NATO-Osterweiterung von der „Partnerschaft für den Frieden“ zur Beitrittsperspektive
Die Fortschritte eines imperialistischen Zugriffsprogramms
Von der „Partnerschaft für den Frieden“ zur Nato-Beitrittsperspektive: Der Zugriff des alten Kriegsbündnisses auf die Staaten Mitteleuropas kommt voran. Der Führungsstreit in der Nato und die polit-strategische Einordnung des alten Gegners aus dem Kalten Krieg: Der ungelöste Problemfall Russland.
Aus der Zeitschrift
Teilen
Systematischer Katalog
Länder & Abkommen
NATO-Osterweiterung von der „Partnerschaft für den Frieden“ zur Beitrittsperspektive
Die Fortschritte eines imperialistischen Zugriffsprogramms
„Die Kräfte, die Europa zerrissen haben, wurden besiegt… Das Ende des Kalten Krieges bietet uns die Chance, das Versprechen von Demokratie und Freiheit zu erfüllen. Und wir müssen diese Chance ergreifen, um ein neues sicherheitspolitisches Gefüge für das vor uns liegende Zeitalter zu schaffen. Wir dürfen nicht zulassen, daß der Eiserne Vorhang durch einen Schleier der Indifferenz ersetzt wird. Wir dürfen die neuen Demokratien nicht in eine Grauzone verweisen… Durch die Erweiterung der NATO wird die Sicherheit für alle europäischen Staaten erhöht, denn das Bündnis ist keine aggressive, sondern eine offensive Organisation.“ (Präsident Clinton beim KSZE-Gipfel am 5.12.94, amerika dienst (a.d.) 48/94)
Mit dem Ende der alles bestimmenden Konfrontation von zwei Blöcken mit festen Kerngebieten, zugehörigen Satelliten und erweiterten Einflußzonen haben die Kalkulationen mit gewaltsam abzusichernden Bereichen eigener Zuständigkeit, mit militärischen und geopolitischen Vor- und Nachteilen, mit potentiellen Feinden und denkbaren Konfliktlagen noch lange kein Ende gefunden. Das vor allen politischen und politökonomischen Interessen angesiedelte Denken in Zonen eigener und fremder Gewalt ist mit dem Ende der Sowjetunion nicht aus der Mode gekommen. Im Gegenteil: Wo die vorgegebenen alten Blockgrenzen und feindlichen Einflußbereiche hinfällig geworden sind, ist die strategische Betrachtung der weltpolitischen Gegebenheiten in der NATO ganz neu in Bewegung und in Schwung gekommen. Der Rückzug der Sowjetunion aus Osteuropa hat das Sicherheitsbedürfnis des westlichen Militärbündnisses nicht befriedigt, sondern neu herausgefordert.[1]
Kaum war der Ostblock aufgelöst, war für den ehemaligen Westen die neue Frage auf dem Tisch: Wie sieht es mit den militärischen Kräften, den sicherheitspolitischen Gegebenheiten und der hoheitlichen Zuständigkeit in dem Raum aus, der vormals den Warschauer Pakt gebildet hat. Die Antwort stand für die NATO-Mächte fest: Der Osten muß möglichst ausgreifend ihrem Machtbereich ein- bzw. zugeordnet werden. Die neuen Staaten im Osten haben – unabhängig von ihrer Begutachtung als Anlagesphären und Märkte – eine zweite elementare Bedeutung gewonnen: die eines zu besetzenden Raumes. Die NATO-Macher haben ein machtpolitisches „Vakuum“ im erweiterten europäischen Raum und weiter nach Osten ausgemacht und sich den Auftrag erteilt, es mit verläßlicher Macht neu zu „füllen“, also ihren Einflußbereich auf eine aus sowjetischer Herrschaft entlassene Staatenwelt auszudehnen.
Dieses strategische Besetzungsprogramm der NATO ist der Kern der neuen „Sicherheitsarchitektur“ für Europa, mit der die NATO-Oberen dafür zu sorgen versprechen, „daß kein Teil Europas wieder zu einem Spielball der Großmächte oder einem Einflußbereich wird und keine Nation isoliert bleibt.“ (US-Außenminister Christopher vor dem Nordatlantikrat am 1.12.94, a.d. 48/94) Und es wirft einige Grundsatzfragen auf:
- Erstens die Frage, wie man die militärpolitischen Beziehungen zu den Ländern ausgestalten will, die ehemals die Westflanke des Warschauer Pakts gebildet haben. Daß sie unter NATO-Obhut gehören, stand von Anfang an fest. Wie und wieweit, das war nicht so klar. Darüberhinaus stellt sich das Problem der neuen Zuordnung der weiter ostwärts gelegenen Staaten, die aus der Auflösung der Sowjetunion hervorgegangen sind.
- Zweitens die Frage, wie Rußland, der Haupterbe der zerfallenen Weltmacht, auf einen der NATO genehmen Machtstatus beschränkt werden kann. Daß Moskau Leidtragender einer Neuordnung Europas ist, das war mit dem Programm der Osterweiterung beschlossene Sache. Umso dringlicher die Frage, wie man Rußland in das Programm einbeziehen und zugleich dem russischen Antrag auf Mitzuständigkeit begegnen kann.
- Drittens die Frage nach dem eigentlichen Subjekt, also nach dem Verhältnis der NATO zu den übrigen Gemeinschaftsinstitutionen, in denen die Verbündeten in unterschiedlicher Zusammensetzung europapolitisch aktiv sind. Ihre Zuständigkeit ist unter den NATO-Machern und Mitmachern gemeinsames Credo; welche Rolle sie selber dabei spielen sollen und was das für das Verhältnis von Nato, EU, WEU und für Art und Tempo der Osterweiterung heißt, das ist allerdings umstritten.
Alle drei Fragen wurden auf der NATO-Tagung sowie den Folgekonferenzen von KSZE und EU Ende letzten Jahres verhandelt.
I. Von der „Partnerschaft für den Frieden“ zur NATO-Beitrittsperspektive: Der Zugriff auf Mittelosteuropa kommt voran
Auf Antrag der USA wurde beschlossen, über die seit einem Jahr laufende Kooperation im Rahmen der sogenannten „Partnerschaft für den Frieden“ hinaus den Beitritt der mittelosteuropäischen Staaten zur NATO selber in Angriff zu nehmen. Mit diesem Beschluß kommt das Programm voran, den mittelosteuropäischen Raum unmittelbar mit Beschlag zu belegen. Geostrategisch betrachtet, vergrößert die NATO ihr Operationsfeld bis zum Baltikum, an die Westgrenze Weißrußlands und der Ukraine; militärpolitisch wird diese Region als Teil des gesamteuropäischen NATO-Militärraums einkalkuliert; und die nationalen Hoheiten in diesem Gebiet werden darüberhinaus politisch umfassend nach auswärtigen Ordnungsvorstellungen ausgerichtet:
„Unsere Integrationsstrategie bietet greifbare positive Ergebnisse. Sie wird Stabilität in Osteuropa fördern – einer Region, in der zwei Weltkriege und der Kalte Krieg begannen. Sie wird die Kräfte stärken, die sich für politische, militärische und wirtschaftliche Reformen einsetzen.“ (Christopher, a.d. 48/94)
Da tun sich also nicht fertige Staaten wegen bestimmter gemeinsamer Interessen zusammen, sondern das überkommene Militärbündnis des Westens stiftet in Osteuropa abhängige Souveränitäten: Durch die Ein- und Ausrichtung des Gewaltapparats und seiner politischen Perspektiven soll in den östlichen „Partner“ländern eine von den westlichen Führungsmächten bestimmte und kontrollierte Staatlichkeit auf die Beine gestellt werden, noch bevor diese aus ihrer alten Einbindung entlassenen Länder eine feste nationale Wirtschafts-, Außen- und Sicherheitspolitik entwickelt haben. Dazu soll es erst gar nicht kommen.
Dabei stützt sich die NATO auf den Aufbruchswillen dieser Staaten, die genauso prinzipiell strategisch auf sicherheitspolitische Eingemeindung und Zuordnung zu „Europa“ drängen. Daß „Freiheit“ nur dort zu gewinnen ist, ist ihr unhinterfragter politischer Ausgangspunkt, weil sie in den Staatsgrundsätzen der imperialistischen Sieger sowieso ihr Vorbild für erfolgreiche nationale Politik und in deren Interessen am Osten die Grundlage ihres Vorankommens sehen. Deswegen, nicht wegen unerträglicher Unterdrückung von gestern oder wegen russischer Vorherrschaftsansprüche von heute verlangen sie von der NATO Sicherheit vor Rußland.[2]
Allerdings verläßt sich die NATO nicht auf diesen bedingungslosen Anschlußwunsch, sondern konfrontiert ihn mit lauter Bedingungen für eine „Kooperation“. Mit der Zielsetzung „Konsolidierung der demokratischen Errungenschaften unter den östlichen Nachbarn der NATO“ und „Abwendung ethnischer Konflikte“ (US-Vizepräsident Al Gore, a.d. 2/94) gibt die NATO-Führungsmacht immerhin bekannt, daß sie diese Länder erst einmal als Aufsichtsobjekte ins Visier nimmt. Die NATO-Oberen wissen nämlich, daß sie den Kandidaten, was ihre Leistungsfähigkeit sowie politische Verläßlichkeit angeht, einiges abverlangen. Sie rechnen mit Enttäuschungen darüber, wie wenig sich die Weltwirtschaftsmächte dem nationalen Aufschwung dieser Nationalökonomien verpflichtet fühlen, also mit der Gefahr „aggressiver Regimes“.[3] Die westlichen Wächter können außerdem gar nicht übersehen, daß der neue Nationalismus dieser Staaten als erstes lauter offene Rechnungen mit den Blockpartnern von gestern entdeckt.[4] Von diesen nationalen Bemühungen um eine angemessene Rolle in der Weltpolitik wollen sie ihr Militärbündnis nicht in Handlungs- und Entscheidungszwang bringen lassen; schon gar nicht gegenüber Rußland. Das Angebot, sich den imperialistischen Hauptmächten anzuschließen, schließt also ein weitgehendes Nationalismusverbot ein. Und was das militärische Potential angeht, so ist es durchaus fraglich, wie sich die ehemaligen Warschauer-Pakt Mitglieder der NATO-Macht gemäß machen lassen. Ihr altes Erbe ist jedenfalls dafür nicht tauglich, es soll im Gegenteil im Rahmen der alten Abrüstungsverträge noch weiter abgewickelt werden.
Die Anwärter, die so entschieden auf Aufnahme drängen, müssen in den Augen der NATO also erst noch ihre Beitrittsfähigkeit unter Beweis stellen. Als Voraussetzung ihrer Zulassung wird politische Stabilität verlangt: ein jederzeit berechenbarer Staatswille, die Unterordnung des Militärs unter diesen Willen, der Verzicht auf störende nationale Sonderrechnungen und gebührende Eigenanstrengungen zur Umstellung der militärischen Potentials.[5] Entsprechend ist das Angebot zur immer gedeihlicheren Zusammenarbeit ausgestaltet worden: Als Prüfungs- und Rückversicherungsverfahren, als praktischer Test auf Willen und Fähigkeiten der Beitrittskandidaten, sich im NATO-Sinne zurechtzumachen.
Eröffnet wurde diese „Kooperation“ Anfang 1994 mit der partnership for peace
(PfP). Damit sicherte sich die NATO entscheidenden Einfluß auf die politische und militärische Ausrichtung dieser Staaten, ohne ihnen die mit der NATO-Mitgliedschaft verbundenen Rechte oder auch nur die verbindliche Aussicht auf Beitritt zu gewähren.[6] Durch die eingeleitete militärische und militärpolitische Kooperation bestimmt die NATO seitdem über Verteidigungsplanung und Rüstungspolitik mit, mit dem „auf längere Sicht“ angestrebten Ziel der „Entwicklung von Streitkräften, die mit denen der Mitgliedstaaten der Nordatlantischen Allianz besser gemeinsam kooperieren können“ (Rahmendokument zu PfP, Bulletin 3/94). Mit jedem Staat wurden individuelle „Partnerschaftsprogramme“ und Ausführungsabkommen ausgemacht, in deren Rahmen die Anwärter ihre neue Rolle einüben dürfen. Die Adressaten im Osten bemühen sich seitdem nach Kräften um Beweise ihrer besonderen Verläßlichkeit und Ausnutzung ihrer wirklichen oder eingebildeter Sondervorteile von Lage und Material. Sie widmen sich der Kostenfrage, die ihre Mittel überfordert. Sogar ihren frisch aufgebrochenen nationalen Revanchismus ordnen sie vorläufig dem höheren Ziel ihrer NATO-Zugehörigkeit unter und konzentrieren die nationalen Energien vornehmlich darauf, die Mitbewerber um die Gunst der NATO auszustechen. Die NATO umgekehrt mustert ihre neuen „Partner“, kümmert sich um die Herstellung von „Kompatibilität“, schließt Militärorganisation und -technologie schrittweise an ihre Standards an, übt militärische Zusammenarbeit ein und bereitet damit eine künftige strategische Aufgabenverteilung vor. Mit vielfältigen Kontakten, Konferenzen, Partnerschaften und Manövern füllt die NATO schrittweise ihren neuen Zuständigkeitsbereich aus: Sie ist inzwischen im ehemaligen Feindesland selbstverständlich präsent, deutsche Soldaten ziehen ins Manöver nach Polen, GIs üben im Schwarzen Meer und vor der Küste des Baltikums, und gewisse strategische Grundzüge dieser „Arbeitsteilung“ von einer NATO-beherrschten Ostsee bis zur Kontrolle über das Schwarze Meer sind durchaus schon erkennbar.[7]
Daß die NATO jetzt auf Drängen der USA den Anwärtern die Beitrittsperspektiven eröffnet, die letztes Jahr erst einmal zurückgestellt worden sind, liegt allerdings nur zum Teil an den inzwischen erreichten Fortschritten der Kooperation. Wie schnell und in welcher Weise die NATO sich erweitert, ist nämlich eine Entscheidungsfrage der NATO-Macher, die sich gar nicht bloß, und nicht einmal vorrangig an den Fortschritten dieser Staaten entscheidet. Die US-Regierung hat sich aus prinzipielleren Gründen entschlossen, den Beitrittsprozeß voranzutreiben – wegen der Russen und wegen der Verbündeten.
II. Die Ausgrenzung Rußlands macht Fortschritte
Mit dem Entschluß, die Beitrittsfrage voranzutreiben, konfrontiert die NATO Rußland, das um eine Neudefinition und Neukonstituierung seiner Macht ringt, mit dem Expansionswillen des westlichen Bündnisses. Die Osterweiterung ist ja Teil eines umfassenderen Programms, Rußland im Rahmen der „europäischen Sicherheitsarchitektur“ auf die Rolle einer Randmacht zurückzustufen und als solche der NATO zu- bzw. unterzuordnen. Der Grund für dieses Programms ist nicht mehr das alte alles überragende Interesse an Eindämmung eines feindlichen Weltsystems, sondern die Durchsetzung einer neuen Gewaltordnung für ganz Europa.
Für diesen ausgreifenden Vormachtanspruch stellt Rußland das herausragende Kontrollproblem dar. Es ist zu groß und zu unkalkulierbar:
- Hinsichtlich der nationalen Mittel. Rußland ist Haupterbe der sowjetischen Landmasse, der Roten Armee, ihrer atomaren Potenzen und der sowjetischen Ökonomie. Auch wenn fraglich ist, wieweit das russische Vermögen angesichts der Zersetzung ökonomischer und militärischer Potenzen noch reicht – daß Rußland jedem Konflikt eine unkontrollierte Dimension geben kann, verträgt sich nicht mit dem Anspruch der NATO auf unbestrittene Hoheit über Europa.
- Hinsichtlich des staatlichen Willens. Auch wenn Rußland auf dem Feld der Abrüstung manchen Preis für gutes Einvernehmen zahlt; auch wenn es sich nicht als Widerpart der NATO versteht – selbst „unser Mann“ Jelzin verbindet seine Konzessionsbereitschaft mit nationalen Berechnungen, also mit störenden Rechtsansprüchen. Die Ansprüche beziehen sich einerseits auf die Zulassung als berechtigte weltpolitische Mitregelungsinstanz in Jugoslawien, im Irak und in anderen Aufsichtsfällen, bei denen die USA mit ihren Verbündeten um die Führungsrolle in Sachen Weltkontrolle konkurrieren.[8] Andererseits reklamiert Rußland als Hauptmacht der GUS eine Sonderzuständigkeit für Konfliktfälle in diesem Bereich und will das wie im Fall Georgien und Aserbeidschan/Armenien von UNO und KSZE legitimiert bekommen, statt der „Weltgemeinschaft“ in Gestalt von USA und Europa Mitkontrolle zu eröffnen. Und schließlich beanspruchen die Russen eine Mitsprache bei der „europäischen Sicherheitsarchitektur“, die dem Monopolanspruch der NATO widerspricht.[9]
- Hinsichtlich der politischen Berechenbarkeit. Weder auf die Gültigkeit noch auf die Haltbarkeit des russischen Kurses, also der erreichten Konzessionen, ist Verlaß, weil die Regierung keine fertige, einheitliche, nach innen durchgesetzte sowie den Machtgrundlagen der Nation dienliche Staatsräson repräsentiert und über die Macht, sich dauerhaft und unwidersprochen durchzusetzen, nicht verfügt. Rußland ist insofern eine unkalkulierbare Größe.
Aus all diesen Gründen sehen die „Freunde Jelzins“ in Washington, Bonn und anderswo in diesem Land einen einzigen Problemfall für ihre weltpolitischen Aufsichtsansprüche. Dem russischen Willen, sich mit dem ehemals feindlichen Militärbündnis in allen Gewaltfragen ins Benehmen zu setzen, entnimmt der angesprochene Staatenverein vor allem anderen den bleibenden Kontrollbedarf gegenüber dieser immer noch viel zu großen Erbmasse der Sowjetunion. Das Militärbündnis macht sich deshalb zum Agenten der Beschränkung des russischen Einflusses.
Wie dieses Unterfangen ausfällt, hängt allerdings von der Einschätzung ab, die man der unberechenbaren und unhandlichen russischen Restmacht zuteil werden läßt. Seit der Eiserne Vorhang verschwunden ist, diskutieren die NATO-Strategen die heiße Frage, ob und wie sich die Russen dem NATO-Führungsanspruch einvernehmlich zuordnen und in eine „europäische Sicherheitsarchitektur“ „einbauen“ lassen; oder ob man mit ihrem weiteren unkalkulierbaren Zerfall rechnen muß, sie also als bleibenden Gefahrenherd und Hort von Instabilität betrachten und verläßlich einhegen sollte; oder ob nicht längst ein neuer feindlicher Nationalismus am Werk ist, der sich auf Dauer nicht friedlich-schiedlich einordnen läßt, gegen den man sich also ohne große diplomatische Rücksicht wappnen muß.[10] Die NATO hat diese Alternativen bisher nicht definitiv entschieden, sondern sich statt dessen entschlossen, Rußland als Gefahrenherd einzugrenzen, dieses Entmachtungsprogramm aber als Kooperationsangebot an Rußland zu präsentieren, auch wenn das überhaupt nicht zusammen- und schon gar nicht zu den russischen Erwartungen und ebensowenig zu Rußlands staatlichem Zustand paßt.
Begrenzung des russischen Einflußbereichs
Dieses Programm umfaßt erstens die Ausgrenzung Rußlands aus großen Teilen des ehemaligen sowjetischen Blockbereichs. Mit ihrer Osterweiterung besetzt die NATO ja keinen leeren Raum, wie die Redeweise vom Machtvakuum weismachen will, und sie beseitigt keine „Trennungen“, sondern zieht neue Grenzen – mit dem Anspruch, sie weiter zu verschieben.[11] Sie verändert die Kräfteverhältnisse auf dem europäischen Kontinent also weit gründlicher, als es selbst Gorbatschow, der keine Gründe für eine militärische Selbstbehauptung der SU mehr kennen wollte, ursprünglich für vertretbar gehalten hat. Daß die alte Kalkulation mit einem militärischen Vorfeld hinfällig geworden ist und erst die Sowjetunion und dann Rußland die Armee weitgehend zurückgezogen haben, heißt ja keineswegs, daß Rußland gleich jedes sicherheitspolitische Interessen an seiner Westgrenze verloren hätte. Im Gegenteil: Der machtpolitische Verzicht, zu dem sich Rußland bereitgefunden hat, wirft neue Sicherheitsprobleme auf – und begründet in den Augen Rußlands berechtigte Ansprüche auf deren einvernehmliche Lösung. Wenn jetzt die NATO den abziehenden russischen Soldaten nachrückt, setzt sie sich darüber hinweg. Sie schiebt ihre Grenze in einen für Rußland bedeutsamen, aber problematisch gewordenen Raum vor und stellt die verbliebene russische Militärmacht damit vor ganz neue Schwierigkeiten:
„Die Tatsache, daß im Ergebnis der NATO-Erweiterung die größte Militärgruppierung der Welt, die über ein umfangreiches Angriffspotential verfügt, sich in unmittelbarer Nähe der russischen Grenze befindet, erfordert ein grundlegendes Neudurchdenken aller Verteidigungskonzeptionen, der Neuformierung der Streitkräfte, der operativen Pläne für die Kriegsschauplätze, die Entfaltung einer zusätzlichen Infrastruktur, die Neudislozierung der großen Militärkontingente… Die Realisierung der aufgeführten Maßnahmen, zumal in gedrängten Fristen, zieht zweifellos eine Überbeanspruchung des Staatshaushalts und eine Schwächung der Verteidigungsfähigkeit Rußlands … nach sich.“ (Perspektiven der Erweiterung der NATO und die Interessen Rußlands, Hrsg.: Auslandaufklärung der Russischen Föderation, Moskau 1993; in: Dokumentation des Forschungsinstituts für Friedenspolitik, Weilheim, 4/94)
Die NATO-Strategen geben sich mit dem Verlust, den Rußland sich sowieso eingehandelt hat, nicht zufrieden, sondern zielen darauf ab, ihn unwiderruflich als ihren Zugewinn zu organisieren.[12]
Keine Mitentscheidung über die „europäische Sicherheitsarchitektur“
Zweitens gestehen die NATO-Mächte Rußland keine Mitzuständigkeit für die ausgreifenden „europäischen Sicherheitsfragen“ zu. Russische Militärs müssen gar nicht eine Verletzung des vertraglich vereinbarten „Kräftegleichgewichts“ beklagen und daraus folgern, daß „Rußland im Recht ist, den souveränen Staaten Mittel- und Osteuropas vorzuschreiben, ob sie in die NATO … eintreten dürfen“ (ebd.). Auch zurückhaltendere Anträge von Jelzin und Kosyrew handeln sich ein entschiedenes „Njet“ der NATO ein:
„Ich bestreite, daß Moskau ein Vetorecht hat, es wird es nie haben und nie kriegen… Rußland weiß das.“ (Kinkel, SZ 4./5.1.95)
Ein nicht vorhandenes Mitspracherecht kann auch nicht verletzt werden, so daß nach Kinkels Logik Beschwerden der Russen nicht ernst zu nehmen sind; „weil Rußland kein Mitspracherecht besitze, werde es über die NATO-Erweiterung auch keinen Konflikt geben.“ (SZ 3./4.12.94) Den Russen wird also in wenig diplomatischer Form bedeutet, daß sie nicht als Mitsubjekt der strategischen Planung in ihrem ehemaligen Machtbereich oder gar für ganz Europa vorgesehen sind, sondern das Hauptobjekt europäischer Sicherheitsüberlegungen der NATO darstellen.[13]
Sobald die Russen die Versicherungen, die NATO-Ausweitung sei nicht gegen sie gerichtet, ernst nehmen und auf gemeinsame Behandlung der europäischen Sicherheitsfragen und Problemfälle drängen, wie wenn das nicht gerade die Streitfälle zwischen ihnen und der NATO wären, machen die Vertreter der Gegenseite deutlich, daß die NATO-Erweiterung die Möglichkeit eines Kondominiums, das Rußland anbietet und einfordert, ein für alle Mal aus der Welt schaffen soll. Längst bevor eine konkrete Bedrohung ausgemacht ist, beansprucht das Bündnis also das alleinige Recht auf militärische Kontrolle über Europa und weist Rußland „seinen Platz in einer neuen europäischen Sicherheitsarchitektur“ (Christopher, a.d. 2/94) zu, in der kein Raum für eine gleichberechtigte Anmeldung russischer Sicherheitsinteressen ist.
Weiteres Ausgreifen der NATO
Drittens greift die NATO über die von ihr gezogenen neuen Grenzen hinaus und mehr oder weniger nachdrücklich in den verbleibenden russischen Machtbereich hinein:
- Amerika führt sich als Wächter über das Baltikum auf:
„Clinton machte in Riga deutlich, daß er eine Verknüpfung des Abzugs mit der Minderheitenfrage ablehne… Andererseits sagte Clinton, daß der Schutz der Rechte von Russen im Baltikum auch ein Anliegen der USA sei.“ (SZ 7.7.94)
Daß die baltischen Staaten in Erwartung westlicher Rückendeckung den Bevölkerungsteil russischer Herkunft zu „Okkupationsrussen“ erklären, ihn drangsalieren und zu rechtlosen Bürgern herunterstufen, rechtfertigt also keinesfalls die Drohung mit einer Verzögerung des russischen Truppenabzugs, sondern begründet verstärkte amerikanische Einmischung.[1]
- Die Nationalitätenkonflikte und Unabhängigkeitsbestrebungen im Umkreis der verbliebenen russischen Macht rufen unentwegt die Bewahrer von „Demokratie und Marktwirtschaft“ auf den Plan. Im Fall Tschetschenien gestehen sie Rußland ein legitimes Interesse an Erhaltung seiner „Integrität und Stabilität“ zu, ziehen mit ihrer Kritik an der Unverhältnismäßigkeit der Mittel aber die Rechtmäßigkeit des Kampfs um die russische Souveränität prompt wieder in Zweifel; im Fall Georgien verweigern sie dagegen die diplomatische Unterstützung, die die USA für Ordnungsmissionen in ihrem „Hinterhof“ wie selbstverständlich beanspruchen.[15]
- Die NATO pocht generell darauf, daß die GUS die russische Macht begrenzen soll. Gegen russische Überlegungen, diese aus dem Zerfall der alten Sowjetunion geborene Organisation widerstreitender Souveränitätsansprüche aufzulösen und statt dessen wieder ein einheitliches Machtgebilde unter russischer Oberhoheit zu gründen, stellen die NATO-Zuständigen klar, daß sie an der erreichten Selbständigkeit der neuen Staaten nicht rütteln lassen wollen. Sie tragen Rußland zwar die Ordnungsaufgabe an, die vagabundierenden Atomwaffen einzusammeln und unter Kontrolle zu halten bzw. zu vernichten. Aber daraus einen Anspruch wie die NATO abzuleiten und die Konstituierung eines erweiterten Hoheitsbereichs annähernd im alten sowjetischen Umfang ins Auge zu fassen, das kommt nicht in Frage:
„Rußland muß jeden Versuch zur Neukonstituierung der UdSSR vermeiden. Sein Verhalten gegenüber anderen Staaten muß in Einklang mit internationalen Normen stehen und der Versuchung widerstehen, auf die alten sowjetischen Praktiken der Einschüchterung und Dominierung zurückzugreifen. Sollte Rußland von diesem neuen Weg abweichen, können wir unseren Ansatz zur transatlantischen Sicherheit und die strategischen Prioritäten der NATO überarbeiten.“ (Christopher, a.d. 2/94)
Der amerikanische Außenminister greift vorsorglich zu den „alten Praktiken der Einschüchterung“ und droht, die NATO-Prioritäten, also -Raketen ließen sich auch wieder in russische Richtung umpolen.[16]
Anbindung Rußlands an die NATO-Ordnung
Viertens soll dieses Programm zur Begrenzung Rußlands auf einen der NATO untergeordneten Machtstatus aber nicht den auf Zugehörigkeit zur westlich dominierten Weltgemeinschaft gerichteten russischen Willen ruinieren:
„Eine plötzliche Erweiterung der NATO ostwärts könnte ein neoimperialistisches Rußland heraufbeschwören. Sie würde eine erneute Teilung Europas durch das Ziehen neuer Linien riskieren und unabsichtlich die Konfrontationslinie etwas weiter im Osten kopieren, die wir seit Jahren zu überwinden trachteten.“ (Christopher, a.d. 2/94)
An einer solchen neuen Konfrontationslinie ist der NATO nicht gelegen, hat doch ein konzessionsbereites, auf internationales Geschäft und weltpolitische Zulassung erpichtes Rußland – und vorher schon die Sowjetunion Gorbatschows – nicht zuletzt auf militärischem Gebiet gute Dienste geleistet: Es hat sich zu weitgehenden Abrüstungsverpflichtungen im Rahmen von Start I und KVAE bereitgefunden; ein Abkommen zur Rüstungskonversion und Demontage von Atomfabriken unterzeichnet; seine Raumfahrt ein ganzes Stück internationalisiert; seine Truppen aus Deutschland, dem Baltikum und den ehemaligen Warschauer-Pakt-Staaten abgezogen; das Zuschlagen der NATO in Jugoslawien hingenommen, und was der Zugeständnisse mehr sind. Darauf möchte die NATO auch weiterhin nicht verzichten und außerdem das Osterweiterungsprogramm selber nicht durch ernste russische Einsprüche begrenzen oder gar gefährden lassen.
Deswegen soll der NATO-Zugriff auf den Osten nicht einfach als neue Grenzziehung vor sich gehen, sondern Moskau als Angebot zur Mitwirkung präsentiert werden.[17] Die Osterweiterungs-Strategen gehen berechnend auf den russischen Wunsch nach Beteiligung an der „europäischen Sicherheitsarchitektur“ ein und überlegen – Ersatz für die verweigerte Mitsprache:
„Für Rußlands Beziehungen zur NATO und zur Europäischen Union gilt der Grundsatz: Anbindung statt Einbindung; Kooperation statt Integration. Umso nötiger ist die Einbeziehung Rußlands in andere Formen der Zusammenarbeit.“ (Strategiepapier des Auswärtigen Amtes)
Von der Rücksicht auf „russische Empfindlichkeiten“ zur Demonstration der NATO-Entschlossenheit
Die „Zusammenarbeit“ mit Rußland sah zunächst so aus, daß Rußland nach den NATO-Vorgaben die Mitgliedschaft in der PfP und ein auf seinen Sonderstatus berechnetes „individuelles Partnerschaftsprogramm“ angeboten wurde, zum Beweis, daß es von nichts ausgeschlossen wird:
„Die NATO will zu Rußland eine Partnerschaft mit politisch-strategischer Substanz entwickeln, die sich natürlich von der Kooperation mit anderen, kleineren Staaten deutlich unterscheidet… Sicherheit in Europa gibt es nur mit, nicht gegen Rußland..“ (Verteidigungsminister Rühe, Bulletin 112/94, ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, an dem die NATO für die MOE-Staaten den Beitritt ins Bündnis ins Auge faßte)
Die Russen durften das als eine zwar schlechte, aber immerhin vorhandene Möglichkeit verstehen, einen Fuß in der Tür zur NATO-„Sicherheitsarchitektur für Europa“ zu behalten. Die Wahrheit war das nicht, und das wurde ihnen auch mitgeteilt. Rußland sollte zu nichts berechtigt, sondern mit seiner Isolierung und Entmachtung vertraut gemacht, seine Einwände sollten unterlaufen werden.[18]
Daneben präsentierte man die KSZE als Forum gemeinsamer Aufsicht über den Gang Europas, allerdings mit einer dem russischen Standpunkt entgegengesetzten Lesart. Auf dieses Forum lassen sich – so die Berechnung – russische Mitordnungsansprüche nämlich bequem abschieben:
„Kinkels Planer halten das für ungefährlich, weil es in der KSZE immer möglich gewesen sei, russische Absichten derart umzufunktionieren, daß die Ergebnisse auch dem deutschen und westlichen Interesse entsprochen hätten. Die KSZE enthalte immer noch Handlungräume, die man nutzen könne, ohne die Sicherheit zu gefährden.“ (Strategiepapier des Auswärtigen Amtes…)[19]
Drittens gab die NATO zu Protokoll, daß Rußland zu Recht einen „breiten Dialog über die Partnerschaft für den Frieden hinaus“ verlangt:
„Als Beispiel nannte Rühe die Abrüstung, die Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen, die nukleare Sicherheit und die Konversion von Rüstungsindustrien sowie den Umweltschutz in Europa. Es fiel jedoch auf, daß Rühe bei seiner Aufzählung jeden Hinweis auf die Kernfrage, nämlich den russischen Wunsch nach gesicherter Teilhabe an den Sicherheitsfragen in Europa aussparte.“ (FAZ 25.4.94)
Das also ist die Vorstellung von einer gedeihlichen Kooperation. Rußland soll sich dafür einspannen lassen, „daß es nur einen einzigen atomaren Nachfolgestaat der Sowjetunion gibt“ (Vizepräsident Al Gore, a.d. 2/94), dafür ist Rußlands „Hegemoniestreben“ einen Moment lang gerade recht; und es soll seine eigene Abrüstung weiter vorantreiben.
Dieses Programm hat sich durch den jüngsten NATO-Beschluß in einem nicht unwesentlichen Punkt geändert. Die NATO nimmt jetzt ein Stück Abstand von den diplomatischen Touren, mit denen sie bei ihrer Erweiterung „russischen Empfindlichkeiten“ Rechnung trägt. Jetzt wird die PfP zum bloßen „Begleitprogramm“ der NATO-Erweiterung herabgestuft, also auch dem russischen Ansinnen eine endgültige Absage erteilt, durch Beteiligung an der PfP seiner Ausgrenzung die Spitze zu nehmen. Der Standpunkt, man dürfe sich von russischen Einwänden keinesfalls beeindrucken lassen, hat größeres Gewicht bekommen; umgekehrt die Sorge, man könne durch zu rücksichtsloses Vorgehen Rußland unnötig in Opposition treiben und damit unberechenbarer machen, an Gewicht verloren. Die Nato-Politiker, allen voran die USA, haben sich nämlich bis zu dem Punkt vorgearbeitet, wo sie nach ihrer eigenen Auffassung nicht umhinkommen, offene Gegensätze mit Rußland zu riskieren, soll nicht ihr Monopolanspruch leiden. Insbesondere die westliche Vormacht empfindet es mehr und mehr als störend, daß sie sich in der UNO, in Jugoslawien und eben in Sachen Osten mit russischen Beteiligungsanträgen auseinandersetzen muß. Und sie entnimmt Tschetschenien und anderen innerrussischen Konfliktfällen neue Anlässe und Gelegenheiten, den russischen Handlungsspielraum einzugrenzen.
Das liegt in der Logik des westlichen Vorgehens. Auch dem kooperationswilligsten Jelzin und anderen russischen Politikern und Militärs kann ja nicht verborgen bleiben, daß die Institutionen und Beziehungen, die sie zum Instrument russischer Mitsprache machen wollen, vom Westen für das Gegenteil vorgesehen sind. Mit der sturen Zurückweisung russischer Einwände leidet daher die „Konzessionsbereitschaft“, die die NATO wie eine selbstverständliche russische Bringschuld einfordert, aber nicht honoriert. Zudem ist Rußland selber gezwungenermaßen damit befaßt, seinen nationalen Bestand neu zu definieren und gewaltsam in den Griff zu bekommen. Für die USA und ihre europäischen Sicherheitspolitiker verstärken diese Ergebnisse ihres Zugriffs auf Osteuropa allerdings nur das Bedenken, daß Rußland letztlich unberechenbar, also das Ausgreifen in den Osten umso nötiger ist.
Das Angebot zur „Zusammenarbeit“ erhält die NATO dabei weiter aufrecht. Nur macht sie es immer mehr zu einer Zumutung für die Russen. Die KSZE, großspurig in OSZE umbenannt, wird jetzt als geeignete „Plattform“ interpretiert, „auf der Rußland mit der Erweiterung der NATO versöhnt werden könne“, als wäre sie von Rußland nicht für ziemlich das Gegenteil vorgesehen gewesen. Das PfP-Abkommen mit Rußland wird mit dem öffentlichen Hinweis, daß Rußland „gar keine andere Wahl hat, als die Zusammenarbeit mit der NATO so zu akzeptieren, wie sie vereinbart sei“, zur Unterschrift vorgelegt, als sei es überhaupt nicht davon berührt, daß die NATO gegen alle russischen Einwände „konkret auf die Ausdehung des Bündnisses nach Osten hinarbeitet.“ (Kinkel, SZ 3./4.12.94)
Rußland wird also zunehmend härter vor die praktische Frage gestellt, ob es sich gegen den in diesem Punkt vereinten Westen stellen will und kann. Rußland hat darauf nicht mit einem klaren Ja oder Nein, sondern mit praktischen Demonstrationen heftiger Verstimmung geantwortet. Kosyrew hat wegen des NATO-Beschlusses das fertig ausgehandelte Umsetzungsabkommen der PfP nicht unterschrieben und „die Absicht der westlichen Allianz zu einer aufrichtigen Partnerschaft in Frage gestellt. Für Rußland gebe es zwar keine Alternative zur Zusammenarbeit mit den westlichen Demokratien. Rußland wolle aber ein klares Bild von den Absichten der Partner haben.“ (WK 2.12.94) Als Konsequenz des einseitigen NATO-Vorgehens hat Moskau angedroht, auf einer ausschließenden Zuständigkeit für die GUS zu beharren, „je deutlicher die NATO ihre Osterweiterung betreibe.“ (SZ 3./4.12.94) Und die KSZE-Konferenz ging nicht nur mit einem Eklat wegen einer Bosnien-Resolution zuende, sondern brachte auch keine Einigung über die Rolle der OSZE bei der Beaufsichtigung der Kaukasus-Konflikte zustande.
So tritt die Feindschaft, die in der reklamierten Zuständigkeit der NATO lauert, zutage: Die grundsätzliche Unvereinbarkeit der Standpunkte ist auf dem Tisch, die Gegensätzlichkeit der Ansprüche Gegenstand der Diplomatie, die beschworene „Kooperation“ mehr oder weniger storniert und der Ausbau von Gemeinschaftsinstitutionen zunehmend pure Fiktion. Allerdings scheuen sich beide Seiten, die Zusammenarbeit offiziell aufzukündigen. Die NATO, weil sie keine Not hat, die Russen, weil sie die Konsequenzen fürchten.
III. Die USA drängen auf NATO-Führung
Die Vorgehensweisen und Entscheidungsfragen der Osterweiterung beziehen ihre Brisanz noch aus einer anderen, internen Quelle: Sie sind Material für bündnisinterne Zuständigkeits- und Nutzenfragen, die sich auf die höchsten Güter weltpolitischer Subjekte beziehen: Wessen Einfluß vorrangig wächst, wenn eine ganze Staatenlandschaft eingemeindet wird; wessen Kontrolle über auswärtige Herrschaften und Regionen, also wessen internationale Macht sich vornehmlich erweitert, wenn die politische Ausrichtung und der militärische Gewaltapparat von Oststaaten unter auswärtige Obhut genommen wird – das ist auch in Sachen Osterweiterung der Gesichtspunkt, unter dem die Bündnispartner Initativen planen und entscheiden. Es geht um die Mentorschaft und damit machtpolitische Nutznießerschaft bei der Eingemeindung. Daraus folgen strategische Rechnungen eigener Art: Vorstellungen, ein Beitrittsweg könne die Machtverhältnisse zu eigenen Ungunsten „verzerren“ oder zu eigenen Gunsten verändern, werden da zum eigenständigen Grund für Überlegungen, wer wann wie auf wessen Initiative und durch welche Institution „herangeführt“ wird. Diese Rechnungen kreuzen sich nicht nur mit der Abwägung der Tauglichkeit eines Bewerbers und der Wirkungen der Erweiterungsaktivitäten auf das Verhältnis zu Rußland, sie sind deren Motor. Mit dem Konsens, daß dem Kreis der NATO-Führungsmächte die militärische und sicherheitspolitische Kontrolle in Europa exklusiv zusteht, ist die Sache eben nur in eine Richtung geklärt: gegenüber den Russen.
In die weltpolitische Diskussion gebracht wurde die NATO-Osterweiterung zunächst von Deutschland, und zwar als national gewachsene und damit gestärkte europäische Vormacht, also von vornherein mit der Perspektive, mit der Bündniswucht der NATO und damit der Atommacht der USA im Rücken sein Projekt eines ausgreifenden europäischen Blocks voranzubringen.[20] Deutschland hat ja den Zerfall des Ostblocks von vornherein als seine Chance begriffen, über die nationale Vergrößerung hinaus neu nach Osten auszugreifen. Es hat seine im Kalten Krieg aufgebauten ökonomischen und politischen Sonderbeziehungen gleich nach der Auflösung des Warschauer Paktes nach Kräften auch in militärpolitischen Einfluß umzumünzen begonnen und auf nationale Rechnung militärische Kooperationsabkommen mit osteuropäischen Staaten wie Polen und Rumänien geschlossen. Auf der Basis hat es sich dann zum Vorreiter der NATO-Erweiterung aufgeschwungen, um diese Sonderverhältnisse machtmäßig abzusichern und umgekehrt als Agent und Garant ihrer Einordnung ins Bündnis die deutsche Position im Bündnis zu stärken. Seitdem bietet es sich den Ost-Staaten als einzige Macht an, die ihren Weg nach Brüssel ebnet. Den EU-Mitgliedern tritt es als Macht gegenüber, die dafür sorgt, die EU zu „dem maßgeblichen Ordnungsfaktor des Kontinents“ zu machen, die ihnen also die Teilhabe an einem Weltmachtprojekt eröffnet. Und den USA präsentiert es mit der Formel „EU- und NATO-Erweiterung bedingen sich gegenseitig!“ sein Großeuropa-Projekt als unverzichtbares Hilfsmittel, um Osteuropa verläßlich der NATO zu unterstellen. Wenn die Deutschen beharrlich darauf herumreiten, die Annäherung Osteuropas an die NATO müsse über die EU-Erweiterung laufen, mindestens aber mit ihr „parallelisiert“ und keinesfalls vom „europäischen Prozeß abgekoppelt“ werden, dann führen sie eben keine Debatte um den besten Weg zum selben gemeinsamen Ziel. Sie bringen zum Ausdruck, daß sie den NATO-Zugriff nur als einen Weg unter anderen, also als ein den anderen institutionellen Hebeln deutscher Europapolitik zugeordnetes Mittel sehen, um einen europäischen Großraum zu schaffen, der auf Deutschland zugeschnitten ist und in dem Deutschland mit seinem ökonomischen, politischen und militärischen Gewicht dominiert.[21]
Das trifft sich zwar, deckt sich aber nicht mit dem Interesse der USA, als NATO-Führungsmacht über das Bündnis bestimmenden Einfluß auf die weltpolitisch entscheidenden Ordnungsfragen des Alten Kontinents zu nehmen. Dem vornehmlich deutschen Programm einer Eingliederung der Ostländer in den europäischen Block, durch die deren gesamte militärische, politische, wirtschaftliche und rechtliche Verfassung in die Hand genommen wird, steht das amerikanische Konzept einer alle anderen Beziehungen überwölbenden NATO-Zuständigkeit für europäische Belange gegenüber. Das schließt das Bedürfnis ein, alle europäischen Anstrengungen, sich den Osten einzuverleiben, den Weltmachtberechnungen der USA im Bezug auf die Atommacht Rußland und ihr problematisches Staatenumfeld unterzuordnen. Die amerikanische Weltmacht betrachtet die NATO eben nicht als ein Instrument neben anderen, sondern als ihr entscheidendes Mittel, um als Euro-Macht präsent zu sein und sich der europäischen Mitmacher und Konkurrenten zu versichern.[22] Deswegen hat sie sich die deutsche NATO-Erweiterungsinitiative zueigen gemacht, ihr allerdings – durchaus mit der Vorstellung, es gelte der Gefahr einer Instrumentalisierung des amerikanischen Atomschirms durch die Europamächte, insbesondere die Deutschen vorzubeugen – zunächst ein anderes Gesicht gegeben, eben das der „Partnerschaft für den Frieden“.
Das so unter amerikanischer Federführung zustandegekommene Projekt hat die bündnisinterne Konkurrenz belebt. Deutschland hat seinen deutsch-europäischen Erweiterungsperspektiven mit der Befürchtung Nachdruck verliehen, durch die Ausweitung des PfP- Programms auf Rußland könnte sich sein ursprüngliches Vorhaben ins Gegenteil verkehren und zu einer amerikanisch-russischen Machenschaft auf Kosten Europas entarten:
„In jedem Fall ist der Eindruck zu vermeiden, mit Rußlands „Partnerschaft für den Frieden“ gewinne die östliche Atommacht, die zudem einen Sitz im Weltsicherheitsrat hat, zusammen mit den USA ein Kondominion auf Kosten des dazwischenliegenden Raums.“ (Strategiepapier des Auswärtigen Amtes…)
Umgekehrt haben die USA die europäischen Bemühungen gar nicht übersehen können, das PfP-Projekt mit dem Aufbau von lauter bilateralen und europamäßigen Militärbeziehungen für sich auszunutzen und sich dabei die Enttäuschung der Beitrittskandidaten zunutze zu machen, die sich durch die US-Initiative um eine Vollmitgliedschaft betrogen sahen. Nach diesem Muster agierte jedenfalls die WEU mit ihren Assoziationsabkommen mit Polen, Ungarn, der Slowakei, der Tschechischen Republik, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien und Bulgarien, die nach Aussagen von Kinkel „enger und konkreter sein werden als die Partnerschaft für den Frieden“. Dagegen beharrten die USA darauf, daß Europa keine neue „Sicherheitsidentität“ braucht, sondern in Gestalt der NATO längst hat, also eine selbständige WEU-Militärpolitik in Konkurrenz zur NATO nicht im Sinne Amerikas liegt.[23]
Darin liegt der dritte Grund dafür, daß die USA ihre bisherigen Bedenken gegen eine schnelle förmliche NATO-Ausweitung aufgegeben haben und jetzt in Abänderung der von ihnen ins Leben gerufenen PfP den offiziellen Eingliederungsprozeß der Mittelosteuropa-Staaten in die NATO einläuten. Washington fühlt sich bemüßigt, die regen Aktivitäten seiner europäischen Bündnispartner auf die NATO, in der die USA als die militärische Supermacht die Federführung haben, zurückzuverpflichten. Mit der Kehrtwende in Sachen Osterweiterung beharren die USA nicht nur gegenüber den Russen, sondern auch NATO-intern neuerlich und nachdrücklich auf ihrer Oberhoheit über die machtpolitische Neusortierung in der entscheidenden geostrategischen Umbruchregion. Diese Initiative fügt sich ein in eine Reihe amerikanischer Bemühungen, die Alleinzuständigkeit der NATO in Europa zu zementieren. Sie entspringen einer generellen Unzufriedenheit der USA mit der gegenwärtigen Rolle der NATO, die sie insbesondere am Stand der Jugoslawien-Aufsicht festgemacht haben und korrigieren wollen.[24] Die NATO als ordnungspolitisches Instrument der USA droht durch die interne Konkurrenz beschädigt zu werden. Deswegen will die NATO-Vormacht durch verstärkte ordnungspolitische Aktivität die Organisation nach innen festigen und nach außen stärken.
Diese tiefere Bedeutung der Initative haben die Europäer verstanden und sich neuerlich herausgefordert gefühlt. Vornehmlich Kohl, Kinkel & Co. zeigten sich über ihren alten Antrag auf NATO-Eingliederung ihres östlichen Umfelds kurzfristig tief verstimmt, weil er jetzt als US-Initiative auf den Tisch kam. Plötzlich waren sie es, die vor einer „übereilten“ Erweiterung warnten. Im Vorfeld der entscheidenden NATO-Tagung lancierten sie deshalb interne Beschwerden ihres NATO-Botschafters über den amerikanischen „Alleingang“ an die Öffentlichkeit:
„Bei der Osterweiterung der NATO drücke Washington nun aufs Tempo, ‚ohne daß die damit verbundenen fundamentalen Fragen … konsultiert wurden.‘… Richthofen bemängelt, daß die USA in der jüngsten Zeit Konsultationen mit einigen potentiellen Beitrittskandidaten führten. ‚Dies legt den Schluß nahe, daß bereits Billard über die Bande gespielt und die Allianz vor nahezu vollendete Tatsachen … gestellt wird.‘“ (SZ 1.12.94)
Mit diesem diplomatischen Ausfall war der Streit um die Führungsrolle und die Zuständigkeit der verschiedenen Europa-Institutionen in der Öffentlichkeit, wurde aber nicht ausgetragen, sondern wieder auf das Feld gemeinsamer Initiativen zurückgebogen. Die deutsche Regierung schloß sich demonstrativ dem neuen US-Vorstoß an und wies wieder einmal am schärfsten russische Beschwerden zurück, um gleichzeitig das Konzept eines vielseitigen Europa-dominierten Zugriffs auf den Ostraum zu bekräftigen und zu forcieren. Gemeinsam mit Frankreich drängte sie darauf, dem NATO-Projekt das EU-Osterweiterungsprojekt an die Seite zu stellen und ihm damit eine europagenehme Stoßrichtung zu geben.[25] Gleich nach dem NATO-Beschluß wurde auf dem EU-Gipfel die Aufnahme von Polen, Ungarn, Bulgarien, Rumänien, Slowakei und Tschechischer Republik in die Europäische Union zum gemeinsamen Programm erhoben, ein konkreter Vorbereitungszeitraum von 5 Jahren festgelegt und ein „Wirtschaftshilfeprogramm“ im Umfang von 14 Milliarden DM verabschiedet. Es soll den erweiterten europäischen Operationsraum zubereiten und die beschleunigte Rechtsangleichung sowie gemeinsame Grenzsicherungsprogramme und Ähnliches unterstützen und begleiten – eine schöne Klarstellung, wozu Wirtschaftsbeziehungen mit den ehemaligen Ostblockstaaten und staatliche „Kredithilfen“ gut sind: Sie dienen dem umfassenden Hineinregieren in abhängige Nationen. Das Interesse, den Ostraum europäisch in den Griff zu nehmen, war den EU-Konkurrenten Deutschlands – allen voran Frankreich – wichtig genug, um bislang gepflegte Befürchtungen vor einer weiteren Machtverschiebung zugunsten Deutschlands hintanzustellen. Als „Gegengewicht“ zur deutsch eingefärbten Osterweiterung der EU hat Deutschland dafür einem Wirtschaftshilfeprogramm von 10 Milliarden für Marokko, Ägypten, Tunesien und die Türkei zugestimmt. Die innereuropäischen Konkurrenzprojekte lassen sich eben auch ergänzen, zu einer arbeitsteiligen Ausbreitung europäischer Zuständigkeit in alle Himmelsrichtungen.
Der neue NATO-Vorstoß der USA hat also den Willen, die Europäische Union zum Amerika gleichwertigen imperialistischen Subjekt auszubauen, nur beflügelt.
[1] Zu Grund und Zweck der NATO nach der Auflösung des gegnerischen Blocks vgl. den Artikel: „NATO heute. Der Kriegspakt der Imperialisten: Vorhaben, Leistungen, Grundlagen“ in GegenStandpunkt 3-94, S.99!
[2] Für dieses feststehende strategische Interesse lassen sich dann lauter Argumente in der neuen sicherheitspolitischen Lage finden: Infolgedessen befinden sich Polen und andere mitteleuropäischen Staaten in einer Art Sicherheitsvakuum zwischen der westlichen Zone, die über ein wirksames Verteidigungssystem verfügt, und den instabilen ehemals sowjetischen Republiken, unter denen Rußland versucht, um das eigene Land eine neue Sicherheitsstruktur aufzubauen. Die Staaten Mittel- und Osteuropas haben keine förmlichen Garantien dafür, daß ihnen militärische Unterstützung gewährt wird, wenn sie bedroht oder angegriffen werden. Sie hoffen, dieser mißlichen Lage durch ihre enge Zusammenarbeit mit der NATO, die in absehbarer Zeit zur Mitgliedschaft im Bündnis führen soll, abhelfen zu können.
(Der damalige polnische Verteidigungsminister Kolodziejczyk, NATO-Brief 10/94) Daß sie mit ihrem Drang zur NATO den Gegensatz zu Rußland, auf den sie sich berufen, erst richtig stiften, stört Politiker natürlich nicht, die ihre Souveränität ausschließlich durch die Überreste der zerfallenen Sowjetmacht und nicht durch die ausgreifende Macht des siegreichen Militärblocks gefährdet sehen.
[3] Dieser gemeinsamen Sorge gibt Clinton Ausdruck, wenn er den Westen an die sicherheitspolitische Bedeutung eines wirtschaftlichen Aufschwungs im Osten erinnert: Während wir auf die Stärkung unserer Volkswirtschaft hinarbeiten, müssen wir uns jedoch vor Augen halten, daß wir unserem eigenen Wohlstand und unserer Sicherheit dienen, indem wir zum Prosperieren der neuen Marktwirtschaften in der Osthälfte Europas beitragen. Erfolgreiche Marktreformen in diesen Staaten werden Demagogen in der Region den Wind aus den Segeln nehmen. Sie werden zur Entschärfung ethnischer Spannungen beitragen. Sie werden den neuen Demokratien helfen, Fuß zu fassen.
(a.d.2/94) In Wahrheit gehen er und seine NATO-Kollegen andersherum vor: Sie nehmen die Länder sicherheitspolitisch unter ihre Kontrolle, um sich gegen die absehbaren negativen Wirkungen der „Marktreformen“ auf die politischen Verhältnisse zu versichern.
[4] Ungarn und Rumänien machen an der ungarischen Minderheit in Rumänien Territorialstreitigkeiten auf; Rumänien betrachtet die Existenz Moldawiens als unerträgliche Teilung der rumänischen Nation und die russische Militärpräsenz als Hindernis seiner „Wiedervereinigung“; Polen hat mit den Balten Grenzstreitigkeiten eröffnet und möchte von den Russen Königsberg, usw. usw. Viel wichtiger aber: Alle Regierungen spekulieren darauf, sich durch die NATO von Rücksichten auf Rußlands Interessen freizumachen, beklagen deswegen die mangelnde Tatkraft des Westens – Die Amerikaner möchten den russischen Bären zähmen. Aber sie vergessen, daß sie das nicht tun können, solange er sich im Wald aufhält. Man muß ihn in den Käfig tun.
(Walesa laut Weser-Kurier(WK) 5.1.94) – und drohen in ihrem Anschlußfanatismus damit, bei ihnen könnten wegen der westlichen Zurückhaltung die Stalinisten wieder Aufwind bekommen, bzw. sie selber könnten sich zu sicherheitspolitischen Alternativen gezwungen sehen: Walesa kündigte an, er wolle die NATO-Partnerländer zu Sicherheitsgarantien innerhalb von 6 Monaten auffordern. Denkbar sei allerdings auch ein regionales Sicherheitsbündnis. Ihm könnte die Ukraine vorstehen, die noch über 1700 nukleare Sprengköpfe verfügt.
(ebenda)
[5] In diesem Sinne hat Verteidigungsminister Rühe jüngst Leitlinien für die künftigen Beitrittsentscheidung ausgegeben: Rühe nannte als erste Voraussetzung, daß Demokratie und Marktwirtschaft beim Beitrittskandidaten verankert sein müßten. Außerdem dürfe das Land keine neuen Konflikte in die Allianz tragen, müsse also zum Beispiel Minderheitenprobleme in den eigenen Reihen gelöst haben. Für die NATO sei entscheidend, daß die Sicherheit in der Nordatlantik-Region durch die Aufnahme verbessert werde und Artikel 5 des NATO-Vertrages ausnahmslos gelte. In dieser Klausel ist die gegenseitige Beistandspflicht geregelt. Gerade in diesem Zusammenhang sei von großer Bedeutung, daß sich der Kandidat der Zustimmung aller 16 NATO-Mitglieder im komplizierten Ratifizierungsverfahren bei der Aufnahme sicher sein könne. Rühe sprach schließlich die Finanzierung einer Erweiterung an und verlangte, daß die Kandidaten einen adäquaten Teil der Kosten einer Mitgliedschaft selbst tragen müßten. Schließlich betonte er, daß durch die Aufnahme eines Kandidaten kein anderer Bewerber ausgeschlossen werden dürfe.
(Süddeutsche Zeitung 24.1.95)
[6] Die Partnerschaft bietet den Nationen, die den NATO-Beitritt anstreben, ein Mittel zur Vorbereitung auf die Verpflichtungen der Mitgliedschaft… Die Beteiligung an der Partnerschaft wird die erforderlichen Qualifikationen vermitteln, aber die Beteiligung allein ist keine Garantie für die Mitgliedschaft… Die Partnerschaft hat weder Einfluß auf die Hauptaufgabe der NATO zur Verteidigung des Bündnisses, noch beeinträchtigt sie die integrierten Kommandostrukturen, die Entscheidungsfindungsmechanismen oder die gegenseitige Verpflichtung zur kollektiven Verteidigung der NATO.
(Christopher, a.d. 2/94)
[7] Die Liste der „Kooperationen“ – noch ohne erklärten Feind und geregelte strategische Aufgabenverteilung – wird immer länger: Militärpartnerschaften; Bemühungen um den Aufbau gemeinsamer Luftüberwachung, Kommandostrukturen und Standards; Aktivitäten zur intensiveren Rüstungskontrolle; militärische Übungen unter dem Firmenschild „Entwicklung kooperativer militärischer Beziehungen zur Stärkung der Fähigkeit, multinationale Aufträge auf dem Gebiet der Friedenswahrung durchzuführen“ (Arbeitsplan für Dialog, Partnerschaft und Zusammenarbeit 1994/95 anläßlich der Tagung des Nordatlantischen Kooperationsrates 2.12.94, NATO-Brief 12/94,1/95). Die „europäischen Sicherheits“-Perspektiven, denen sie langfristig dienen sollen, sind weniger unbestimmt, z.B. was die Ostsee angeht: „Aus russischer Sicht ist das BALTAP(Baltic Approaches-Ostseeausgänge)-Gebiet aus maritim-wirtschaftlichen und maritim-militärischen Gründen von besonderem Interesse. Zwanzig Prozent des sowjetischen Seehandels gingen durch die Ostsee… St. Petersburg, heute der einzige russische Hafen, hat den Nachteil, nicht das ganze Jahr über eisfrei zu sein… Beachtliche Kapazitäten gingen mit der Unabhängigkeit der Baltischen Staaten für Rußland verloren. So waren die Häfen Ventspils und Klaipeda besonders für den Rohölumschlag von großer Bedeutung… verlor Rußland seinen einzigen Ostsee-Eisenbahnfährhafen… verlor die ehemalige Sowjetunion elf Prozent ihrer Handelsflotte. Der maritime militärische Aspekt ist daraus zu ersehen, daß sechzig Prozent der gesamten militärischen Werft- und Reparatureinrichtungen der ehemaligen Sowjetunion in der östlichen Ostsee in St. Petersburg und Kronstadt liegen. Aus NATO-Sicht bedeutet die Kontrolle der BALTAP-Region die Sicherung des gesamten Ostseehandels und der nordwesteuropäischen Seeverbindungen. Das kommt auch den in der Nordsee liegenden beträchtlichen Öl- und Gasvorkommen zugute. Ihre Nutzung ist für die Anrainer-Länder lebenswichtig. Im Ostseeraum hat sich die militärische Lage wie auch in anderen Teilen Europas grundlegend verändert. Für die NATO-Staaten besteht kein militärisches Risiko; denn der Rückzug der GUS-Streitkräfte hat entscheidend deren Möglichkeit vermindert, militärisch gegen die Zentralregion vorzugehen.“ (Die Neuordnung der NATO im Ostseeraum; Europäische Sicherheit 12/94) Diese Eigenart des neuen NATO-Raums gilt es also abzusichern.
[8] „In den Passagen zur Außenpolitik merkte Jelzin kritisch an, daß es bisher einen Mangel an russischen Initiativen und kreativen Ansätzen
gegeben habe; der jüngste diplomatische Erfolg in Bosnien sei leider
die Ausnahme. 1994 müsse das Jahr werden, in dem die einseitigen Konzessionen
zu Ende gingen.“ (Jelzins Bericht zur Lage der Russischen Föderation, FAZ 23.2.94) Der diplomatische Erfolg in Jugoslawien, auf den Jelzin als Vorbild künftiger Außenpolitik anspielt, meint den russischen Vorstoß, die Serben mit dem Rückzug aus Sarajewo zur Erfüllung eines NATO-Ultimatums bewegt und so zum Mißfallen der USA deren militärisches Zuschlagen unterlaufen zu haben. Eine ähnliche Initiative im Fall des Irak wurde von den USA durchkreuzt.
[9] Rußlands Politiker ziehen öffentlich in Zweifel, „ob nach der Auflösung des Warschauer Pakts der Weiterbestand der NATO überhaupt notwendig sei“ (Verteidigungsminister Gratschow, FAZ 26.5.94), deuten das Gerede von einem ungeteilten Gesamteuropa in ihrem Sinne und wünschen den Ausbau der KSZE zu einer Organisation, mit deren Hilfe Rußland und NATO gleichberechtigt europäische Ordnung stiften: Vor der Reise Gratschows nach Brüssel hatte Außenminister Kosyrew zu verstehen gegeben, daß er ein Mitspracherecht Moskaus in allen sicherheitspolitischen Belangen Europas anstrebe. Um dies zu erlangen, schlug er eine Stärkung der KSZE und eine Unterordnung der NATO unter die KSZE als gesamteuropäische Sicherheitsorganisation vor.
(ebd.)
[10] Die amerikanische Öffentlichkeit vertritt die Sorgen der Weltmacht um die verläßlichste Methode, Rußlands Macht einzugrenzen, und begleitet die NATO-Politik der Regierung daher mit einer heftigen Debatte über das Für und Wider der Osterweiterung: Ein Harvard-Sicherheitsexperte warnt: Vier Länder würden in die NATO einbezogen, aber acht – eingeschlossen die baltischen Staaten – würden draußen gelassen. Eine neue Trennlinie würde durch Europa gezogen, ein neuer Kalter Krieg beginnen – und der Westen hätte sich das selbst zuzuschreiben.
(M.E.Brown, International Herald Tribune 17.1.95) Man kann daraus aber auch genau den umgekehrten Schluß ziehen und die Erweiterung der Osterweiterung sowie eine „Containment-Politik von morgen“ fordern: Wir können Rußland nicht trauen, also muß man das Bündnis sich ausdehnen lassen… Der Kongreß sollte die baltischen Staaten in sein Manifest zur ‚Revitalisierung und Ausdehnung der NATO‘ einschließen.
(Safire, ebenda)
[11] Das ist der Sinn der Beteuerungen:… muß die NATO offen für eine Erweiterung sein. Eine Politik der Ausgrenzung würde die Aufrechterhaltung der alten Trennlinien durch Europa riskieren – oder willkürlich neue ziehen.
(Christopher vor dem Nordatlanktikrat, a.d.48).
[12] Deshalb bestehen die NATO-Vertreter auch auf der Einhaltung der noch mit der Sowjetunion vereinbarten Abrüstung konventioneller Truppen, obwohl der Militärblock gar nicht mehr existiert, der als Berechnungsgrundlage für den von sowjetischer Seite versprochenen Truppenabbau diente, und obwohl die NATO ehemals zur sowjetischen Seite gehörige osteuropäische Truppenverbände gerade in ihre Militärmacht einbaut. Im Zusammenhang mit dem Tschetschenieneinsatz hat Rußland darauf hingewiesen, daß es mit den ausgehandelten Kontingenten seine territoriale Integrität nicht angemessen verteidigen kann, und um Modifikation nachgesucht. Dieser Antrag wurde zurückgewiesen und mit dem heuchlerischen Argument auf Erfüllung des Vertrags bestanden, der Termin für die endgültige Beschränkung auf die ausgehandelten Obergrenzen sei ja erst November 1995 und eine Revisionskonferenz erst für 1996 anberaumt.
[13] Bedenken Rußlands, das sich nicht an den „Rand Europas“ drängen lassen, sondern die alte weltpolitische „Isolierung“ los sein will, werden mit dem Hinweis zurückgewiesen, sie seien von der Ausweitung der NATO gar nicht betroffen, was allenfalls zur Mitsprache berechtigen würde, sondern umgekehrt sicherheitspolitisch bedient: Die Erweiterung der NATO wird – wenn sie erfolgt –, die Sicherheit und Stabilität der gesamten Region fördern. Wir müssen die Gewohnheiten militärischer Zusammenarbeit erweitern, nicht weil wir einen neue Bedrohung von einem Land oder einer Kombination von Ländern ausmachen, sondern weil die Ausdehnung des Einflußbereichs der NATO die Erweiterung des Rahmens bedeutet, der zur Konsolidierung der Demokratie und Förderung größerer Einheit auf dem gesamten europäischen Kontinent beitragen kann. Von einer Erweiterung der NATO werden sogar die Länder profitieren, die nicht als erste Gruppe beitreten werden, weil eine erweiterte NATO-Mitgliedschaft die Sicherheit für alle europäischen Nationen verbessern wird.
(R.C. Holbrooke, US-Außenministerium, a.d. 38/94)
[14] Wenn die FAZ vom 26.5.94 in diesem Zusammenhang darauf pocht, daß die Russen dort „Bürger anderer Staaten“ sind, und sich gegen Einmischung Rußlands in die inneren Angelegenheiten verwahrt, erfährt man wenigstens einmal aus berufenem Munde, was Deutschland tut, wenn es Polen, Tschechen und Russen Sonderrechte für die „Deutschstämmigen“ abverlangt.
[15] Als die Russen monatelang vergeblich die Unterstützung der UN im Georgienstreit forderten, legte Albright den Russen elf Fragen vor – zum Beispiel danach, was sie mit den Flüchtlingen machen wollten und ob deren Rechte gesichert würden. Als Albright im November eine Resolution zur Haiti-Politik einbrachte, unterbreitete Lawrow ihr – laut ‚Washington Post‘ – denselben Fragebogen.
(WK 2.1.95) Zu Tschetschenien vgl. den Artikel in dieser Nummer des GegenStandpunkt! Aus solchen Fällen beziehen die NATO-Politiker nicht nur ihre Auffassung, daß Rußland letztlich für den Westen nicht berechenbar ist, sondern auch die wohlfeilen Argumente für ihre Schlüsse daraus, also für das beschleunigte Ausgreifen der NATO. Ihr Wille, auf russische Einwände weniger denn je Rücksicht zu nehmen, kommt wie ein verständlicherweise wachsendes Schutzbedürfnis der russischen Anrainerstaaten daher, dem sich die NATO nicht entziehen kann: Außenminister Kinkel hält es für ‚wahrscheinlich und logisch‘, daß der Druck der baltischen Staaten und der Länder Mittel- und Osteuropas, in die NATO aufgenommen zu werden, als Folge der russischen Gewaltanwendung in Tschetschenien wachsen wird.
(FAZ 4.1.95)
[16] Auch die deutsche Seite überlegt, wie der Bereitschaft Rußlands, dem von außen mitgeförderten Verlust seines Einflusses auf sein „näheres Ausland“ hinzunehmen, auf die Sprünge geholfen werden kann, und kalkuliert mit russischer Erpreßbarkeit: Ein Ausbrechen Rußlands in abermalige Konfrontation wird umso schwieriger, wie die damit verbundenen Kosten steigen.
(Strategiepapier des Auswärtigen Amtes zum Umgang mit Rußland, laut FAZ 9.7.94)
[17] Wen wir in die Europäische Union aufnehmen, was wir im bezug auf die WEU oder die NATO machen, das kann Rußland nicht entscheiden. Aber die Entscheidung so zu treffen, daß man mit Rußland spricht, es einbezieht, ist klug.
(Kinkel, SZ 4./5.1.95) Wenn die NATO-Strategen laufend das Interesse an konstruktiven Beziehungen betonen – Rußland (wird) eine prominente Rolle in unseren Überlegungen spielen… Welchen Kurs die innenpolitische Evolution auch nehmen wird – Rußland bleibt lebenswichtiger Akteur bei europäischen Sicherheitsbelangen. Es liegt in unserem – und Rußlands – Interesse, eine umfassende und konstruktive Interaktion zwischen der NATO und Rußland zu entwickeln.
(Christopher, a.d. 23/94) –, dann ist das also keineswegs bloß diplomatische Heuchelei. Erstens gehen die NATO-Mächte ja wirklich von einem Sonderstatus Rußlands aus, es ist oberster sicherheitspolitischer Problemfall. Zweitens wissen sie, was sie Rußland zumuten. Sie würden sich niemals gefallen lassen, was Rußland tolerieren und woran es sich auch noch aktiv unterordnend beteiligen soll – da verstehen sie einen Schirinowski sehr gut.
[18] Daß die PfP ein diplomatisches Mittel ist, den Ausschluß der Russen reibungslos abzuwickeln, das vermeldet das Auswärtige Amt auf seine Art, wenn es das russische Mitsprachebegehren in einen Aufnahmeantrag in die NATO umdeutet und sich über den günstigsten Termin seiner offiziellen Zurückweisung Gedanken macht: Kinkels Planer haben Vorstellungen entwickelt, wie man dem Eindruck Rußlands, allmählich ‚zu vereinsamen‘, entgegenwirken könne… In Bonn hält man einen Rest an Unklarheit für nützlich, weil weder in Rußland noch in einigen NATO-Staaten die Diskussion zu einer abschließenden Antwort gediehen sei… In Bonn heißt es, Rußland könne nicht Mitglied des Bündnisses werden… Dennoch sei der Zeitpunkt einer offiziellen, deklamatorischen Feststellung der Unmöglichkeit eines russischen Beitritts noch nicht gekommen… Festlegungen seien nur soweit wie nötig zu treffen, um den Gestaltungsspielraum für die Zukunft nicht zu verengen.
(Strategiepapier des Auswärtigen Amtes)
[19] Wie das „Umfunktionieren“ gemeint ist, hat Clinton auf der KSZE-Konferenz in Budapest gleich nach der NATO-Tagung vorgeführt. Unter dem Stichwort „Aufwertung“ hatte er neben einer Namensänderung nur eine sinnvolle Aufgabe für diese „Organisation“ parat – sie soll dazu dienen, Rußland das Monopol auf Friedensregelung in der GUS streitig zu machen: Durch die Konzentration auf Menschenrechte, Konfliktvermeidung und Schlichtung von Streitigkeiten kann die KSZE ein erneutes Bosnien verhindern helfen… Ich finde es äußerst ermutigend, daß wir mit Unterstützung und Beteiligung der Russischen Föderation kurz vor einer Übereinkunft stehen, daß die KSZE eine multinationale Friedenssicherungstruppe nach Nagornyi Karabach entsendet.
(a.d. 48/94)
[20] Dieses Programm, das Osteuropa als deutsches Umfeld definiert und mit dem Anspruch auf nationale, bzw. deutsch-gefärbte europäische Kontrolle belegt, kommt mit Vorliebe in der Form besonderer Betroffenheit durch eine verhängnisvolle Lage daher: Aus seiner alten, oft beschworenen Mittellage wird Deutschland nur dann erlöst werden können, wenn an seiner unmittelbaren Ostgrenze nurmehr westliche Länder liegen.
(Kühnhardt, Europa Archiv 9/94) Die einzige Lösung dieses Ordnungsproblem (einer stabilen Ordnung für den östlichen Teil des Kontinents), mit der ein Rückfall in das instabile Vorkriegssystem und die Rückkehr in die alten Mittellage verhindert werden kann, ist die Eingliederung der mittelosteuropäischen Nachbarn in das (west)europäische Nachkriegssystem.
(Europa-Papier der CDU/CSU-Fraktion 1.9.94, S.3.) Zu diesem europapolitischen Programmpapier der deutschen Regierung vgl. „Das Europa-Papier der CDU/CSU-Fraktion: Klartext über den Ausbau der Weltmacht Europa“ in GegenStandpunkt 4-94, S.12!
[21] Welche Rolle die verschiedenen „Einigungs-“ und „Annäherungs“prozesse und -institutionen beim umfassenden imperialistischen Zugriffs auf den Osten spielen sollen, ist in Deutschland selber Debattengegenstand, wobei die feinen Betonungsunterschiede unter anderem nach Ressortgesichtspunkten ausfallen: Ein Auseinanderklaffen zwischen der Mitgliedschaft in der EU und der WEU müsse deshalb genauso vermieden werden, wie eine Aufnahme neuer Bündnispartner (in die NATO) ohne eine Entsprechung mit der EU-Zugehörigkeit.
(Strategiepapier des Auswärtigen Amtes) Rühe: EU-Beitritte müssen mit NATO-Erweiterung einhergehen.
(FAZ 23.1.95)
[22] Das Bündnis bietet das Instrument für die Anwendung der amerikanischen Macht und Vision auf die Sicherheitsordnung in Europa.
(Kornblum, Stellvertretender Abteilungsleiter für kanadische und europäische Angelegenheiten im US-Außenministerium, a.d. 38/94) Europa ist der Brennpunkt für die Macht und die Zielsetzung der Vereinigten Staaten und wird dies auch in Zukunft sein. Dieses Bündnis (die NATO) wird auch weiterhin den Anker des amerikanischen Engagements in Europa bilden, den Dreh- und Angelpunkt der transatlantischen Sicherheit… Die Entwicklung der neuen europäischen Sicherheitsarchitektur beginnt mit der Stärkung ihres Fundaments – des Bündnisses, das bereits ein halbes Jahrhundert lang unsere Sicherheit und unseren Wohlstand bewahrt hat. Die NATO war schon immer viel mehr als eine vorübergehende Antwort auf eine temporäre Bedrohung. Sie ist ein Garant europäischer Demokratie und eine Kraft für europäische Stabilität…
(Christopher, a.d. 48/94)
[23] Für die Gestaltung der gemeinsamen Zukunft innerhalb Europas ist es jedoch unerläßlich, sich vor Augen zu führen, daß die Grundlagen einer europäischen Sicherheitsidentität bereits existieren – in der NATO.
(Kornblum, a.d. 38/94)
[24] Siehe dazu den Artikel zu Jugoslawien in diesem Heft! Amerikanische Regierungsvertreter haben keine Schwierigkeit, in diesem Sinne Osterweiterung und Bosnien-Krieg zu verknüpfen: Die bosnische Tragödie lehrt uns, wie wichtig die Ausbreitung von Demokratie, Stabilität und Wohlstand in ganz Europa ist. Aus diesem Grund haben die USA bei der Gründung der Partnerschaft für den Frieden sowie der Vorbereitung der Osterweiterung der NATO die Führungsrolle übernommen.
(Clintons Sicherheitsberater Lake, a.d. 48/94)
[25] Den Gegensatz von NATO- und EU-Konzept zu betonen, überließ man dem französischen EU-Kommissionspräsidenten: Delors hat das jüngste Drängen der USA auf eine Osterweiterung der NATO kritisiert. Auf seiner Pressekonferenz zum europäischen Gipfeltreffen am Freitag und Samstag in Essen setzte Delors das EU-Konzept der Vorbereitung Mittel- und Osteuropas auf die spätere EU-Mitgliedschaft, das in Essen verabschiedet werden soll, ausdrücklich dagegen.
(Handelsblatt 8.12.94)