Aus der Reihe „Was Deutschland bewegt“
Vom Grund für „Gewaltexzesse“ und „rechte Umtriebe“ bei den staatlichen Ordnungshütern
Beruf Polizist
Die Polizei kommt nicht mehr so recht raus aus den Schlagzeilen: Seit dem Tod von George Floyd wacht die hiesige Öffentlichkeit besonders kritisch darüber, ob es nicht auch die eigene Polizei in Sachen Gewalteinsatz gelegentlich übertreibt oder sich rassistischer Diskriminierung schuldig macht. Daneben sorgen rechtsradikale Inhalte in polizeiinternen Chat-Foren bzw. eine offenbar recht verbreitete Vorliebe für Nazi-Devotionalien regelmäßig für den Verdacht, dass die bewaffneten Staatsbediensteten es an der rechten demokratischen Gesinnung fehlen lassen, und mit der Rückverfolgung von Morddrohungen des NSU 2.0 an auserwählte linke Hassfiguren bis zu einem Dienstcomputer der hessischen Polizei schließlich sogar für einen handfesten Skandal.
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Vom Grund für „Gewaltexzesse“ und
„rechte Umtriebe“ bei den staatlichen
Ordnungshütern
Beruf Polizist
Die Polizei kommt nicht mehr so recht raus aus den
Schlagzeilen: Seit dem Tod von George Floyd wacht die
hiesige Öffentlichkeit besonders kritisch darüber, ob es
nicht auch die eigene Polizei in Sachen Gewalteinsatz
gelegentlich übertreibt oder sich rassistischer
Diskriminierung schuldig macht. Daneben sorgen
rechtsradikale Inhalte in polizeiinternen Chat-Foren bzw.
eine offenbar recht verbreitete Vorliebe für
Nazi-Devotionalien regelmäßig für den Verdacht, dass die
bewaffneten Staatsbediensteten es an der rechten
demokratischen Gesinnung fehlen lassen, und mit der
Rückverfolgung von Morddrohungen des NSU 2.0 an
auserwählte linke Hassfiguren bis zu einem Dienstcomputer
der hessischen Polizei schließlich sogar für einen
handfesten Skandal: Ein derart eklatanter
Datenmissbrauch erschüttert das Vertrauen in den
Rechtsstaat. Er lässt scheinbare Gewissheiten wanken.
Polizeiliches Versagen tritt inzwischen in einer
Häufigkeit auf, die bisher unvorstellbare Fragen
aufwirft: Wer dient wem? Und wer schützt hier wen?
(SZ, 18.7.20) So sieht sich
die Politik genötigt, ihre Polizei gegen den Vergleich
mit US-Cops zu verteidigen und darauf zu verweisen, dass
dergleichen rassistische Übergriffe und Gewaltexzesse
hierzulande undenkbar seien, weil die Polizei fest auf
dem Boden der Verfassung steht, und zeigt sich
entsprechend schockiert angesichts der rechten
Umtriebe
und im Netz kursierender Dokumentationen von
Polizeigewalt, mit denen Einzeltäter
oder gar
ganze Netzwerke
den guten Ruf der Polizei
gefährden. In der politischen Auseinandersetzung um das
Ausmaß des Problems, darum, welche Studien nun in Auftrag
zu geben sind, zwecks Erfassung möglicher
struktureller
Hintergründe, und allem voran,
welche politischen Maßnahmen nötig sind, um den
Respekt vor dem staatlichen Gewaltmonopol
wiederherzustellen, bleiben Inhalt und
Gehalt dessen, was damit bloß benannt ist,
wovon der gute Ruf überhaupt rehabilitiert
werden muss und wofür, außen vor. Lob und Tadel,
Verdächtigung wie Freispruch der Polizei schwindeln sich
allesamt um die Hauptsache herum:
1. Jenseits ihrer konkreten Teilaufgaben und vielseitigen Schutzfunktionen für die diversen Staats- und Bürgeranliegen ist der allem übergeordnete Zweck der Polizei der Schutz und die Aufrechterhaltung der Souveränität der Staatsgewalt. Als deren bewaffneter Arm setzt die Polizei das staatliche Gewaltmonopol durch und verschafft damit der staatlichen Autorität in der Gesellschaft bedingungslose Anerkennung, d.h. sie sorgt ganz prinzipiell dafür, dass alles, was der Staat mit Recht und Gesetz seiner Gesellschaft verordnet und erlaubt, Gehör findet und als der gesellschaftlich zu respektierende Rahmen der eigenen Interessenverfolgung anerkannt wird, die Gesellschaft sich also der staatlichen Herrschaft unterwirft und ihr bedingungslos – ungeachtet aller privaten Interessen – gehorcht. Die Durchsetzung des Gewaltmonopols ist die Bedingung allen staatlichen Wirkens und deswegen auch oberster Zweck des Staates, für den sich der bundesdeutsche immerhin eine 300 000 Mann starke Truppe leistet, die er mit strenger Hierarchie nach dem Prinzip von Befehl und Gehorsam organisiert und mit umfangreichen Gewaltmitteln ausstattet.
Alle Relativierungen des polizeilichen Gewaltgebrauchs, alle Forderungen nach Mäßigung, die Erziehung der Beamten zur Beachtung rechtlicher Schranken setzen die erste und staatliche Hauptsache voraus und verweisen auf den entscheidenden Inhalt des Berufs des Polizisten:
2. Als Instrument der Staatsgewalt ist die Polizei die Gewalt im Staat, und für die Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols braucht es jede Menge Gewalt: Zur Gewährleistung der staatlichen Souveränität muss die Gewaltabteilung zu jeder Zeit und an jedem Ort einsatzbereit und -fähig sein, sodass sich nichts und niemand dem bewaffneten Arm des Gesetzes entziehen kann. Er muss bedingungslos allen Umtrieben in der Gesellschaft überlegen sein, damit jeglicher Widerstand zwecklos ist und sich die Zivilbevölkerung bei der Verfolgung ihrer Interessen dem verordneten Gewaltverzicht fügt und Recht und Gesetz als die verpflichtenden Grundlagen ihres privaten Zurechtkommens anerkennt. Mit ihrer Omnipräsenz und garantierten gewaltmäßigen Überlegenheit leistet die Polizei die nötige Abschreckung, sodass der Gehorsam der Zivilbevölkerung vor der Rechtsordnung die unmittelbare Gewaltanwendung regelmäßig nicht erforderlich macht. Wo die Durchsetzung von Recht und Gesetz dennoch polizeiliches Zuschlagen verlangt, wird die gewalttätige Grundlage der staatlichen Ordnung augenscheinlich, die der brave Bürger angesichts der Unangefochtenheit der Gewalt und ihrer gelungenen Abschreckungsleistung so gerne vergisst, wenn er in aller Freiheit seine Konkurrenzinteressen verfolgt und die herrschende rechtsstaatliche Ordnung mit der Abwesenheit von Gewalt verwechselt, zumindest solange er nicht selbst mit den bewaffneten Gesetzeshütern aneinandergerät.
3. Als den Exekutoren des staatlichen
Gewaltbedarfs ist von den Polizeibeamten verlangt, alle
Verstöße gegen die Rechtsordnung nach Möglichkeit im
Vorfeld zu unterbinden oder sie repressiv
zu
verfolgen. Mit dem bornierten Blick für (potenzielle)
Rechtsbrecher, deren Beweggründe im Schema von ‚erlaubt
oder verboten‘ nicht vorkommen, haben sie die ganze
Gesellschaft kritisch ins Visier zu nehmen, sie nach eben
solchen zu durchleuchten und die dingfest gemachten
Exemplare der entsprechenden Behandlung zu unterziehen.
Um ihrem Auftrag zu entsprechen, müssen sie in
persona jederzeit fähig und bereit sein,
rücksichtslos gegen sich und die anderen Gewalt auszuüben
und den unmittelbaren Zwang
so lange zu
eskalieren, bis jedweder Widerstand gebrochen und die
Lage unter ihre Kontrolle gebracht ist;
praktisch angewiesen sind sie dabei auf den
kompromisslosen und opferbereiten, im Korpsgeist
idealisierten Zusammenhalt der Truppe. Um diesem
anspruchsvollen Anforderungsprofil seines Berufs gerecht
zu werden, muss der Polizist sich mit der Gewalttätigkeit
des Rechtsstaates, die in ihm personifiziert
ist, identifizieren und mit
persönlich-moralischer Parteinahme den unabdingbar guten
Grund seiner eigenen Gewaltanwendung als absolute
Notwendigkeit verinnerlichen. Der gewalttätige
Berufsinhalt muss dem Polizisten als
‚Law-and-Order‘-Standpunkt zur zweiten Natur werden. Dass
sich zu diesem geforderten und geförderten
Ordnungsfanatismus – übrigens der genuine Inhalt
rechter Politik – bei weiten Teilen des bewaffneten
Personals die entsprechende rechte Gesinnung
einstellt, ist wirklich kein Wunder. [1]
4. Die Mahnungen zur Mäßigung des Gewalteinsatzes, die dem Auftrag zu bedingungsloser Gewaltbereitschaft stereotyp auf dem Fuße folgen, verbieten grundsätzlich, den hoheitlichen Gewaltauftrag zur Privatsache zu machen. Verlangt ist der Dienst an der Brutalität der Sache der Hoheit und nicht Brutalität aus eigenem außerberuflichem Antrieb. Der Polizist ist mit dem Widerspruch konfrontiert, das Prinzip der hoheitlichen Gewaltanwendung als Leitfaden für die Gewalt, die er mit seiner ganzen Person absolut zur Geltung bringt und exekutiert, zu seiner eigenen Sache zu machen: Es ist ihm einerseits überantwortet, für jede Situation im Polizeialltag zu ermessen, wie viel Gewalt sie erfordert, andererseits muss er dabei voll und ganz dem Dienstverhältnis gegenüber seinem staatlichen Auftraggeber entsprechen, ohne seine persönliche Gesinnung und sein privates Rechtsbewusstsein einfließen zu lassen. [2] Während sein Beruf eine entsprechend radikale Moral verlangt und er sich seinen eigenen Vers auf die Notwendigkeit seines Gewalteinsatzes machen soll und muss, muss er zugleich stets ergebener Diener und gehorsamer Befehlsempfänger der Staatsgewalt, die ihn kommandiert, bleiben, sich als Schläger permanent im Griff haben und darf seinen Gewaltauftrag nicht als Freifahrtschein zur Auslebung privater Ordnungsvorstellungen und Gewalttätigkeit missverstehen.
5. Mit dem Widerspruch, der ihnen da
zugemutet wird, werden die Profis polizeilicher Gewalt in
der Weise fertig, dass sie den Generalauftrag, die Hoheit
des Rechts durchzusetzen, auf die vielen einzelnen
Schutzgüter, die darin enthalten sind, und die
vielfältigen Bedrohungen, denen diese in der bürgerlichen
Konkurrenzgesellschaft ausgesetzt sind, herunterbrechen
und sich auch dann als Freund und Helfer
verstehen, wenn sie ihre Gewaltbereitschaft befehlsgemäß
– oder auch nach eigener Einschätzung der gebotenen
Verhältnismäßigkeit
– austoben. Die Maxime ihres
abstrakten Daseinszwecks der Durchsetzung des staatlichen
Gewaltmonopols übersetzen sie sich ganz sachgemäß in die
konkreten Maßnahmen, die der spezielle Einsatz jeweils
erfordert. Sie begreifen sich selbst als die mit der
nötigen Gewalt ausgestattete Schutzmacht aller
möglichen Rechtsgüter und Personen vor allen möglichen
Gefahren, seien es die Kindergartenkinder, die vor den
rücksichtslosen Rasern geschützt werden müssen, die Bank
vor den Bankräubern oder Staat und Gesellschaft vor
terroristischen Anschlägen. In dieser Übersetzung wird
ihr abstrakter Auftrag zugleich allgemeinverständlich und
akzeptiert. So deckt sich ihre Selbstwahrnehmung mit dem
öffentlichen Musterbild der Polizei, das auch in den
aktuellen Debatten in Anschlag gebracht wird, wenn die
empörte Öffentlichkeit die Frage Wer schützt hier
eigentlich wen?
aufwirft und angesichts der
zahlreichen Skandale dieses schöne Bild angekratzt sieht
und nach dessen Wiederherstellung verlangt.
6. Diese Denkweise und das freundliche Zerrbild gefallen den hoheitlichen Befehlshabern natürlich prima. Vom Standpunkt des Staates aus hat der Widerspruch, den er seinen Ausführungsorganen da zumutet, freilich einen etwas anderen Inhalt: Ihm geht es um die Funktionalität flächendeckend abschreckender Polizeigewalt. Die enthält den Widerspruch zwischen unbedingter Durchsetzung des Gewaltmonopols und der Bedingtheit der politischen Zwecke, die gewaltmonopolistisch durchzusetzen sind. Es ist der Widerspruch ihrer Rechtsordnung selbst, dass dieser einerseits per Gewalt absolute Geltung verschafft werden muss und sie andererseits gar nicht in der Gewalt aufgeht, sondern einen politischen, in Recht gegossenen Inhalt transportiert, für den die Gewalt funktional zu sein hat. Gerade auf Basis der erfolgreichen Durchsetzung des Gewaltmonopols und dessen gelungener Abschreckungsleistung kommt der konkrete staatliche Wille, die inhaltliche Seite des Rechts, zur Geltung, die sich im nationalen Gesetzeskanon manifestiert – mit dem Widerspruch, dass die absolute Geltendmachung des Rechts in den Delinquenten, deren Willen es zu beugen und ggf. zu brechen gilt, auf Inhaber von Rechten trifft, die ihrerseits grundsätzlich geachtet gehören. Diesen Widerspruch des Rechts machen die staatlichen Auftraggeber mit ihrem methodischen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gegenüber ihren Exekutivorganen geltend als die absurde Vorgabe: Zwang ausüben, Abschreckung verkörpern, Rechtsbrecher aufspüren und aus dem Verkehr ziehen, am besten, bevor es überhaupt zum Rechtsbruch kommt – aber alles bitte nicht zu rabiat, also nur mit der wirklich erforderlichen und angemessenen, die Zweck-Mittel-Relation wahrenden Brutalität!
7. Den Widerspruch zwischen diesen
beiden Seiten der Funktionalität staatlicher
Polizeigewalt macht der Staat – unter Verleugnung aller
Widersprüchlichkeit, weil mit dem festen Willen ihn
handhabbar zu machen – zum Berufsbild seiner
Truppe und gibt ihr auf, damit fertigzuwerden. Das
Gewaltmonopol und seine politischen Sachwalter selbst
sind damit fein raus: Sie machen ihre Truppe zum einen
für die Durchsetzung des Staatswillens verantwortlich,
haben ein Beamtenheer für die nötige Abschreckung, das
die erforderlichen Prügel austeilt, um Rechtsverletzungen
zu unterbinden oder zu verfolgen, und hinter dem sich die
Politik verschanzt, sodass nicht zuletzt all die durch
ihre politischen Entscheidungen aufgerührte Wut gar nicht
erst zu ihnen als den eigentlichen Adressaten
durchdringt, sondern unmittelbar an der Schlägertruppe
abprallt. Während die Regierenden sich in ihrer so
gewonnenen Souveränität üben, schieben sie ihre
Prügelknaben zum anderen in ihrer zweiten Bedeutung bei
Bedarf vor, wenn die Gewalt in einem Einsatz mal zu
weit gegangen ist
. Dann liefert ihnen das Handeln
ihrer Truppe ein bedarfsgerecht abrufbares Alibi
gegenüber der Öffentlichkeit für die Brutalität, die ihre
Hoheit verlangt: Die Einsatzkräfte, so heißt es dann,
haben sich mal wieder nicht vorschriftsgemäß verhalten,
sind nicht den vorgegebenen Deeskalationsstrategien
gefolgt oder haben sich leider von Gewalttätern
provozieren lassen. Im Nachhinein ist die Politik immer
schlauer, mit welchem rechten Maß an Gewalt einer Lage
beizukommen, was also jeweils angebracht und funktional
gewesen wäre, und kommt den ausführenden Beamten bei
Diskrepanzen neben einer öffentlichen Schelte womöglich
sogar mit Disziplinarverfahren, in denen sie diesen den
Widerspruch ihrer eigenen Rechtsordnung – zwischen
Absolutheit der Gewalt fürs Recht und dem Inhalt des
Rechts – als Unverhältnismäßigkeit bei der
Gewaltanwendung, also als persönliches Vergehen
anlastet. [3]
Dieser Zynismus der staatlichen Auftraggeber, sich selbst
im Lichte von Menschenfreundlichkeit, Bürgernähe und
Dienst an der Gemeinschaft zu inszenieren, während sie
ihren Schlägertrupp die nötige Drecksarbeit machen
lassen, für die sie ihn dann bei Bedarf als zu
gewalttätig und brutal kritisieren, führt nicht umsonst
zu Friktionen zwischen polizeilichen
Vollzugsorganen und ihren staatlichen Auftraggebern:
Nicht selten nehmen die Vollzugsbeamten ihren
Dienstherren ihre doppelte Rolle als Prügelknaben der
Nation übel, fühlen sich missverstanden oder gar
missbraucht. Dieses Zerwürfnis mit einer Führung, die
ihnen bei ihrem gesellschaftlichen Auftrag als oberste
Hüter von Recht und Ordnung in den Rücken fällt und sie
laufend bei der Gewaltausübung mit rechtsstaatlichen
Beschränkungen gängelt, quittieren einzelne bewaffnete
Ordnungshüter (oder ein paar mehr) mit der ideellen
Aufkündigung ihrer politischen Loyalität gegenüber den
demokratischen Befehlsgebern, womöglich gar mit einer
Sehnsucht nach einem wahrhaft starken Staat und einer
alternativen Führung für Deutschland.
8. Je lauter die Kritik an der Polizei
wird, desto entschiedener stellen sich ihre staatlichen
Auftraggeber allerdings vor ihre Truppe. Erst
recht wenn an einer Häufung von Skandalen rund um die
Polizei ein politisches Zerwürfnis zwischen Befehlsgebern
und Befehlsempfängern deutlich wird, folgt die politische
Führung reflexartig der elementaren Logik von
Gefolgschaft, nach der sie sich vor die Truppe stellen
muss, um sie hinter sich zu scharen und sich ihrer
Loyalität zu versichern. Entsprechend gestaltet sich der
Umgang mit Dissidenten im Prinzip mit einer Mischung aus
Anbiederung und politischer Vereinnahmung: Die Politik
tut mit ihrer Skandalbewältigung ihr Bestes, die radikale
rechte Gesinnung mit ihren Auswüchsen in den Reihen ihrer
bewaffneten Ordnungshüter als ganz wesensfremde
Erscheinung vom Beruf des Polizisten abzutrennen, sei es,
indem sie sie – je nach politischer Couleur – als
charakterliche Entgleisungen vereinzelter Einzeltäter
deutet oder Fehler in Rekrutierung und staatlicher
Betreuung anprangert, die sogar strukturelle
Netzwerke
ermöglichen. Da wird eine Mauer des
Schweigens
in den Polizeidienststellen eben nicht
einfach zerschlagen, sondern den Polizisten werden lauter
Angebote für eine neue Kultur
in ihren Reihen
gemacht, dank derer Vertrauen und Zusammenhalt mit Verrat
von Kollegen schon deswegen wunderbar zusammengehen
sollen, weil jedes Revier einen staatlichen
Extremismusbeauftragten zur Seite gestellt bekommt und
die Beamten mit einem reichen Angebot an Schulungen immer
wieder daran erinnert werden, dass die unbedingte
Loyalität dem Dienstherrn und sonst keinem gilt.
Die zugehörige Rechtfertigung der Politik zur
Aufrechterhaltung des guten Scheins ihres
Auftrags an die Polizei präsentiert stellvertretend
der Innenminister in seiner Funktion als deren oberster
Dienstherr: Der Generalverdacht
und pauschale
Extremismusvorwurf
vonseiten der Opposition und der
Öffentlichkeit bringt die Polizei nur in Verruf und
untergräbt im Ergebnis den gesellschaftlichen Respekt vor
ihr:
„Wir brauchen die Rückkehr zu einem Grundkonsens in unserer Gesellschaft: Polizeibeamte handeln im Auftrag der Gemeinschaft. Die schlägt man nicht, bespuckt man nicht, beleidigt man nicht. Man darf Polizeiarbeit kritisieren und muss sie kontrollieren. Aber wir erleben ja jetzt auch, wie Menschen einerseits härteste Kritik an der Polizei leisten, aber andererseits auf sie zurückgreifen, wenn sie gebraucht wird.“ (Seehofer, Interview, Münchner Merkur, 18.9.20)
Mit seiner Inschutznahme des Gros der
Vollstreckungsbeamten – samt Tadel und Verfolgung von
Entgleisungen
und kritischer Gesinnungsprüfung –
nimmt die Staatsgewalt in Gestalt des befugten
Befehlshabers niemand anderen als sich in Schutz
– als den guten Hegemon, der für die Verteidigung unser
aller Ordnung nun einmal vor dem Einsatz von Gewalt nicht
zurückschrecken darf. Dieser Einsatz wird ihm und seinen
ausführenden Organen ungerechterweise nur allzu oft von
denen nicht gedankt, in deren Dienst er doch letztendlich
erfolgt und die ihn im Fall des Falles sogar für sich in
Anspruch nehmen. Die finale Zuspitzung dieser
Rechtfertigung ist erreicht in der – unter
Spitzenpolitikern beliebten – perversen Gleichung: Wer
mit Verweis auf ihr hässliches polizeigewalttätiges
Erscheinungsbild brutal durchgesetzte Staatsanliegen
kritisiert, beleidigt den guten Bürger und mitfühlenden
Menschen im Polizisten, der den Durchsetzungsbefehl
professionell ausführt. Und damit uns alle.
[1] Auch kein Wunder ist übrigens, dass diejenigen, die von Berufs wegen die rechtsstaatliche Scheidung zwischen In- und Ausländern, also jenen, die dazugehören, und jenen, die aufgrund der Nicht-Zugehörigkeit eine rechtliche Sonderbehandlung erfahren, exekutieren, dem nicht zur heimischen Ordnung gehörenden Menschenschlag generell kritisch gegenüberstehen.
[2] So darf er sich weder bei der Durchsetzung von Recht und Gesetz nachlässig zeigen und den Ladendieb aus Mitleid laufen lassen oder bei Straftaten von rechten Gesinnungsgenossen mal ein Auge zudrücken oder seine Kollegen vor staatlichen Disziplinarmaßnahmen schützen, bloß weil es zu seinem privaten Ehrenkodex im Beruf gehört, diejenigen, auf deren unbedingte Loyalität und Rückendeckung er im täglichen Gewalteinsatz angewiesen ist, nicht beim Vorgesetzten zu verpfeifen; noch darf er einem widersetzlichen Demonstranten nochmal extra eine mitgeben oder bei einem bereits Festgenommenen nachtreten, nur weil er überzeugt ist, dass der nichts anderes verdient.
[3] Da liefern die politischen Streits und die heuchlerische Kritik der staatlichen Auftraggeber an den Polizeieinsätzen stets neues Anschauungsmaterial und absurde Details dessen, woran sich der staatliche Schlägertrupp zu halten hat, um nicht selbst mit dem Gesetz, dem er Geltung verschafft, in Konflikt zu geraten, weil er sich vor dem Einsatz des Pfeffersprays nicht der Volljährigkeit seines Gegenübers versichert, mit dem Wasserwerfer nicht genau genug gezielt oder auf dem falschen Wirbel des Festgenommenen gekniet hat.