung – das ist das Erfolgsmittel,
das Deutschland zum Gewinner der Konkurrenz macht und
seinen Euro-Reichtum mehrt.
Nach anderthalb Monaten weiten sich die Probleme
,
bei denen so hartnäckig darauf bestanden wird, dass es
welche der Griechen sind, zur
Zahlungsunfähigkeit des dortigen Staats aus. Nach
anfänglicher Weigerung hält die deutsche Kanzlerin
daraufhin Kredithilfen an Griechenland doch für nötig und
erklärt das ihrem Volk:
„‚Wir helfen ja nicht nur Griechenland, sondern wir mussten helfen, weil die Stabilität unserer eigenen Währung, und das ist ja der Euro, bedroht war‘, sagte sie am Nachmittag gegenüber dem ‚RTL Nachtjournal‘. ‚Und ein sicherer Euro schützt die Menschen in Deutschland. Das heißt, wir tun es für die Menschen gerade auch hier in der Bundesrepublik Deutschland.‘“ (Welt online, 3.5.10)
Weil der drohende griechische Staatsbankrott
unsere
Währung zu beschädigen beginnt – zur
Abwendung dieses Schadens ist Handeln geboten.
Das ist europäische Solidarität in Krisenzeiten:
Wir
kümmern uns nicht um die Schäden, die andere
Nationen durch Deutschlands Konkurrenzerfolge
haben, sondern um die, die sie uns
bereiten, und wickeln sie nach Kräften, getreu dem
‚Verursacher-Prinzip‘, auf deren Kosten ab. Und
wenn es gar nicht anders geht, helfen
wir ihnen –
dabei! Dafür wird dem griechischen Staat eine
‚Haushaltssanierung‘ aufgenötigt, die dem griechischen
Volk ein radikales Verarmungsprogramm beschert.
Nationaler Vorteil ist die alleinige Berechnung beim
Projekt Europa: Das ist der Klartext zu den
supranationalen Solidaritätssprüchen der Regierung. Und
dem eigenen Volk wird versprochen, dass diese nationalen
Konkurrenzberechnungen ihm nützen. Die Menschen
hier im Lande dürfen sich als Parteigänger ihrer Nation
bei ihrer Kanzlerin bedanken, weil die jetzt für nötig
gehaltenen Kreditgarantien an den griechischen Staat samt
dem daran geknüpften Auftrag zu radikalen sozialen
Einschnitten in Griechenland nur zu ihrem Besten sind.
Die Bild-Hetze – ein Fall von Völkerfreundschaft von unten
In den krisenmäßig zugespitzten Konkurrenzkampf der Nationen steigt die Bild-Zeitung auf ihre Weise ein:
„Machen die Schummel-Griechen mit ihrem Schuldendrama unseren Euro kaputt? Die Gemeinschafts-Währung verliert seit Wochen an Wert, und zugleich kommen täglich Sauereien aus Griechenland ans Licht.“ (Bild, 2.3.)
Euro im Absturz: Griechen machen unser Brot teurer! …
Und den Aufschwung kaputt!
(5.5.)
Der Bild-Kommentator knüpft an die Propaganda der Kanzlerin an und denkt sie gehässig zuende. Er deutet die Auseinandersetzung zwischen den Euro-Nationen um die Stabilisierung der europäischen Währung und die Berechnungen und Sorgen der deutschen Regierung bei der Sicherung der griechischen Staatsschulden umstandslos um in einen Gegensatz zweier nationaler Kollektive. Da wird nicht mehr zwischen oben und unten, zwischen den politischen Machern der Staaten, die um ihren nationalen Ertrag in der gemeinsamen Währung konkurrieren, und den Massen, die sie als die Manövriermasse dieser Konkurrenz einsetzen, unterschieden. Statt dessen setzt Bild die Sorgen, die ein deutscher Normalbürger mit seinem beschränkten Einkommen hat – dass etwa wegen drohender Preiserhöhungen das Geld immer weniger reicht – umstandslos gleich mit den nationalen Berechnungen und Sorgen, die die Regierenden bezüglich der Staatsfinanzen, des nationalen Geschäftswachstums und hinsichtlich der Stabilität des Geschäftsmittels äußern. Komplementär zum Bild einer Gemeinschaft deutscher Betroffener wirft die Bild-Zeitung auch die kläglichen Überlebenskünste, mit denen sich die griechischen Massen in ihrer europäischen Verlierernation durchschlagen, in einen Topf mit dem von den Regierungen der europäischen Machernationen beklagten Zustand der griechischen Staatsfinanzen und dem dafür haftbar gemachten fehlerhaften Haushaltsgebaren. Dass die Euro-Staaten in einem gemeinsamen Geld national rechnen und sich verschulden, das soll sich das Bild-Volk wie eine deutsche Subventionierung notorischer griechischer Verschwendungssucht zurechtlegen
So stellt sich die Bild-Welt so einfach wie einsinnig
dar: Da sind auf der einen Seite wir
, die
Deutschen, die in Sorge um einen bedrohten gemeinsamen
nationalen Besitzstand, unseren Euro
, vereint
sind. Da sind auf der anderen Seite die Griechen
:
Aus den griechischen Massen wird – im Verein mit ihrem
Staat – ein Kollektiv mit zweifelhaftem
Nationalcharakter: der Schummel-Grieche
eben, der
dieses Geld nicht verdient hat und durch die Teilhabe am
Euro dieses deutsche Gut schädigt. So gesehen gehen dann
alle Nöte und Sorgen, die das Lohnarbeiterleben am
Standort Deutschland bestimmen oder die sich Bild-Leser als Parteigänger des
nationalen Erfolgs zu eigen machen sollen, auf das Konto
des südlichen europäischen Armenhauses. Zum Beweis, dass
die auf unsere Kosten über ihre Verhältnisse
leben, taugen dann Staatsschulden, Botschaftsgebäude,
Beamtenpensionen ebenso gut wie die alles andere als
üppigen Renten der griechischen Alten. Dafür zitiert Bild
Volkes Stimme:
„Floristin XY: ‚Ich hab Angst um meine Rente, ich soll nur 400 Euro bekommen. Dafür habe ich 45 Jahre gearbeitet. Wir bezahlen den Griechen ihre Luxus-Renten und haben selber nicht genug. Eine Frechheit!‘“ (30.4.)
Die Diagnose vom parasitären Luxusleben, das sich das
griechische Volk gemeinsam mit seinem Staat auf Kosten
Deutschlands leistet, lässt sich auch durch das ärmliche
Lebensniveau der griechischen Massen und die Tatsache,
dass die griechische Regierung sich an dessen radikaler
Senkung zu schaffen macht, um wieder
finanzkapitalistisches Vertrauen zu stiften, nicht
erschüttern. Das bestätigt nur, dass die sich die ganze
Zeit zu viel geleistet haben, und berechtigt zum
Misstrauen, ob der Grieche
überhaupt fähig ist zu
sparen
. So droht nicht nur der griechische Staat
seinen Kredit zu verlieren; das Volk der Verlierernation
in der europäischen Konkurrenz verliert in der
Öffentlichkeit der Gewinnernation jeden ideellen Kredit.
Die Schlussfolgerung liegt für die Bild-Zeitung auf der Hand: Dieser Mannschaft steht das Geld, das unserem nationalen Kollektiv gehört, nicht zu:
„IHR GRIECHT NIX VON UNS!
Hier schreibt Bild an Griechenlands Pleite-Premier.
Lieber Herr Ministerpräsident, wenn Sie diese Zeilen lesen, haben Sie ein Land betreten, das ganz anders ist als das Ihre. Sie sind in Deutschland. Hier arbeiten die Menschen bis sie 67 Jahre alt sind ... Deutschland hat zwar auch hohe Schulden – aber wir können sie auch begleichen. Weil wir morgens ziemlich früh aufstehen und den ganzen Tag arbeiten. Weil wir von unserem Gehalt immer auch einen Teil für schlechte Zeiten sparen. Weil wir fitte Firmen haben, deren Produkte rund um den Globus gefragt sind. ...“ (10.3.)
Dass hierzulande die arbeitende Menschheit sich für
bescheidenen Lohn krummlegen muss, bis sie 67 Jahre alt
ist – soweit sie denn überhaupt die Gelegenheit bekommt,
für die Gewinnbilanzen hiesiger Unternehmen täglich
antreten zu dürfen –, damit hat die Bild-Zeitung sicher recht. Alles, was
man sich dazu denken und was daraus folgen soll, ist
dagegen lächerlich und verlogen: Der deutsche Staat – wie
übrigens jeder – macht hoheitlich Schulden, aber
beglichen werden die bekanntlich nie, schon gleich nicht
mit dem Fleiß und der Spardisziplin seiner
Arbeitsbevölkerung; dass Finanzpolitiker, die
Milliardenkreditprogramme für die Rettung deutscher
Banken auflegen, rechnen sollen wie ein normaler Mensch
mit seinen Arbeitspflichten und Sparnöten, ein einziger
Witz – aber ein Witz mit nationalistischer Pointe: Die
Kreditnöte des griechischen Staats beweisen so gesehen
nämlich umgekehrt, dass es an den Arbeits- und
Spartugenden des griechischen Volks mangelt. Die
disparaten Gründe, die das Massenblatt für den
Unterschied zwischen uns
und den Griechen
aufführt, sind in Wahrheit lauter Komplimente an eine
deutsche Wirtschaft, die sich in der internationalen
Konkurrenz durchsetzt, an einen deutschen Staat, der mit
den Standorterfolgen seiner Kapitalisten auch seine
Verschuldungsfreiheit stärkt; Komplimente, die
umstandslos weitergereicht werden an das Volk, das sich
unter dem Kommando dieser Wirtschaft und seiner
staatlichen Verwalter als deren Manövriermasse nützlich
macht und sich in den damit feststehenden
Arbeitsgegebenheiten und Lebensnotwendigkeiten
einrichtet. So wird die Bild-Leserschaft dazu angestachelt,
ihre Dienste für das Kapitalwachstum im Land und die
erzwungenen Einteilungskünste, die damit einhergehen, als
freiwillig erbrachte Leistung hochzuhalten und
Stolz auf ihre Tugendhaftigkeit als Arbeitsleute
zu empfinden: Sie haben als mustergültige Deutsche das
Ihre dazu getan, Deutschland voranzubringen. Das gibt
ihnen das Recht, das Griechenvolk als minderwertig zu
verachten.
Alles, was Griechenland an Gutem vorzuweisen hat, so
disparate Sachen wie Geld, Erfolg im Fußball oder
Staatskredit – das alles haben sie Deutschland
und
seiner Tüchtigkeit zu verdanken, das haben wir
ihnen geschenkt – als Freunde:
„... Lieber Herr Ministerpräsident, Sie sind heute in dem Land, das mit seinen Zigtausend Touristen jede Menge Geld nach Griechenland trägt. Das Ihnen mit Otto Rehhagel sogar den Trainer Ihrer Fußball-Europameister geschickt hat. Wir wollen Freunde der Griechen sein. Das ist der Grund, warum Deutschland seit dem EU-Beitritt netto um die 50 Milliarden Euro für Ihr Land gegeben hat. Aber eines muss auch klar sein: Zu guter Freundschaft gehört – dem anderen, wenn’s nötig wird, mal so richtig die Wahrheit zu sagen.“ (10.3.)
Die bekundete Völkerfreundschaft berechtigt Bild und das deutsche Volk dann aber
selbstverständlich vor allem zu einem: nämlich
hemmungslos gegen das Land der Bankrotteure und
Luxusrenten, Steuerhinterzieher und Abzocker
(Bild, 25.4.) zu hetzen und den
Griechen ‚in aller Freundschaft‘ vorzurechnen, dass es
ihnen an allem fehlt, was das deutsche Volk auszeichnet –
vor allem an der gebotenen Bescheidenheit. Die sind sie
uns deswegen schuldig, weil wir ihre besten
Freunde sind. So wird aus der Gegenwehr der griechischen
Massen gegen die sozialen Einschnitte ein Anschlag auf
ihre deutschen Gönner:
„Überall in Athen ist die Krise Top-Thema. Aber kürzen, streichen, Einschnitte in staatliche Leistungen? Die Griechen sagen: OCHI – ME MOY DEN. Nein, nicht mit mir!“ (25.4.) „Sparen? Wieso? Die streiken lieber!“ „Dreister geht’s nicht!“ (27.4.) „Und beim Zeus, jetzt müsste doch eigentlich gespart werden... Doch Griechenland ist weit davon entfernt. An allen Ecken und Enden verprassen die Griechen das Geld!“ (5.5.)
Wenn Bild berichtet, dass es auch anständige Griechen gibt, dann ist das Generalurteil endgültig fertig. Nein, Bild schert nicht alle Griechen über einen Kamm, aber als Volk sind sie insgesamt einfach unmöglich. Deshalb berechtigt, ja verpflichtet die Freundschaft, die Bild im Namen seiner deutschen Leser den Griechen versichert, die bisherigen deutschen Gönner auch dazu, endlich Schluss zu machen mit deren Verschwendungswirtschaft und ihnen die Bescheidenheit aufzunötigen, die ihnen zusteht.
Von der Hetze gegen „die Griechen“ zur Forderung nach harter deutscher Führung in und über Europa
Angesichts der schließlich beschlossenen Kredithilfen
platzt den Bild-Journalisten zum fünfzigsten Mal
der Kragen: 110 Milliarden Euro! Pleite-Grieche kriegt
den dicksten Scheck der Geschichte
. Ein
Riesen-Scheck wird abgebildet, an die
Schuldenhallodris in Athen
. Ausgestellt haben ihn
wir Steuerzahler-Deppen
. (3.5.)
Das Volksblatt hält also eisern an der Logik fest, dass
die staatlichen Kreditgarantien, mit denen das Vertrauen
der Finanzwelt in den Euro gesichert und
Staatsschuldtitel nicht zuletzt in den Depots deutscher
Banken in Wert gehalten werden sollen, eine Alimentierung
der Griechen seien, eine Hilfe
, die schon wieder
wir
, das deutsche Volk, leisten müssen und die
denen da unten schon wieder die Fortführung ihrer
Misswirtschaft erlaubt: Da nutzen die, die nichts
leisten, unterstützt von der deutschen Regierung,
neuerlich nur den deutschen Bürger aus. Dafür bemüht
Bild die Figur des
Steuerzahlers: Der tritt – wie immer – in einer doppelt
falschen Rolle als Kronzeuge auf: Einerseits als
Geldgeber, der mit seinen Abgaben an den Staat
auch das Anrecht eines ideellen Auftraggebers
der Politik erworben haben soll und als solcher befugt
ist, von seiner Obrigkeit ordentliches Regieren
einzufordern. Andererseits als der Depp, der,
weil er weder hinsichtlich der Abgaben an den Staat noch,
was deren Verwendung angeht, irgendetwas zu bestimmen
hat, gehässig Gerechtigkeit einfordert, dass nämlich auch
und gerade alle anderen ihrer Bürgerpflicht Genüge tun
und vom Staat gefälligst in die Pflicht genommen werden
sollen. Als solcher steuerzahlende Untertan, der seinen
Steuerobolus zu entrichten und sich mit den Umständen
abzufinden hat, die ihm von oben diktiert werden,
verlangt er von seinen demokratischen Herren, dass sie
als streng rechnende Treuhänder des eingesammelten
Vermögens derer unterwegs sind, die sie schröpfen. Die
Regierung bekommt auf diese Weise das Gütesiegel, zum
Schutz der Interessen der kleinen steuerzahlenden Leute
berufen zu sein, indem sie mit ihren Staatsfinanzen
ordentlich, d.h. haushälterisch umgeht – schon gleich
nach außen, gegenüber anderen Nationen und deren
Insassen. All das wird mit dem Hinweis auf den deutschen
Steuerzahler evoziert, um daran die Merkel-Regierung mit
ihren Kreditgarantien für Griechenland gründlich
bloßzustellen: Die wirtschaftet verantwortungslos mit dem
Geld, das nach dieser demokratischen Sichtweise der
steuerzahlende Bürger ihr überantwortet hat, so
verantwortungslos und leichtsinnig, wie es kein Politiker
als ordentlich kalkulierender Privatmann mit seinem
eigenen Geld machen würde:
„Liebe Politiker, würden Sie mit Ihrem Privatvermögen für die Griechen-Milliarden bürgen?
Lieber Leser, schicken Sie Ihrem Abgeordneten einen Brief. Die Milliarden-Hilfe für das klamme Griechenland kommt in Fahrt! Deutschland bürgt für bis zu 22,4 Milliarden Euro für Athen allein bis 2012 – mit dem Geld der Steuerzahler! Aber würden auch unsere Politiker selbst mit ihrem Privatvermögen für die Griechen geradestehen? Jetzt können die Bild-Leser ihre Abgeordneten fragen, ob die für die Griechen bürgen würden. Laden Sie ihn hier herunter, drucken Sie ihn aus und schicken Sie ihn Ihrem Abgeordneten (Vorname, Name, Deutscher Bundestag, Platz der Republik 1, 11011 Berlin) – bevor es zu spät ist.“ (4.5.)
So werden die nationalen Politiker im Namen des steuerzahlenden Volkes am Auftrag blamiert, deutsches Geld nicht leichtfertig zu verschwenden – an ein Ausland, das darauf weder ein Anrecht noch es verdient hat. In diesem Sinne werden die Einschränkungen und finanziellen Opfer, die das deutsche Arbeitsvolk sich gefallen lässt, zum Einspruchs- und Anspruchstitel gegen außen:
750 Milliarden für Pleite-Nachbarn. Wir sind mal
wieder Europas Deppen! Es ist unfassbar! ... Maßvolle
Lohnabschlüsse, maßvolle Rentenrunden – und dafür zahlen
wir notfalls die Zeche.
(11.5.)
Im Namen der Existenzsorgen, die das Arbeitsleben auf dem
deutschen Standort bestimmen, ruft Bild den Staat, der diesen zum
Billiglohnland fortentwickelten Standort verwaltet, dazu
auf, gegenüber den Griechen gefälligst Härte zu beweisen,
den griechischen Staat und seine Insassen mit einem
Haushaltsregime mehr unter Kontrolle zu nehmen, statt ihn
zu kreditieren. Auf volkstümliche Weise fordert die
Bild-Zeitung, Deutschland
solle als Gewinner der innereuropäischen
Staatenkonkurrenz die Verlierer der Euro-Konkurrenz zur
„Räson“ bringen. Das vermisst das deutsche Massenblatt
und greift deswegen die Regierung an – so wie es ein
nationalistisch gebildetes Volk versteht: Die
Bescheidenheit ihres Volks verpflichtet sie dazu, sich in
Europa ganz anders als Führungsmacht aufzuführen.
Deutschland soll sich gefälligst durchsetzen – nicht nur
gegen die Griechen
!
So macht die Bild-Zeitung als Volkes Stimme auf ihre Weise klar, was es mit dem Euro und der nationalen Konkurrenz mit und um ihn auf sich hat.