Obamas innenpolitischer Kampf gegen die Krise
Eine Weltmacht kämpft um ihre heimatlichen Grundlagen
Der amerikanische Präsident, der schon gleich, betrachtet die Lage vom Standpunkt einer, bzw. der konkurrenzmächtigen Führungsmacht. Er ist deshalb abgrundtief unzufrieden mit dem Zustand seiner Nation – und ruft sich und sein Land zu entschiedenen Anstrengungen auf, das zu ändern. Dass eine wachsende Millionenzahl von Amerikanern nicht krankenversichert sind, weil sie sich die Kosten für Gesundheit nicht leisten können, das beweist ihm ebenso wie der von BP produzierte Bohrunfall mit seinen katastrophalen Folgen,vor allem eines: dass es den USA an gesicherter Verfügung über Ressourcen nationalen Erfolges fehlt. Ein mit ‚Gesundheit‘ versorgtes, also einsetzbares Volk, und eine verlässliche nationale Verfügung über Energiequellen, d.h. auch die Konkurrenzführerschaft bei den erfolgreich zu vermarktenden neuen Technologien des zukunftsträchtigen Weltenergiegeschäfts, das zählt für ihn von daher zu den fundamentalen Herausforderungen, die einen ‚change‘ erfordern. Für die Wiederherstellung einer mit Kapital und Gewalt global erfolgreichen Weltmacht nimmt er kämpferisch Reformen in Angriff – und bringt damit seine Gegner auf, die ihm das als Verrat am und Zerstörung des amerikanischen Erfolgswegs ankreiden. Auch und gerade in Amerika kämpfen in der Krise unzufriedene Nationalisten so oder so um die internationale Führungsrolle in Sachen Geschäft und Gewalt.
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Obamas innenpolitischer Kampf gegen
die Krise
Eine Weltmacht kämpft um ihre
heimatlichen Grundlagen
Neben den diversen militärischen Einsätzen, neben der Krise, die er zu bewältigen hat, sieht der amerikanische Präsident sich in seinem Land auch noch mit zwei weiteren „Herausforderungen“ konfrontiert: ‚Gesundheit‘ und ‚Energie‘. Das sind auch hierzulande gewichtige Posten der innenpolitischen Agenda, und um die „Rezepte“, nach denen sie erfolgreich abzuarbeiten wären, wird gleichfalls nicht nur in den USA gestritten. Bezeichnend für die innenpolitische Diskussion dort ist allerdings die Unbedingtheit, mit der der Präsident seine Reform- und Erneuerungsprojekte vorträgt – und der Fundamentalismus, mit dem seine Gegner sie zu torpedieren versuchen.
In Fragen der Volksgesundheit wie in denen der Versorgung mit Energie ist der Präsident der festen Überzeugung, dass es so, wie die Nation mit diesen beiden Ressourcen ihrer Macht wirtschaftet, keinesfalls weitergehen kann: Immer größere Teile des Volks drohen bloß deswegen ihren nützlichen Dienst für Amerika schuldig zu bleiben, weil sie krank sind; und unmittelbar vor der eigenen Küste wird die Nation darüber belehrt, welch weitreichende Schäden risikoreiche, aber wegen der „Abhängigkeit vom Öl“ unverzichtbare Off-Shore-Erschließungen von Ölvorkommen nach sich ziehen können. An beiden Fronten sieht der Präsident sich gefordert, nationale Notlagen zu beheben, und das nimmt er sich dann auch in gebotener Entschlossenheit vor: In der Pose des Retters einer Nation, die knapp vor ihrem endgültigen Untergang steht, macht er ernst mit seinen Sprüchen vom „Change“, den das Land braucht. Weil das in seiner Sicht der Lage knapp davor steht, seine Zukunft zu verspielen, verdächtigt er bewährte Usancen seiner Amtsvorgängers im Umgang mit den Lobbies des Big Business tendenziell vaterlandsloser Pflichtvergessenheit; und seinerseits schickt er sich an, mit dem demonstrativen Ingrimm eines Kämpfers, der in großer Mission unterwegs ist, machtvolle private Geschäftsinteressen in die Pflicht zu nehmen, die sie ihrer Nation schulden.
Das ist große politische Schauspielkunst, aber eben nicht nur. Die vom Präsidenten bekundete Kompromisslosigkeit, sich mit allem Einsatz und einer neuen Politik schützend vor die höchsten Werte des amerikanischen Kapitalismus und der in ihm zur Blüte gelangten Lebensart zu stellen, drückt auf ihre Art nur aus, wie unzufrieden der oberste Nationalist mit der Lage des Landes ist, das er regiert – und die fundamentalistische Opposition, die den wahrlich nicht umstürzlerischen Reparaturmaßnahmen schlicht den Charakter unamerikanischer Umtriebe bescheinigt, drückt auf ihre Weise die Unzufriedenheit mit dem Zustand Amerikas aus. Auch da versteht man sich auf theatralische Übertreibung, wirft dem Präsidenten vor, die Nation überhaupt erst in die Krise hinein zu wirtschaften, aus der er sie angeblich retten will, während er in Wahrheit einen sozialistischen Putsch plant. ‚Quo vadis Amerika?‘ – das ist die Schicksalsfrage, die der Präsident mit Blick auf die innere Verfassung seiner Nation mit allem nötigen Pathos aufwirft, und wenn die rechte Opposition und im Anschluss an sie weite Teile der Bevölkerung dieselbe Frage mit Blick auf den Präsidenten ins Spiel bringen, dann ist es offenbar so, dass mit diesem Land und seiner gegenwärtigen Verfassung kein aufrechter Nationalist zufrieden ist.