Der Westen nach einem Jahr Trump
Amerikas Präsident hat nie einen Zweifel daran gelassen, dass er meint, was er sagt, und tut, was er meint. Angesagt hat er bis zum Überdruss, dass die Leitlinie seiner Präsidentschaft: „America first!“ politische Offensiven an mehreren Fronten einleitet. Er will dem heimischen Kapitalwachstum auf die Sprünge helfen; nicht bloß aus Kumpanei mit den Reichen und Superreichen im Land, sondern aus strategischen Gründen:
„Eine wachsende und innovative Wirtschaft ermöglicht es den Vereinigten Staaten, die stärkste Militärmacht der Welt zu bleiben und unser Heimatland zu schützen.“
Zu diesem Zweck will er einen freien, vor allem aber fairen Welthandel; damit meint er eine substanzielle Korrektur der weltweiten Waren- und Geldströme in dem Sinn, dass das viele Geld, das andere Nationen einseitig in und an den USA verdient und in solchem Maß in Gestalt amerikanischer Schulden akkumuliert haben, dass Amerika per Saldo eigentlich überhaupt kein Geld mehr hat, in sein Herkunfts- und wahres Heimatland zurückfließt.
Aus der Zeitschrift
Siehe auch
Systematischer Katalog
Länder & Abkommen
Gliederung
- Amerika macht ernst
- 1. Trump eröffnet international, in Sachen Welthandel wie Weltkreditsystem, und an der Heimatfront einen Wirtschaftskrieg gegen bislang Verbündete wie gegen Rivalen und verspricht Amerikas Sieg in einem neu eröffneten Rüstungswettlauf
- 2. Trump leistet sich das und kann sich das leisten ...
- a) ... ausgerechnet wegen der Leistungen genau der zivilen Weltwirtschaftsordnung für Reichtum und Macht der USA, die er praktisch kündigt
- b) ... weil er mit seinem Wirtschaftskrieg auf die außerökonomische Grundlage des kapitalistischen Reichtums seiner Nation und der Welt „zurück“kommt: auf die Garantie des Dollar-Kredits – d.h.: seiner weltweiten Gültigkeit – durch die gar nicht zivile Gewalt seines souveränen Schöpfers
- Europa zeigt Wirkung
- 1. Der EU kommt nach ihrer Lebenslüge vom allseitigen Geschäftserfolg und kollektiven Machtzuwachs der Nationen auch noch die amerikanische Grundlage ihres Antiamerikanismus abhanden
- 2. Europas Macher sehen sich herausgefordert, ihre Union zu „vollenden“ – was tatsächlich bedeutet: Sie müssen ihrem widersprüchlichen Projekt eines eisern zusammenhaltenden weltmächtigen Kollektivs ehrgeiziger Nationalstaaten nun aus eigener Kraft eine neue Geschäftsgrundlage von der Wirksamkeit der alten westlichen Kriegsallianz verschaffen. Und das noch dazu unter der erschwerenden Randbedingung, dass die regionale Komplettierung ihrer Union, die Ausdehnung ins einst verschlossene Feindesland, mit dem Zuerwerb befreiter Nationalisten ihrem Einigungsprojekt wie ihrem Antiamerikanismus zuwiderläuft
- 3. Die Anführer des Projekts ‚Weltmacht Europa‘ sehen sich auch darum einerseits nur noch mehr genötigt, es in seiner zielstrebig antiamerikanischen Stoßrichtung zu vollenden. Andererseits sind auch und gerade sie mit dem Widerspruch, für eine kollektive Weltmacht ihre nationale Eigenständigkeit in ihr imperialistisches Großprojekt zu investieren und zu integrieren, überhaupt nicht fertig – dies die Sache, von der das Aufleben eines europakritischen bis -feindlichen „Populismus“ sogar in Deutschland Zeugnis gibt. Das führt, weil da imperialistische Mächte unter sich sind, unvermeidlich zu einem Streit ums „Wie“, der in Wahrheit einer ums „Was“, „Wer“ und – wegen des fundamental widersprüchlichen Charakters dessen, was sie da vorhaben – „Ob überhaupt“ ist
Der Westen nach einem Jahr Trump
Amerika macht Ernst
1. Trump eröffnet international, in Sachen Welthandel wie Weltkreditsystem, und an der Heimatfront einen Wirtschaftskrieg gegen bislang Verbündete wie gegen Rivalen und verspricht Amerikas Sieg in einem neu eröffneten Rüstungswettlauf
Amerikas Präsident hat nie einen Zweifel daran gelassen,
dass er meint, was er sagt, und tut, was er meint.
Angesagt hat er bis zum Überdruss, dass die Leitlinie
seiner Präsidentschaft: America first!
politische
Offensiven an mehreren Fronten einleitet. Er will dem
heimischen Kapitalwachstum auf die Sprünge helfen; nicht
bloß aus Kumpanei mit den Reichen und Superreichen im
Land, sondern aus strategischen Gründen:
„Eine wachsende und innovative Wirtschaft ermöglicht es den Vereinigten Staaten, die stärkste Militärmacht der Welt zu bleiben und unser Heimatland zu schützen.“ [1]
Zu diesem Zweck will er einen freien, vor allem aber fairen Welthandel; damit meint er eine substanzielle Korrektur der weltweiten Waren- und Geldströme in dem Sinn, dass das viele Geld, das andere Nationen einseitig in und an den USA verdient und in solchem Maß in Gestalt amerikanischer Schulden akkumuliert haben, dass Amerika per Saldo eigentlich überhaupt kein Geld mehr hat,[2] in sein Herkunfts- und wahres Heimatland zurückfließt. Das schließt die Eintreibung der Gelder, die Amerika für den militärischen Schutz seiner Verbündeten ausgegeben hat, von diesen Partnern ein. Das strategische Ziel, das der Präsident damit verfolgt, ist in dem zitierten Strategie-Papier seiner Regierung denkbar klar angegeben: Die USA sollen die mächtigste Militärmacht der Welt bleiben.
Dass die USA dies sind: Daran haben die
Fachleute in Trumps Administration keinen Zweifel.
Skeptisch sind sie in Hinblick auf den
imperialistischen Sinn und Zweck ihres
überlegenen Vernichtungspotentials, auf den
politischen Ertrag, den es für Amerika abwirft.
Was taugt es zur Durchsetzung der Rechte, die
die Nation bei der ökonomischen Benutzung der restlichen
Staatenwelt und der Aufsicht über ihr politisches
Wohlverhalten verfolgt, fragen sie sich auftragsgemäß,
und da fällt ihr geostrategischer Blick rund um den
Globus wenig zufriedenstellend aus. Im pazifischen Raum
rüstet sich China zur strategischen Gegenmacht
auf; im eurasischen Zentrum widersetzt sich
Russland nicht nur im Umgang mit den Anrainern
seiner Degradierung zur ‚Regionalmacht‘, sondern nimmt
sich auch die Freiheit heraus, seinen Verbündeten in
Syrien an der Macht zu halten; am
Kriegsschauplatz dort fällt auch und immer noch der
Iran unangenehm auf, der sich bei der
Wahrnehmung seiner souveränen Rechte von der überlegenen
Gewalt der Weltmacht ebenso wenig beeindruckt zeigt wie
Nordkorea. Komplettiert wird die Aufstellung der
Herausforderungen
, die die internationale
Sicherheitslage
für Amerika darstellt, dann durch den
internationalen Terrorismus
von IS und anderen
NGOs, so dass für die Strategen der Weltmacht eines
unabweisbar ist: Die Macht der USA mag groß genug sein,
die Welt mehrfach in Schutt und Asche zu legen, aber das
Aufkommen zweier Rivalen
zu verhindern und die
zusammen mit den anderen Schurkenstaaten
und
Terrorverbänden von ihren antiamerikanischen Umtrieben
wirksam abzuschrecken – das hat sie offenbar
nicht vermocht. Dass sich gegen die einzig
verbliebene Supermacht
Mächte aufstellen und zu
behaupten suchen, können und wollen sich Trump und seine
strategischen Kader jedenfalls nicht anders erklären als
durch Zweifel, die auf deren Seite, sei es in
Bezug auf die militärischen Fähigkeiten der
Weltmacht, sei es den politischen Willen
betreffend, von denen auch praktisch Gebrauch zu machen,
vorhanden sein müssen. Also besteht die Behebung
der ausgemachten sicherheitspolitischen Defizite Amerikas
in der Ausräumung dieser Zweifel. Aus dem
Recht des Stärkeren, das Trump bei seinen
weltpolitischen Manövern zur Restaurierung der Pracht und
Herrlichkeit seiner Nation geltend macht, leiten die
Regierenden der USA die nötige Aktualisierung der
politischen Funktion ab, für die die
Gewaltpotenzen ihrer Nation zu taugen haben, und
operationalisieren diese Funktion in einer gigantischen
Aufrüstung und einer Militärstrategie,
die jedermann davon zu überzeugen hat, dass hier
buchstäblich eine Welt-Macht, ein über
allen seinen staatlichen Konkurrenten stehender
Quasi-Monopolist der Gewalt seine Rechte
besorgt: Überlegenheit auf allen
Feldern des Vergleichs der Waffen – damit verschafft sich
Amerika ab sofort bedingungslosen weltweiten Respekt.
In diesem Sinne machen die USA weltöffentlich bekannt, wozu ab sofort ihre Waffen zu taugen haben:
„Die Vereinigten Staaten müssen ihre absolute militärische Überlegenheit [‚overmatch‘] wiedererlangen – die Kombination von Fähigkeiten ausreichender Größenordnung, um einen gegnerischen Erfolg zu verhindern und um sicherzustellen, dass Amerikas Söhne und Töchter niemals einen Kampf von Gleich zu Gleich bestehen müssen. Absolute militärische Überlegenheit stärkt unsere Diplomatie und erlaubt uns, das internationale Umfeld zum Schutz unserer Interessen herzurichten. Um absolute militärische Überlegenheit wiederzuerlangen, müssen die Vereinigten Staaten unsere Fähigkeit wiederherstellen, innovative Ressourcen zu produzieren; sie müssen die Bereitschaft unserer Streitkräfte wiederherstellen, größere Kriege zu führen, und sie müssen die Größe der Truppe erhöhen, so dass sie fähig ist, Operationen im erforderlichen Umfang und längerfristig durchzuführen, um in einem breiten Spektrum von Szenarien zu siegen. Wir müssen Gegner davon überzeugen, dass wir sie besiegen können und wollen – und nicht nur strafen, wenn sie die Vereinigten Staaten angreifen. Wir müssen die Fähigkeit glaubhaft machen, mögliche Feinde entschlossen abzuschrecken, indem wir sie davon überzeugen, dass sie durch den Gebrauch von Gewalt oder anderer aggressiver Maßnahmen für sich keinen Vorteil erlangen werden.“ (NSS, S. 29)
Die Ansage adressiert sich eher nicht an die Söhne und
Töchter Amerikas, denen der Sieg in ihrem Kampf um die
Rechte ihrer Nation garantiert wird. Die Botschaft, auf
jedem potenziellen Kriegsschauplatz jeden erdenklichen
Niveaus mit einer Überlegenheit antreten zu
wollen, die jeden potenziellen Gegner im Idealfall ex
ante, in jedem Fall aber ex post und praktisch definitiv
von der Hoffnungslosigkeit des Unterfangens überzeugt,
sich ernsthaft den Interessen der Weltmacht widersetzen
zu wollen, ergeht im Besonderen an die im
Strategie-Papier als Quelle der Herausforderungen
für Amerikas Sicherheit namhaft gemachten staatlichen wie
nichtstaatlichen Subjekte, im Allgemeinen aber genauso an
den Rest der Staatenwelt: Sie alle werden davon in
Kenntnis gesetzt, dass die USA Ernst machen mit
ihrem Anspruch, jede internationale Gewaltaffäre vom
Standpunkt des in allen militärischen Belangen haushoch
überlegenen Gewaltmonopolisten in Angriff zu nehmen –
und, nach langen Jahren der sträflichen Vernachlässigung
des Militärs, das dafür Nötige auch zu tun. Die Diagnose
der Trump-Regierung über den Zustand ihrer Streitkräfte
fällt nämlich gnadenlos aus: Modernisierung fiel den
jüngsten Haushaltsstreitigkeiten zum Opfer
, erläutert
der Offizielle bei der Vorstellung der jüngsten ‚Nuclear
Posture Review‘, und das ist nur die eine Hälfte des
Problems. Während Amerikas Truppe eine zeitgemäße
Ausstattung versagt worden ist, haben nämlich die Rivalen
China und Russland Fortschritte erzielt, die das
Abschreckungspotential der USA zu entwerten drohen. Zu
konstatieren ist
„die Erosion der militärischen Überlegenheit gegenüber China und Russland, die, falls man ihr nicht begegnet, letztlich unsere Fähigkeit zu Abschreckung und Zwang unterminiert... Die beiden Nationen haben die letzten 25 Jahre darauf verwendet, Wege und Möglichkeiten zu studieren, um Amerika seinen größten militärischen Vorteil zu bestreiten, die Fähigkeit, Truppen überall in der Welt einzusetzen und sie dann zu halten. Den Methoden zur Versperrung des Zugangs zu bestimmten Gebieten [‚anti-access, area-denial methods‘], die Russland und China entwickelt haben, muss entgegengetreten werden, und diese neue Strategie bestimmt die Strukturen, um die herum diese Fähigkeiten aufzubauen sind.“ [3]
Aus amtlicher Sicht ist den USA nicht weniger
verlorengegangen als die Fähigkeit, auf der ihr
Sonderstatus als die Weltmacht in militärischer
Hinsicht beruht: Die Fähigkeit, bei Bedarf jeden Punkt
auf dem Globus gegen jeden Feind besetzen und beherrschen
zu können. Die Wiederherstellung dieser unbeschränkten
imperialistischen Handlungsfreiheit ist daher der
Maßstab, von dem aus Trump die Erneuerung seines Militärs
in allen Waffengattungen angeht. Diesbezüglich
informieren die USA die Staaten der Welt höchstoffiziell
darüber, mit welcher Macht sie es zu tun haben,
die da weltweit zur Durchsetzung ihrer Rechte unterwegs
ist, und womit sie es entsprechend zu tun
bekommen, wenn sie sich diesen widersetzen. Dass die
Restaurierung von Amerikas Militär zur perfekten
Abschreckungsmacht den Ausbau der Fähigkeit zu unbedingt
überlegener konventioneller
Kriegführung mit
einbegreift – z. B. mit einem wundervollen neuen
Flugzeugträger, der Vorreiter eines noch wundervolleren
maritimen Vernichtungspotentials ist, das demnächst auf
den Weltmeeren gegen China die Freiheit der Seefahrt
verteidigen wird –, versteht sich von selbst. Zusätzlich
ergeht der Auftrag an die für Beschaffung zuständigen
Abteilungen im Land, das Arsenal der Atomwaffen durch die
Produktion kleinerer Kaliber – von der bescheidenen Wucht
der Hiroshima-Bombe bis hinunter zum Niveau taktischer
Gefechtsfeldwaffen – zu komplettieren, die, von U-Booten,
Bombern oder sonst welchen Vehikeln auch immer zu welchen
Kriegsschauplätzen auch immer auf den Weg gebracht, das
Kriegsglück zu Amerikas Gunsten entscheiden
sollen: [4]
Regionale Konflikte
gedenkt Amerika demnächst eben
auch mit dem Einsatz einer Waffengattung für sich zu
„lösen“, die bislang dafür vorbehalten war, gegenüber
atomar bewaffneten Rivalen
wie Russland und China
Amerikas Suprematie über die Welt in letzter Instanz zu
garantieren. Derart reservieren die USA sich die
unbedingte Freiheit der Kriegführung. Sie
definieren, wann so ein ‚Konflikt‘ ihre Rechte
ernsthaft tangiert und ein Fall für den Krieg ist, auf
den sie sich so perfekt vorbereiten, und behalten sich
beim dann anstehenden praktischen Vergleich der Waffen
eine Eskalation vor, die allein ihrem Belieben
unterliegt und einzig dem Kalkül gehorcht, diesen für
sich garantiert erfolgreich zu entscheiden. Sich
potenziellen Widersachern gegenüber jeder Berechenbarkeit
zu entziehen, so dass eine militärische
Konfrontation mit der Weltmacht für sie zum
unkalkulierbaren Risiko wird und ihnen auf dem
Wege zu verstehen gegeben wird, dass sie die
Erfolgschancen, die sie sich mit dem Einsatz ihrer
militärischen Mittel ausrechnen, garantiert nicht
haben: Das ist America first!
, die Abteilung
Krieg & Frieden betreffend, und es wird der Staatenwelt
unbedingt glaubwürdig mitgeteilt, nämlich
dokumentiert in den entsprechenden militärischen
Fähigkeiten und der Kundgabe des entschlossenen
politischen Willens, von ihnen bei Bedarf jederzeit
Gebrauch zu machen.
Dieser Logik der Abschreckung als Maxime
imperialistischer Gewalt gehorchen auch die ersten
Maßnahmen zur Revision des Gangs der Weltwirtschaft und
der – eigentlich zivilen – Konkurrenz um die Verteilung
ihrer Erträge. Der Präsident erlässt Strafzölle auf
ausgewählte Konsumgüter, deren Produktion aus Amerika ins
Ausland abgewandert ist, betätigt sich also, und zwar
ganz ausdrücklich, als Ankläger, Richter und Vollstrecker
in eigener internationaler Streitsache. Diese Streitsache
ist selbst gar nicht bloß handelspolitischer Natur:
Derartige Maßnahmen, die den einseitigen Nutzen der USA
aus dem Welthandel sicherstellen sollen, sind Teil der
eingangs zitierten strategischen Beschlusslage, der
zufolge economic security
mit national
security
zusammenfällt. Die Feindschaft, die er mit
seinen handelspolitischen Maßnahmen dem Rest der Welt
erklärt, richtet sich ausdrücklich dagegen, dass andere
Mächte [5] den
internationalen Handel zum Mittel ihrer
Machterweiterung machen, sich also nicht nur auf
Kosten der USA bereichern, sondern mit ihren
ökonomischen Erträgen zugleich gegen die USA
gerichtete Machtmittel akquirieren, ihren strategischen
Status finanzieren und praktisch ausbauen. So
sind Strafzölle und Ausbau des Waffenarsenals zwei Seiten
derselben Medaille: Mit der Kombination beider wird der
Konkurrenz praktisch mitgeteilt, dass die USA den
Welthandel in Zukunft als Basis ihrer Macht
beanspruchen und dazu die rücksichtslose Schädigung
anderer betreiben – und mit ihrer unbedingten
militärischen Überlegenheit alle nötigen Vorkehrungen
gegen jeden denkbaren Einspruch treffen, den sie mit
ihrem Vorgehen provozieren.
Damit sich die Repatriierung aller Quellen ökonomischer
Stärke für die zuständigen Kapitalisten – es ist ja in
jedem Fall die Akkumulation ihres Reichtums, aus
der der Nation ihre Stärke erwächst – auch richtig lohnt,
Unternehmer aus aller Welt die USA als ihr Stamm- und
einzig wahres Heimatland (wieder-)entdecken, tut die
Administration das Nötige. Damit sie ihrem auswärtigen
Zwischenaufenthalt ohne Zögern den Rücken kehren,
verknüpft sie auf wirtschaftspolitisch mutige Weise einen
massiven Steuernachlass für Firmen mit einem ebenso
massiven, also teuren nationalen Investitionsprogramm.
Dessen Durchführung soll heimischen Firmen gut zu
verdienen geben, insoweit auch Arbeitsplätze
schaffen
und im Ergebnis das große Land zu einer
einzigen, zudem von Umweltschutz und ähnlichen
Hindernissen befreiten Wachstumsmaschine herrichten.
Die Kombination dieser beiden Programmpunkte wird nicht
bloß von übelmeinenden Kritikern, sondern auch von
Experten aus Trumps eigener Partei als geld- und
kreditpolitisch prekär eingeschätzt. Dass man der
Initiative vor allem im Ausland von Herzen ein Scheitern
wünscht, verweist freilich darauf, dass auch sie nicht
bloß ein Abenteuer, sondern Teil der
weltwirtschaftspolitischen Offensive der neuen
Präsidentschaft ist. Der Widerspruch zwischen der
absehbaren, von den heimischen Kritikern für bedenklich
befundenen massiven Ausweitung der ohnehin ausufernden
Staatsschuld und der scharfen Kritik des Präsidenten an
der Gläubigerposition von Ländern wie ausgerechnet der VR
China kommt einer Ansage an die Finanzmärkte in aller
Welt und an deren fremde staatliche Hüter und Benutzer
gleich, dass Amerika für die Kosten der Wiedergewinnung
seiner Macht aus eigener Machtvollkommenheit aufkommt.
Den Kredit der Welt, der dafür dann doch nötig ist – also
die weltweite vertrauensvolle Anerkennung der
US-Schuld als unverwüstliche Geldanlage und des Dollar
als Weltgeld – verbucht die Regierung nicht – mehr – als
Abhängigkeit, sondern nimmt ihn mit der Macht,
für die sie Geld braucht, das sie nicht hat, als
Schuldigkeit der mit Dollar wirtschaftenden Außenwelt in
Anspruch. Dass Amerika sich mit dieser Anspruchshaltung
von allen Konditionen freimacht, die die Finanzmärkte bei
den Staatsschulden aller übrigen Länder – und
gelegentlich auch schon bei denen der USA – in Anschlag
bringen, nämlich von jeder kritischen Prüfung der
nationalen Wachstumsaussichten, die diese Kreditschöpfung
ökonomisch rechtfertigen könnten: Damit wissen diese
Märkte auf ihre Art umzugehen. Zugleich setzt sich die
Regierung der USA als Herr des Kredits und Kreditgelds
damit über die weltwirtschaftlich nicht ganz unwichtige
Gepflogenheit der großmächtigen konkurrierenden
Geldschöpfer hinweg, sich über so weitreichende Projekte
vorab irgendwie zu verständigen und so der allseitigen
Abhängigkeit von der wechselseitigen Anerkennung des
nationalen Kredits Rechnung zu tragen.[6] Ebenso gleichgültig sind ihr
allfällige Beschwerden auswärtiger Finanzpolitiker
darüber, dass amerikanische Großkonzerne ihnen Steuern in
Milliardenhöhe schuldig bleiben und durch Trumps
Steuerreform dafür auch noch belohnt werden. Diese
Rücksichtslosigkeit, in Verbindung mit der massiven
Inanspruchnahme der Finanzmärkte durch die USA sowie mit
den auf Fortsetzung angelegten Initiativen der
Administration zur Heimholung
des weltweit
akkumulierenden Kapitals in die USA, kommt einer
Kündigung der bisherigen Weltwirtschaftsordnung bzw. der
gewohnten Sitten im Umgang miteinander und der
Eröffnung eines Wirtschaftskriegs gleich.
2. Trump leistet sich das und kann sich das leisten ...
Der US-Präsident erklärt und rechtfertigt seine Politik mit einer ziemlich wüsten Kritik an seinen Vorgängern: Die hätten mit lauter grottenschlechten Deals die Reichtumsquellen der Nation, nämlich ihre wundervollen Arbeitsplätze für wundervolle Amerikaner, ans Ausland ausgeliefert; auswärtige Regierungen hätten es verstanden, die US-Verantwortlichen über den Tisch zu ziehen und den globalen Geschäftsverkehr himmelschreiend unfair zu gestalten. Nun kommt also er und bringt die Welt wieder in Ordnung. Dafür lobt sich der Präsident ohne jede falsche Bescheidenheit. Und er blamiert sich nicht.
a) ... ausgerechnet wegen der Leistungen genau der zivilen Weltwirtschaftsordnung für Reichtum und Macht der USA, die er praktisch kündigt
Die regierungsoffizielle Verteufelung der überkommenen
Lebensverhältnisse der amerikanischen Nation und die
Anklagen gegen frühere Präsidenten und das Establishment
in Washington entbehren nicht einer gewissen Ironie. Ihr
ganzes Gewicht, ihren ganzen Ernst – es handelt sich ja
nicht bloß um Fake-News
und
Twitter
-Geschwätz, sondern um eine politische
Linie, die tatsächlich die ganze Welt erheblich
durcheinanderbringt und bereits die Ströme des
„globalisierten“ Kapitals umlenkt – verdanken sie den
ökonomischen Potenzen und der strategischen Position als
einzig verbliebene Supermacht
, die die USA sich
unter diesen verheerenden Umständen und unter der Leitung
vaterlandsvergessener Versager an der etablierten
Staatsspitze erwirtschaftet haben. Trumps
unfähige Vorgänger haben immerhin die immer weitere
Herrichtung der Staatenwelt zur ergiebigen Anlagesphäre
für amerikanisches Kapital gesichert, ebenso die damit
einhergehende, fortgesetzte Etablierung amerikanischer
Schulden als konkurrenzlose Geldanlage für
Finanzkapitalisten aus aller Welt. Unter ihrer Ägide hat
es der Weltkapitalismus zu der flächendeckenden Benutzung
aller nationalen Standorte als Mittel für Dollarkredit
gebracht, die dann dafür gesorgt hat, dass die
Wall-Street die ganze Geschäftswelt in ihre Krise mit
hineingerissen hat; was schon keine schlechte Leistung
ist. Auch anschließend hat das amerikanische
Finanzkapital seine beherrschende Stellung in der Welt
der kapitalistischen Spekulation behauptet; die
amerikanische IT-Branche ist zu einer ökonomischen Macht
herangewachsen, die aus der ganzen Welt Geld aufsaugt und
locker über Auslandsvermögen in dreistelliger
Dollar-Milliarden-Höhe verfügt, deren Transfer in die USA
Trump als einen seiner großen Erfolge feiert.
Nach der Seite der Geltung der amerikanischen
Macht haben eben dieselben Vorgänger die
Leadership
Amerikas in der neuen
multipolaren
Welt sowohl in der verbündeten
Staatenwelt wie gegen den Rest durchgesetzt – oder doch
mit aller nötigen Gewalt behauptet; beim Einsatz der
ökonomischen wie militärischen Machtmittel der Supermacht
haben sie jedenfalls nichts anbrennen lassen und für die
dafür nötige Auf- und Umrüstung der amerikanischen
Militärmacht das Ihre getan. Deren von Trump in Grund und
Boden verdammte Leistungen bieten ihm das Podest, von dem
aus er die Revision der weltpolitischen Verhältnisse
betreibt: Nur wegen der weltweiten Erfolge
amerikanischen Kapitals, und weil die Partnerländer sich,
wie berechnend auch immer, als Standorte dafür hergegeben
und außerdem mit ihrer eigenen Kreditgeld-Politik die
fraglose Anerkennung des US-Dollar als Weltgeld sowie des
darin materialisierten US-Kredits gesichert haben, kann
die neue Regierung es sich leisten, den kapitalistischen
Reichtum der Welt für America first!
zu
okkupieren. Nur auf Basis der durchgesetzten und – wie
willig oder unwillig auch immer – am Ende doch allemal
respektierten amerikanischen Leadership
ist der neue Präsident in der Lage, seinen Ankündigungen
wirksame Taten folgen zu lassen und einen zivilen
Wirtschaftskrieg zu eröffnen. Es ist eben gar nicht die
Wahrheit, dass es den USA vor Trump nicht
gelungen wäre, den Rest der Staatenwelt für ihre
weltherrschaftlichen Vorhaben zu instrumentalisieren.
Dass das Ergebnis den Ansprüchen des
Veranstalters nicht genügt, steht auf einem anderen
Blatt.
Insofern ist Trumps Absage an die maximal verfehlte
Weltwirtschaftspolitik seiner Vorgänger dann doch alles
andere als eine Ironie der US-Geschichte. Denn das ist ja
die Kehrseite: Die Trump-Regierung nutzt die ökonomischen
Potenzen und die strategische Ausnahmestellung der USA,
die sie erbt, für eine Offensive gegen alle, die
dabei mitgemacht, für sich daraus eigenen Nutzen
erwirtschaftet, sich genau darüber der
Leadership
Amerikas bedient und diese anerkannt
und praktisch bestätigt haben. Mit seiner Politik, die
ganz zu Unrecht als Protektionismus und Isolation der USA
gegen den Rest der Welt missdeutet wird, benutzt Trump
die Errungenschaften des abgelaufenen amerikanischen
Jahrhunderts
, um die Welt einem neuen Zugriff seiner
Nation zu unterwerfen, der den Kontrahenten den Nutzen
aus ihrer mehr oder weniger konstruktiven Mitwirkung an
Geschäft und Ordnungsgewalt der USA bestreitet. Er
startet damit einen Wirtschaftskrieg, der all die
Bedingungen in Frage stellt und perspektivisch zerstört,
auf denen Amerikas Welterfolg und damit auch die
Fähigkeit der neuen Regierung beruht, ihre rücksichtslose
America first!
-Politik in die Tat umzusetzen.
Diesen Widerspruch seines Bemühens, ‚Amerika
wieder groß zu machen‘, ignoriert Trump, ahnt wohl nicht
einmal etwas davon; mit der ihm persönlich als Charakter
eingeschriebenen unverschämten Selbstverständlichkeit
geht er schlicht von den nationalen Errungenschaften aus,
deren bisherige Voraussetzungen er ruiniert. Und damit
steht er keineswegs allein. Nicht bloß seine Wählerschaft
und seine Partei halten den Imperialismus der
vereinnahmenden Führerschaft mit ihrem Zynismus des
bedingt zugestandenen Eigennutzes der ‚geführten‘
Nationen für irgendetwas zwischen unproduktiv und
Vaterlandsverrat. Die Unternehmermafia der Welt, die
Gilde der Finanzkapitalisten vornedran, nehmen den neuen
Imperialismus des dezidiert einseitigen Nutzens der USA –
ganz ‚pragmatisch‘, wie wertneutrale Kommentatoren ihnen
bescheinigen – als gegebene Lage
, aus der es das
Beste zu machen gilt und aus der sie durchaus auch für
sich Optimales herauszuholen verstehen. Sie kümmern sich
nicht um unerwünschte Neben- und potenzielle
Spätwirkungen, sondern gehen dazu über, die laufende
wirtschaftspolitische Offensive der US-Regierung mit
genau den Investitionsentscheidungen, für Amerika und
gegen Amerikas Konkurrenten, zu honorieren, die Trump
sich von ihnen wünscht. Ihre Bedenken, wenn sie sich in
ihrem eigenen Geschäft geschädigt finden, münden in
Hilfeersuchen an die eigene Regierung, in unterwürfige
Grußadressen an den Herrn des Weißen Hauses in
Washington, auf jeden Fall in berechnende
Anpassungsbereitschaft. Und dafür haben sie auch
stichhaltige Gründe. Zum einen ist der amerikanische
Markt für sie alle viel zu groß und zu wichtig, als dass
etwas anderes für sie in Frage käme. Zum andern kennen
sie – das gilt ganz speziell für die Spezies der
Spekulanten und für den Spekulanten, der noch in jedem
modernen Unternehmer steckt – einen ganz
unökonomischen Gesichtspunkt, unter dem sie die
zerstörerische America first!
-Politik der
Regierung Trump als Geschäftsbedingung zur
Kenntnis nehmen, die sie nicht ignorieren können. Wenn
ein Wirtschaftskrieg America first gegen den Rest der
Welt
angesagt ist; wenn Trump sich daran macht, die
bis gestern noch geltenden Erfolgsbedingungen des
US-Kapitalismus umzuwälzen und sie durch neue zu
ersetzen, dann kommt es für um ihr Wachstum besorgte
Kapitalisten darauf an, auf der richtigen Seite der
Front zu stehen. Dann erinnern sich
globalisierungsfreudige Multis daran, dass ihr Geschäft
in letzter Instanz an der Potenz und Durchschlagskraft
der Macht hängt, der sie sich zugeordnet wissen;[7] und dann ist
das auch der entscheidende Maßstab, den man in
der Welt der Finanzen und ihren spekulativen
Entscheidungen an die Frage anlegt, ob der Kurs von Trump
eher für Kredit und Währung der USA spricht oder für die
der Konkurrenz. So wird der Angriff Trumps auf die
Grundlagen des bisherigen globalisierten Kapitalismus
mitsamt seiner zu erwartenden positiven wie negativen
Wirkungen auf den Gang des Weltgeschäfts als Datum in die
finanzkapitalistischen Entscheidungen eingepreist;
wie das geschieht, gibt dem Kurs von Trump
allemal Recht.
Trump kann sich seine Politik also leisten, ...
b) ... weil er mit seinem Wirtschaftskrieg auf die außerökonomische Grundlage des kapitalistischen Reichtums seiner Nation und der Welt „zurück“kommt: auf die Garantie des Dollar-Kredits – d.h.: seiner weltweiten Gültigkeit – durch die gar nicht zivile Gewalt seines souveränen Schöpfers
Schon an den Reaktionen der Finanzmärkte auf die kühne Kombination von Steuersenkung und Investitionen in die als Heimatfront definierte nationale Infrastruktur – ein Boom auf allen Kanälen, der Kursrutsch an der Börse Anfang Februar zeugt nach allgemeinem Dafürhalten von einem lebhaften spekulativen Interesse an für bombensicher gehaltenen amerikanischen Schuldverschreibungen – wird deutlich: Die Eigentümer und Aufkäufer von US-Schuldpapieren haben es sich – um mit der negativen Seite anzufangen – längst abgewöhnt, die Masse von US-Kredit ernsthaft in ein kritisches Verhältnis zu den Erfolgsaussichten des nationalen Wachstums zu setzen, so als müssten sich die nationalen Schulden der USA ebenso an diesem Verhältnis rechtfertigen, das die spekulative Vernunft bei anderen Nationen gebietet, wenn sie deren Kredite und das dafür in Umlauf gebrachte Kreditgeld bewertet. Für die unbedingte Anerkennung der US-Schuld – dies die positive Seite – kennen die Finanzmärkte eine unverbrüchliche außerökonomische Garantie und auf die gründen sie ihre Spekulation: die Unanfechtbarkeit der souveränen Macht des politischen Subjekts, das diese Schulden, nämlich ihre Verwendbarkeit als Anweisung auf unanfechtbare weltweite Zahlungsfähigkeit, in letzter Instanz garantiert.
Wie richtig die Finanzkapitalisten mit diesem Vertrauen
auf die Höchste Gewalt liegen, bestätigen die politischen
Kontrahenten der USA, von denen keiner eine praktische
Infragestellung des US-Kredits und des US-Dollar
betreibt, geschweige denn fordert; trotz oder gerade
wegen Trump. Denen ist gleich klar, dass die US-Regierung
sie nicht bloß mit ein paar Unterstützungsmaßnahmen für
ihr einheimisches Wirtschaftswachstum und entsprechenden
neuen Konkurrenzbedingungen konfrontiert; dass sie
vielmehr als Administration einer Macht von
strategischem Rang über allen anderen agiert:
eines Staates mit dem most powerful military
der
Welt und mit dem dicksten, zugleich differenziert und
sensibel einsetzbaren und entsprechend wirksam
abschreckenden Atomknopf
. Die souveränen Chefs der
Völkerfamilie gehen – wie Trump selbst – davon aus, dass
Amerikas Kredit durch den strategischen Zweck
gerechtfertigt ist, dem er dient. In der
Rücksichtslosigkeit, mit der die US-Regierung die
Weltwirtschaft für sich in Anspruch nimmt und zugleich
ihren politischen Subjekten den Kampf um ihre Erträge
ansagt, erkennen sie gleich die gar nicht bloß
ökonomische Überlegenheit, die Amerika da geltend macht
und für die es die Welt so dezidiert einseitig
in Anspruch nimmt.
Amerikas Rivalen, von Europa und Japan über Russland bis
zur VR China, finden sich doppelt herausgefordert:
ökonomisch und als Mächte mit strategischen Ansprüchen.
Sie reagieren je nach dem, was Trumps America
first!
bei ihnen in Frage stellt und wie sie folglich
die darin enthaltene Kampfansage auf sich beziehen.
Europa zeigt Wirkung
Europa hat seine Krise bewältigt, die Wirtschaft wächst wieder; das ist – für die, die es so nehmen mögen – die gute Nachricht. Aber was heißt das schon; eines jedenfalls nicht: dass die Union nun am vorkrisenmäßigen Stand ihres Einigungsprojekts, womöglich einfach so, anknüpfen könnte.
1. Der EU kommt nach ihrer Lebenslüge vom allseitigen Geschäftserfolg und kollektiven Machtzuwachs der Nationen auch noch die amerikanische Grundlage ihres Antiamerikanismus abhanden
a)
Das nach innen gerichtete, positive Geschäftsmodell der Europäischen Union ist perdu. Die Finanzkrise, die vor zehn Jahren vom Dollar- auf den Euro-Kredit übergegriffen hat und in den Bilanzen der europäischen Banken noch immer weiterwirkt, sowie die Bewältigung dieser Krise durch Europas potenteste staatliche Geldschöpfer und Kredit-Garanten wirken zerstörerisch auf die beiden Grundlagen der Union und ihrer Jahrzehnt um Jahrzehnt weitergetriebenen Fortschritte.
Das betrifft zunächst das ökonomische Wachstum selbst. Dass sich das – irgendwie, letztlich – bei allen Mitgliedern des Verbundes einstellt, dass dieses mit der Teilnahme an dem Vereinigungswerk verbundene Versprechen – ungleich zwar, aber dann doch – für jeden Staat aufgeht: Dieses Kalkül ist blamiert. Die Finanzkrise war eben nicht bloß eine extravagante, aber vorübergehende „Konjunkturdelle“, sondern ein Offenbarungseid über die Fragwürdigkeit der mit Euro-Kredit und der Gemeinschaftswährung bewerkstelligten Kapitalakkumulation. Der GAU ist bewältigt worden; zum einen mit Unmassen neuen, von Staats wegen geschöpften und garantierten Kreditgelds. Die Garantie war – und ist bis heute – Sache der führenden Wirtschaftsmächte der Union, durch Deutschland vor allem. Zu dieser Garantie hat freilich – zum andern – von Anfang an dazugehört, dass das Finanzdesaster auf die schwächsten Mitglieder, deren Gebrauch des Eurokredits die durch übermächtige europäische Konkurrenz schon lange untergrabene nationale Fähigkeit zu kapitalistischem Wachstum genauso lange überschreitet, abgewälzt wurde. Das hat zwar den Euro als weltweit anerkanntes Kreditgeld gerettet, zugleich aber mit nicht zu übertreffender Deutlichkeit offengelegt, dass das nationale Wachstum der einen auf Kosten der anderen geht. Letztere haben mit der Krise und ihrer Bewältigung die Quittung dafür bekommen, dass ihr nationaler Standort der innereuropäischen Konkurrenz nicht gewachsen ist. Die Idee der ökonomischen Zugewinngemeinschaft, die Europa darstellen sollte, ist seither als Lebenslüge entlarvt.
Weil die Krisenkonkurrenzverlierer neben dem Euro, dem sie nicht gewachsen sind, kein anderes Geld haben, ist ihr nationaler Ruin gleichbedeutend mit der Abhängigkeit von den Rettungstaten der wirtschaftlich starken Garanten des Euro, die in diesem Zuge zu den elitären Dirigenten über seinen Gebrauch aufgewachsen sind. Die Rettung der Staaten, auf die der kleine Kreis um Deutschland erfolgreich die Krise abgewälzt hat, war für die folglich mit dem Preis verbunden, auf das Kernstück aller nationalen Souveränität: die nationale Haushaltshoheit zu verzichten. Diese erpresste Preisgabe des „Königsrechts“ jeder nationalen Legislative war und ist die Quittung dafür, dass sie einst auf ihre Geldhoheit ganz freiwillig verzichtet haben, um sich im Euro die Verfügung über ein wesentlich schlagkräftigeres finanzielles Souveränitätsmittel zu verschaffen, als sie es in ihren nationalen Geldern hatten. Auch diese Kalkulation ist geplatzt und damit das zweite große Versprechen der Union, die Bündelung der ökonomischen und politischen Potenzen der Partnerstaaten mit der Perspektive einer einheitlichen, weltweit respektablen Macht brächte einen substanziellen Souveränitätsgewinn für alle Mitglieder, ebenfalls als Lebenslüge blamiert.
Dass die positive Basis ihres Bündnisses, die Perspektive eines ökonomischen und Souveränitätszugewinns irgendwie für alle, kaputt ist, trifft auch die paar Nationen, die relativ oder sogar absolut gestärkt aus dem Jahrzehnt Krise und Krisenbewältigung hervorgehen. Auch für die erweist sich der strategische wie ökonomische Nutzen ihrer Union zunehmend als fraglich. Ökonomisch können sie – sich – die Konkurrenzverlierer nur erhalten mit immer gewagteren Mischungen aus Austeritätsdiktaten, von deren ruinöser Wirkung auf diese Staaten auch sie nichts haben, und dem Verzicht auf Forderungen, der aber nicht so aussehen darf, damit die uneintreibbaren Schulden nicht doch irgendwann den Gläubigern und damit dem Geld, dessen Qualität nur sie garantieren, zur Last gelegt werden. Und in der Frage der Souveränität sieht sich nicht zuletzt die Führungsnation Deutschland damit konfrontiert, dass der Verzicht auf Souveränität, den sie den anderen abtrotzen will und muss, deren zunehmende, und zunehmend fundamentalistische, Unwilligkeit provoziert. Der Tausch von nationalen Souveränitätsrechten gegen Teilhaberechte am Euroverbund unter der Regie der Mächtigsten wird als Methode des Bündnisfortschritts in dem Maße un- bis kontraproduktiv, wie er immer mehr als offene Erpressung mit elementaren ökonomischen Abhängigkeiten stattfindet.
b)
Die nationalen Protagonisten und supranationalen Funktionäre der EU halten aber weiter daran fest, dass sie die Union brauchen und wollen. Was sie zu der festen Überzeugung bringt, dass ihr Zusammenhalt in dieser Zeit umso mehr – bei allen Schwierigkeiten, die sie einräumen – gefragt ist, wird in einer idealistischen und einer sehr viel realitätsnäheren polemischen Fassung bei jeder Gelegenheit zu Gehör gebracht. Hochtönend beschworen wird die Idee der Friedenssicherung in Europa; allen Ernstes wollen die Führer der Unionsstaaten gewürdigt wissen, dass sie seit Jahrzehnten keinen Krieg mehr gegeneinander angezettelt haben. Das ist freilich bei Licht betrachtet weniger ihre eigene Leistung, schon gar nicht die ihrer unverwüstlichen Friedensliebe, sondern erstens die der USA, die zweitens mit der Nato die Westeuropäer zu einer Weltkriegsfront gegen den sowjetischen Hauptfeind zusammengeschmiedet haben. Was diese Zwangsgemeinschaft mit und unter Amerika betrifft, so liefern die deutschen und französischen Häuptlinge der Union gerne die zweite Klarstellung: Sie sind, erklären sie, durch die neue US-Politik genötigt, ihr „Schicksal“ als vereinte europäische Macht mit Anspruch ab sofort in die eigenen Hände zu nehmen. Und das wirft ein ziemlich realistisches Schlaglicht auf den Sinn und Zweck des Unternehmens, aus Westeuropas kapitalistischen Ländern innerhalb der westlichen Allianz eine eigene Gemeinschaft mit weitreichender, nämlich auf Großmacht zielender Perspektive zu machen. Denn Deutschland und Frankreich lassen sich – wie immer, wenn Staaten Notwendigkeiten einsehen, denen sie mit aller Macht Folge zu leisten gedenken – durch all die beschworenen aktuellen Drangsale zielsicher auf die Alternativlosigkeit ihres sehr traditionsreichen Willens zur Emanzipation von und Gleichrangigkeit mit den USA stoßen. Was ihren Verein tatsächlich, auch nach Verlust seiner inneren, positiven Leistungen für die Mitglieder, zusammenhält, das mag für die schwächeren Mitglieder der übrig gebliebene negative Gesichtspunkt sein, dass ihre weitreichende Verstrickung in den gemeinsamen Wirtschaftsraum, das Gemeinschaftsrecht und – bei etlichen bereits – das kollektive Kreditgeld ihnen so gut wie keine bessere oder überhaupt praktikable Alternative lässt. Der positive Grund für die Macher der Union jedoch, ihren Laden eisern zusammenzuhalten, ist die polemische Seite ihres imperialistischen Wachstumsprojekts, die keine Abstriche verträgt, ihre Konkurrenz als EU gegen ihre amerikanische Führungsmacht; also die immer wieder verleugnete, tatsächlich aber die Logik ihres Unternehmens bestimmende Stoßrichtung gegen Amerika.
Dieser Antiamerikanismus innerhalb des von den USA
zusammengehaltenen „freien Westens“ ist nicht eine neue
Antwort der Europäer auf die neueste Wende der USA unter
Trump, sondern der Geschäftszweck ihres Ladens
seit jeher, der imperialistische Stachel für alle
Beteiligten, dieses Konstrukt überhaupt in die Welt zu
setzen und durch alle Widersprüche hindurch, die ihm ja
auch nicht erst seit der Krise eigen sind, immer weiter
voranzutreiben. Was sollte Trumps Linie America
first!
, die ja ihrerseits eine
Konkurrenzinitiative neuen Typs darstellt: den
Anlauf der amerikanischen Weltmacht, die internationale
Konkurrenz um Reichtum und Macht von oben her
neu aufzurollen, denn in bzw. an Europa auch anderes
gefährden als eben die gegen sie gerichteten Bemühungen
ihrer Konkurrenten und Rivalen? Schon der Gründung der
Europäischen Gemeinschaft lag die Kalkulation zu Grunde,
dass im Verhältnis zum überlegenen Amerika jede einzelne
der sehr ambitionierten europäischen Mächte zu klein sei,
um mit Aussicht auf Erfolg die Konkurrenz aufzunehmen,
und dass unter den Bedingungen der zu Weltkriegszwecken
aufgenötigten Solidarität der Nationen eine Aussicht auf
substanziellen Machtzuwachs, der diese Vaterländer „auf
Augenhöhe“ mit den USA bringen könnte, nur per
freiwilligen Zusammenschluss zu erreichen sei. Das war
und ist der bleibende Orientierungspunkt aller Einigung
und Vergemeinschaftung, die in der Gründung des Euro
ihren vorläufigen Höhepunkt gefunden und die bislang noch
jede Krise überdauert haben.
c)
Kein Wunder also, dass der Antiamerikanismus Europas auflebt, wenn sich in Amerika die politische Leitlinie durchsetzt, dass sich die Weltführungsmacht viel zu viel Antiamerikanismus – nicht nur Europas – hat bieten lassen und dies ab sofort entschieden korrigieren wird. Die Entschlossenheit bis Hektik, mit der die Europäer auf den Anti-Antiamerikanismus Trumps reagieren und die Dringlichkeit größter Eigenanstrengungen zur Emanzipation von Amerika und zu machtvoller Eigenständigkeit beschwören, lässt zugleich erkennen, in welchem doppelten Sinn Amerikas Übermacht und Führungsrolle tatsächlich die Geschäftsgrundlage ihres Zwecks und des jahrzehntelang praktizierten Modells seiner Umsetzung gewesen und geblieben ist.
Nämlich nicht nur in dem negativen Sinn, dass die Überlegenheit der USA auf jedem Feld, das für zivilisierte Nationen von Belang ist, für die Europäer mit ihrem unbedingten Aufstiegswillen wie ein Sachzwang zu kollektivem Gegenhalten gewirkt hat. Dass und wie sie per Zusammenschluss die Konkurrenz mit Amerika führen wollten und bis heute führen, das lebt umgekehrt auch davon, dass die große Macht auf der anderen Seite des Atlantik ihnen dafür positiv die Voraussetzungen liefert und immer geliefert hat: beides zusammen der Widerspruch, mit dem Europas Imperialisten seit jeher aus eigener Kraft fertigwerden wollen und nunmehr müssen.
Unverzichtbare Geschäftsgrundlage ihres antiamerikanischen Kollektivismus waren – und sind bislang – die USA erstens eben dadurch, dass sie mit ihrer qualitativ überlegenen Militärgewalt die kapitalistischen Nationen Europas in ein Bündnis bugsiert haben, das für alle mehr sein sollte und mehr war als ein vorübergehendes Zweckbündnis, vielmehr die außenpolitische Prämisse für alle beteiligten Staaten, die sich fortan „der Westen“ nannten und in der NATO ihren nach außen gerichteten Bündniszweck organisierten, womit Gewalt gegeneinander ganz prinzipiell ausgeschlossen war. Diese Relativierung der Souveränität der europäischen Subjekte der „freien Welt“ durch ihre transatlantische Führungsmacht garantiert den viel gepriesenen innereuropäischen Frieden – gegen alle Zumutungen, die sich die Europäer im Rahmen ihres Bündnisses in Sachen Souveränität und Souveränitätsverzicht wechselseitig bereiten.
Zweitens haben die USA ihre überlegene Gewalt dafür eingesetzt, dass ihnen und ihren atlantischen Bündnispartnern die Welt als Schauplatz und Mittel ihres Eigennutzes verfügbar geworden ist. Die Europäer durften und sollten sich darum kümmern, ihren nationalen Kapitalismus voranzubringen, dafür einander und Dritte nach Kräften ausnutzen, also auf allen Feldern und mit allen Methoden auf dem Weltmarkt konkurrieren, dem die USA nicht nur die zivilen Regeln verpasst haben, sondern auch die Maßregel, dass sie auf ihre Interessen und den Schutz ihrer Freunde und Alliierten nichts kommen lassen.
Dem derart „globalisierten“ Kapitalismus haben sie drittens auch sein Lebensmittel spendiert, den unentbehrlichen Stoff jeglicher kapitalistischen Konkurrenz: Kapital in der Form von Kredit, der als Vorschuss aller kapitalistischen Bereicherung seine segensreichen Wirkungen entfaltet, als Anspruch auf Vermehrung dann aber auch bedient sein will und damit zur allgemeinen Maßgabe kapitalistischer Wachstumserfolge wird. Mit ihrem Dollarkredit stellten die USA der Welt diesen Stoff zur Verfügung, einschließlich ihres gigantischen Finanzmarkts, auf den und dessen Produkte jeder ökonomische Akteur von Rang auf dem Weltmarkt für seine ökonomischen Konkurrenzbemühungen zugreifen musste und durfte; um den Zuspruch der einschlägigen Agenturen zu ihren Schulden müssen und dürfen sich alle Staaten bemühen. Das in Ratings und Zinsen ausgedrückte Ver- oder Misstrauen der großen Finanzmarktakteure gegenüber den Schulden aller Nationen ist seither das Erfolgsmittel und der gültige Erfolgsmaßstab auch aller staatlichen Konkurrenzanstrengungen.
Das ist der allgemeine „Rahmen“, den Amerika gesetzt, das Angebot, das es unterbreitet hat, wie der Zwang, dem sich niemand entziehen durfte und darf. Diesen „Rahmen“: die von Amerika vorgegebene Mischung aus Zwang, Chance und Mittel, haben die Europäer be- und weidlich ausgenutzt; in ihm haben sie mit ihrem antiamerikanischen Projekt Karriere gemacht. Die großen Nationen Europas sind so zu neuer ökonomischer Stärke gelangt, haben sich in die Lage versetzt, die Welt für ihr Wachstum auszunutzen, und ihren Geldern den zwar nachrangigen, aber anerkannten Status als solide staatliche Haushaltsmittel verschafft. Und zwar so erfolgreich, dass sie sich sogar den Übergang trauten, die in ihrer Härte die weltmeisterlichen deutschen Konkurrenzerfolge der Jahrzehnte davor bilanzierende D-Mark mitsamt allen anderen europäischen Währungen wegzuschmeißen und sich einen Euro zu basteln: Mit dieser Erfindung wollten und wollen sich die Europäer ein dem Dollar ebenbürtiges Geld verschaffen, das sie – vermittelt über den Zuspruch der Finanzmärkte zu ihrem schönen neuen Geld, auf den hin sie ihren gesamten Umgang mit ihm ausrichteten – in die Lage versetzen soll, nicht nur den ökonomischen Kampf um den Reichtum der Welt gegen Amerika in neuer Weise zu führen. Sie wollen Amerika auch die auf dem Dollar beruhende Sonderrolle bei der Definition und Durchsetzung der verbindlich einzuhaltenden Regeln dieser zwischenstaatlichen Konkurrenz streitig machen. Auch und gerade für diesen Schritt der Konkurrenz mit Amerika und der Emanzipation von dessen Sonderrolle als einziger Macht, die in ihrem nationalen Kredit über ein global unwiderstehlich wirksames ökonomisches Mittel für ihren Imperialismus verfügt, beanspruchen die Europäer den von Amerika verfügten und garantierten Rahmen.
2. Europas Macher sehen sich herausgefordert, ihre Union zu „vollenden“ – was tatsächlich bedeutet: Sie müssen ihrem widersprüchlichen Projekt eines eisern zusammenhaltenden weltmächtigen Kollektivs ehrgeiziger Nationalstaaten nun aus eigener Kraft eine neue Geschäftsgrundlage von der Wirksamkeit der alten westlichen Kriegsallianz verschaffen. Und das noch dazu unter der erschwerenden Randbedingung, dass die regionale Komplettierung ihrer Union, die Ausdehnung ins einst verschlossene Feindesland, mit dem Zuerwerb befreiter Nationalisten ihrem Einigungsprojekt wie ihrem Antiamerikanismus zuwiderläuft
a)
Durch Trumps neue Linie kommt den Europäern nach ihrem Geschäftsmodell nun also auch noch ihre Geschäftsgrundlage abhanden – die interne wie die weltordnungspolitische –, die im Willen Amerikas bestanden hat, den kapitalistischen Eigennutz der Europäer zum Hebel ihrer unbedingt proamerikanischen Ausrichtung und zum Mittel seines Dollarkapitalismus zu machen.
Weil sie an ihrem Geschäftszweck festhalten, belebt das den Antiamerikanismus der europäischen Führungsnationen und verpasst ihm zugleich einen neuen Imperativ: Ihre bis dato gepflegte, nun perspektivisch verunmöglichte Tour des Ausnutzens amerikanischer Lizenz und Duldung ihrer Konkurrenzbemühungen, die darin steckende Anerkennung Amerikas als „indispensable nation“ für jede Konkurrenz auch gegen Amerika selbst, müssen sie im Prinzip ersetzen durch eigene Garantieleistungen für die Grundlagen und Bedingungen ihres imperialistischen Konkurrierens. Wenn jetzt allenthalben davon die Rede ist, dass Europa vollendet werden müsse, dann muss an Europa eben dies vollendet werden: seine Emanzipation von Amerika – und zwar auf allen drei Feldern, auf denen Amerika bisher die Voraussetzungen ihres antiamerikanischen Strebens aufrechterhalten hat. Die Mitglieder der Union müssen nicht bloß untereinander weiter Frieden halten, sondern die Relativierung ihrer Souveränität, die mit dem Programm der tendenziellen Vereinigung ihrer Militärmacht und einer wirklichen gemeinsamen Außengrenze – nicht bloß gegen harmlose Flüchtlinge – unweigerlich verbunden ist, als Prämisse ihrer Staatsräson akzeptieren. Sie müssen für die Wahrung ihrer Rechte in der weiten Welt einen gemeinsamen Gewaltgebrauch über die gemeinsame Außengrenze hinaus organisieren und auch durchführen. Und sie müssen mit ihrem Euro die internationalen Finanzmärkte „erobern“, i.e. unwiderruflich zum Marktplatz ihrer kollektiven Kreditschöpfung machen, auch gegen die Übermacht des weltweiten Dollar-Marktes und die Konkurrenz aus Fernost.
Entsprechend der Größe und der Widersprüchlichkeit dieser Aufgabe enthält das ein schon jetzt nicht zu übersehendes Potenzial für Streit zwischen diesen Nationen.
b)
Dabei müssen die maßgeblichen Macher der Union nicht bloß ihren Partnern im Allgemeinen eine bessere Perspektive fürs Mitmachen bieten als die Aussicht auf Ruin im Falle des Ausscheidens; speziell denen, die im Bemühen um eine dann doch gar nicht so egalitär gemeinschaftliche imperialistische Größe oder erst recht im damit unlösbar verknüpften Antiamerikanismus für sich keine so unabweisbare Notwendigkeit sehen. Die ambitionierten Führer der Union müssen außerdem mit einem speziellen Widerspruch fertigwerden, den sie sich mit der erfolgreichen Okkupation ihrer östlichen Nachbarschaft selbst geschaffen haben. Zwecks Entfaltung eigenständiger imperialistischer Ordnungsmacht haben sie es für nötig gehalten und verfolgen weiterhin das Ziel, den ganzen „alten Kontinent“ unter ihre Kontrolle zu bringen und in die geplante Weltmacht Europa zu integrieren; friedlich, also auf dem Wege des freiwilligen Anschlusses, so wie sie ihre Union untereinander, innerhalb des westlichen Bündnisses, zustande gebracht haben. Damit vergrößern sie ihren Klub allerdings zum einen um lauter ökonomische Problemfälle: Länder, die die Unbrauchbarkeit ihrer vom Sozialismus ererbten Ökonomien für deren „Transformation“ zu nationalen Marktwirtschaften zu bewältigen haben und auf jeden Fall mangels eigenen Kapitals von der Erschließung durch und für ausländische Firmen abhängig sind. Diese Nationen sollen einerseits mit dem Beitritt zum Binnenmarkt und der Übernahme der Gemeinschaftswährung unwiderruflich, sachzwanghaft, an die Führungsmächte gebunden werden; dies andererseits so, dass sie für die und deren gutes Kreditgeld auf keinen Fall zur Belastung geraten, was für sich schon eine mission impossible ist. Zum anderen sind diese Nationen Problemfälle für ihre Integration in die Union insofern, als sie sich durch die Zerstörung des sowjetischen Bündnisses vor allem zur Freiheit im Sinne souveräner Eigenstaatlichkeit ermächtigt sehen und in den Angeboten zur Subsumtion unter Europas Errungenschaften nur sehr bedingte bis überhaupt keine guten Gründe finden, ihre Freiheit durch einen neuen Supranationalismus – „Brüssel!“ – irgendwie zu relativieren. Dies umso weniger, als ihnen die fest im Programm der EU verankerte Ambition der Führungsnationen Deutschland und Frankreich fremd ist, Europa zum eigenständigen imperialistischen Block heranwachsen zu lassen, der mit den großen Mächten im Westen und Osten strategisch „auf Augenhöhe“ konkurrieren kann. Ein Teil von ihnen verweigert die gegenüber dem militärisch und vor allem nuklear potenten Russland frech praktizierte europäische Linie, dieser östlichen Macht jede Betätigung eigener Interessen und jeden Anspruch auf Mitsprache in ihrem westlichen Umfeld zu bestreiten, das die EU exklusiv für sich reklamiert, wobei sie sich auch durch ökonomische Abhängigkeiten eines Teils ihrer Osterwerbungen von Russland demonstrativ nicht beeindrucken lässt. Andere – die Polen und die Balten – erfahren den für die „alte“ EU konstitutiven Antiamerikanismus als Brüsseler Vorgabe, die ihnen überhaupt nicht recht ist. Sie bestehen auf ihrem entschiedenen „Sicherheitsbedarf“ in Richtung Osten, der sich aus ihrer dezidiert antirussischen Staatsraison ergibt. Die fügt sich in die amerikanische Strategie der per NATO-Ausweitung betriebenen strategischen Eindämmung Russlands wunderbar ein und kommt so zu einem ganz eigenen Proamerikanismus. Die Konkurrenz der großen westeuropäischen Mächte gegen die USA, die sich in Bezug auf Russland ja zwischenzeitlich schon zu alternativen Strategien im Umgang mit dem großen östlichen Nachbarn aufgeschwungen haben – von strategischer Partnerschaft war da immerhin einmal die Rede –, war nie die genuine Sache dieser Fraktion. Für diese Nationen ist der Antiamerikanismus des Clubs, dem sie von vornherein als Mitglieder niederen Ranges beigetreten sind, der aus dem Westen diktierte Preis dafür, Zugang zu dem europäischen Markt, Kapital und Kredit zu erlangen, auf den sie dringendst angewiesen waren und sind – so wie für ihre umgekehrt gepolten Anschlusskollegen die antirussische Ausrichtung Europas der Preis für ihre Eingemeindung in den politisch vereinten Kontinent war und ist. Und beide Fraktionen kalkulieren diesen Preis nun, mit Trump als Präsident Amerikas, neu daraufhin durch, ob sie ihn wirklich zahlen müssen; genauso wie die anderen politischen Kosten, die sie sich für ihre Mitgliedschaft im europäischen Club oder Anwartschaft darauf haben aufnötigen lassen. Sie alle entdecken in der neuen Generalstrategie Amerikas die Chance, Brüsseler Diktate loszuwerden, also das von den Hauptmächten Europas befohlene Junktim zwischen ökonomischer Kooperation und „Hilfe“ einerseits und der dafür geforderten politischen Unterwerfung unter den Kurs immer weiterer Vergemeinschaftung zu einem wirklichen imperialistischen Machtblock andererseits aufzubrechen. Die einen testen Amerika als Verbündeten dafür, andere begeben sich mehr in Richtung Osten auf die Suche nach Unterstützung. Weil nicht nur die eingemeindeten Oststaaten renitent werden, sondern auch die anderen „Kleinen“ neu die Frage danach aufwerfen, was sie vom imperialistischen Ehrgeiz der europäischen Führungsnationen haben, dem sie sich unterordnen sollen, bereichert der gegen die Parole „Europa vollenden!“ immer lauter werdende Ruf „Europa auf den Binnenmarkt zurückschneiden!“ den politischen Diskurs auf dem Kontinent. So bekommen die großen Nutznießer und Vorreiter der „europäischen Idee“ zu spüren, wie Trumps nun ins zweite Jahr gehende Großkorrektur am amerikanischen Imperialismus ihr imperialistisches Projekt Europa von innen weiter zersetzt.
3. Die Anführer des Projekts ‚Weltmacht Europa‘ sehen sich auch darum einerseits nur noch mehr genötigt, es in seiner zielstrebig antiamerikanischen Stoßrichtung zu vollenden. Andererseits sind auch und gerade sie mit dem Widerspruch, für eine kollektive Weltmacht ihre nationale Eigenständigkeit in ihr imperialistisches Großprojekt zu investieren und zu integrieren, überhaupt nicht fertig – dies die Sache, von der das Aufleben eines europakritischen bis -feindlichen „Populismus“ sogar in Deutschland Zeugnis gibt. Das führt, weil da imperialistische Mächte unter sich sind, unvermeidlich zu einem Streit ums „Wie“, der in Wahrheit einer ums „Was“, „Wer“ und – wegen des fundamental widersprüchlichen Charakters dessen, was sie da vorhaben – „Ob überhaupt“ ist
Fortsetzung folgt – unweigerlich in der Sache, demnächst auch wieder in dieser Zeitschrift.
[1] National Security Strategy (NSS), US-Verteidigungsministerium, 2017, S. 17
[2] Wir haben kein
Geld. Unser Land hat kein Geld... Wir werden uns in
Zukunft nicht mehr von all diesen Ländern übers Ohr
hauen lassen. Ich meine, denken Sie nur. Wir haben 21
Billionen Dollar, im Wesentlichen, in Kürze werden wir
21 Billionen Dollar Schulden haben. OK? Und ein
Großteil davon aufgrund dieser schrecklichen,
schrecklichen Vereinbarungen.
(Trump, Interview in der Washington Post,
30.3.16)
[3] Department of Defense Official: National Strategy Will Enhance Deterrence; defense.gov, 19.1.18
[4] Wie da gedacht wird,
demonstriert Verteidigungsminister Mattis am Beispiel
des „Rivalen“ Russland. Für ihn steht fest, dass sich
diese Macht ordnungspolitische Freiheiten in der
Ukraine und anderswo nur wegen ihres Irrglaubens
herausnimmt, dass begrenzte atomare Waffen einen
nützlichen Vorteil gegenüber den USA und ihren
Verbündeten erbringen würden. Russlands Glaube, dass
ein begrenzter atomarer Erstschlag, möglicherweise
unter Einschluss von Atomwaffen niedriger Sprengkraft,
einen solchen Vorteil erbringen könnte, beruht zum Teil
auf Moskaus Einschätzung, dass seine größere Anzahl und
Breite nicht-strategischer nuklearer Systeme in Krisen
und auf niederer Ebene von Konflikten einen zwingenden
Vorteil erbrächten.
Daraus folgt für die USA in
Bezug auf Russland: Die Korrektur dieser verkehrten
Einschätzung ist ein strategischer Imperativ
(Nuclear Posture Review (NPR), S.
7 f.) – dem man am besten dadurch gehorcht, dass
man auch in Sachen atomarer Sprengkraft geringeren
Kalibers alles in den Schatten stellt, was Moskau da
aufzubieten hat. Herstellung von Überlegenheit auf
jeder Stufenleiter der Eskalation ist das Mittel der
Wahl, um nicht vom Gegner in die Verlegenheit gebracht
zu werden, eine Auseinandersetzung in ungewünschter
Weise eskalieren zu müssen, weil man den Schauplatz
anders nicht mehr beherrscht.
[5] Dabei geraten China
und Russland unterschiedlich ins Visier: Russland ist
als handelspolitischer Konkurrent der USA nicht von
Belang, Sanktionen
sind das zivile Mittel der
Wahl, es dem Land möglichst schwer, im Idealfall
unmöglich zu machen, seinen Status als konkurrierende
Militärmacht aufrechtzuerhalten; an die Adresse Chinas
ergeht die Ansage, dass man sein Profitieren am
Welthandel zu schmälern und damit den weiteren Aufstieg
zur strategischen Macht zu erschweren, im Idealfall zu
verbauen gedenkt.
[6] Seine prinzipielle
Absage an derlei Gepflogenheiten dokumentiert Trump
unter anderem mit seinen Auftritten auf den Tagungen
der G7 und G20 sowie beim Weltwirtschaftsforum in Davos
– bei der Tagung der WTO in Argentinien laufen die
US-Vertreter gar nicht erst auf. Diese Veranstaltungen
verdanken ihre Existenz und ihre Tagesordnung überhaupt
nur dem Bedarf der Weltwirtschaftsmächte, sich
wechselseitig des Fortbestands ihrer Übereinkunft zu
versichern, dass sie bei aller Konkurrenz um Kredit –
auch und gerade wegen dessen allseitiger, maßloser
Inanspruchnahme zur Krisenbewältigung, also
gegeneinander – ein gemeinsames Objekt ihrer Sorge, die
Stabilität des Weltfinanzsystems
, kennen – also
anerkennen, dass die Geltung der Schuldenberge der
einen Macht als Kredit in letzter Instanz und
unauflöslich von der Geltung des Kredits der Konkurrenz
abhängt. Veranstaltungen dieser Art nutzt
Trump zielgerichtet für eindeutige Klarstellungen
dahingehend, dass er sich jedenfalls um solche
Notwendigkeiten nicht zu scheren, vielmehr konsequent
das Prinzip der einseitigen Vorteilsnahme am Weltmarkt
zu verfolgen gedenkt. Die diplomatische Versicherung
zwischen den Mächten hat ihre alltägliche Realität im
kreditpolitischen Verkehr der Notenbanken; sorgenvoll
bis begeistert registrieren deshalb die einschlägigen
Experten die personelle Neubesetzung der US-Notenbank
Fed – selbst offenbar ein einigermaßen ungewöhnlicher
Vorgang – mit Vertretern eines expansiven
Kurses
, mit Figuren also, die erwarten lassen, dass
sie Trumps Pläne verständnisvoll kreditpolitisch
begleiten.
[7] Amerikas Autobauer wissen jedenfalls, was die Stunde geschlagen hat, ihnen als vaterländischen Unternehmen also aufgibt:
Fiat-Chrysler will die Produktion des
Pickup-Modells Ram von Mexiko zurück in die USA
verlegen... Der Chef des Autobauers lässt sich nicht
nur von Zahlen und Fakten leiten, sondern auch von der
Moral. ‚Es ist unwirtschaftlich, in den USA zu
produzieren‘, sagte er. ‚Aber wir haben auch eine
Verantwortung.‘ Schließlich seien die Kunden zu 70 %
Amerikaner und der Ram ein zutiefst amerikanisches
Gefährt... Die Konzerne wollen sich mit dem
US-Präsidenten gut stellen, der das Freihandelsabkommen
NAFTA neu verhandelt.
(SZ,
17.1.18) Wenn die Macht es so ansagt, passt die
Moral dann doch wieder prima zum Geschäft.