Das Verfahren Yukos vs. Russia: Der Schiedshof in Den Haag versieht das Urteil „Unrechtsstaat“ mit einem Preis von 50 Mrd. Dollar
Ein Stück Weltordnung in Sachen Energiemarkt

Das Schiedsgericht in Den Haag hat entschieden, dass den Vertretern einiger Finanzorganisationen, Abkömmlingen des ehemaligen russischen Ölmultis Yukos, Forderungen in der Höhe von 50 Milliarden Dollar gegen die russische Staatsmacht zustehen. Die Kommentare der deutschen Öffentlichkeit fallen etwas gemischt aus, so etwa die Stellungnahme des Handelsblatts:

„Der Schadensersatz in Milliardenhöhe zeigt auch, welche Macht Schiedsgerichte in der heutigen Wirtschaftswelt haben – es handelte sich um das größte Verfahren in der Geschichte der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit. Das Urteil könnte den Gegnern des Freihandelsabkommens TTIP Munition liefern: Sie befürchten, dass Investoren die EU oder einzelne Länder vor Schiedsgerichte ziehen und nationale Regelungen schwächen könnten, wenn sie sich in ihrem unternehmerischen Handeln behindert sehen.“ 
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Das Verfahren Yukos vs. Russia: Der Schiedshof in Den Haag versieht das Urteil „Unrechtsstaat“ mit einem Preis von 50 Mrd. Dollar
Ein Stück Weltordnung in Sachen Energiemarkt

Das Schiedsgericht in Den Haag hat entschieden, dass den Vertretern einiger Finanzorganisationen, Abkömmlingen des ehemaligen russischen Ölmultis Yukos, Forderungen in der Höhe von 50 Milliarden Dollar gegen die russische Staatsmacht zustehen. Die Kommentare der deutschen Öffentlichkeit fallen etwas gemischt aus, so etwa die Stellungnahme des Handelsblatts:

„Der Schadensersatz in Milliardenhöhe zeigt auch, welche Macht Schiedsgerichte in der heutigen Wirtschaftswelt haben – es handelte sich um das größte Verfahren in der Geschichte der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit. Das Urteil könnte den Gegnern des Freihandelsabkommens TTIP Munition liefern: Sie befürchten, dass Investoren die EU oder einzelne Länder vor Schiedsgerichte ziehen und nationale Regelungen schwächen könnten, wenn sie sich in ihrem unternehmerischen Handeln behindert sehen.“ [1]

Putin hat nach Auffassung des Handelsblatts zwar einwandfrei eine Quittung verdient, aber wie sieht die Sache aus, wenn man das Urteil als Präzedenzfall dafür nimmt, was wir uns mit TTIP einkaufen?

Weniger interessant die Frage, woher das Schiedsgericht eigentlich diese außerordentliche Macht bezieht, einen nicht ganz unbedeutenden Staat erstens zu belangen und zweitens zu einem Schadensersatz in Rekordhöhe zu verurteilen, wobei drittens die Wirksamkeit dieses Urteils – gegen den erklärten Willen des russischen Staats – von keiner Seite angezweifelt wird. Es haben ja schon viele Gerichte und UNO-Vollversammlungen die verschiedensten Staaten verurteilt und Schadensersatzansprüche in die Welt gesetzt, ohne dass daraus viel mehr als ein diplomatisches Getöse geworden wäre. Wie kommt die Hierarchie zustande, in der Rechtsakte des russischen Souveräns dem Entscheid eines internationalen Schiedsgerichts unterstehen?

Der rechtliche Maßstab, den das Gericht in Den Haag gegen den russischen Staat in Anschlag bringt: die Energiecharta

Schon 2009 hat der Schiedsgerichtshof in einem Entscheid festgestellt, dass er die russische Regierung – trotz ihrer zunehmenden Vorbehalte gegenüber dem Abkommen und der endgültigen Ablehnung im Juni 2009 – dennoch als an dieses Vertragswerk gebunden betrachtet. Ein Rechtsentscheid, der den guten imperialistischen Sinn dieses Abkommens bekräftigt: Es ging seinerzeit – 1991 – um den Zugriff auf das in kapitalistisches Neuland verwandelte ehemalige Reich des Bösen:

„Die Europäische Energiecharta in ihrer ursprünglichen Auslegung war auf folgende Ziele ausgerichtet:
– Schaffung einer Energiegemeinschaft der Länder beiderseits des Eisernen Vorhangs auf der Grundlage der Komplementarität der westlichen Märkte, des Kapitals, der Technologie und der natürlichen Ressourcen der Oststaaten;
– Umkehr der rückläufigen Entwicklung der sowjetischen Wirtschaft durch Beschaffung von ausländischem Kapital, und zwar durch Verringerung des politischen Risikos;
– Erhöhung der Sicherheit durch enge Zusammenarbeit in einem wichtigen Schlüsselsektor.“ [2]

Nach der überraschenden Wende im Osten entdeckt Europa eine vielversprechende Komplementarität: Die – damals noch – sowjetische Seite verspürt den dringlichen Bedarf nach Kapital, über das Europa reichlich verfügt; und umgekehrt hat Europa den ehemaligen Hauptfeind bereits als künftige Rohstoffbasis für sein Wachstum verplant. Allerdings beschränkt sich dieser Deal bei weitem nicht auf den Austausch dieser beiden Güter. Die westlichen Entwicklungshelfer machen den aus dem Osten vermeldeten Kapitalbedarf zum Hebel, um ihre bedürftigen neuen Partner mit ein paar zusätzlichen Bedingungen bekanntzumachen: Damit westliche Technologie und Kapital im Osten ihre nützlichen Dienste verrichten können, ist nicht viel weniger als die Übernahme eines ganzen Rechtssystems vonnöten. Kaum dass die neuen Staaten sich überhaupt aufgestellt und Gelegenheit gehabt haben, ihren Bedarf an rechtlichen Regelungen zu definieren, nimmt ihnen Europa diese Mühe ab und legt ihnen ihre neuen Aufgaben vor:

„Die Verhandlungen über den Energiecharta-Vertrag fanden zu einer Zeit statt, in der 15 an den Verhandlungen teilnehmende neue unabhängige Staaten der ehemaligen Sowjetunion noch folgende Aufgaben zu bewältigen hatten:
– Schaffung ihres Rechtssystems ausgehend von ihren Verfassungen;
– Schaffung der Vertrags- und Abkommensbestimmungen für ihren in hohem Maße integrierten Handel, der bis dahin zentralstaatlichen Regeln unterlag;
– Schaffung und Aufnahme der Infrastruktur für Vertragsrecht, Eigentumsvorschriften und Rechnungslegungsgrundsätze ...“ [3]

Die interessierten Mächte im Westen behandeln die besondere Lage im aufgelassenen Osten wie einen bislang gewissermaßen rechtsfreien Raum, der auszufüllen ist mit dem Mittel des Rechtsexports, mit dem rechtlichen Grundgerüst der Marktwirtschaft, das in Marktwirtschaftsländern in den 80 Jahren seit der Russischen Oktoberrevolution sehr stark weiterentwickelt wurde.[4] Die Herren dieser Ordnung machen sich daran, die zum Besseren bekehrten Staatshandelsländer und frisch gegründeten Staatssubjekte vom Baltikum bis nach Zentralasien mit dem nötigen staatlichen Schutz der Freiheiten des Eigentums bis in alle Unterabteilungen hinein bekannt zu machen, d.h. sie gleich auf einen Gebrauch ihrer Macht im Sinne auswärtiger Benutzung festzulegen. Sie werden, noch im Status ihrer rudimentären Willensbildung, in dem sie die Folgen ihres Beschlusses zum Systemwandel und den daraus resultierenden neuen Ordnungsbedarf gerade erst kennenlernen, auf höhere, nämlich internationale Rechtsinstanzen verpflichtet:

„Darüber hinaus ist der Energiecharta-Vertrag:
– Das erste bindende multilaterale Übereinkommen über Investitionsschutz;
– das erste multilaterale Übereinkommen, das sich sowohl auf den Investitionsschutz, als auch auf den Handel bezieht;
– die erste Anwendung der Transitbestimmungen auf Energienetze;
– der erste multilaterale Vertrag, der generell eine bindende internationale Beilegung von Streitigkeiten vorsieht.“ [5]

Diese Würdigung der Pionierleistung der Charta, die explizit darauf verweist, dass die staatlichen Souveräne des freien Westens hier ihren neuen „Partnern“ einen Akt der nationalen Selbstbeschränkung wärmstens empfohlen haben, zu dem sie selbst untereinander bis dahin nie bereit waren, kennzeichnet den etwas asymmetrischen Status der vertragschließenden Parteien, bei dem der einen Seite zur Bedienung ihres Interesses an der Einwanderung von Kapital die Unterwerfung unter ein Regelwerk und eine darüber wachende auswärtige Rechtshoheit abverlangt wird.

So liefert das Vertragswerk eine Klarstellung, was in dem Epoche machenden Beschluss der Sowjetführer, sich das bessere System zu eigen zu machen und endlich auch die Potenzen des Weltmarkts zu erschließen, alles eingeschlossen ist: Nicht allein das Umkrempeln aller inneren Verhältnisse, die Anerkennung des Eigentums unter der Hoheit des Staates, sondern eben auch ein Verpflichtungsverhältnis gegenüber anderen Staaten. Mit dem Einstieg in den globalisierten Kapitalismus wird den neuen Staaten gleich auch die Übernahme der ganzen Geschäftsordnung des internationalen Kapitalismus auferlegt, d.h. die Anerkennung des Eigentums als Recht der Staaten, mit denen man jetzt einen produktiven Verkehr aufnehmen will. Und die Energie-Charta als ein Stück dieser Geschäftsordnung schreibt zudem in Gestalt der internationalen Aufsicht über den nötigen Investitionsschutz die Zuständigkeit fremder Souveräne bindend fest, was deren Recht auf Kontrolle über die Ausformung der inneren Rechtsordnung in Russland betrifft.

Die vorausdenkende Gründlichkeit des Vertrags, was die Beilegung von Streitigkeiten betrifft, stellt sich denn auch bald als gut begründet heraus: Die Interessen beider Seiten sind dann doch gar nicht bloß komplementär und zum Aufbau einer harmonischen Ergänzung der Wirtschaftsstandorte geeignet, sondern reichlich gegensätzlich, was sich prompt auch bei der Behandlung des Energiesektors geltend macht und in einen langanhaltenden Streit um die Gültigkeit der Charta einmündet.[6] Der entzündet sich dann im besonderen an der Behandlung des Yukos-Chefs Chodorkowski durch die russische Staatsmacht – wobei die mit einer weiteren Implikation ihrer hoffnungsvoll eingegangenen Beziehungen zu den westlichen Mächten bekannt gemacht wird: Der Westen, der ihre Entscheidung zum Übergang zur Marktwirtschaft umgehend als Übergang zur Internationalisierung der russischen Marktwirtschaft in die Hand genommen hat, beschränkt sich dabei keineswegs auf die Sphäre der ökonomischen Einrichtungen und Verkehrsregeln. Gerade da, wo die Einführung dieses unschlagbaren Systems stattfindet und die Staaten unter dem euphemistischen Titel „Reformen“ fundamental aufgemischt werden, bringt er auch gleich seine höheren Pflichten in Anschlag, den Umgang der politischen Instanzen mit den Pionieren des Privateigentums zu kontrollieren sowie das Staatspersonal auf seine Reformtreue und politische Zuverlässigkeit zu mustern. Rücksichtslos gegen alle inneren Belange der zügig zugrunde reformierten postsozialistischen Staatsgebilde beharren die Hüter der internationalen Geschäftsordnung des Kapitals auf der Unumkehrbarkeit der Reformen und ihrer Zuständigkeit, das politische Personal daraufhin zu überwachen. Das hat einem Glücksritter der Umwälzung in Russland die Würdigung als Freiheitsheld und der Putin-Herrschaft die nachtragende Verfolgung durch internationale Rechtsinstanzen verschafft.

Der Fall Yukos: Kapitalbildung per Zerschlagung der Sowjetwirtschaft

Die Rechtsnachfolger der Sowjetunion in Moskau haben sich mit ihrem Beschluss zur Übernahme des kapitalistischen Systems Bestandsfragen der härteren Art eingehandelt, die Umstellung zeitigt nämlich einen schlagenden Erfolg: Die Volkswirtschaft, wie sie bisher funktioniert hatte, geht vor die Hunde, während sich einige wenige handgezählte Gewinner in kürzester Zeit von Schwarzhändlern zu Finanzkapitalisten hochkatapultieren, d.h. genauer: sich an der Zerschlagung und beim Ausschlachten der Sowjetökonomie dermaßen bereichern, dass sie sich als veritable Macht gegenüber dem staatlichen Auftraggeber des Systemwechsels in Position bringen.

In geradezu bilderbuchmäßigen Etappen betreibt der spätere Yukos-Chef Chodorkowski diesen Typus von Karriere, in der er sich die Qualifikation zum ‚Oligarchen‘ erwirbt. Als Vorkämpfer des privaten Gelderwerbs leisten diese Figuren einen maßgeblichen Beitrag zur Zersetzung des alten Systems mit seiner geplanten arbeitsteiligen Versorgung, indem sie sich der verschiedensten Bedürfnisse bedienen, um die Bedarfsdeckung zur abhängigen Variable des erfolgreichen Geldverdienens umzufunktionieren. Aus der Zerstörung der vorgefundenen Produktionsverhältnisse schlagen sie ihren kapitalistischen Gründergewinn heraus und installieren sich damit als Sachwalter des Geldkapitals und Entscheidungsinstanz über das gesellschaftliche Produzieren.

Chodorkowski & Freunde werfen sich mit mustergültiger Privatinitiative auf die Beschaffung von Mangelware und verfertigen aus dem Schiebergeschäft mit begehrten, teils verbotenen Westerzeugnissen – Jeans, Computer und Fusel – einen Hebel zur Geldvermehrung. Zu dem Zweck befreien sie auch den Rubel aus seinem Status als Buchgeld, der langweiligen Verrechnungseinheit der Staatsplanung, setzen ihn per Schwarzhandel als Beschaffungsmittel für echtes Geld ein [7] und untergraben – am Rande der durch die Perestrojka bereits einigermaßen zermürbten sozialistischen Legalität – das staatliche Außenhandels- und Devisenmonopol. Gerade deswegen besitzt dieses Geschäft schließlich seine besonderen Reize, weil einerseits etliche Unternehmen schon Devisenbeträge an Land ziehen, damit aber nur wenig anstellen dürfen, während andere auf diese Sorte Geld scharf sind. Die umtriebigen Ex-Komsomolzen bieten sich da als Vermittler an, unterwandern mit fingierten Kreditgeschäften das staatliche Devisenregime und ziehen aus dem Schwarzmarktkurs noch einen Extragewinn.[8]

Die nächsten Ideen, dass das entscheidende Mittel zur Geldvermehrung das Geld selbst ist und wiederum das beste Geschäft das mit dem Geld als Ware, fallen den Schwarzmarktkönigen dann fast automatisch ein:

„Trotz dieser Methode der ‚Business Akkumulation‘ hatten wir bald weniger Umlaufsmittel als Ideen, in die man sie hätte investieren können ... Kredite an Unternehmen wurden damals ausschließlich im Rahmen des staatlichen Kreditplans vergeben, in dem wir natürlich nicht vorkamen. Doch statt Geld gab mir die Geschäftsführerin der Bank einen wichtigen Rat. Sie habe gehört, sagte sie, dass es neuerdings erlaubt sei, Geschäftsbanken zu gründen, ‚und wenn du so eine Bank gründest – einem Bankunternehmen kann ich auch Kredit geben.‘“ [9]

Was man dann noch benötigt zur Gründung einer Bank, berichten die Gründer in dankenswerter Offenheit: Mit Hilfe von Beziehungen ergaunert man sich entgegen dem Geist der noch geltenden Gesetze eine Lizenz[10] und dann stellt sich ein Startkapital schon ein:

„Eine Startfinanzierung … hatte die Menatep-Bank überhaupt nicht. Die Bank stieg durch die Geschäftsaktivitäten auf, die wir bereits betrieben, und durch die Kontakte im besagten Stadtbezirk Frunsenski, wo die Bank registriert war. Weiter entwickelte sich dann alles durch Beziehungsmanagement.“ [11]

Nämlich dadurch, dass der Staat in seinem Reformgeist seine bisherige Kontenführung an die neuen Privatbanken abtritt, ihnen also quasi ein „Startkapital“ schenkt.

„Alle hatten Konten staatlicher Unternehmen ... Der Staat ist einer der größten Kunden. Und besonders damals, Anfang der Neunziger, hatte der Staat das meiste flüssige Geld. Das bedeutete solide Passiva für die Bank. Großexporteure waren auch eine Quelle großer Passiva für die Bank.“ [12]

Unter dem ersten russischen Präsidenten blühen diese Beziehungen erst recht auf. Jelzin zieht für sein Reformwerk den Sachverstand der neuen Bankchefs zu Rate, Chodorkowski reüssiert zum stellvertretenden Öl- und Energieminister und lässt in dieser Position seiner Bank zahlreiche Aufträge zur Verwaltung von Investitionsprogrammen zukommen (Wikipedia), füttert ihr also ohne große Umwege Staatsmittel ein. So viel zu den Ganovenqualitäten der russischen Gründerkapitalisten.

Als politisch Arrivierter – 1992 wurde Chodorkowski Mitglied im Beraterstab des russischen Premierministers und im März 1993 Stellvertretender Minister für Brennstoffe und Energie (Wikipedia) – tritt der Bankmann dann schon ganz anders in Erscheinung: Zusammen mit handgezählten sechs Moskauer Kollegen verkörpert er das Geldkapital in Russland, stellt es uneigennützig in den Dienst des Fortschritts im Land und leistet so einen weiteren Beitrag zum Ruin der Sowjethinterlassenschaften. Auf der einen Seite führen Chodorkowski & Co. gewissermaßen die Triage der ehemals volkseigenen Betriebe durch, indem sie die Produktion dem Maßstab der Profitabilität unterwerfen und in der Masse bloß Geldmangel, aber nicht den Charakter einer vielversprechenden Geldanlage entdecken. Dem Geldbedarf, der aus der Not der in die freie Marktwirtschaft entlassenen Bestandteile des gesellschaftlichen Produktionsapparats entsteht – die sind mit ihrem auf die geplante Arbeitsteilung zugeschnittenen Inventar auf die privateigentümliche Geldvermehrung verpflichtet, aber gleichzeitig von ihrer bisherigen planwirtschaftlichen Versorgung abgeschnitten –, erteilen sie gemäß der Logik ihres Geschäfts eine Absage. So kommt es zu weitaus fundamentaleren Versorgungsmängeln, als die alte Planwirtschaft sie jemals zustande gebracht hat. Auf der anderen Seite ermitteln sie sehr schnell die wenigen kreditwürdigen Unternehmen, diejenigen, die im Auslandsgeschäft mit Rohstoffen Devisen verdienen. Und vor allem werden sie gleich auf der höchsten Ebene des Kreditgeschäfts mit der Finanzierung des Staatsbedarfs aktiv. Sie nützen die ihnen verliehene Stellung gegenüber der Instanz, die sie ihnen verliehen hat und versetzen die Staatsmacht, der nach Aufgabe ihrer planwirtschaftlichen Hoheit über den Gewinn und angesichts des Zusammenbruchs der sowjetischen Wirtschaft die Geldquellen für ihren Haushalt abhanden gekommen sind, mit der bei ihnen monopolisierten Geldmacht in kürzester Zeit in den Status des hoffnungslosen Schuldners und gehen dazu über, für die weitere Kreditierung „Sicherheiten“ zu verlangen: Der Staat soll ihnen die wenigen ihm verbliebenen Geldquellen im Rohstoffsektor als Pfand zur allfälligen Versteigerung überlassen.[13]

Auf diesen Wegen ist der Kapitalismus in Russland eingezogen: Die politische Führung hat sich eine Mannschaft von Geiern herangezogen, die sich an den Schaltstellen der neuen Sorte Reichtum, als Sachwalter der Privatmacht des Geldes einnisten. Auftragsgemäß bereichern sie sich auf Kosten der übrigen Gesellschaft, allerdings nicht wie in zivilisierten Ländern durch geordnete Ausbeutung, sondern eher durch eine Art Leichenfledderei, durch die Musterung des gesellschaftlichen Reproduktionsprozesses, was von dem zum Zwecke ihrer Geldanlage taugt. Was dafür nicht taugt, kann nach ihrem Ermessen untergehen. Sie betätigen sich dann schließlich als Gläubiger der Staatsmacht und benützen das Schuldverhältnis, in das die nach den Regeln der ordentlichen Finanzierung des Haushalts aufgrund ihrer Geldnot zu ihnen getreten ist, zu deren weiteren Enteignung: Ganz nach den Regeln des Geschäfts mit Schulden verpflichten sie den staatlichen Urheber des Systemwechsels darauf, die wenigen Teile seiner Ökonomie, die sich als Geldquellen bewähren, die rohstofffördernden und -exportierenden Staatsunternehmen zum großen Teil an sie zu verpfänden.

Nach dieser geschäftstüchtigen Plünderung des russischen Standorts sichern sie sich ihre weiterhin wohlwollende Behandlung durch die Staatsmacht, indem sie gegen die befürchtete Machtübernahme der KP und die mit ihr drohende Rücknahme der schönen neuen Freiheiten Jelzins Wahlkampf finanzieren und die erforderlichen Stimmen zusammenkaufen. Dieses Ziel ‚Sicherung der eigenen Macht‘ wurde erreicht, da die Gewinner der Auktionen den Wahlkampf von Präsident Jelzin in den folgenden Monaten maßgeblich unterstützten.[14]

Putin zerschlägt Yukos

Nachdem die Vertreter der Staatsmacht unter Jelzin, assistiert von ihren westlichen Beratern, dieser „Entwicklung“ bis hin zum Staatsbankrott mit einer Mischung aus Fassungslosigkeit und stoischer Zuversicht beiwohnen, sieht sich die nächste Generation der russischen Politik unter Putin vor die Notwendigkeit gestellt, mit allen gebotenen Mitteln die Reste der ehemaligen Weltmacht vor der Verwandlung in eine Bananen- bzw. Ölrepublik zu retten. Schließlich sind die Figuren, die sich als Aktivisten des Privateigentums betätigen, weitaus schneller fertig mit ihrer kreditmäßigen Zerlegung des produktiven Volkseigentums und Enteignung des Staats als der selber mit dem Erlass einer Rechtsordnung.

Damit ist der Machtkampf zwischen Chodorkowski und Putin eröffnet, zwischen der entfesselten Macht des Privateigentums in Gestalt der Oligarchen und den Verwaltern der Restbestände an russischer Staatsmacht, die darum kämpfen, sich überhaupt wieder die Hoheit anzueignen, dem privaten Erwerbssinn eine Rechtsordnung nach eigenem Ermessen und zum Nutzen der Nation aufzuerlegen, eben Putins Vertikale der Macht herzustellen.

Chodorkowski, laut Wikipedia ein politisch engagierter Milliardär, engagiert sich zwar vor allem im Namen seiner Finanzen, entwickelt aber gerade deshalb seine politischen Fähigkeiten, indem er genügend russische Abgeordnete kauft, um ein von der Regierung vorgelegtes Gesetz zu Fall zu bringen, mit dem die ihre Oligarchenwirtschaft unter die Tributpflicht beugen will. Eine Staatsmacht ohne Einkünfte steht schließlich auch ziemlich schlecht da.

Des weiteren kämpft der Yukos-Mann um die Festlegung der nationalen Energiepolitik in seinem Interesse und fordert die „Liberalisierung“ von Ölexporten und Transport, beansprucht also nicht weniger als die politische Verfügung über das einzig griffige Instrument im russischen Außenhandel, ganz nebenbei auch noch den freien Zugriff auf die übrigen noch in Staatshand verbliebenen Einkommensquellen. Seine ökonomische Macht nutzt der Milliardär dann zur weitergehenden Eroberung der politischen Macht und kauft sich many allies in the Duma mit dem erklärten Ziel, seinen Widersacher Putin als Präsident abzulösen.[15]

Für seinen Machtkampf gegen die von Putin kommandierte Staatsmacht verschafft sich Yukos internationalen Rückhalt: Chodorkowski bestückt seinen Laden mit amerikanischen Managern, lässt sich seine „Finanz- und Steuerkonzepte“ von einer internationalen Beratungsgesellschaft erstellen, bilanziert sein Geschäft nach amerikanischem Recht [16] und plant, sein Eigentum durch die Fusion mit einem amerikanischen Energie-Multi generell aus der Zuständigkeit der russischen Regierung herauszumanövrieren.

Mit seinem Programm, das staatliche Monopol beim Bau und Betrieb von Pipelines aufzubrechen, betätigt sich Chodorkowski schließlich ganz im Sinne der USA, stellt sich im Irak-Krieg auf deren Seite und gewinnt die Weltmacht als Patron:

„Zu Beginn dieses Jahres, als die Regierung begann, Chodorkowskis Bestrebungen, Russlands erste private Pipeline zu bauen, zu blockieren, fing der Öl-Tycoon damit an, öffentlich den Kreml abzukanzeln, weil er seiner Behauptung zufolge die Absicht hegte, eine bürokratische Herrschaft nach ‚saudi-arabischem Stil‘ zu errichten. Dann, am 20. März, einen Tag, nachdem Amerika in den Krieg gegen den Irak zog, ergriff er öffentlich Partei für die Amerikaner, indem er sagte, die Kampagne wäre positiv für die russische Wirtschaft. Noch ärgerlicher für den Kreml aber war seine Kritik an der Gegnerschaft der Regierung gegen den Krieg, er sagte nämlich, dass es ‚nicht in unserem Interesse‘ sei, sich auf die Seite von Frankreich und Deutschland zu stellen.“ [17]

Die Bush-Administration hat ihre helle Freude an diesem Typus Ölmann mit Drang zu Höherem: In Washington hat man nämlich zu Beginn des 2. Irak-Kriegs für Russland eine neue Rolle bei einem Stück amerikanischer Weltordnung vorgesehen: Man möchte Russland zu einem alternativen Rohöl-Lieferanten formen, einem, der frei von den Auflagen war, die die anderen großen Anbieter in der zunehmend instabilen arabischen Welt verhängten, um die Preise zu kontrollieren, also gegen den saudi-arabischen Stil des internationalen Ölmarkts.[18]

Mit der Weltmacht im Rücken traut sich Chodorkowski die Auseinandersetzung um die Ausrichtung, also um die Eroberung der Staatsgewalt selbst zu und dehnt den Machtkampf bis auf diese oberste Etage aus. Putin antwortet mit seiner Vertikale der Macht und dem Verfahren gegen Yukos, das mit der Zerschlagung des Firmenimperiums und der exemplarischen Bestrafung der Führung endet [19], ein Verfahren, in dem es nicht zuletzt um die Wiederherstellung des staatlichen Gewaltmonopols, d.h. um die Hoheit gegenüber dem Gebaren der Oligarchen geht.

Mit der Entscheidung, sich in diesen Kapitalismus der modernen Welt einzuklinken, hat die russische Führung ihr Land an den Rand des Ruins gebracht. Sie hat sich dabei auf ihren Rohstoff-Reichtum verlassen, sich damit nach außen dem internationalen Regime des Eigentums gefügt und sich im Inneren Gestalten herangezüchtet, die diesen Kapitalismus auch praktizieren, und zwar auf Kosten des Landes, die den Staat in die Position eines Schuldners befördern und dazu nötigen, seine Verbindlichkeiten mit der Veräußerung der entscheidenden nationalen Geldquellen zu bedienen. Diese vorbildliche marktwirtschaftliche Ruinierung der Existenzgrundlagen von Volk und Herrschaft stellt die Verwalter der Nation vor die Notwendigkeit, die Herrschaft des Eigentums, die sie schon eingerichtet haben, mit Beschränkungen zu versehen. Daher artet die Einführung des Kapitalismus von vorneherein in den Streit aus zwischen den neu ermächtigen Eigentümern und dem Staat, der sie ermächtigt hat.

Das westliche Ausland urteilt über den Fall: das marktwirtschaftlich-menschenrechtliche Verbrechen der Putin-Herrschaft

In diesem Machtkampf hat der russische Präsident dann nicht nur seine Oligarchen als Widerpart, sondern gleich auch noch die Phalanx der Führungsmächte des Weltmarkts. Hinter dem russischen Tycoon stehen schon die Führer des internationalen Kapitalismus mit der ganzen Brutalität ihres Anspruchs auf Respekt gegenüber ihrer Eigentumsordnung. Sie haben den russischen Staat gewissermaßen schon für den Internationalismus des Kapitals dienstverpflichtet, noch ehe der dazu gekommen ist, eine innere Rechtsordnung für seinen Kapitalismus zu erlassen und durchzusetzen. In grandioser Rücksichtslosigkeit gegenüber der inneren Verfassung Russlands erklären sie sich zur Schutzmacht der Oligarchenmafia, erkennen in denen als Pioniere des Privateigentums ihre Gewährsleute für das einzig richtige Wirtschaften in Russland und verfolgen umgekehrt das Bestreben der russischen Staatsmacht, sich ihren Dschungelkapitalismus gesetzlich untertan zu machen, als Angriff auf die allerhöchsten Werte der freien Marktwirtschaft.[20]

Zwar stellt der russische Staat mit all seinen Eingriffen in das Oligarchenwesen überhaupt erst seine Souveränität über seine Ökonomie und damit die erste Bedingung für einen funktionsfähigen Kapitalstandort her; zwar kommt er damit ebenso dem Anspruch des internationalen Kapitals auf Rechtssicherheit nach. Aber seine westlichen Partner, nachdem sie den Ruin des ganzen Landes bis hin zum Staatsbankrott in Kauf genommen haben, würdigen die Nutznießer als ihre Mannschaft in Russland und stellen sie unter ihren Schutz.

Das Urteil des eigenen Staats, der sich an der Sortierung von Verbrecher- und Unternehmertum zu schaffen macht, lässt die Internationale der Staatengemeinde nicht gelten. Es wird zwar einhellig konzediert, dass sich die Oligarchen ihre Reichtümer mit zweifelhaften Methoden zusammengerafft haben. Das ist aber zu entschuldigen, weil das erstens alle dort gemacht haben – was wiederum keineswegs dahin ausgelegt werden darf, dass der russische Staat dann eben auch irgendwo mit dem Bestrafen einmal anfangen musste, so wie z.B. die BRD ein paar Steuerhinterzieher exemplarisch verhaftet, um den Rest zur freiwilligen Selbstanzeige zu bewegen. Zweitens wird den Oligarchen großmütig zugestanden, dass ihre Vergehen angesichts einer undurchsichtigen Rechtslage quasi unvermeidlich waren. Was wiederum gar nicht für die Anläufe der russischen Staatsmacht spricht, das Oligarchentum zu bändigen und eine durchsichtige Rechtslage zu schaffen. Auf die Weise wird der Rechtsbruch sehr einsinnig auf der Seite der Staatsmacht lokalisiert, um die zu beschuldigen. In Gestalt der entschiedenen Parteilichkeit dieser feinfühligen Auslegung der Rechtslage wird offenkundig ein höheres Recht in Anschlag gebracht: Die politischen Schutzmächte des internationalen Kapitalismus definieren und verfolgen die Putin-Politik als Verstoß gegen ihre Rechte auf einen freien Kapitalverkehr.

Daher rührt dann auch der erstaunliche Charakterwandel der Figur Chodorkowski: Seine Vorgeschichte als Räuberbaron, dem man noch vor ein paar Jahren den betrügerischem Bankrott seiner Menatep-Bank samt Vernichtung auswärtiger Anteile übel genommen hatte, ist ausgelöscht, stattdessen wird er jetzt als Freiheitskämpfer und unschuldiges Opfer einer pervertierten Justiz gehandelt. Umgekehrt verweigert die maßgebliche westliche Staatengemeinde der russischen Regierung die Anerkennung ihrer Rechtsakte und deklariert mit der Verurteilung des Verfahrens als politische Justiz Russland selbst als Unrechtsstaat.

Der Standpunkt hat über die Jahre hinweg seine verschiedenen Konjunkturen, wird von den unterschiedlichen Interessenten an Russland gemäß ihrer Interessen mal höher, mal tiefer gehängt, sucht sich auch die unterschiedlichsten Anhaltspunkte – da tun es die NGOs genauso gut wie die Schwulen, Pussy Riot, die Aneignung der Krim – oder eben das Verbrechen an Yukos. Der Fall wird, auf Betreiben der Kläger und mit Hilfe der internationalen Justiz, beharrlich am Leben erhalten. Deren Mühlen mahlen bekanntlich langsam, aber gründlich, und mit dieser Gründlichkeit kommt sie noch elf Jahre später auf die alte Energiecharta zurück und verfertigt daraus eine Handhabe, den Fall aufzuarbeiten.

Die Kläger: ein Finanzkapital der besonderen Art

Geschickterweise hatte Chodorkowski für den Fall seiner Verurteilung schon mit seinen ganzen Westbeziehungen vorgearbeitet, ab da treten drei Finanzgesellschaften unter Führung der von ihm aus dem westlichen Ausland angeheuerten Manager und Finanzexperten als Justizopfer auf. Die Mehrheitseigner an Yukos, die gerade noch rechtzeitig vor der Zerschlagung des Unternehmens ihre „Pflicht“ entdeckten, ihre Interessen zu schützen und sich in die besagten drei Gesellschaften zu verwandeln, mit Firmensitzen in landschaftlich reizvoller Gegend – auf Zypern und auf der Isle of Man [21] –, sichern seitdem von dort aus ihre Rechte sowie auswärtige Unternehmensbestandteile des Chodorkowski-Imperiums vor dem Zugriff russischer Gerichte. Alles im Namen der victims der russischen Gerichtsbarkeit – zur Unterstreichung der sozialen Seele des Unternehmens werden immer auch die ehemaligen Yukos-Angestellten mit aufgelistet.[22]

Ihre Rechte am längst liquidierten ehemaligen Unternehmen Yukos erstrecken sich auf eigentlich wertlose Titel, eigentlich – gäbe es da nicht einen anderen Weg der Wertschöpfung, nicht auf dem Weg irgendwelcher Ölförderaktivitäten, vielmehr mit Hilfe der Charta und des langen Arms der internationalen Gerichtsbarkeit. Die Gesellschaften haben sich der Aufgabe gewidmet, einen Geldwert der Papiere einzuklagen, gerichtlich die Entwertung des Aktienkapitals an Yukos zu einem durch den russischen Staat den Aktionären zugefügten Schaden zu erklären und sich entsprechend entschädigen zu lassen.

In Gestalt eines umfänglichen internationalen Prozesswesens, mit Hilfe von independent (i.e. non-russian) courts werden die ins Ausland verbrachten Vermögensbestandteile gegen den Zugriff der russischen Regierung abgesichert und dazu verwandt, die Forderungen gegen Russland am Leben zu erhalten. Darüber hinaus beschäftigen sich die Vertreter dieser Gesellschaften damit, bei den Schutzmächten der internationalen Eigentumsrechte, u.a. vor dem US-Senat und dem britischen Parlament als Zeugen für deren Rechtsvorbehalte gegenüber der russischen Regierung anzutreten. Schließlich verdanken die Yukos-Eigner ihre effective protection durch echt unabhängige Gerichte, die sie im Unterschied zu Steuerhinterziehern aus anderen Nationen genießen, auch einer gewissen politischen Protektion. Jedenfalls hat es ihnen nie an Mitteln sowie politischer und öffentlicher Anteilnahme für ihr Prozesswesen gefehlt.

Das Urteil des Schiedsgerichts: Eigentum steht über Souveränität

Die Klage dieser Yukos-Wucherungen hat das Schiedsgericht jetzt umfassend ins Recht gesetzt: Es befindet, dass die russische Justiz zweifelsohne Steuervergehen von Yukos verfolgt hat, dass das Verfahren aber entscheidend auf das politische Ziel der Zerschlagung des Unternehmens ausgerichtet war, womit sich Russland nach Auffassung des Gerichts der politischen Justiz schuldig gemacht und die Yukos-Anteilseigner zu entschädigen hat.

Der Schiedsspruch stützt seine Entscheidung auf die Prüfung der Fragen, inwiefern erstens Ungleichbehandlung vorliegt, die russische Regierung also gegen Art. 10 der Energie-Charta, Behandlung von Investoren, und Art. 13, Enteignungen, verstoßen hat, und inwiefern zweitens die Charta als für die russische Regierung bindend angesehen werden muss.

Zu diesem Zweck macht sich das Gericht sein Bild vom Hauen und Stechen zwischen Geldgeiern und Fiskus im damaligen russischen Staat, indem es Rechtsverhältnisse hineinkonstruiert, und kommt zu dem Ergebnis, dass Yukos ein Steueroptimierungsmodell angewendet hat, das von zahlreichen russischen Unternehmen genutzt wurde, insbesondere von allen großen Ölfirmen. Konzediert wird andererseits, dass die Lage damals nicht ganz einer vernünftigen staatlichen Zwecksetzung bei der Besteuerung von Unternehmenstätigkeiten entsprochen haben kann. Insgesamt wird das Augenmerk bei der Befragung der Zeugen sowie der Sachverständigen auch auf die Frage gelegt, ob beteiligte Personen (sowohl auf der Behördenseite, als auch in der Geschäftsleitung des Unternehmens) das in den damaligen Verhältnissen als illegal empfunden haben oder ob sie von eingeräumten sanktionslosen Spielräumen ausgehen durften. Für beide Standpunkte wird reichlich Material gefunden; im Ergebnis befindet das Tribunal, dass die so definierte Rechtslage unübersichtlich war.

Angesichts der verworrenen und unhandlichen, weil gerade entstehenden inner-russischen „Rechtslage“ zieht sich das Gericht dann elegant aus der Affäre, betont mehrfach und mit dem Pathos der Nichteinmischung, dass es nicht die Aufgabe des Tribunals sei, gleichsam als Super-Revisionsgerichtshof russische Rechtsprechung zu beurteilen, sondern dass das Augenmerk auf die Anwendung der Vertragslogik der Energiecharta zu richten sei, also darauf, ob ausländische Investitionen/Investoren einer schlechteren Behandlung ausgesetzt wurden als russische. Ausländische Investoren in dem Sinn gab es zwar damals gar nicht, vielmehr hatten die russischen Ölgesellschaften Offshore-Institute gegründet, um ihre Gewinne aus Russland herauszuschleusen. Das Gericht würdigt explizit die komplexe, schwer durchschaubare Struktur, die von den Klägern oder ihren Stellvertetern aufgebaut wurde, um mithilfe einer enormen Offshore-Konstruktion Erträge aus Russland heraus zu schleusen. Es äußert sich auch über den rechtlich fragwürdigen Charakter dieser Operationen, wobei es aber bezeichnenderweise das verletzte Recht der minority shareholders in den Vordergrund stellt.[23] Auf die Weise schafft es das Gericht dennoch, den nötigen Vergleich herzustellen: Die Behandlung von Yukos, des größten von neun Ölunternehmen in Russland, sei deshalb diskriminierend gewesen, weil es als einziges wegen Steuerhinterziehung durch den russischen Staat belangt wurde. Der Einwand des russischen Staates, die Größenordnung der Steuerhinterziehung durch Yukos habe erheblich über derjenigen der anderen Rechtsbrecher gelegen, überzeugt das Schiedsgericht nicht. Den guten deutschen Rechtsgrundsatz, dass es ‚im Unrecht keinen Gleichbehandlungsanspruch‘ gibt, dass der Staat also in seiner Entscheidung frei ist, gegen welchen Rechtsbrecher er mit welcher Schärfe vorgeht, oder umgekehrt, dass kein Rechtsbrecher sich darauf berufen kann, dass ein anderer Rechtsbrecher weniger hart angefasst wurde, wollten die Richter offenbar nicht anwenden.

Der Entscheid bleibt in seiner Beurteilung des Vorgehens des russischen Staates aber nicht dabei stehen, nur die diskriminierende Behandlung im Vergleich zu anderen Ölunternehmen auf russischem Boden zu belegen, da die bloße abweichende Behandlung durch Behörden als Beweisführung dann anfällig wäre, wenn man gleichzeitig feststellt, dass in Russland zum damaligen Zeitpunkt die Rechtspflege willkürlich verlief, was in den Ausführungen des Tribunals wie der Parteien ständig vorkommt, und als Konsens im Verfahren unterstellt wurde. Wasserdicht macht man die Argumentation wirklich nur durch die Herausarbeitung des politischen Vorsatzes, der die gezielte Schädigung begründet, weil die behördlichen Maßnahmen nur schwer als Überschreitung der Grenzen von Art. 21 EGV (Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft) darzustellen wären, der das eigentliche Besteuerungsverfahren in der Hoheit der Vertragsstaaten belässt. Insgesamt ein Paradefall, wie sich die internationale Rechtsordnung als Regime über die staatliche Souveränität bewährt und das Recht die nötigen Handhaben dafür bietet: Die nationale Politik hat hinter dem Recht des Eigentums zurückzustehen, wenn sie ihre – politischen – Gründe für eine Enteignung geltend macht, verletzt sie dieses höhere Recht und ist selbst zu verurteilen.

Das juristische Subsumtionsverfahren präsentiert sich in diesem Fall in aller Schönheit: Das Gericht abstrahiert systematisch vom Umstand, dass ein Recht, das der russische Staat hätte verletzen können, in Russland gar nicht vorhanden war, appliziert vielmehr in der berufseigenen Borniertheit und mit größter Selbstverständlichkeit einen übergeordneten Rechtsstandpunkt, an den sich seiner Auffassung nach die damals in Russland herrschenden Zustände unbedingt hätten halten müssen. In seinen Befunden über die unübersichtliche Rechtslage taucht die Verfasstheit des Objekts zwar irgendwie auf, und auch die einschlägigen Redeweisen von bandit capitalism oder auch Raubtierkapitalismus samt der allseitigen Klagen über die mangelnde Rechtssicherheit im Jelzin-Staat dürften noch erinnerlich sein. Auf seine Weise belegt ja auch schon der Standpunkt der Energie-Charta, dass man im Osten überhaupt erst einen Rechtsstaat zu implantieren hätte, den Sachverhalt, dass die Politikmacher dort mit einer regelrechten Neugründung von Staaten unterwegs waren.

Die Vorstellung vom Recht als eines jenseits aller staatlichen Eigenwilligkeit objektiven und unverrückbaren Kanons allgemeiner vernünftiger Regelungen ist zwar weit verbreitet, gehört jedoch ins Reich idealistischer Fehldeutungen; beim Recht handelt es sich um Setzungen von Staatssubjekten, die ihren Bedarf gegenüber ihrer funktionell herzurichtenden nationalen Grundlage in Gesetzesform bringen und ihren Gesellschaften einpflanzen. Auch etablierte Staaten und ehrwürdige Demokratien entwickeln ja immerzu neuen Regelungsbedarf und schnitzen demgemäß an ihren Gesetzen herum. Die damaligen russischen Führer, die entgegen ihrer Vorstellung, mit der Übernahme des erfolgreicheren Systems ihre Nation auch schon aufs richtige Gleis gesetzt zu haben, damit konfrontiert wurden, was man sich mit diesem System alles an katastrophischen Wirkungen eingekauft hatte, entwickelten notwendigerweise einen entsprechend fundamentalen Regelungsbedarf. Nach dem Staatsbankrott und dem Zerbröseln des ererbten Machtapparats sah man sich vor der Notwendigkeit, überhaupt so etwas wie eine russische Staatlichkeit zu retten – auch gegen die internationalen Verpflichtungen, die man im anfänglichen guten Glauben an ihren nützlichen Sinn einmal unterschrieben hatte.

Die Rechtsfindung des Schiedsgerichtshofs in Den Haag dreht der angeklagten Regierung aber genau daraus den Strick und buchstabiert dem russischen Souverän gegen seine Vorbehalte und seinen später erklärten Willen seine verpflichtende Bindung vor. Es lehnt in seinem weisen Befinden die ausgebliebene Ratifizierung durch den Unterzeichnerstaat Russland kurzerhand als unbeachtliche Tatsache ab. Es hat nämlich selber schon 2009 in einem Interims-Entscheid aus Artikel 45, Abs. 1, nach dem die Unterzeichnerstaaten des Abkommens dieses vorläufig anwenden, soweit nicht nationale Regelungen des Unterzeichnerstaates entgegenstehen, die volle Gültigkeit der Verpflichtungen abgeleitet, indem es sich die Frage, ob „vorläufige Anwendung“ ein Rechtsprinzip darstellt, das russischen nationalen Regelungen fremd ist, vorgelegt und schlicht und einfach mit nein beantwortet hat.

Nach Klärung dieser Frage hat das Tribunal es trotzdem noch für sinnvoll erachtet, die dann eigentlich überflüssige Frage zu beantworten, ob die Unterwerfung unter internationale Schiedsgerichtsbarkeit als Teil des Abkommens russischen nationalen Regelungen widerspricht. Auch da hat das Gericht ermittelt, dass der russische Souverän in diversen anderen Gesetzen – dass die sich auf andere Sachverhalte beziehen, tut hier nichts zur Sache – sehr wohl eine Streitbeilegung durch eine internationale Schiedsgerichtsbarkeit vorsieht. Also, so die Schlussfolgerung, hat Russland im Prinzip nichts gegen internationale Schiedsgerichtsbarkeit, also – nächste Schlussfolgerung – auch nichts gegen die internationale Schiedsgerichtsbarkeit in Angelegenheiten der Energiecharta. So lässt sich mit einiger juristischer Konstruktionskunst das Faktum, dass Russland in seiner krisenhaften Gründungsphase die berühmte Charta unterschrieben hat, allen Ernstes gegen es verwenden.

Diese gelungene Beweisführung, wie man aus einer Unterschrift eine dauerhafte Bindung herausleiert und deren Rückzug die Anerkennung als Kündigung verweigert, bildet ein lehrreiches Beispiel für die erbarmungslose Sophistik der Rechtsordnung, wenn sie einmal niedergelegt ist und einem Gericht überantwortet wird. Der Schiedsgerichtshof mit seinem festen Standpunkt zum ehernen Recht des Eigentums belehrt den russischen Staat – gegen dessen Interessen, gegen dessen Rechtsakte, sogar gegen den international aktenkundig gemachten Rücktritt – gewissermaßen über dessen eigenes besseres Wesen als ausführendes Organ dieser internationalen Rechtsordnung: Er ist im Konsens der Staaten einbegriffen, ob er will oder nicht.

Damit bewerkstelligt das Gericht einen deutlichen Fortschritt in der seit Jahren vor sich hin schmorenden Yukos-Geschichte: Was damals als politisches und polit-moralisches Urteil über Russland in Umlauf gesetzt worden ist – Unrechtsstaat –, erhält jetzt die Form eines juristisch beglaubigten Urteils und wird noch elf Jahre danach zum Schlag gegen diesen Staat verwandt. Diese Anwendung der Energie-Charta gegen Russland beleuchtet die doppelte Leistung solcher Bestandteile der internationalen Geschäftsordnung: Neben der ökonomischen Bedeutung der darin festgeschriebenen Konditionen, mit denen die staatlichen Subjekte des Weltmarkts dem Konkurrenzkampf ihrer erfolgreichen Firmenwelt den Weg in das neu für die Marktwirtschaft eroberte Land eröffnen, drängen sie dem Vertragspartner zugleich die Anerkennung der rechtlichen Verbindlichkeit ihrer Interessen auf. Und die enthalten lauter Implikationen, die die russische Souveränität beschränken, auch nach innen relativieren – dieser höhere Sinn der von der Energiecharta angeführten Komplementarität der Interessen wird den Russen per Gerichtsentscheid gewissermaßen nachgereicht.

Gegen den Verdacht, der von der russischen Seite vorgebracht wird, dass der Entscheid des Haager Schiedshofs unter dem Einfluss der Politik gefällt worden sein könnte, ist das Gericht entschieden zu verteidigen. Das Politische an seinem Urteil fällt nämlich ganz mit der Materie zusammen, mit der es sich auf seine eigene rechtsbornierte Weise befasst. Das belegt gerade auch der Streit unter den verschiedenen Gerichten, die mit dem Thema Yukos befasst waren.

Der europäische Gerichtshof für Menschenrechts bemerkt zwar

„kritisch ..., dass die Eintreibung der Steuerschulden der Jahre 2000 bis 2003 ‚unverhältnismäßig‘ gewesen sei und gegen den Schutz des Eigentums verstoßen habe, schränkt“ dann „allerdings diese Position“ auch wieder „ein: Die verschiedenen Behörden hätten alle auf legaler Grundlage gehandelt. Der EGMR lobte zugleich das Niveau der russischen Justiz: ‚Die rechtlichen Bestimmungen sind ausreichend präzise, um den Standards der Menschenrechtskonvention zu genügen.‘“ [24]

In einem anderen Verfahren aus der Prozessflut der Yukos-Erben urteilt ein Haager Tribunal wiederum über das Straßburger Gericht:

Sein Urteilsspruch gegen Yukos – Yukos habe nicht beweisen können, dass die Russische Föderation Zwangsvollstreckungen missbraucht habe, um das Unternehmen zu zerschlagen und ihre Vermögen in die eigene Verfügungsgewalt zu bekommen –

„muss verstanden werden als basierend auf erhöhten Ansprüchen an eine ‚unanfechtbare und direkte Beweisführung‘ bei dem ‚weiten Einschätzungsspielraum‘, den ein Staat unter dem Protokoll Nr. 1 zur Europäischen Menschenrechtskonvention genießt. Auf Grundlage der umfangreichen Unterlagen in diesem Verfahren kommt das Gericht zu dem Schluss, dass der Vorwurf der Steuervergehen gegen Yukos in der Tat ein Vorwand dafür war, dessen Vermögen zu beschlagnahmen und es auf Rosneft zu übertragen.“ [25]

Wie das zweite Gericht mit seiner deutlichen Missbilligung der Kollegen von der Menschenrechtsfront zu erkennen gibt, besteht die Tätigkeit dieser Instanzen in der Abwägung von Rechtsgütern, und da haben die Straßburger eindeutig viel zu viel Einschätzungsspielraum, den ein Staat genießt angesetzt, zu viel Anerkennung der betreffenden Staatsgewalt als Rechtsinstanz gegenüber dem eindeutig weitaus höher anzusiedelnden Recht auf Eigentum.

Was letztendlich der Abwägung der Paragraphen die wirkliche Wucht verleiht, ist allerdings etwas ganz anderes als die gelungene Konstruktion des Rechtsgebäudes, nämlich die versammelte Macht, die die übrigen Vertragspartner bei der Vollstreckung gegenüber Russland mit ihren Zugriffsmitteln auf die inzwischen globalisierten russischen Geschäftstätigkeiten geltend machen können.

Die Pfändung russischen Auslandsvermögens

Die Veranschlagung der Entschädigung, zu der das Schiedsgericht den russischen Staat verurteilt hat, beläuft sich auf immerhin etwas mehr als 10 % der russischen Währungsreserven, wobei die Beteiligten schon im Vorhinein auf ihre Mittel verweisen, sich diese Summe auch gegen den Willen der russischen Regierung greifen zu können. Als Instanz der Rechtshilfe wird keine geringere aufgerufen als die versammelte Staatengemeinde, die selbstredend auch in der Frage der Pfändung von staatlichem auswärtigem Vermögen über ein entsprechendes Abkommen verfügt:

„‚Auch wenn Moskau ein Urteil des Ständigen Schiedshofes in Den Haag nicht anerkennen würde, könnte es umgesetzt werden‘, sagte der GML-Direktor. (GML ist ein in Gibraltar registriertes Investmentvehikel aus dem Imperium Chodorkowskis, Anm. d.V.). ‘Zur Anwendung kommen könnte das New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche‘, so Osborne. Das sei auch von Russland unterzeichnet und ratifiziert. Um ehemalige Yukos-Aktionäre zu entschädigen, könnten dann Vermögenswerte des russischen Staates in verschiedenen Ländern – mit Ausnahme der diplomatischen Vertretungen – beschlagnahmt und versteigert werden. Auch der Auslandsbesitz russischer Staatsunternehmen wie Gazprom, Aeroflot und Rosneft könnte betroffen sein.“ [26]

Der Optimismus der Kläger, dass sich die Staatengemeinde schon hinter das Urteil stellen und ihnen per Pfändung zu ihrem Recht verhelfen wird, ist sicher nicht unangebracht – und zwar nicht deshalb, weil sich diese Gemeinde immerzu für die Geltung irgendwelcher Urteile irgendwelcher internationalen Gerichte oder auch der Völkerfamilie in Gestalt der UN-Gremien starkmachen würde. Da haben schon viele Nationen bei der Einklagung von UNO-Resolutionen und Ähnlichem Schiffbruch erlitten. Aber das Recht auf Eigentum besitzt offenkundig eine ganz andere Qualität als sonstige Menschen- und Völkerrechte: Auf Basis des Interesses derer, die sich diese internationale Eigentumsordnung schaffen, gibt es für das Einklagen von Investoren-Rechten – jedenfalls dann, wenn die Investoren aus einem ehrenwerten Land mit Privateigentum stammen –, Schiedsgerichte, die internationale Macht entfalten, die nicht nur in der interessierten Staatengemeinde über eine Exekutive verfügen, sondern damit auch über ein Exekutionsmittel, gewissermaßen ökonomische Waffen: Dank der geglückten Integration in den Weltmarkt befinden sich mittlerweile reichlich Vermögenswerte des russischen Staates außerhalb der russischen Grenzen und in der Reichweite anderer Staaten, um sie als Zwangsmittel für russische Fügsamkeit einzusetzen.

Im übrigen verdankt die Yukos-Mannschaft die guten Aussichten auf Vollstreckung nicht nur der Parteinahme der modernen Staatenwelt für das Menschenrecht auf kapitalistisches Eigentum, sondern auch noch dem glücklichen historischen Umstand, dass dieselbe Staatengemeinschaft zur Zeit unter Führung der USA, assistiert von der EU, dabei ist, ein neues, der Intention nach ultimatives Kapitel bei ihrer Dauerbemühung aufzuschlagen, sich Russland gefügig zu machen: Russland wird zum staatlichen Paria erklärt und entsprechend traktiert. Und das vor allem auf dem interessanten neuen marktwirtschaftlichen Weg der Enteignung: Die anlässlich des Streits um die Ukraine eingeschlagene Sanktionspolitik zielt darauf, Russland ökonomisch zu strangulieren, indem man seine internationale Zahlungsfähigkeit perspektivisch auf Null zurückführt und damit als in den Weltmarkt eingebundenes und vom Weltmarkt abhängig gemachtes Staatssubjekt so elementar schädigt, dass der Paria nicht umhin können soll, sich zu bessern.

Die in Den Haag beschlossene Pfändung wird aktuell zwar noch nicht in die Tat umgesetzt, tut aber im Verein mit den bereits beschlossenen Sanktionen auch jetzt schon ihren Dienst beim Angriff auf die Kreditwürdigkeit der russischen Unternehmen und des russischen Staats – ein weiterer Schlag gegen die Nation, die nach wie vor einen enormen Kapitalbedarf vermeldet. Schließlich setzt das moderne Russland, wenngleich es sich jetzt – multipolar – auch heftig um alternative Partner bemüht, weiterhin auf seinen Aufbau durch die Einbindung in den globalen kapitalistischen Geschäftsverkehr und ist weit davon entfernt, sich aus der diesbezüglichen internationalen Rechtsordnung verabschieden zu wollen. Bei seinem Aufbau zu einer kapitalistischen Macht muss es daher eine weitere imperialistische Lektion zur Kenntnis nehmen, nämlich die, wie viel politische Unterwerfung die Beteiligung am internationalen Kapitalismus einschließt.

[1] Milliarden-Quittung für Putin, Handelsblatt, 28.7.14

[2] Einleitung zur deutschen Ausgabe des Vertrags, www.encharter.org

[3] a.a.O.

[4] a.a.O.

[5] a.a.O.

[6] Eine kleine historische Ironie ist bei dieser Angelegenheit nicht zu übersehen: Das Anliegen der Energie-Charta, Schaffung einer Energiegemeinschaft der Länder beiderseits des Eisernen Vorhangs auf der Grundlage der Komplementarität der westlichen Märkte, des Kapitals, der Technologie und der natürlichen Ressourcen der Oststaaten, ist trotz aller Streitigkeiten dermaßen perfekt verwirklicht worden, dass sich dasselbe Europa heutzutage über seine Abhängigkeit von russischen Energie-Lieferungen beklagt und die als eminentes Sicherheitsrisiko einstuft. Leider hat sich nämlich das andere Anliegen der Charta, den Souverän, der auf den Energie-Vorkommen hockt, zu einer gefügigen Dienstleistungsinstanz zurechtzustutzen, nicht so reibungslos bewerkstelligen lassen wie das Geschäft mit Öl und Gas.

[7] Die Kooperative war schon eine freie Unternehmensform... Wir konnten bargeldlose Beträge so viel wir wollten auf unsere Konten bringen, alles in Bargeld umwandeln und für das Bargeld Waren, Programme, Arbeitsleistungen und Leute einkaufen … Außerdem gab es die ‚Cocom-Liste‘, ein Embargo, das die Amerikaner auf die Lieferung von Computern in die sozialistischen Länder verhängt hatten. Die Leute in den Unternehmen wollten aber echte Computer, nicht die sowjetischen Hammer- und Amboss-Modelle … ein Bereich, in dem sehr viel Geld steckte. Buchgeld, das sich mithilfe der Computer in Bargeld umwandeln ließ. Und das sind schon ganz andere Zahlen … Natürlich kam es in diesem Prozess auch zu einer eigentlich noch verbotenen Konvertierung von Dollar in Rubel und zurück, zu einem bestimmten nichtstaatlichen Kurs, den hatte es ja immer gegeben. Das eröffnete uns zusätzliche Verdienstmöglichkeiten. (Chodorkovskij, Michail B., Natalija P. Gevorkjan und Steffen Beilich [Übers.]: „Mein Weg: ein politisches Bekenntnis“, München, 2012, S. 170)

[8] Ein Unternehmen konnte Millionen Devisen haben, die nicht in der Bilanz erschienen, aber nichts, um die Gehälter zu bezahlen, weil es keine Rubel hatte. Rubel brauchten sie aber. Doch wie sollte man ihnen nicht bilanzierte Devisen abkaufen? Also habe ich mir etwas ausgedacht: Unsere Bank gab dem Forstwirtschaftsunternehmen für zwei Wochen einen mit nicht bilanzierten Devisen besicherten Kredit. Der Betrieb zahlte den Kredit nicht zurück, und wir behielten die Sicherungsleistung. Dann brachten wir für diese Devisen die nötige Rubel-Deckung auf und konnten sie so in Dollar umwandeln. Dann gaben wir einem anderen Unternehmen einen mit Rubeln besicherten Dollar-Kredit. Der Dollar stand bei uns 1 zu 7 bis 1 zu 10. Zu einem bestimmten Zeitpunkt beliefen sich die Kreditausfälle auf 96 % bei einer gleichzeitigen Rentabilität der Bank von 1000 %. Wir hatten ein Konto bei der Vneshekonombank. Die anderen hatten auch ein Konto bei der Vneshekonombank. Dieses Verrechnungskonto nutzten wir als Bankkonto. Und niemand durchschaute, was wir da taten. Wir hatten keine Lizenz für Bankgeschäfte, nichts hatten wir. Aber es gab auch keine Gesetze, gegen die wir damit verstoßen hätten. Als die Zentralbank kam, um uns zu überprüfen, sagten sie: ‚Ihr seid kriminell.‘ Ja, mag sein, aber sagen Sie uns doch, gegen welches Gesetz wir verstoßen haben, wir wissen es nicht. ‚Ihr habt das Bankensystem in seinem Kern verletzt.‘ Und in welchem Gesetz ist der beschrieben? (a.a.O., S. 223)

[9] a.a.O., S.127

[10] a.a.O., S. 218. Wie sich die Betreffenden auf dem Gebiet Beziehungsmanagement ihre Lizenzen beschafft haben, erheitert sie heute noch:

„Diese erste Lizenz, das war eine lustige Geschichte. Die Zentralbank hatte beschlossen, uns eine Lizenz zu geben. Als nächstes musste sie also getippt werden. Der Angestellte, ein ganz junger Kerl, sagte mir: ‚Aber nicht jetzt! Ich kann jetzt nicht. Ich hab Mittagspause, danach eine Besprechung … Komm morgen vorbei!‘ Darauf ich: ‚Pass auf, geh du ruhig Mittag essen, ich tippe das einstweilen.‘ Er nickte und lief los. Ich sitze also da und tippe, den Telefonhörer zwischen Schulter und Ohr geklemmt, und am anderen Ende sind Chodorkowski und Lebedew. Ich tippe und sie sagen mir, was ich schreiben soll … Ich schreie sie an: ‚Aber nicht so dreist, ihr Hunde, nicht so dreist!‘ Ich schreibe: ‚Die Bank ist nicht berechtigt, offene Devisenpositionen zu halten …‘ Lebedew schreit: ‚Ist berechtigt! Ist berechtigt! Lass das nicht raus!‘ Ich widerspreche: ‚Die kriegen das mit!‘ Darauf er: ‚Wenn sie es mitkriegen, schreiben wir es um.‘ Du kannst dir vorstellen, was für eine geniale Lizenz wir uns da … zusammengeschustert haben. Und sie wurde unterschrieben!“ (a.a.O., S. 246)

[11] a.a.O., S. 218

[12] a.a.O., S. 226

[13] Auch die näheren Umstände dieser Auktionen beleuchten die Methoden, mit denen sich das russische Privateigentum, dessen ehrwürdige Rechte heutzutage in Den Haag geltend gemacht werden, etabliert hat, auf seine Art Anschauungsmaterial für den Spruch von Brecht: ‚Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank:‘

Ende 1995 wurden in Aktien-Kredit-Swaps (Pfandauktionen) Anteile an fünf der großen Ölgesellschaften veräußert... Das Konzept der Swaps wurde von einem Konsortium russischer Großbanken entwickelt. Die Banken boten der Regierung einen Kredit von etwa 9 Mrd. Rubel (damals ca. 2 Mrd. USD) zur Finanzierung des Haushalts an. Als Sicherheit für den Kredit forderten sie die Verpfändung staatlicher Aktienpakete, die bei den Banken verbleiben sollten, falls der Staat den Kredit nicht innerhalb einer bestimmten Frist tilgen würde. Jedes Aktienpaket sollte im Rahmen einer Auktion an die Bank vergeben werden, die das beste Kreditangebot unterbreitet hatte. In einem Erlass vom 31. August 1995 ging Präsident Jelzin auf das Angebot ein. (Der politische Einfluss von Wirtschaftseliten in Russland. Die Öl- und Gasindustrie in der Ära Jelzin, Von Heiko Pleines, Forschungsstelle Osteuropa Bremen, Nr. 41, November, 2002, www.forschungstelle.uni-bremen.de)

Die wichtigste Transaktion gelang der Menatep-Bank durch ihre Tochtergesellschaft zur Aktienverwaltung Rosprom im Jahr 1995: Unter Leitung von Platon Lebedew sicherte sich die Rosprom in einer Privatisierungs-Pfandauktion die Aktienmehrheit des vertikal integrierten Ölunternehmens Jukos für 309 Millionen Dollar und damit weit unter dem Marktwert des Unternehmens. Da die Menatep-Bank schon vorher die Hausbank von Jukos war und auch die Auktion selbst durchführte, hatte sie optimale Startbedingungen für den Erwerb der Aktien bzw. Insiderwissen. Einwände unterlegener Bieter blieben unberücksichtigt. (Wikipedia)

 „Die Regelung der Auktionen gab den Banken drei wesentliche Ansatzpunkte für Manipulationen. Erstens wurden alle Gebote jeweils von einer Bank entgegengenommen, die selber auch ein Gebot abgeben konnte. Diese Bank konnte so mit dem eigenen Gebot warten, bis sie alle Konkurrenzgebote kannte. Zusätzlich konnte sie konkurrierende höhere Gebote aus technischen Gründen disqualifizieren... Indem die Mindestgebote sehr niedrig angesetzt wurden, erhielten russische Großbanken die Möglichkeit, die verpfändeten Aktienpakete deutlich unter ihrem Marktwert zu erhalten...

 Die Bank Menatep disqualifizierte einen Konkurrenten, um sich selbst zum Sieger der Yukos-Auktion zu erklären, wobei das Konkurrenzgebot fast doppelt so hoch war wie das siegreiche. Die Vertreter von Rosneft beklagten, dass ihre Reise zum Ort der Versteigerung von Surgutneftegaz verhindert worden sei. In ihrer Abwesenheit wurde der einzige verbliebene Bieter zum Gewinner erklärt. Eine Tochterorganisation der Oneksimbank erhielt den Zuschlag für 51 % von Sidanko, nachdem der konkurrierende Bieter, Rossijskij Kredit, wegen verspäteten Erscheinens bei der Auktion disqualifiziert worden war.“ (www.forschungstelle.uni-bremen.de)

[14] a.a.O.

[15] Mit Bestechung oder Korruption ist das nicht zu verwechseln, der Ausschuss des US-Senats lobt das „funding“ und den selbstlosen „financial support“, mit dem Chodorkowski für eine russische Demokratie kämpft:

Vor seiner Verhaftung und Einkerkerung war Chodorkowski aktiver Kritiker des derzeitigen Präsidenten Russlands und finanzierte Oppositionsparteien, einschließlich der Union der rechtsgerichteten Kräfte (SPS) und Yabloko. Darüber hinaus hatte Chodorkowski viele Verbündete in der Duma, und Gerüchten zufolge war er dafür, die Macht des Präsidenten in Russland zu begrenzen, indem man das Land in Richtung parlamentarische Demokratie bewegte. Es wurde auch allgemein angenommen, dass er selbst politische Ambitionen, einschließlich der russischen Präsidentschaft, verfolgte. Auf Chodorkowskis Rolle für die Oppositionspolitik wies der Menschenrechtsbericht des US-Außenministeriums im Jahr 2003 ausdrücklich hin, in dem erklärt wurde, dass ‚die Oppositionsparteien, besonders jene, die von den sog. Oligarchen finanziert werden, durch die Untersuchung und Verhaftung des Yukos-Präsidenten Michail Chodorkowski erheblich behindert wurden, eine Maßnahme, die, wie allgemein angenommen, wenigstens zum Teil durch die beträchtliche finanzielle Unterstützung, die er den Oppositionsgruppen zukommen ließ, veranlasst wurde‘. (Democracy in Retreat in Russia, Hearing before The Committee on Foreign Relations, United States Senate, February 17, 2005, http://www.gpo.gov)

[16] Sie (die Yukos-Gesellschaft) wollte auf internationaler Ebene konkurrieren und erkannte, dass sie dazu bessere Unternehmensführung und mehr Transparenz in ihre betrieblichen Aktionen bringen musste. Die Gesellschaft legte einen besonderen Schwerpunkt darauf, ihre Finanzberichterstattung an die US GAAP (United States Generally Accepted Accounting Principles), die allgemein anerkannten Rechnungslegungsgrundsätze der Vereinigten Staaten anzupassen, deren zusätzliche Anforderungen über das hinausgehen, was das russische Recht verlangt. Sie behielt auch die namhafte Beratungsfirma PricewaterhouseCoopers bei, die für sie Finanz- und Steuerkonzepte erstellte. Neben diesen Maßnahmen rekrutierte Yukos internationale Führungskräfte, damit das Geschäft aufgrund ihres Knowhow und ihrer Branchenkenntnisse florierte. 2001 trat der amerikanische Ölexperte Bruce Misamore dem Unternehmen als Finanzvorstand bei. 2003 folgte ihm Steven Theede als leitender Geschäftsführer. Die Berufung internationaler Kräfte trug dazu bei, dem Ethos der Professionalität und Treuhandpflicht Nachdruck zu verleihen, das den Entscheidungen der Geschäftsleitung bezüglich der Strategie, der Aktionäre und der Belegschaft von Yukos zugrundeliegt. (http://www.theyukoslibrary.com)

[17] Kremlin Playing Oil Game For Keeps. By Catherine Belton, Staff Writer, Eric Draper / bloomberg, Monday, Dec. 29, 2003. (www.siliconinvestor.com)

Insgesamt der Beginn einer wunderbaren Freundschaft zwischen dem russischen Tycoon und den USA, die ihn schon einmal zu einem global leader of the future befördern; die US-Vertreter können ihren Schützling gar nicht genug loben:

Als Putin 2000 an die Macht kam, fing Chodorkowski gerade an, sich ein gutes Erscheinungsbild zuzulegen. Obwohl er die Interessen der Minderheitsaktionäre rücksichtslos überging, sie aus den Aktionärsversammlungen auszusperren versuchte und in Windeseile die Profite der Gesellschaft in Offshore-Zonen verstaute, ist er aufgrund einer General-Image-Überholung sowohl seiner selbst als auch seiner Firma für Unmengen von Dollar schnell zum Paradebeispiel dafür geworden, wie sich US-Kapitalisten die Entwicklung des russischen Kapitalismus wünschen. Sein Foto zierte die Titelseiten der meisten westlichen Wirtschaftsmagazine. Eine Sonderausgabe von Business Week bildete ihn sogar neben der amerikanischen Nationalen Sicherheitsberaterin Condoleeza Rice in einem Artikel über die globalen Führer der Zukunft ab. ‚Vor allem Chodorkowski wurde als jemand angesehen, der die Wende zum Besseren geschafft hatte‘, sagte Michael McFaul, Experte an der Stanford Universität für russische Politik und deren Beziehungen zu den Vereinigten Staaten. ‚Er wurde als Pionier gesehen, der Transparenz und westliche Werte propagierte.‘ Als er vor dem ersten amerikanisch-russischen Energiegipfel einen Pilot-Tanker mit russischem Rohöl nach Texas schickte, mag das im Kreml einige Bestürzung verursacht haben, aber in der westlichen Presse bescherte ihm das Beifall und eine Unmenge an Kommentaren. Seine Geschichte als Heilsbringer war so überzeugend, dass der Geschäftsführer der United Financial Group, Charles Ryan, sowie andere Investment-Banker die ‚Yukosierung‘ der Nation forderten. Chodorkowski wurde so populär, und anscheinend unbesiegbar, dass er begann nach politischer Macht zu trachten und darauf drängte, eine parlamentarische Republik zu schaffen. In kürzester Zeit hatte sich Chodorkowski vom Räuberbaron in einen echten verwandelt mit Zugang zu den mächtigsten und einflussreichsten Personen in Washington, incl. zu Mrs. Bush, Bush’s Vater und dem Vizepräsidenten. (a.a.O.)

[18] Diese Politik war sicher von entscheidender Bedeutung für die US-Kampagne, Russland zu einem alternativen Rohöl-Lieferanten zu formen, einem, der frei von den Auflagen war, die die anderen großen Anbieter in der zunehmend instabilen arabischen Welt zur Preiskontrolle verhängten. Das war jedoch eine direkte Bedrohung für einen der wenigen verbleibenden Kontrollhebel über die Ölmilliardäre der Nation und wurde als direkte Bedrohung der staatlichen Souveränität angesehen. ‚Der Bau von Pipelines in Privatbesitz war sicher ein wichtiges Thema für die USA‘, sagte Julia Nanay, leitende Analystin für Energiefragen bei der Petroleum Finance Corporation in Washington. ‚Für die USA ist es wichtig, Sicherheit bezüglich des Pipeline-Zugangs zu haben ... Ohne private Pipelines hat die russische Regierung die Freiheit zu entscheiden, wieviel Öl in den Markt kommt‘, sagte sie. ‚Staatseigentum am Netz gibt der Regierung OPEC-ähnliche Kontrolle über die Exporte.‘ (a.a.O.)

[19] 2004 verurteilte ein russisches Gericht Yukos wegen Steuerbetrugs zur Zahlung von 2,85 Milliarden Euro. Im Laufe der Jahre kamen fast 20 Milliarden Euro zusammen, die Yukos an Steuern und Zinsen sowie Strafgeldern zahlen musste. Das 1993 nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion gegründete Unternehmen ging an den Forderungen der Steuerbehörden zugrunde und wurde 2006 für zahlungsunfähig erklärt. Im November 2007 wurde Yukos liquidiert und aus dem Handelsregister gestrichen. (Spiegel online, 4.3.10)

[20] Das britische Parlament, stellvertretend für die westliche Welt:

Die politisch motivierte Zerschlagung von Yukos und die Inhaftierung seiner Führungskräfte und der letztendlich wirtschaftlich Begünstigten war ein Wendepunkt, sowohl was die Verpflichtung der Russischen Föderation in Bezug auf die internationale Energiesicherheit angeht als auch in Bezug auf die heimischen gesetzlichen Menschen- und Eigentumsrechte. Es ist mittlerweile klar, dass die Russische Föderation seit dem Beginn der Yukos-Affäre zugelassen hat, dass ihr Strafjustizsystem durch Korruption und politische Einflüsse infiziert wurde. Ihre Gerichte ließen sich durch äußeren Druck insofern beeinflussen, als sie die Verfolgung politischer Staatsfeinde durch Richter ermöglichten. (www.publications.parliament.uk)

[21] Kläger sind die Halter der Aktienmehrheit an der früheren Yukos-Ölgesellschaft – Hulley Enterprises Ltd. (Zypern), Yukos Universal Ltd. (Großbritannien – Isle of Man) sowie die Veteran Petroleum Ltd. (Zypern), ein Pensionsfonds, der zugunsten der früheren Yukos-Angestellten gegründet wurde. 2004, als zunehmend klar wurde, dass die russischen Behörden die Yukos-Ölgesellschaft zerschlagen und ihr Vermögen enteignen wollten und die russischen Gerichte unfähig waren, die Lage unabhängig, frei von politischer Einmischung zu bewerten, verpflichtete sich der Vorstand von Yukos, die Interessen aller Opfer der Yukos-Enteignungskampagne wahrzunehmen. Er sah es als seine Pflicht an, die Interessen der Gesellschaft und ihrer legitimen Anspruchshalter – Gläubiger, Aktionäre, Angestellte – zu schützen und beschloss daher, Schritte zu unternehmen, mit denen gesichert werden sollte, dass die Vermögenswerte der Gesellschaft, die sich außerhalb Russlands befanden, unter den wirksamen Schutz unabhängiger (d.h. nicht-russischer) Gerichte gestellt wurden... Daraufhin wurden die Yukos-Stiftungen im März bzw. September 2005 gegründet, einstimmig vom Vorstand der Yukos-Ölgesellschaft und mehrheitlich von den Aktionären unterstützt. Die Zwecke der Stiftungen, wie sie in den Artikeln der Gesellschaft festgelegt sind, lauten: Erstens, eine Möglichkeit bereitzustellen, mit deren Hilfe die Interessen der Gläubiger der Yukos-Ölgesellschaft vor nationalen und internationalen Gerichten vertreten werden können, und zwar Interessen, die ein endgültiges oder rechtskräftiges Urteil eines holländischen Gerichts erlangt haben oder ein endgültiges oder rechtskräftiges Urteil, das für vollstreckbar durch ein holländisches Gericht erklärt wurde gegen die Yukos-Ölgesellschaft (‚die Gläubiger‘) und die Aktionäre der Yukos-Ölgesellschaft. Im April 2005 gründete der Vorstand von Yukos eine Stichting (eine holländische Schutzstiftung), die sogenannte Stichting Administratiekantoor Yukos International. Yukos Finance übertrug seinen Aktienbesitz an verschiedenen nicht-russischen Gesellschaften an Yukos International. Yukos Finance übertrug dann gegen die Ausstellung einer Einlagebestätigung seine Anteile an Yukos International an die Stichting Administratiekantoor Yukos International. (www.theyukoslibrary.com)

[22] Ob die nach Zypern ausgewanderte Pensionskasse des Unternehmens jemals irgendeinem Yukos-Rentner irgendeine Summe hat zukommen lassen, ist nicht bekannt geworden.

[23] Innerhalb dieser Konstruktion war Yukos in der Lage, die Gewinne der Handelsfirmen und Offshore-Holdings in seinen Bilanzen zusammenzuführen, und erhielt sich zugleich die Freiheit, diese Profite vor den Ansprüchen der Minderheit der Anteilseigner zu bewahren, je nach den Interessen der Mehrheit der Anteilseigner oder der Firmenleitung. (PCA Case No. AA 226, in the matter of an arbitration before a tribunal constituted in accordance with uncitral arbitration rules - between Hulley Enterprises Limited (Cyprus) - and - The Russian Federation. Final award, 18 July 2014, Seite 558)

[24] Financial Times Deutschland, 20.09.2011

[25] Quasar de Valores SICAV SA. V the Russian Federation: Award 20 July 2012, Tribunal comprising Charles N Brower, Toby T Landau and Jan Paulsson, independent-views-YUKOS-yukoslibrary.pdf

[26] DW.de, 28.7.14