Lauter schlechte Gründe und ein herrschaftsdienliches Ergebnis
Wählen ist verkehrt!

Berlin, September 2017
Anhang

Fürs Wählen gibt es viele Gründe, offenbar mindestens so viele wie Parteien, die gewählt werden wollen:

„Noch nie stand Deutschland so gut da wie heute. Dank Angela Merkel!“ sagt die CDU. Dafür soll man sie wählen. Weil sie die nationalen Reichtumsbilanzen produziert hat, an die man dabei denken soll? Oder weil die Kanzlerin ja schon so lange erfolgreich an der Macht ist? Oder weil es einfach nur schön ist, vom Erfolg einer Nation abhängig zu sein, die auch wirklich – nämlich gegen ihre Konkurrenten in Europa und weltweit – Erfolg hat?

„In Deutschland bekommen viele hart arbeitende Menschen nicht das, was ihnen zusteht!“ sagt die SPD. Dafür soll man sie wählen. Weil sie das jetzt ganz neu herausgefunden hat? Oder weil auch sie seit eh und je dafür verantwortlich ist? Oder weil die SPD wenigstens weiß, was wem – zumindest eigentlich – von dem Reichtum zustünde, von dem den meisten in der sozialen Marktwirtschaft der BRD noch nie etwas anderes zugekommen ist als ein Arbeitsleben im Dienst an diesem Reichtum?

„Die SPD braucht Druck von links!“ sagt die Linkspartei. Dafür soll man sie wählen. Weil dann die SPD aus Angst vor dem Druck mit ihr koaliert und diese Koalition dann alle ökonomischen Rechnungen außer Kraft setzt, die Arme arm und Reiche reich machen? Oder weil dann wenigstens diejenigen mitregieren können, die wirklich wissen, was wem zumindest eigentlich ...?

„Nur mit den Grünen gelingt die grüne Mobilitätswende!“ sagen die Grünen. Dafür soll man sie wählen. Weil es so herrlich und vernünftig ist, dass ökologisch ist, was Automobilarbeitsplätze schafft? Oder weil die Grünen bei der politischen Sorge um die Gewinnbilanzen des Wirtschaftsstandorts Deutschland so glaubwürdig die zerstörerischen Umweltfolgen mitzubedenken und mitzuregeln versprechen – und das gleich im Namen der ganzen Menschheit?

„Die etablierten Parteien vertreten das Volk nicht und kümmern sich lieber um Flüchtlinge!“ sagt die AfD. Dafür – na klar – soll man sie wählen. Weil ein guter Deutscher mit seinen alltäglichen Sorgen von seiner Führung vor allem erwarten kann, dass sie ihn vor denen bewahrt, die nicht zu dieser großartigen Nation gehören und kein Recht auf Zugehörigkeit zu ihrem großartigen Volk haben?

Jede andere Partei aber verspricht, dass sie – jede jeweils besser als alle anderen – „den Rechtspopulismus bekämpft“, indem sie der AfD mit viel Verständnis für einen ‚recht verstandenen Patriotismus‘ ihr rechtes Wählerpotential abspenstig macht. Und zwar schlicht dadurch, dass sie ganz konsequent alles das macht, was sie sowieso im Programm hat.

Dabei sind sich alle konkurrierenden Angebote von rechts bis links in einem entscheidenden Punkt einig: Was das gute Volk will und worauf es ein Anrecht hat, ist eine Herrschaft über sich, von der es sich einbilden darf, sie wäre für die guten Deutschen da, nur weil denen erlaubt wird, sich in größeren Abständen per Wahl in herrschaftliche Personalfragen einzumischen.

Fürs Wählen gibt es also viele Gründe; nur keinen einzigen guten. Und den konkurrierenden Bemühungen um die Stimme der Bürger ist durchaus zu entnehmen, bei wem – wenn schon nicht beim Wähler – der wirkliche Nutzen der aller paar Jahre neu angesetzten Veranstaltung liegt.

Zum Thema

Alle paar Jahre findet das demokratische Hochamt der Bundestagswahl statt. Dieses Jahr ist es wieder so weit: Die Parteien machen sich an die als Wahlkampf bekannte Aufgabe, die Wahlberechtigten zu betören. Mit ‚Sachthemen‘, öffentlichen Auftritten und Wahlplakaten präsentieren sie sich als jeweils bessere Führer der Nation.

Systematischer Katalog
Länder & Abkommen
Peter Decker (Hrsg.)

Freie Wahlen werden amtlich als Kernstück der Demokratie geschätzt. In ihr, heißt es, wird nicht einfach regiert – das Volk erteilt per Abstimmung den Auftrag zur Wahrnehmung der Staatsgeschäfte.

Weniger amtlich betrachten Politiker wie Wähler diese Veranstaltung ohne solche Ehrerbietung. Politiker nehmen Wahlen nüchtern als Bedingung und Gelegenheit, auf Kosten der Konkurrenten an die Macht zu gelangen. Und mündige Bürger haben Wahlen längst als Schwindel durchschaut. Wählen gehen sie selbstbewusst ohne Illusionen, damit etwas zu ‚bewirken‘ oder zu ‚verändern‘.

Solche Urteile übergehen allerdings, was das Institut der freien Wahlen tatsächlich leistet.

2013, 2023 | 268 Seiten | 20 €  Zum Warenkorb