Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Ein Flüchtlingsproblem gelöst: Kosovaren zurück in den Kosovo
Zu Jahresbeginn rollt eine Flüchtlingswelle, schlimmer noch:
eine „Asyl-Lawine aus dem Kosovo“
(Focus-online 17.2.15) auf Deutschland zu. Täglich fliehen
bis zu 1500 Kosovaren
mit Kind und Kegel nach Serbien,
überqueren bei Nacht und Schnee zu Fuß und illegal die
EU-Grenze nach Ungarn, um über Österreich nach Deutschland zu
gelangen. Die deutsche Botschaft in Pristina schlägt Alarm
und meldet an das Auswärtige Amt,
„das Kosovo stehe vor einem ‚Massenexodus‘, der ‚nur durch schnelle Maßnahmen vor allem in Deutschland‘ gestoppt werden könne. Allein aus Pristina nähmen täglich ’500 Personen Busse nach Serbien‘. Innerhalb eines Jahres, so die Hochrechnung, könnten 300 000 Personen das Land verlassen – ein Sechstel der Gesamtbevölkerung.“ (spiegel.de, 8.2.)
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Ein Flüchtlingsproblem gelöst: Kosovaren zurück in den Kosovo
Zu Jahresbeginn rollt eine Flüchtlingswelle, schlimmer
noch: eine „Asyl-Lawine aus dem Kosovo“
(Focus-online 17.2.15) auf Deutschland zu. Täglich
fliehen bis zu 1500 Kosovaren
mit Kind und Kegel nach
Serbien, überqueren bei Nacht und Schnee zu Fuß und
illegal die EU-Grenze nach Ungarn, um über Österreich
nach Deutschland zu gelangen. Die deutsche Botschaft in
Pristina schlägt Alarm und meldet an das Auswärtige Amt,
„das Kosovo stehe vor einem ‚Massenexodus‘, der ‚nur durch schnelle Maßnahmen vor allem in Deutschland‘ gestoppt werden könne. Allein aus Pristina nähmen täglich ’500 Personen Busse nach Serbien‘. Innerhalb eines Jahres, so die Hochrechnung, könnten 300 000 Personen das Land verlassen – ein Sechstel der Gesamtbevölkerung.“ (spiegel.de, 8.2.)
Schon im März kann die nationale Zählstelle, das
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, aber
Entspannung melden. Die Flüchtlingswelle ebbt ab
(Die
Zeit, 4.3.), und zumindest an diesen
Grenzen ist die Welt wieder in Ordnung.
Über die Fluchtgründe wird man zwischenzeitlich ausreichend informiert.
Wir haben die Unabhängigkeit, aber nichts zu
essen
,
sagt der 27-jährige Hasan Fazliu, der seinen
einjährigen Sohn in den Armen trägt.
(Die Welt, 10.2.). Die Ankömmlinge
wüssten zwar, dass sie in Deutschland nicht dauerhaft
bleiben könnten.
Aber zur Auslösung besagter Lawine
reicht es schon, dass, bis der Asylantrag inklusive
Beschwerde dagegen abgelehnt sei, mehrere Wochen
vergehen. Im Container ist es warm und sauber, es gibt
dreimal täglich kostenloses Essen und zudem monatlich
Sozialhilfe sowie Taschengeld.
(NZZ, 7.3.) Und die gelehrte Welt liefert
Hintergrundwissen zum besseren Verständnis für die nicht
vorhandenen Lebensbedingungen der Flüchtlinge in ihrer
Heimat:
„Um die Massenflucht der Kosovo-Albaner nach Westeuropa verstehen zu können, muss man sich die tragische soziale Situation vor Ort vor Augen führen. Nach Angaben der Vereinten Nationen leben etwa 17 Prozent der Bevölkerung in extremer Armut (Ausgaben von weniger als 0,94 Euro pro Tag) und 45 Prozent in absoluter Armut (weniger als 1,42 Euro pro Tag). Etwa 16 Prozent der Kinder sind von Nahrungsmangel und dadurch verursachten Wachstumsstörungen betroffen. Aufgrund von Mangelernährung leiden etwa 16 Prozent der Schulkinder und 23 Prozent der Schwangeren unter leichter Anämie. Die Säuglings-, Kinder- und Müttersterblichkeit ist weiterhin erheblich höher als in den umliegenden Regionen und in Europa. Die Weltbank schätzte zuletzt, dass mehr als 35 Prozent aller Jugendlichen im Alter zwischen 15 und 24 weder eine Bildungseinrichtung besuchen noch einer Ausbildung oder Beschäftigung nachgehen. Die Arbeitslosigkeit wird auf über 40 Prozent, bei Jugendlichen auf über 70 Prozent geschätzt.“ (Dusan Reljic, Stiftung Wissenschaft und Politik, 13.2.)
Unser Kosovo
Unter dem Titel Flüchtlingswelle firmiert hier immerhin
derselbe Menschenschlag, für den sich Europa vor 15
Jahren brennend interessiert und für zuständig erklärt
hat. Damals galt das Schicksal dieser Figuren
als eine regelrechte humanitäre Katastrophe
; ganz
Europa konnte einfach nicht mit ansehen, wie mit den
bedauernswerten Leuten umgesprungen wurde; das Mitleid
reichte sogar bis nach Amerika, so dass die gesamte NATO
den armen Kosovaren zu Hilfe kommen musste. Ihretwegen
wurde das Völkerrecht extra um ein Recht auf
humanitäre Intervention
erweitert, ihretwegen
musste ein grüner Außenminister sich und seine Republik
von einem tiefempfundenen Pazifismus verabschieden und
dafür agitieren, daß wir mit militärischen Mitteln,
mit einem Krieg Milosevic Einhalt gebieten müssen
(Joschka Fischer, 13.5.99),
und ihretwegen wurde diese Mission schließlich per
Bombenkrieg gegen die serbischen Unterdrücker
vollstreckt.
Derselbe Menschenschlag wird heute als eine
einzige Zumutung gehandelt, wenn er über die deutschen
Grenzen strömt, obwohl doch klar ist, dass er gar keine
Chance hat, hier zu bleiben, denn wir schicken ja
garantiert wieder alle zurück. Heute haben die Kosovaren
einfach keinen Grund zur Beschwerde, schließlich hat die
NATO ihnen einen eigenen Staat geschenkt, samt ganzen
Kompanien von ausländischen Betreuern: einer
Schutztruppe, KFOR und einer kopfstarken EU-Verwaltung
namens EULEX. Im Sommer 2014 haben sie sogar noch einen
Assoziierungs- und Stabilisierungsvertrag von der EU
bekommen. Jetzt ist er wahr geworden, der Wunsch des
damaligen Kanzlers Schröder (Wir wollen miteinander
einen multiethnischen und demokratischen Kosovo, in dem
alle Menschen in Frieden und Sicherheit leben
können
): Der Kosovare ist rundum frei von der
serbischen Schreckensherrschaft, und das muss ja wohl
reichen.
Die damalige, von der Öffentlichkeit aufgerührte
Erschütterung angesichts der menschlichen
Schicksale
, der Aufruf, dass man unbedingt gegen
diese humanitäre Katastrophe
einschreiten müsse,
haben eben nur die moralische Umrahmung und den
Rechtstitel für ein ganz anderes Interesse abgegeben.
Welches Interesse das war, das ist der NATO-Antwort auf
diese Katastrophe
, der Einrichtung eines eigenen
Staats für die Kosovaren und dessen desolater Verfassung
nämlich deutlich anzumerken. In dem Fall konnten die
NATO-Mächte deshalb einfach nicht wegsehen
, weil
dort das letzte Kapitel der Auflösung Jugoslawiens und
der Bekämpfung großserbischer
Ambitionen unter
Führung des letzten Betonkopfkommunisten
Milosevic
zu erledigen war.[1] Es ging um ein Stück
Entmachtung Serbiens durch die Abtrennung dieser
Provinz – und den USA ganz nebenbei und im besonderen
darum, sich auf dem eroberten Territorium mit einem
Riesenmilitärstützpunkt niederzulassen. Ob der neue Staat
für sich irgendwie lebensfähig sein würde, war dafür und
deshalb überhaupt ganz uninteressant; ob die darin
anwesende Bevölkerung Mittel zum Überleben finden würde,
noch uninteresssanter. Das per Krieg eingerichtete
Protektorat verdankt sich rein dem strategischen
Interesse der NATO-Mächte, eine mögliche serbische
Vormacht auf dem Balkan zu verhindern, so dass die
Hilfsprogramme für den Wiederaufbau des Kosovo zwar alles
Nötige für die gewaltmäßige Absicherung dieses
Vorpostens, die Schaffung der elementaren Voraussetzungen
für ein ziviles Lebens aber gar nicht einschließen.
So etwas wie eine Wirtschaftstätigkeit ist im freien Kosovo kaum vorhanden; schließlich haben die Kriege und darauffolgenden Staatenausgründungen das frühere gesamtjugoslawische Wirtschaftsleben, von dem die Provinz recht und schlecht gelebt hatte, samt seinem sachlichen Inventar weitgehend zerstört. Was der kosovarische Staat an Einnahmen zu verzeichnen hat, kommt aus den diversen Geld- und Kredittöpfen der Garantiemächte, die diesen Staat nach ihrem Bedarf alimentieren. Als Erwerbsquellen verbleiben dem Volk erstens das Auswandern – anderswo in Europa legal oder schwarz Arbeitende unterhalten mit ihren Verdiensten ganze Sippschaften. Im Land taugt dafür zweitens hauptsächlich nur der Staatsapparat, soweit wie man als Politiker oder Funktionär da irgendwo Fuß fassen und den eigenen verwandtschaftlichen und politischen Anhang (Kürzelname ‚Clan‘) mitunterhalten kann, also alles, was unter das Stichwort Korruption fällt. Drittens generiert die zahlungsfähige Nachfrage, die vom US-Stützpunkt, den EU-Soldaten sowie der beträchtlichen Anzahl von EU-Beamten und Beratern im Justiz- und Verwaltungswesen ausgeht, rund um Pristina ein Spektrum von Erwerbsmöglichkeiten mit Aufsichts-, Fahrer-, Dolmetscher- und sexuellen Diensten. Und viertens hat sich der kosovarische Geschäftssinn mangels anderer Branchen auf Drogen-, Waffen- und Menschenschmuggel verlegt.
So etwas wie eine innere Stabilität geht dem Kosovo dann auch wegen der NATO-Konstruktion eines multi-ethnischen Staates ab, mit dem die Befreier den von ihnen protegierten albanischen Nationalismus auf ein handliches Maß zurückschrauben und von störenden großalbanischen Ambitionen abhalten wollen. Serben und Albaner leben in mühsam von der KFOR getrennten Gebieten und tragen ihre nationale Sache, wo sie eine Gelegenheit dazu finden, mit Blockaden, Handgreiflichkeiten und Schießereien aus.
Über all dem stehen die Schutzmächte mit ihrem
Ordnungsmonopol, das sie von wegen ‚Stabilität‘ lieber
gar nicht erst aus der Hand geben. Sie beanspruchen mit
ihrer Gewalt, mit Richtern, Polizisten und
Zollbeamten [2]
einen zivilen Verkehr zu regeln bzw. in Gang zu setzen,
wie man ihn aus funktionierenden Gemeinwesen kennt – zu
dem es aber so gut wie gar nicht kommt, weil dem
Staatswesen die ökonomische Grundlage für ein
Funktionieren ziemlich perspektivlos abhanden gekommen
und die völkische Unzufriedenheit trotz des
multi-ethnischen Friedensdiktats der Schutzmächte
überhaupt nicht ausgestorben ist. Nicht einmal seine
Funktionalität als zuverlässiger NATO-Stützpunkt mit
EU-Anbindung ist selbstverständlich – mittlerweile
kämpfen albanisch-nationalistische Parteien schon wieder
für die Unabhängigkeit des Kosovo von fremden
Mächten
, nämlich gegen die westlichen
Ordnungsbehörden, und die UÇK, die heldenhaften
kosovarischen Freiheitskämpfer von früher, kämpfen für
die albanische Sache und gegen die oktroyierten Grenzen
im benachbarten Mazedonien.
So sieht es aus, das gesellschaftliche, politische und ökonomische Leben im Kosovo, das EU und NATO eingerichtet haben, kontrollieren und verwalten.
Ab in die Heimat
Natürlich kennt auch die hiesige Öffentlichkeit, wenn sie gerade einmal will, die Zustände im Kosovo. Sie zählt sie alle auf – zwecks einer unmissverständlichen Klarstellung: Das Elend dort ist hausgemacht. Die Fluchtgründe, das aussichtslos elende Leben haben die Kosovaren ihren korrupten Politikern, Mitbürgern und mafiösen Verbrechern zu verdanken:
„Für das Verharren Kosovos in Armut sind auch ausgedehnte rechtsfreie Räume mitverantwortlich. Sie sind Folge der allgegenwärtigen Korruption und der symbiotischen Beziehung zwischen weiten Teilen von Verwaltung und Politik mit der organisierten Kriminalität.“ (Dusan Reljic, Zeit-Online 15.2.15)
Wenn das Elend der Kosovaren auf ihrem eigenen Mist
gewachsen ist, weil ihre unfähige bis verbrecherische
Staatsgewalt Räume freilässt, anstatt sie mit unserem
Recht aufzufüllen, kann Deutschland nicht für die fremden
Versäumnisse haftbar gemacht werden. Und das
Flüchtlingsproblem
ist mitnichten eines der
Kosovaren, sondern eines, das die deutsche Politik
mit ihnen hat.
Und die handelt; Innenminister de Maizière meldet in kürzester Frist Erfolge:
„Wir hatten es in den ersten zwei Monaten des Jahres mit einem regelrecht organisierten Exodus aus dem Kosovo zu tun... Wir haben dann energische Maßnahmen ergriffen, auch mit Unterstützung der albanischen und serbischen Regierung. Wir schickten z.B. 20 Bundespolizisten zur Unterstützung an die serbisch-kosovarische Grenze. In den Zügen über Ungarn waren trinationale Streifen unterwegs. Zudem haben wir im Kosovo mit dem Gerücht aufgeräumt, in Deutschland erhalte jeder Asylbewerber aus dem Kosovo 4000 Euro bar auf die Hand. Das führte dazu, dass die Anzahl auf rund 100 zurückging.“ (www.bmi.bund.de)
Die deutsche Politik nimmt die zwischen dem Kosovo und
uns liegenden Staaten für ihre Grenzsicherung in die
Pflicht, deutsche Polizisten helfen
schon weit
außerhalb ihres normalen Einsatzbereichs, die Grenze
zwischen Serbien und Ungarn zu sichern, auch auf der
Zugstrecke von Budapest über Wien nach München soll es
verstärkte Kontrollen geben
(WDR
Nachrichten 12.2.).
Die eigenen Diplomaten vor Ort steuern sachdienliche Ratschläge bei:
„Erst wenn eine größere Anzahl von Kosovaren medienwirksam per Sammel-Charterflieger zurückkehrt, deren Verfahren innerhalb weniger Wochen in Deutschland abgeschlossen wurden, spricht sich herum, dass sich illegale Einwanderung nach Deutschland nicht rechnet.“ (spiegel.de, 8.2.)
Die kosovarische Regierung gehorcht und tut ihr Bestes, um ihr Volk zu mehr Heimatliebe zu vergattern. Und zur Beschleunigung der Abschiebeprozeduren schlägt der Chef des Flüchtlingsamts vor:
„Kosovo muss sicheres Herkunftsland werden. Menschen aus dem Kosovo und Albanien suchten in Deutschland eine bessere Perspektive, würden aber nicht systematisch verfolgt.“ (FAZ, 27.4.)
Das pure Überleben-Wollen ist schließlich kein Grund, Deutschland auf die Nerven zu fallen. Um Gegenstand unserer Anteilnahme und tatkräftigen Hilfe zu werden, muss das Elend schon einen imperialistischen Nutzen haben: Als Rechts- und Moraltitel, um den serbischen Behauptungswillen zu brechen und Serbien um eine Provinz zu verkleinern, war der kosovarische Menschenschlag brauchbar und nützlich; als Einwanderer kann sie niemand brauchen. Da ist es längst überfällig, dass der Kosovo zum sicheren Herkunftsland erklärt wird; zum Leben reichen die Verhältnisse zwar kaum, aber sicher sind sie dann auf jeden Fall.
[1] Siehe GegenStandpunkt 2-99, Krieg auf dem Balkan – Die NATO-Mission
[2] Die
Rechtsstaatlichkeitsmission der Europäischen Union im
Kosovo, EULEX Kosovo, ist eine Mission der Europäischen
Union, in deren Rahmen zwischen 1800 und 2 000
Polizisten, Richter, Gefängnisaufseher und Zollbeamte
in den Kosovo entsandt werden. Sie sollen dem Land beim
Aufbau von Polizei, Justiz und Verwaltung helfen und
haben weitreichende, von der Administration des Kosovo
unabhängige Befugnisse.
(Wikipedia)