Anlässlich des Todes von Rush Limbaugh
Amerikas rechte Gegenöffentlichkeit

Ein Auszug aus einem Artikel zum Kampf der etablierten gegen die rechte Gegenöffentlichkeit in Trumps Amerika aus dem Jahre 2018, den wir hiermit zur Lektüre empfehlen:

Ende der 80er Jahre – nach einer Lockerung der US-Rundfunkgesetze, wonach politische Sender nicht mehr gezwungen sind, ein gewisses Gleichgewicht der Meinungen zu bieten – wird eine aus der Mode gekommene Funkwelle wiederbelebt, um ein pendelndes, also stundenlang täglich im Stau sitzendes Publikum auf sein Bedürfnis nach starker Führung und einer starken Sittlichkeit anzusprechen. Rush Limbaugh, der als Pate des ‚conservative talk radio‘ und überhaupt der rechten Gegenöffentlichkeit gilt, wird schnell zum beliebtesten Talker eines Genres, das in seinem Schlepptau immer beliebter wird. Seine Talksendungen bestreitet er zu Beginn mit einer Offensive gegen Zweifler am ersten amerikanischen Golfkrieg und gegen Befürworter einer Sonderbehandlung von Frauen und Minderheiten in der Konkurrenz um Bildung und im Beruf. Und weil es Limbaugh und Konsorten um die Durchsetzung eines gültigen, uramerikanischen Prinzipienkatalogs geht, wird gleich darauf verzichtet, gegen die Gegner und für die Zumutungen, die das schöne amerikanische System nun einmal mit sich bringt, in eigentlichem Sinne zu argumentieren. Sie bieten vielmehr eine selbstbewusste Demonstration einer rechtschaffenen Gesinnung – und das geht in einer lebendigen Demokratie seit jeher so: Die Gegner, die die Moral für sich und ihren Standpunkt in Anspruch nehmen, entlarvt man als Heuchler. Eine kleine Kostprobe dieser in der Demokratie äußerst beliebten Kunst: Wer am Sinn, Zweck und Nutzen von amerikanischen Kriegen zweifelt, die unsere guten republikanischen Präsidenten für nötig halten, inszeniert sich als Friedensengel, verrät aber bloß unsere tapferen Jungs drüben in der Wüste; er, nicht der Commander-in-Chief, lässt andere für sich kämpfen und sterben und erkennt die Opfer nicht einmal an. Wer die drastische soziale Lage der Armen beklagt, gerade unter den Minderheiten, sich für einen Ausbau ihrer sozialen Betreuung oder für eine Sonderbehandlung ausspricht, inszeniert sich als Mutter Teresa, verrät aber bloß hart arbeitende Amerikaner mit oder ohne Arbeitsplatz, die sich doch täglich gemäß dem Prinzip der ‚Selbstverantwortung‘ aufopfern, ohne zu meckern; er, nicht irgendein gieriger Unternehmer oder geiziger Staatsmann, beutet die Leute aus und lässt sich durch andere, steuerzahlende Amerikaner durchfüttern. Wie sehr man selbst auf der Seite der guten, amerikanischen Moral steht, lässt sich eben am besten durch die moralische Verdorbenheit der Moralapostel der Gegenseite zeigen – weswegen übrigens die sexuellen Eskapaden und Zwielichtigkeit des ‚liberalen‘ Oberchefs Bill Clinton noch genug Stoff für mindestens ein Jahrzehnt Sendezeit hergeben.

Das Ganze wird vorgeführt mit lauter Glanzleistungen im Fach „Das wird man wohl sagen dürfen!“, als Kampf für eine unterdrückte Wahrheit gegen unpatriotische Gedankenverbote liberaler Despoten. Das Gefühl der Unterdrückung kommt nicht von ungefähr – und liegt nur zur Hälfte daran, dass diese Rechten die in der Verfassung versprochene Freiheit als die Lizenz verstehen, genau die altehrwürdigen Überzeugungen und Sitten zu pflegen, die nach ihrer Einschätzung die Nation in ihrem geschäftlichen und gewaltsamen Umgang mit dem Rest der Welt so frei machen. Zur anderen Hälfte liegt das an der Weise, wie die ‚Liberalisierung‘ der nationalen Sittlichkeit in der demokratischen Öffentlichkeit tatsächlich vonstattengeht, nämlich in Form von lauter Ge- und Verboten, den Respekt für Minderheiten, Abweichler, Opfer betreffend. Gegen diese in modernen Demokratien fest etablierte Tour, ein nationales Gemeinschaftsgefühl durch vorgeschriebene Heuchelei unter rechtsbewussten Konkurrenten zu verordnen – auch als ‚political correctness‘ bekannt –, setzen rechte Talker ein eigenes heuchlerisches Stilmittel, das hierzulande genauso etabliert ist: den ‚Tabubruch‘. So präsentieren sie nationalistische Bigotterie, sittliche Borniertheit und Fanatismus der Konkurrenz als mutige Prinzipientreue im Angesicht eines totalitären Verbots, auszusprechen, was Sache ist.

Die täglich wiederholte Aufdeckung und Anklage der Unanständigkeit und der Heuchelei der ‚liberalen‘ Tugendbolzen belegen dabei vor allem, was für eine tugendhafte Figur da Anklage erhebt. Ein schöner Kreisverkehr von vortrefflicher Person und vorbildlicher Gesinnung in Gestalt einer öffentlichen Meinungspersönlichkeit: Mit der rücksichtslosen Demonstration der eigenen rechten Gesinnung wird die Glaubwürdigkeit der Person über alle Zweifel erhoben; umgekehrt wird mit der Glaubwürdigkeit der Person die Vorbildlichkeit der demonstrativ gepflegten rechten Gesinnung bewiesen, also auch die Wahrheit von allem, was der glaubwürdige Gesinnungstäter von sich gibt. Auch die Zuhörer können sich an dieser Veranstaltung gerne beteiligen; sie können beim Sender anrufen und ihren persönlichen Senf zur Sache öffentlich machen – eine Gelegenheit, die sie in der Regel dazu nutzen, sich als fanatische Anhänger aufzuführen, dem Chef-Talker und einander reihum Recht zu geben. Bei den Zuhörern/Anrufern der Rush-Limbaugh-Show nimmt das übrigens die zeitsparende Form an, dass sie schlicht Ditto! ins Telefon rufen, sich selbst gleich als ‚dittoheads‘ bezeichnen und das Motto – unter Ausnutzung der schönen Doppeldeutigkeiten, die die englische Sprache bietet – Rush is right auf T-Shirts und Autoaufkleber drucken lassen. Ein analoges Vorbild für die berühmt-berüchtigten ‚Echokammern‘ in der Netzwelt also: Hier finden selbstbewusste, meinungsstarke Bürger, die sich nichts vormachen und -schreiben lassen, zu einer sittlichen Gemeinschaft um einen starken Meinungsführer zusammen, der ihnen täglich zuruft, was sie einander wechselseitig bestätigen.

Zum Thema

„Die Fake-News-Media sind der Feind des amerikanischen Volkes“ (D. Trump, ca. einmal pro Woche) – gemeint sind die „scheiternde“ New York Times, „Amazon“ Washington Post, „Fake News“ CNN sowie noch einige andere Organe der etablierten Öffentlichkeit in den USA. Ihr Vergehen: Sie wollen nicht anerkennen, schon gar nicht als feste Prämisse ihrer Berichterstattung und Kritik, dass Trump Recht hat, der Richtige ist – der größte Wahlsieger und Präsident aller Zeiten.

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