Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Streiks bei der Post
Die Post AG macht die Sozialpartnerschaft kaputt – ver.di kämpft um deren Rehabilitation
Nun hat auch die Deutsche Post AG ein inzwischen weitverbreitetes Mittel zur Senkung von Arbeitskosten für sich entdeckt. Im Januar gründet sie 49 neue, eigenständige Regionalgesellschaften (DHL Delivery GmbH) für die Paketzustellung und erzielt mit diesem schlichten Verwaltungsakt auf einen Schlag eine erhebliche Reduzierung ihrer Lohnkosten. Der in der Speditions- und Logistikbranche gültige und mit ver.di ausgehandelte Branchentarifvertrag sieht nämlich eine deutlich niedrigere Bezahlung vor als der – ebenfalls mit ver.di ausgehandelte – Post-Haustarifvertrag. An etliche Post-Arbeiter, bei denen die Post bislang auf die ebenso weitverbreitete Technik der befristeten Beschäftigung gesetzt hat, ergeht zugleich ein Angebot, das diese nicht ablehnen können: Wenn sie ihre Jobs behalten wollen, können sie in die neuen Regionalgesellschaften wechseln und dort einen unbefristeten Vertrag unterschreiben, sogar mit einer Zulage, die ihr bisheriges Grundeinkommen sichert. Sie müssen dann nur ohne die bisherigen übertariflichen Zulagen wie Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld und Leistungsentgelt auskommen, also für bis zu 3.500 Euro weniger im Jahr arbeiten.
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Systematischer Katalog
Länder & Abkommen
Streiks bei der Post
Die Post AG macht die Sozialpartnerschaft kaputt – ver.di
kämpft um deren Rehabilitation
Nun hat auch die Deutsche Post AG ein inzwischen weitverbreitetes Mittel zur Senkung von Arbeitskosten für sich entdeckt. Im Januar gründet sie 49 neue, eigenständige Regionalgesellschaften (DHL Delivery GmbH) für die Paketzustellung und erzielt mit diesem schlichten Verwaltungsakt auf einen Schlag eine erhebliche Reduzierung ihrer Lohnkosten. Der in der Speditions- und Logistikbranche gültige und mit ver.di ausgehandelte Branchentarifvertrag sieht nämlich eine deutlich niedrigere Bezahlung vor als der – ebenfalls mit ver.di ausgehandelte – Post-Haustarifvertrag. An etliche Post-Arbeiter, bei denen die Post bislang auf die ebenso weitverbreitete Technik der befristeten Beschäftigung gesetzt hat, ergeht zugleich ein Angebot, das diese nicht ablehnen können: Wenn sie ihre Jobs behalten wollen, können sie in die neuen Regionalgesellschaften wechseln und dort einen unbefristeten Vertrag unterschreiben, sogar mit einer Zulage, die ihr bisheriges Grundeinkommen sichert. Sie müssen dann nur ohne die bisherigen übertariflichen Zulagen wie Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld und Leistungsentgelt auskommen, also für bis zu 3.500 Euro weniger im Jahr arbeiten.
Gegen die Rede von der Profitgier
des
Post-Vorstands und seiner Kollegen, die diese
Lohnsenkungsmaßnahme um eine versprochene
Dividendenerhöhung für die Aktionäre ergänzen, beteuern
die Firmenchefs, dabei nur ihrer unternehmerischen
Verantwortung
nachzukommen. Schließlich muss sich die
Firma in dem dynamischen
, weil heiß
umkämpften
Bereich der Paketzustellung bewähren, in
dem die Konkurrenten – UPS, Fedex, Hermes, DPD, etc. –
mit dem Mindestlohn kämpfen
, ihre Angestellten
also nicht ansatzweise so üppig entlohnen wie die Post.
Wenn das Unternehmen schon bereit ist, so viel
Verantwortung zu übernehmen, dann müsse man doch
wenigstens einsehen, dass das Geld, von dem seine
Belegschaft lebt, eine unerträgliche Fessel für den
Geschäftserfolg ist, von dem deren Lebensunterhalt
schließlich abhängt. Immerhin werden in den neuen
Regionalgesellschaften bis 2020 10 000 und bis 2025
20 000 Arbeitsplätze in Aussicht gestellt: Drastische
Lohneinbuße hin oder her – im Land, in dem „sozial ist,
was Arbeit schafft“, ist das doch wahrlich ein
ehrenwerter Dienst. Zumal es sich bei diesen
Arbeitsplätzen nicht um irgendwelche
Schmuddelverträge
, sondern um unbefristete,
ordentlich tarifierte
sozialversicherungspflichtige
Arbeitsplätze handelt, also um so etwas wie das größte
denkbare Angebot der modernen Arbeitsgesellschaft. Was
will man denn mehr?
Das sieht ver.di anders. Mit dem Vorgehen der Post AG ist
für viele Beschäftigte die heile Postwelt
zusammengebrochen
. Sie sieht darin einen
sozialpolitischen Skandal ersten Ranges
, nicht nur
eine breit angelegte Tarif- und
Mitbestimmungsflucht
, sondern auch einen
Vertragsbruch, einen Verstoß gegen den 2011 mit ver.di
abgeschlossenen Vertrag zum Schutz vor Fremdvergabe von
Zustellaufträgen an konzerninterne oder externe
Unternehmen
. Der habe die Ausgliederung von
Paketzustellbezirken auf 990 von ca. 5000 beschränkt –
eine Klausel, die unbedingten Respekt verlangt, weil die
Post-Arbeiter sie ja unter anderem mit dem Verzicht
auf Kurzpausen und arbeitsfreie Tage sowie ein
abgesenktes Einstiegsgehalt
erkauft haben. Nicht,
dass ver.di an der Stelle sturköpfig wäre: Sie verweist
vielmehr auf ihre im gleichen Tarifvertrag offiziell
dokumentierte Bereitschaft, im Falle eines
signifikanten Absinkens der wirtschaftlichen
Ergebnisse
über eine Revision dieses
Schutzpakets
zu reden. Doch ausweislich der
riesigen Gewinne
, die die Post AG jetzt schon mit
dem exzellenten Haustarifvertrag
einfährt, geht es
der Firma offenbar prächtig
. Für ver.di ein klarer
Fall: Es gibt deshalb keine Handreichung zu einer
Verschlechterung der Arbeitsbedingungen.
Wenn die
Post außerhalb des bestehenden Systems
und an der
Gewerkschaft vorbei ein so umfangreiches
Lohnsenkungsmanöver durchführt, dann könne das also nur
als ein Einstieg in den Ausstieg der
Sozialpartnerschaft
gewertet werden, bei dem sich
ver.di nicht mehr des Eindrucks erwehren könne, die Post
wolle sie als Sozialpartner regelrecht vorführen.
*
Was der Gewerkschaft dabei tatsächlich vorgeführt wird, ist nichts als die Konsequenz der Sozialpartnerschaft, die sie da verletzt sieht. Das fängt an mit einer kleinen Erinnerung an das, wovon jede Gewerkschaft zwar in ihrer Praxis ausgeht, aber in ihrer Vorstellung von einem gerechten Lohn – einer Art objektivem Entsprechungsverhältnis zwischen der Leistung, die Arbeiter erbringen, und dem Lohn, den sie dafür nach Hause tragen – dementiert. Wenn die Post es schafft, mit einem einzigen rechtlichen Akt, pur mit ihrer Hoheit über die Organisation ihres Betriebs, für die gleiche Arbeit viel weniger zu zahlen, dann ist das eine selten deutliche Klarstellung: Die Höhe der Leistungsanforderungen und des dafür gezahlten Lohns ist nichts als das Resultat eines Kräftemessens zwischen dem Unternehmer und den organisierten Arbeitern. In diesem Kräftemessen ist für die Unternehmerseite jeder abgeschlossene Vertrag nur der Ausgangspunkt für den fortgesetzten Versuch, mit ihrer Macht als Eigentümer über den Betrieb ihr Interesse an größtmöglichen Gewinnen auf Kosten ihrer Belegschaft zu erzielen: etwa mit Leistungsverdichtung und/oder – wie die Post-Arbeiter es gerade zu spüren bekommen – mit allerlei Varianten der Lohnsenkung. Darin sind alle Zugeständnisse, die die Gewerkschaft – wie in diesem Fall – bezüglich Arbeitszeit und Lohn macht, nicht etwa Vorleistungen, für die Arbeiter eine vertrauensvolle Gegenleistung erwarten können, sondern eben das: Zugeständnisse, die es aus Sicht ihres Kontrahenten auszunutzen gilt. Und zwar mit allen Mitteln und bis hin zum Vertragsbruch, wenn ein Unternehmen meint, damit durchzukommen bzw. etwaige rechtliche Konsequenzen locker wegstecken zu können.
Aber das ist nur die eine Seite. Wenn die Post AG so frei
ist, mit einem solchen rechtlichen Kniff gegen die mit
uns verhandelten Verträge auf eine Art und Weise zu
verstoßen, wie wir es bisher nicht kannten
, dann
kriegt es die Gewerkschaft mit genau der Freiheit zu tun,
die sie selber ihrem kapitalistischen Sozialpartner mit
ihren branchenspezifischen Tarifverträgen und den
einschlägigen, zum Teil sehr deutlichen Lohnunterschieden
eröffnet. Was die Post hier ausnutzt, sind die Spielräume
genau dieses ausgeklügelten sozialpartnerschaftlichen
Tarifgefüges, zu dem die Gewerkschaften ihr Kräftemessen
mit dem Kapital entwickelt haben, und bei dem sie sich
streng an den branchenüblichen Konkurrenzbedingungen
orientieren, die die Unternehmer jeweils schaffen und
brauchen. So erweist sich dieses Gefüge für die Post AG –
und nicht nur für sie – durchaus als eine Handreichung
zu einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen
, als
ein wirkungsvolles Instrumentengefüge für ihren Kampf
gegen Lohnkosten und Leistungsbeschränkungen.
*
Die Schadensbilanz ist aus der Sicht der Gewerkschaft beträchtlich:
„Der Vorstand (der Post AG, d.V.) zieht mit dem Bruch des Vertrages zum Schutz vor Fremdvergabe den Beschäftigten den Boden unter den Füßen weg und stellt die Tarifpartnerschaft mit ver.di in Frage.“ (ver.di-Pressemitteilung 12.3.15)
Das kann einfach nicht wahr sein. Wo bleibt der Respekt des Kapitals für die Partnerschaft, für das vertrauensvolle und konstruktive Geben und Nehmen, als das ver.di ihr Verhältnis zur Firma gegen alle Erfahrungen gerne sehen würde? Wo bleibt das eigentlich fällige Entgegenkommen für die kooperativen Vorleistungen, als die sie sich ihre eigenen Zugeständnisse gerne vorstellt? Von so etwas wie Gegenseitigkeit scheint die Post einfach nichts wissen zu wollen – dabei hätte der Gelbe Riese mit seinen „riesigen Gewinnen“ durchaus die Potenz zum Entgegenkommen, als die ver.di die erfolgreiche Bereicherung des Unternehmens gerne interpretiert.
Der Gegenschlag, zu dem ver.di ausholt, entspricht ganz
ihrer enttäuschten Diagnose einer Erschütterung der
Sozialpartnerschaft
durch den ungeheuren
Vertragsbruch der Post AG. Um ihrer Enttäuschung und
ihrem Ärger über das wenig partnerschaftliche und
vertragswidrige Gebaren der Post angemessen zum Ausdruck
zu bringen, zeigt sie der Firma die rote Karte
,
lässt die Mitbestimmungs- und Tariftreue zu Grabe
tragen
und macht damit deutlich: „Wir haben den
Streit nicht angefangen! Von uns geht der
Konflikt nicht aus!“ Freilich scheut sie den
Konflikt nicht:
„ver.di fordert für die rund 140 000 Tarifkräfte des Unternehmens eine Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 auf 36 Stunden bei vollem Lohnausgleich…Mit der Tarifforderung zur Arbeitszeitverkürzung reagieren wir auf den Vertragsbruch und kompensieren das Vorgehen der Deutschen Post AG.“ (ver.di-Pressemitteilung 12.3.15)
Kompensieren
– das ist schon ein interessanter
Umgang mit der Ausgliederungsinitiative der Post.
Dagegen zu streiken, wird gar nicht erst
erwogen, weil es für diesen Fall verboten ist. Das Gesetz
gestattet einen Streik nämlich nur für Anliegen, die in
einem Tarifvertrag geregelt werden können, also weder für
die Blockierung von Neugründungen noch als Bestrafung
eines vermeintlichen Vertragsbruchs. Und selber
mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten, gegen das die Post
aus ihrer Sicht verstößt, kommt für die Gewerkschaft
nicht in Frage. Wenn sie gegen die Post vorgeht, dann auf
jeden Fall innerhalb des vorgesehenen gesetzlichen und
tarifvertraglichen Rahmens, den das Unternehmen gerade
sprengt. Sie beschreitet den Rechtsweg, legt Klage wegen
Vertragsbruch vor dem Arbeitsgericht Bonn ein, geht aber
zugleich davon aus, mit den Waffen des Rechts nicht viel
mehr als einen moralischen Sieg gegen die
Renditegier
des Post-Vorstands zu erzielen, da der
einschlägige Vertrag ohnehin in einigen Monaten ausläuft.
Also besinnt sich die Gewerkschaft auf ihre eigene Kraft,
um das Vorgehen, das sie mit den vorgesehenen Mitteln
nicht verhindern kann, zu vergelten – dies die
erste Bedeutung von Kompensation
. Sie verwandelt
den Gründungseifer der Post in einen Hintergrund
,
vor dem sie an anderer Stelle für ein
anderes Anliegen ihre Macht einsetzt: Wenn das
Unternehmen so rücksichtslos mit den Zugeständnissen der
Gewerkschaft an seine Gewinnbedürfnisse umgeht; wenn es
die schon erbrachten Opfer der Post-Arbeiter erkennbar
nicht als dankenswerte Vorleistungen, sondern
rücksichtslos als sein Bereicherungsmittel
behandelt – dann muss und darf auch ver.di ihre
Rücksichten nachträglich fallen lassen und jetzt
zurückfordern, was sie vorher zugestanden hat und was
sich in den Bilanzen der Post inzwischen so vorteilhaft
niedergeschlagen hat. So kommt die Gewerkschaft auf ihren
Korrekturbedarf in Sachen Leistung und Lohn: Wenn sich
die Post an den Haustarifvertrag nicht mehr hält, dann
erscheinen dessen Bedingungen gar nicht mehr so
„exzellent“. Vor dem Hintergrund werden die
Arbeitszeiten der Post-Arbeiter zu einer unerträglichen
Zumutung, die eine deutliche Korrektur verlangen – auch
mit Streiks, zu denen ver.di sogleich aufruft.
Zusätzlichen Nachdruck verleiht sie ihrem Vorgehen durch
die Hinzunahme der dieses Jahr fälligen Tarifrunde, in
der ver.di 5,5 % mehr Lohn fordert – nach ihrem letzten,
ebenso rücksichtsvollen Tarifabschluss 2013 mit 5,7 %
mehr Lohn mit einer Laufzeit von 26 Monaten.
Den Arbeitern, die in den Speditions- und
Logistiktarifvertrag von ver.di abgeschoben oder neu
eingestellt werden, ist damit erst einmal überhaupt nicht
geholfen. Die Forderung betrifft schließlich nicht die
neu gegründeten DHL Delivery GmbHs, sondern nur die
Arbeiter, für die der Post-Haustarifvertrag gilt. Doch
mit ihrer anspruchsvollen tarifpolitischen Antwort
auf die Ausgliederung will ver.di offensichtlich auch an
dieser Front Wirkung erzielen und die Post zum Rückzug
bewegen. Dies die zweite Bedeutung von
Kompensation
: Die Absicht hinter der Formulierung
ist bei aller juristisch gebotenen Zurückhaltung recht
eindeutig, erst recht dann, wenn ver.di ihre Enttäuschung
über die Weigerung des Postvorstands äußert, weder auf
ihre Forderung nach mehr Geld und weniger Arbeitszeit
einzugehen noch die Gründung der neuen
Regionalgesellschaften zurückzunehmen.
In mehreren Streikrunden stellt ver.di die
Entschlossenheit unter Beweis, gegen das kreative
Lohnsenkungsmanöver der Post zu kämpfen. Doch wenn sie
den fälligen Konflikt aufnimmt und auch eskaliert, dann
nur, um die Post möglichst schnell zu einer Rückkehr zum
bewährten, partnerschaftlichen Geben und Nehmen zu
bewegen: Die Post soll mit einem vernünftigen
Angebot
, den Post-Arbeitern wieder Schutz und
Sicherheit
und der Gewerkschaft ein neuerliches
vertrauensvolles Miteinander garantieren. Die Rede von
Kompensation
hat nicht zuletzt auch die Bedeutung:
Ihr Gegner im Arbeitskampf hat gefälligst die einst
heile Postwelt
wieder heil und ihren Verstoß gegen
die gute alte Sozialpartnerschaft wiedergutzumachen, die
sich gerade als probates Instrument der Post zur
Bekämpfung der Lohnkosten erweist, die die als
unerträgliches Hindernis ihrer Gewinne, pardon: ihrer
Wettbewerbsfähigkeit
ausgemacht hat. Das Vorgehen
der Post, dessen Unversöhnlichkeit die Gewerkschaft
durchaus wahrnimmt, führt sie also keineswegs auf die
Natur des Interesses zurück, mit dem sie es da zu tun
bekommt; sie subsumiert es vollkommen unter den
Gesichtspunkt einer Abweichung von der
vertrauensvollen Zusammenarbeit, die sich solange und
gerade in letzter Zeit für das Unternehmen so bewährt
hat. Hier ist für ver.di das Unternehmen auf der Jagd
nach einer möglichst hohen Rendite
, und damit will
die Gewerkschaft nicht die kapitalistische Rechnung mit
Lohnkosten, mit der sie tagtäglich zu tun und zu rechnen
hat, als die gewöhnliche, für die Beschäftigten
unverträgliche Profitrechnung kritisieren. Vielmehr
prangert sie eine – in ihren Augen – unternehmerische
Entgleisung an: eine Erschütterung der
Sozialpartnerschaft
, die es unbedingt zu retten gilt.
Mit ihren Arbeitskampfmaßnahmen will sie den Kontrahenten
wieder zur verlässlichen Vertragspartnerschaft
hinschubsen.
Auf die Gelegenheit, die für sie bislang so erfolgreiche
Partnerschaft mit der Gewerkschaft wiederzubeleben,
scheint die Post AG nicht gerade gewartet zu haben. Sie
lehnt das Gesamtpaket ab, das nach einem Blick in ihre
Bilanzen schlicht nicht finanzierbar
sei und an
der Realität des Wettbewerbs völlig vorbeigeht.
Und
sie lässt keinen Zweifel daran, dass es ihr bei diesem
Konflikt eben nicht um den Ausgleich, sondern um den
Sieg geht. In dem Kampf, den sie führt,
ist auch ein anderes Produkt der bisherigen
Sozialpartnerschaft mit ver.di von Nutzen, die
befristeten Beschäftigungsverhältnisse nämlich, die der
exzellente
Haustarifvertrag vorsieht: Nach ihrer
Teilnahme an einem Warnstreik werden die befristet
Beschäftigten selbstverständlich
zu
Einzelgesprächen eingeladen, um ihnen die
Notwendigkeit der Schaffung wettbewerbsfähiger Löhne
intensiv zu erläutern
und sie in äußerst subtiler
Weise zu informieren, dass übergeordnete Stellen
gerade bei den befristeten Arbeitskräften genau auf
die Verträge
schauen. Vorsichtshalber zieht sie den
streikenden Arbeitern ein Stück mehr Lohn pro Streiktag
ab, als gesetzlich zugelassen ist. Und nebenbei macht sie
sich eine kleine Erbschaft aus ihrer vorprivatisierten
Vergangenheit zunutze und setzt Beamte als Streikbrecher
ein… Auch so lässt sich der Belegschaft und ihrer
gewerkschaftlichen Vertretung klarmachen, dass die
Sozialpartnerschaft für das Unternehmen tatsächlich
nichts als eine Methode ist, seine
Wettbewerbsfähigkeit
zu sichern, und dass sie sich
deswegen auch an dem Ziel messen lassen muss.
Von alledem lässt sich ver.di nicht beeindrucken. Sie
setzt ihren Kampf an drei Fronten fort: Sie ruft zu einer
neuen Runde Warnstreiks auf, appelliert an die höchste
Gewalt in Gestalt des Wirtschaftsministers, mit seiner
Autorität die Post in die Schranken zu weisen, und
beschreitet mit einer zusätzlichen Klage gegen den
Einsatz von Beamten als Streikbrechern neuerlich den
Rechtsweg. Den unermüdlichen Kampf um die
Sozialpartnerschaft gibt ver.di also nicht so schnell
verloren. Anders ist die offenbar nicht zu haben. Um eine
Partnerschaft in dem Sinne handelt es sich bei dieser
Errungenschaft
eben nicht.