Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Nachrichten aus Weißrussland und Rumänien:
Der Westen baut den Osten auf – Fortschritte und Rückschritte
Not herrscht in den ehemaligen Ostblockstaaten. Die freiheitlich-demokratische Berichterstattung klärt über die Unterschiede auf: In Weißrussland wegen einer falschen Regierung, in Rumänien trotz einer Regierung, die auf dem richtigen Weg ist. Ja, dann.
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Systematischer Katalog
Länder & Abkommen
Nachrichten aus Weißrußland und
Rumänien
Der Westen baut den Osten auf –
Fortschritte und Rückschritte
Um Weißrußland, eines der Zerfallsprodukte der ehemaligen
Sowjetunion, steht es auch Anfang April 1999 nicht gut,
wie die Süddeutsche Zeitung am 7.4. in einem kleinen
Kasten im Auslandsteil berichtet. Margarine und Butter
sind knapp, Zucker, Sekt und Klopapier sind Mangelware.
Das geht schon länger so und verwundert unseren
Berichterstatter überhaupt nicht: Das Land wird von
Präsident Lukaschenko und seinem ‚Marktsozialismus‘
ruiniert.
Der Mann regiert einfach grundverkehrt. Die
Zerlegung der alten Sowjetmacht will er glatt revidieren,
teilweise wenigstens, und betreibt den Anschluß seiner
Nation an Rußland. Dazu läßt sich dieser Unverbesserliche
dieses wie auch den Rest seiner Vorhaben von seinen
Volksmassen in Wahlen und Referenden absegnen, und weil
ihm Verfassung und alle übrigen heiligen Kühe des
demokratischen Regierens so offensichtlich egal sind,
mußte der Westen
selbstverständlich die
Finanzhilfe einstellen
, mit der er ansonsten den
jungen Nationen auf ihrem schwierigen
marktwirtschaftlichen Reformweg unter die Arme zu greifen
pflegt. Und was macht dieser Lukaschenko? Bessert er
sich? Von wegen! Der macht glatt auch ohne westliche
Hilfe weiter. Anstatt sich am vorbildlichen Beispiel
seiner Nachbarländer zu orientieren, versucht er doch
tatsächlich, mit den Überbleibseln der ehemals
funktionierenden Planwirtschaft eine Art nationaler
Subsistenz- und Notstandswirtschaft zu organisieren. Dem
für alle Transformationsländer maßgeblichen Gesetz,
entweder marktwirtschaftlich rentabel oder gar nicht zu
produzieren, beugt er sich nicht und verstaatlicht
wieder fast die gesamte Volkswirtschaft
. Die
Ernährungslage seiner Bevölkerung den Künsten von
Schiebern und anderen Glücksrittern auf dem Trip der
privaten Geldvermehrung zu überantworten, hat er
gleichfalls nicht vor, also rationiert er
Grundnahrungsmittel, leiert die Reste der alten
Agrarproduktion wieder an, unterbindet Schwarzhandel und
bremst Schmuggel durch scharfe Kontrollen an der
Grenze
. Um wieder selbst Herr der eigenen Wirtschaft
zu werden und wenigstens die noch vorhandene Fremdwährung
bei der Nationalbank zu konzentrieren, wird der
ohnehin bereits stark eingeschränkte Devisenhandel ganz
verboten
, für den inneren Bedarf rotieren die
Gelddruckmaschinen
– alles nicht besonders
revolutionäre, im Arsenal noch jeder kapitalistischen
Wirtschaftspolitik bereitliegende und bei Bedarf auch
angewandte, also auch für einen bürgerlichen Kopf gut
nachvollziehbare Maßnahmen der Standortpflege in Zeiten
des Notstands. Weil er sich aber für die neuen
Trümmerstaaten auf dem Gebiet der ehemaligen UdSSR
partout keinen andere Zukunft vorstellen will als die
weisungsgebundene Verwaltung westlichen Kredits, hält der
Berichterstatter der SZ den Präsidenten und seine Politik
– höflich ausgedrückt – einfach für bizarr
. Der
Mann ist entweder nicht mehr bei Trost, wenn er glaubt,
Wirtschaft – und sei es auch nur eine weißrussische
Notökonomie – sei ohne Kapital zu machen. Oder – immerhin
hat man es ja hier mit einem ehemaligen KGB-Offizier
und späteren Kolchosvorsitzenden
zu tun – er hat
seine bolschewistische Vergangenheit noch nicht
überwunden, „sonst hätte er längst Frieden mit den
westlichen Regierungen gemacht.“ Richtig
brüllkomisch wird Lukaschenko, wenn er behauptet,
„sein Land brauche keine Hilfe“ und
den umliegenden Staaten empfiehlt, den
‚Marktsozialismus‘ nach weißrussischem Vorbild
einzuführen
– das macht den Mann zu einer echten
Witzfigur
. Nur noch totlachen kann man sich in der
SZ-Redaktionsstube über einen, der nicht einsehen will,
daß es sich genau andersherum verhält und die
Konkursverwaltung, wie sie in seinen Anrainerstaaten
stattfindet, das Vorbild ist, nach dem er sich zu richten
hat.
*
Zum Glück geht es aber in manchen dieser umliegendenden Staaten des ehemaligen Ostblocks seriöser zu als in Weißrußland. In denen wird nämlich inzwischen sehr ordentlich regiert, in Rumänien beispielsweise, wie derselben Zeitung drei Tage vorher zu entnehmen ist:
„In Rumänien werden in den kommenden Monaten etwa 100000 Menschen aus Staatsbetrieben entlassen, die nach Vereinbarungen mit der Weltbank privatisiert, umstrukturiert oder geschlossen werden… Mehr als 50% der arbeitenden Bevölkerung Rumäniens sind im staatlichen Sektor beschäftigt… Die Weltbank hat einen Kredit von 300 Millionen in Aussicht gestellt… Weitere 500 Betriebe sollten bis zur Auszahlung der zweiten Kreditrate privatisiert werden… auf der Privatisierungsliste stünden auch Großwerke.“
Die rumänische Regierung hat eingesehen, daß sie ohne
westlichen Kredit nicht auskommt. Damit ihr die famose
westliche Hilfe überhaupt in Aussicht gestellt wird, muß
sie allerdings gewisse Vorleistungen erbringen. Die
Großzügigkeit, sich in Höhe von 300 Mio. verschulden zu
dürfen, wird ihr nur gewährt, wenn sie die Grundlagen der
rumänischen Nationalökonomie bzw. das, was nach zehn
Jahren Reformpolitik davon noch übrig ist, gründlich
gesundschrumpft
: Neben dem Kohlebergbau, der nach
und nach gegen den Widerstand der Bergleute zerschlagen
wird, machen die westlichen Gläubiger auch die Auflassung
der nationalen Stahl-, Aluminium- und Lastwagenproduktion
zur Auflage, deren Weiterbetrieb sich marktwirtschaftlich
einfach nicht lohnt. Die Lösung des Rätsels, wie eine in
großen Zügen vorangetriebene Ent-Industrialisierung
Rumäniens in Verbindung mit ganz vielen Auslandsschulden
eine ökonomische Gesundung
bewirken soll, wird
vorderhand auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Dafür
steht mit der Hilfe des Westens jetzt schon fest, daß
sich Rumänien den Standpunkt einer irgendwie noch nach
national-rumänischen Gesichtspunkten organisierten
Ökonomie einfach abzuschminken hat: Was von einer
rumänischen Volkswirtschaft, wenn sie dann endlich
gesundet
ist, noch übrigbleibt, hat für die
möglichst störungsfreie Abwicklung aller Dienste zu
sorgen, die aus der Abhängigkeit des Landes von
ausländischem Kredit erwachsen.
Bis es soweit ist und damit es dazu kommt, werden die reformwilligen Machthaber im Land auch noch andere Kostproben ihres guten Regierens abliefern können – die Überzeugungskraft des anvisierten marktwirtschaftlichen Fortschritts, der Millionen von Industriearbeitern, die ohnehin schon wenig zu Lachen haben, endgültig den Lebensunterhalt entzieht, dürfte sich nämlich in engen Grenzen halten. Doch insofern die Menschenrechte die letzten staatlichen Prügelorgien gegen die streikenden Bergarbeiter und für die Herstellung einer Einvernahme zwischen Volk und Führung ausgezeichnet überstanden haben, kann gar kein Zweifel darüber besteht, daß das Land auf dem richtigen Weg ist.