Die neue US-Regierung
Unmissverständliche Ansagen an den Rest der Welt

Die neue US-Regierung unter George W. Bush stellt mit der Vorbereitung eines Raketenabwehrsystems klar, wie sie sich auf den Rest der Welt bezieht: Amerika obliegt es, den Weltgewalthaushalt zu kontrollieren und dafür zu sorgen, dass jedwede inter-nationale Gewaltanwendung nur mit Zustimmung Amerikas erfolgt. Entsprechend diesem Standpunkt werden alle Nationen und Weltgegenden von der Bush-Regierung ins Visier genommen: Eindämmung der wachsenden Macht Chinas, Beendigung des Wiedervereinigungsprogramms Südkoreas mit dem „Schurkenstaat“ Nordkorea, Festhalten an der Strangulierung des Iraks gegen die Interessen der arabischen Nachbarstaaten und der Europäer, Herabstufung des Israel-Palästina-Konflikts zu einer regionalen Angelegenheit, strategische Entmachtung Russlands durch Beendigung des alten ABM-Vertrags, Gebot der Unterordnung der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) unter die Nato, Zurückweisung von europäischen Versuchen, Amerika in supranationale Vereinbarungen einzubinden (Klimaprotokoll von Kyoto, Internationaler Strafgerichtshof).

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Die neue US-Regierung
Unmissverständliche Ansagen an den Rest der Welt

Der stereotype Vorwurf der Ahnungslosigkeit, Dummheit und Cowboymentalität ergeht an jeden neuen US-Präsidenten – und kündet von nichts als ziemlich ohnmächtiger Betroffenheit: durch die Tatsache nämlich, dass der jeweils neue 1. Mann Amerikas dem Rest der Welt nicht mit der berechnenden Erkundung der eigenen Chancen gegenübertritt, die sich der eigenen Nation in Abhängigkeit von den Interessen der übrigen Staaten bieten – das wäre „Sachkenntnis“, „Dialogbereitschaft“ oder eine ähnliche Tugend, sondern dass er politische Fakten setzt, welche die anderen mit ihren Berechnungen zur Anpassung nötigen.

Die Berechnung, mit der der neue – wie jeder neue – US-Präsident antritt, bezieht sich kritisch auf den Vorgänger: auf Schwachstellen an dessen Politik, die er auszubügeln gedenkt; nämlich auf fehlende oder Misserfolge, die von mangelhafter Durchsetzung amerikanischer Rechte in der übrigen Welt und gegen sie zeugen.

Damit erledigt sich auch die heiße Frage: Kontinuität oder Wende im Weißen Haus? Bush steht in der selbstverständlichen Kontinuität permanenter Selbstkritik amerikanischer Weltmachtpolitik – an Erfolgskriterien, die es in sich haben. Und da ist ihm gleich einiges eingefallen.

Das Raketenabwehrsystem wird gemacht

Kaum ist die neue amerikanische Regierung im Amt, verkündet sie unmissverständlich, dass sich ab sofort jeder Zweifel erübrigt:

„Die Vereinigten Staaten haben die Absicht, ein Abwehrsystem gegen Raketen zu entwickeln und zu stationieren, dessen Ziel es ist, unsere Bevölkerung und unsere Streitkräfte zu schützen. Das amerikanische Volk darf nicht vollständig schutzlos bleiben.“ (Verteidigungsminister Rumsfeld)

Die Weltmacht Nr.1 erklärt sich für ungeschützt: Ihr Territorium, ihr Volk und ihre Soldaten, die überall zu Hause sind, um das amerikanische Kontrollregime gegen unbotmäßige Mitglieder der „Staatengemeinschaft“ durchsetzen. Zwar verfügen die USA über eine Armee mit der fortgeschrittensten „konventionellen“ Kriegstechnologie; zwar bemessen sie deren Erfolge daran, dass sie in jeder Weltgegend, bei Bedarf auch an mehreren „Schauplätzen“ zugleich, intervenieren kann, ohne sich auf das Niveau des Gegners herab-, d.h. auf ein Kräftemessen von Gleich zu Gleich einlassen zu müssen; zwar gebieten sie über ein atomares Offensivpotential, mit dem sie jedem Staat für den Fall einer (Gegen-)Attacke mit „Massenvernichtungsmitteln“ die totale Vernichtung garantieren können; zwar ist auch die neue US-Regierung von der Überlegenheit der eigenen Kriegsmaschinerie überzeugt; dennoch aber – oder besser: deswegen – leiden die USA unter einem grundsätzlichen Gewaltdefizit der besonderen Art. Sie können keine ballistischen Raketen bekämpfen, die einmal unterwegs sind. Also auch nicht die zerstörerische Fracht, die sie befördern. Wovon Amerika sich bedroht sieht und wogegen es sich wappnen will, ist nicht dieser oder jener Feindstaat, geschweige denn einer, der die USA überfallen wollte; auch nicht die überlegene Rüstung eines konkurrierenden Staates; also nicht einmal die Gefahr einer künftigen militärischen Niederlage im unvermeidlichen Wettbewerb der längst zum Kapitalismus bekehrten Staatenwelt; sondern der Umstand, dass ihre überlegene Abschreckungsmacht nicht hinreicht, um einem Störenfried ihrer Weltordnung – im Falle der fälligen Bestrafung – die Option auf eine nachhaltige Schädigung der USA oder ihrer Eingreiftruppen zu nehmen. Dafür steht ja nicht zuletzt das Feindbild vom „Schurkenstaat“ mit seinem verrückt-verbrecherischen Diktator, der „unberechenbar“ ist, „nicht rational kalkuliert“, also nicht kapituliert, sondern womöglich die USA zum Kalkulieren zwingt – nur weil er mit einer Handvoll Atom- oder Giftgas-Raketen hantieren kann. Die Notwendigkeit, überhaupt feindliche Gegenmaßnahmen von dieser Sorte in Rechnung zu stellen, ist in den Augen der US-Regierung ein nicht hinnehmbarer Zustand eigener Erpressbarkeit. Der Sicherheitsbedarf, den die Atommacht Nr.1 mit ihrem Raketenabwehr-Projekt geltend macht, soll diese Schranke beseitigen und so ihre Freiheit zur Kriegführung erweitern.[1] Die Überwindung der verbliebenen „Schutzlosigkeit“ auf dem Feld der Raketenbedrohung steht unmissverständlich für den Anspruch der USA, jeden Krieg auf jeder Eskalationsstufe mit überlegenen Gewaltmitteln kontrollieren und entscheiden zu können.[2] Denn damit steht und fällt ihre Weltmacht, dessen ist sich der amerikanische Präsident ganz sicher.

Die Ergänzung des atomaren Offensivarsenals durch ein universell einsetzbares Defensivsystem, das feindliche Raketen nach deren Start ausschalten kann, ist noch keine real existierende militärische Errungenschaft; nicht wenige Experten bestreiten bekanntlich, dass ein derartiges System in absehbarer Zeit effektiv funktionieren wird. Es ist fürs Erste ein politischer Wille, ein Auftrag an ein Heer von Wissenschaftlern und ein Plan. Und dennoch setzt der – gewissermaßen den Erfolg des Projekts antizipierende – Beschluss der amerikanischen Regierung ein politisches Datum; er verändert die Geschäftsbedingungen der internationalen Machtkonkurrenz – und stellt die bis dato angestellten politischen Berechnungen der an ihr beteiligten Nationen in Frage, bevor seine praktische Umsetzung erfolgt. Auch wenn deren militärische Mittel in ihrer Kriegstauglichkeit (noch) gar nicht wirklich „entwertet“, d.h. in ihrer Wirksamkeit reduziert sind, sorgt die Ankündigung der US-Regierung für eine neue „sicherheits“- im Klartext: kriegspolitische Lage. Sie kündet nämlich vom Standpunkt einer uneingeschränkten Kriegsbereitschaft als Basis künftiger amerikanischer Weltpolitik, und damit als gültiger Grundlage für den Verkehr mit anderen Staaten. Denn die Verfügung über eine Defensive gegen feindliche Raketen und deren zerstörerische Nutzlast schärft alle Optionen zur Offensive, macht also Amerika so richtig frei – für jeden Krieg. Dementsprechend ist auch die Konfrontation der Staatenwelt mit der amerikanischen Entscheidung ausgefallen – und zur Kenntnis genommen worden: als Eskalation amerikanischer Abschreckungspotenzen, d.h. von Wille und Fähigkeit, die Staatenwelt nach Bedarf zu terrorisieren, um die allseitige Botmäßigkeit zu erzwingen, die unter dem Titel „Weltordnung“ firmiert. Der Beschluss zu einer MD ist keine Kriegserklärung. Er wirkt aber als unübergehbare Drohung: gegenüber Staaten, die Amerikas Oberaufseher ohnehin im Visier haben; und als „Destabilisierung“ der eingerissenen Kräfteverhältnisse, von der die derzeitigen Freunde und Partner Amerikas betroffen sind.

Auch unter den kritischen Begutachtern der politischen Konjunkturen wird bemerkt, dass die vom neuen US-Präsidenten feierlich propagierte „Gelegenheit für die Welt, das Undenkbare zu überdenken und neue Wege zur Erhaltung des Friedens zu finden“, eine Kampfansage ist. Sie wittern einen „Rückfall in den Kalten Krieg“ bzw. in den „Geist“ desselben – und stellen damit die Welt auf den Kopf. Jetzt könnten sie sich, ein Jahrzehnt nach dem Abgang der Sowjetunion, einmal darüber aufklären lassen, dass der Kalte Krieg offenbar nicht das war, was sie ihrem Publikum stets erzählt haben: Schuld der Russen und ihres bösen Systems – also auch mit dessen Untergang endgültig der Vergangenheit angehörig. Sondern das Produkt des Unvereinbarkeitsbeschlusses, den die Führungsmacht des kapitalistischen Westens gegen eine Staatsmacht fasste, die sich ihren Imperativen für eine Weltordnung des freien Geschäftemachens widersetzte. Da werden die Nachrichtenmacher regelrecht darauf gestoßen, dass es der Anspruch auf globale Vorherrschaft ist, der die ganze Welt unter das Kriterium militärischer Beherrschbarkeit subsumiert. Aber wer lernt schon gern dazu: Sie beklagen, dass die Amerikaner überflüssigerweise wieder ‚Kalter Krieg‘ spielen, obwohl doch heutzutage kein guter Grund mehr dafür existiert.

Und ob der existiert! Die USA erklären die „Erhaltung von Frieden und Sicherheit“ auf dem Globus zu ihrer Sache, damit sich zum Herrn über Krieg und Frieden. Die beanspruchte Rolle als „einzige Weltmacht“, die von Amerika und für Amerika zu gewährleistende Kontrolle des Weltgewalthaushalts erfordert die Fähigkeit, jeden zu entwaffnen, der eigenmächtig – und damit anti-amerikanisch – agiert. Ihre Durchsetzung funktioniert nur durch allgegenwärtige Abschreckung, d.h. jederzeit aktuelle Kriegsdrohung, institutionalisiert also sozusagen den Kalten Krieg. Die Entmachtung der ehemaligen sowjetischen Gegenmacht ändert daran grundsätzlich nichts. Sie wird als Sieg verbucht, der eine andere strategische Lage schafft, d.h. einen andersartigen Ordnungsbedarf. Russland ist nicht mehr der Gegner, der er einmal war; und andere Staaten werden zu „strategischen Konkurrenten“, „Risiko“- oder „Schurkenstaaten“, also Hauptobjekten der Kontrolle aufgewertet. Die diesbezügliche Hierarchie ändert sich, je nach amerikanischer Definition, manchmal auch mit dem Wechsel des Präsidenten. Was bleibt, ist der Unterschied zwischen Gut und Böse –

„Dies ist eine viel unsicherere Welt als bisher. (…) Aber, auch wenn es eine unsichere Welt ist, sind wir sicher hinsichtlich einiger Dinge. Wir sind sicher, dass, obwohl das Reich des Bösen gestorben ist, das Böse weiterhin existiert. Wir sind sicher, dass es Leute gibt, die nicht ertragen können, was Amerika verkörpert. (…) Wir sind sicher, dass es Verrückte gibt in der Welt und Terror und Raketen.“ (Bush im Wahlkampf)

und damit die Pflicht des Guten, das Böse zu bekämpfen. Mit allen Mitteln, welche die Fortschritte der Technologie erlauben.

Wie die Herren der diversen Weltgegenden, Gegner wie Freunde, von diesem Standpunkt betroffen sind und herausgefordert werden, wird – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – auch ganz schön schnell klar.

„Schwerpunkt Pazifik“

Die Regierung Bush ist kaum im Amt, da wird die Volksrepublik China höchst offziell vom „Strategischen Partner“ zum „Strategischen Konkurrenten“ befördert. Mehr Respekt ist damit nicht gemeint, sondern eine programmatische Warnung: Die USA werden sich in Zukunft vermehrt um die Kontrolle und Eindämmung chinesischer Macht kümmern. Dass diese Entschlossenheit den Willen zur Konfrontation beinhaltet, wird gleich mit unter Beweis gestellt:

Erstens durch die feindselige Interpretation, mit der sie Chinas Einspruch gegen einen Raketenschutzschirm übergeht und zurückweist. Wenn Peking vor „amerikanischen Hegemonismus“ und einem „neuen nuklearen Wettrüsten“ warnt, also mit Gegenmaßnahmen droht, so lautet die lapidare Antwort: „China rüstet ohnehin auf.“ Und die Stimmungsmache folgt dem Motto: ‚Wer Amerikas legitimes Recht auf Selbstschutz bestreitet, der hat womöglich selber unfriedliche, also anti-amerikanische Absichten.‘ Auf diese Weise lässt der Mann im Weißen Haus klarstellen, dass die USA gar nicht daran denken, mit China über eine Begrenzung und Genehmigung von strategischer Aufrüstung auch nur zu verhandeln. Und so lässt er keinen Zweifel daran, dass das, was die Chinesen befürchten, amerikanischerseits genau bezweckt ist: Dass nämlich die beschlossene sukzessive, möglichst haushaltsverträgliche Modernisierung plus Aufstockung ihrer – bislang vergleichsweise rudimentären – atomaren Abschreckungstriade bereits militärisch um die beabsichtigte Wirkung gebracht ist, bevor sie stattgefunden hat.

Zweitens wird die forcierte Aufrüstung Taiwans auf die Tagesordnung gesetzt. Damit wird unterstrichen, dass die Insel, welche die VR China als Teil ihrer nationalen Hoheit betrachtet und schnellstmöglich „wiedervereinigen“ möchte, von den USA zielstrebig als strategischer Vorposten zur konfrontativen Begrenzung unerwünschter chinesischer „Machtambitionen“ behandelt und ausgebaut wird. Das oberste nationale Anliegen Chinas wird als Bedrohung des „zu demokratischer Reife entwickelten Taiwan“, der regionalen Friedensordnung und damit Amerikas behandelt.

Die Behinderung des US-Spionageflugzeugs

durch die chinesische Luftabwehr, die der „heldenhafte Pilot“ des Kampfjets nicht überlebt, ist ein Signal der Abwehrbereitschaft Chinas. Es soll der kurz zuvor ergangenen Warnung an die Adresse der neuen US-Regierung Nachdruck verleihen, sie solle „die Pferde vor dem Abgrund zügeln“ und die Unabhängigkeitsbestrebungen Taiwans nicht durch massive Waffenlieferungen „ermuntern“. Diese Souveränitätsdemonstration der chinesischen Volksrepublik fördert zuallerst einmal gewisse amerikanische Gepflogenheiten zutage – und lenkt gleich wieder von ihnen ab: Solche Aufklärungsflüge entlang der chinesischen Grenze gehören, so die lapidare Mitteilung, zur Alltags-Routine der US-Air-Force. An der Tagesordnung ist, dass die USA sämtliche Bewegungen der Volksbefreiungsarmee akribisch beobachten, die Rüstungsproduktion unter die Lupe nehmen, die Dislozierung aller Waffensorten verfolgen, den chinesischen Funkverkehr abhören und die regelmäßigen Proteste der Pekinger Regierung ebenso regelmäßig ignorieren. Tatsache ist mithin: Amerika behandelt China als militärisches Kontrollobjekt; als einen Staat, über dessen Machtmittel es jederzeit genauestens Bescheid wissen muss, um im – offenkundig laufend kalkulierten und vorbereiteten – Ernstfall die passenden Gerätschaften zur Ausschaltung der feindlichen Machtmittel parat zu haben.

Aufschlussreich ist des weiteren, wie die USA auf die Flugzeugkollision über dem Südchinesischen Meer und die Protestnote Pekings gegen die „Verletzung chinesischen Luftraums“ reagieren. Sie exerzieren den zuvor proklamierten Standpunkt durch: Selbstverständlich müssen solche Flüge sein! Die Kontrolle der Gewaltausstattung potentieller Ordnungsstörer gehört nicht nur zur selbstverständlichen Praxis der Weltmacht Nr.1. Sie ist auch das unbestreitbare nationale Recht der USA, das vom Objekt der Kontrolle anerkannt zu werden hat! Statt bei der Wahrnehmung dieses Rechts zu stören und die Aufklärer zu provozieren. Als Einladung an chinesische Ausspäh-Flieger, künftig auch über den US-Grenzen zu patrouillieren, ist das nicht gemeint. Das wäre fast schon Pearl Harbour. Die Berufung Pekings auf (inter-)nationale Souveränitätsrechte sind aus US-Sicht ganz fehl am Platze; wer keinen falschen Gebrauch von seiner Hoheit macht, hat schließlich nichts zu befürchten! Falscher Gebrauch liegt zudem eindeutig vor: Die Stationierung von Kurzstreckenraketen in der Küstenregion gegenüber Taiwan bietet „Anlass zu tiefer Besorgnis“, verpflichtet folglich zu erhöhter Aufmerksamkeit. Eine Entschuldigung der USA, wie sie China als Bedingung der Freilassung der Spionagecrew verlangt, ist folglich ausgeschlossen, sie wäre ja die Anerkennung eines Unrechts. Statt dessen gilt: „Keine Ursache!“ Das Unrecht liegt ganz bei den Chinesen, die sich nicht in militärischer Zurückhaltung üben, sondern den amerikanischen Kontrolldienst angreifen und demnächst vielleicht Taiwan – also die verlangte Botmäßigkeit verweigern. Die Konsequenz, mit der die Amerikaner auf ihrem Rechtsstandpunkt beharren, dokumentiert die Härte des Maßstabs, den sie an die Staatenlenker der Welt, auch und gerade an die „uneinsichtigen“ unter ihnen – wie die „chinesischen Kommunisten“ – anlegen: Die USA beanspruchen den Status der einzigen Weltordnungsmacht, damit die Kontrollbefugnis über die Machtausübung aller Konkurrenten. Sie konfrontieren China dementsprechend mit dem Imperativ, sich auf die Verfolgung seiner legitimen Interessen zu beschränken. Das heißt im Klartext: Alle Interessen, welche die chinesische Politik verfolgt, haben ihre Schranke am Willen der USA – stehen also unter dem Vorbehalt amerikanischer Genehmigung. Die VR China hat sich den Regieanweisungen der USA unterzuordnen, sie als überlegene und deshalb universell zuständige Aufsichtsmacht zu akzeptieren, will sie sich diese nicht zum Feind machen.

Dass den professionellen Meinungsmachern hierzulande angesichts der amerikanischen Intransigenz abermals der Kalte Krieg einfällt, ist nicht unpassend. Ganz verfehlt ist allerdings das Ergebnis der Ursachenforschung, nämlich die Diagnose, ein Südstaatentrampel führe sich als „Bush im Porzellanladen“ (SZ) auf und gefährde durch seinen unerfahren-arroganten Führungsstil unnötig das bewährte „Machtgleichgewicht“ in der Welt. Diese Skeptiker sehen durchaus das Exemplarische an der US-Lektion gegenüber China, deshalb mokieren sie sich ja so; aus ihrer nationalistischen Sorge heraus übersehen sie allerdings den vorwärts weisenden Charakter der amerikanischen Konfrontationsbereitschaft. Dabei könnten sie sich vom verantwortlichen Präsidenten leicht eines Besseren belehren lassen. Für die Regierung Bush firmiert die Zurechtweisung der VR China als Markenzeichen und Beweis einer „realistischen“ Befassung mit neuen Gefahren für Amerikas künftige Führungsrolle in der Welt. Wodurch China ins Visier der USA gerät, ist kennzeichnend – für deren Maßstäbe. Der Fingerzeig auf die „wachsenden Ressourcen“ einerseits, die politischen Bestrebungen Chinas, seinen regionalen Einfluss zu erhöhen, andererseits (beides übrigens selbstverständliche Zielsetzungen in der Staatenkonkurrenz), genügt, um diese Nation als „Nicht-Status-quo-Macht“ zu qualifizieren. Das reicht vollkommen aus.[3] Nämlich dafür, dass China wie von selbst das Attribut eines „Herausforderers“ und designierten Rivalen zuerkannt bekommt, welchen die einzige Weltmacht selbstverständlich nicht dulden kann. Auch die Verleihung des großspurigen Titels einer „Weltmacht im Aufbruch“, der ja schon so etwas wie die „gelbe Gefahr“ markiert und gleichzeitig die Aktualität der „Bedrohung“ selbst dementiert, lässt am Grund und Zweck der strategischen Aufwertung des „asiatisch-pazifischen Raumes“ keine Zweifel. Die Erhaltung und Sicherung des eigenen Weltmachtstatus schließt die präventive Bekämpfung eines Machtzuwachses von Konkurrenten ein, die die Rangordnung der Staatesgewalten ohne Ermächtigung aus dem Weißen Haus verändern wollen. Dass statt „Russia first“ jetzt die „Priorität China“ in Washington proklamiert wird, ist kein Glück für Peking, sondern ein Pech. Das zeigt sich auch am vorläufigen Ende der Flugzeugaffäre, das keinesfalls versöhnlich ist.

Eindämmung plus ökonomischer Zugriff

Die USA treten mittels ihres Botschafters in diplomatischen Kontakt zur chinesischen Regierung, wie es in solchen „Krisen“ üblich ist. Sie definieren den Abfangversuch der zwei Piloten als „Kollision“, also als Unglück – und nicht als vorsätzlichen, d.h. „kriegerischen Akt“. Das ist das Angebot an Peking, zu einer friedlichen Regelung zu gelangen. Eine solche, so wird gleichzeitig klargestellt, wird keinerlei Zugeständnisse an China beinhalten: weder in Bezug auf die nötigen Kontrollflüge, noch in Bezug auf die Aufrüstung Taiwans. Anschließend übermittelt Bush sein menschliches Beileid an die Witwe des ins Meer gestürzten Piloten, den das Pentagon zur gleichen Zeit als einschlägig bekannten Flug-Rowdy bezeichnet, dem gottlob nicht die teuere US-Maschine samt Bedienungsmannschaft zum Opfer fiel. Schließlich übergibt der Botschafter ein Statement, in welchem zweimal das Wort „Sorry“ auftaucht, einmal schon wieder wegen des armen Piloten und einmal, weil das beschädigte Flugzeug „im Einklang mit internationalen Regeln“ leider gezwungen war, auf einer chinesischen Insel zu landen. Die Amerikaner sagen, Sorry bedeute auf keinen Fall mehr als „Tut uns leid“. Die Chinesen haben ein anderes Sprachverständnis, übersetzen beide Male mit „Entschuldigung“ und lassen daraufhin die 24er Crew nach Hause fliegen. Dort werden sie „als Helden gefeiert“, „als ob sie einen Krieg gewonnen hätten“. Die Freigabe der Besatzung firmiert als Beweis, dass sich Amerika nicht erpressen lässt und sein chinesischer Widerpart sich die angedrohte „Verschlechterung der Beziehungen“, wie schon vorher verkündet, nicht leisten kann.

Mit ihrer ausgeklügelten Diplomatie nehmen die USA nichts von ihrem Rechtsstandpunkt zurück. Sie ergänzen ihn vielmehr um das Angebot, deswegen den politischen Verkehr nicht abbrechen zu lassen. Die unverhandelbare Gültigkeit des beanspruchten Kontrollrechts bekräftigen sie dann bei jedem diplomatischen Akt explizit, um diesbezügliche Missverständnisse auszuschließen. Das hindert europäische Journalisten nicht daran, ihren Wunsch zum Vater ihrer Kommentare zu machen und befriedigt zu konstatieren, der „Cowboy“ habe „einlenken“ und einsehen müssen, dass „man mit starken Sprüchen und bloßer Konfrontation keine erfolgreiche Politik machen kann“. Eine solche wird ihm dann prompt bescheinigt. Tatsächlich ist das im diplomatischen Verkehr verfolgte Ziel der amerikanischen Regierung, China zum Einlenken, d.h. zur Anerkennung der US-Aufsichtsrechte zu bewegen, kein Widerspruch zum Standpunkt der konfrontativen Beschränkung des „Riesenreichs“. Die USA kalkulieren schlicht und einfach, wie weit sie die Eskalation der Pressionen gegenüber China treiben wollen. Und bei dieser Kalkulation geht auch und gerade die amtierende Regierung davon aus, dass Amerika von China noch etwas Anderes will als die Unterordnung unter sein regionales Friedenskonzept: Die Chancen, die in der immerhin erreichten Wende der Kommunisten zum Kapitalismus vorliegen, sollen nach Kräften genutzt werden. Der „Milliarden-Markt“ Chinas ist längst zu einer ergiebigen Reichtumsquelle des US-Kapitals geworden: China ist der viertgrößte Abnehmer von amerikanischen Exportwaren. Und das „Billiglohnland“ China hat sich in den letzten zehn Jahren zu einer lukrativen Anlagesphäre für den Kapitalexport entwickelt: Tausende von US-Konzernen wirken mit an den „explodierenden“ Ausfuhren aus China, und damit am 84 Milliarden-Dollar-Handelsüberschuss der Volksrepublik gegenüber den USA im Jahr 2000. Die progressive Ausnutzung der Bereicherungsquelle China für die Expansionsbedürfnisse des US-Kapitals ist fest eingeplant, die irreversible Öffnung der chinesischen Nationalökonomie fürs internationale Kapital – was nach amerikanischer Lesart dasselbe ist wie: für den Zugriff amerikanischen Geschäfts! – soll durch den WTO-Beitritt des Landes endgültig auf den Weg gebracht werden. So wird das militante Programm zur politischen Unterordnung Chinas ergänzt um den Willen zum ökonomischen Zugriff auf seine Reichtumsquellen.

Für eine Mäßigung in Kriegsdingen ist dieser imperialistische Doppelanspruch nicht geeignet.[4] Denn für die Sicherung der ökonomischen Dienstbarkeit eines Konkurrenten ist seine politische Fügsamkeit die Bedingung; und umgekehrt sorgt der mögliche Nutzen, den (auch) der Konkurrent aus dem ökonomischen Verkehr zieht, um so mehr für die Notwendigkeit, den politischen „Missbrauch“ desselben für anti-amerikanische Emanzipationsbestrebungen zu verhindern.

Dafür, dass der Wille zu „beiderseits nützlichen Beziehungen“ den Vorrang der strategischen Sicherung der amerikanischen Führungsrolle nicht untergräbt, liefert Präsident Bush schließlich gleich noch den praktischen Beweis. Die Aufklärungsflüge finden künftig notfalls unter militärischem Geleitschutz statt. Und Taiwan erhält ein umfangreiches Aufrüstungs-Paket: aus U-Booten zur Bekämpfung eines etwaigen Belagerungsrings, aus Zerstörer-Schiffen, die Flugzeuge und Raketen orten und bekämpfen können, aus Anti-U-Boot-Flugzeugen, Boden-Luft-Raketen etc. – und zwar mit der erklärten Zielsetzung, eine militärische Eroberung der Insel durch China zu vereiteln. Da nützt es dem Pekinger „Regime“ überhaupt nichts, wenn es sich wie nach jeder der bisher 47 Waffenlieferungen vehement auf das „Ein-China-Prinzip“ beruft, also auf die von USA anerkannte völkerrechtliche Hoheit Pekings über den „Nicht-Staat“ Taiwan. Die Zeiten, in denen die USA u.a. mit solch berechnenden diplomatischen Zugeständnissen daran arbeiteten, die VR China in die strategische Front gegen den sowjetischen Hauptfeind einzubauen, sind schließlich längst vorbei. Und der politische Zusatzkommentar der Amerikaner zu besagten „Shanghai-Verträgen“ schrieb dem förmlichen Souverän über Taiwan immer schon vor, die „Wiedervereinigung“ nur friedlich anstreben zu dürfen – also nicht ohne die Zustimmung der USA! Deren – mittels materieller Aufrüstung – praktizierter Verfügungsanspruch über die Insel sorgt schon dafür, dass eine andere als gewaltsame Eingemeindung Taiwans nicht zu haben ist – und die ist verboten. Mit dem Waffenlieferungs-Versprechen mitten in der Flugzeugaffäre buchstabiert die neue amerikanische Regierung der VR China unmissverständlich die Funktion vor, welche ihre „abtrünnige Provinz“ im strategischen Konzept der USA hat: die eines unverzichtbaren Brückenkopfes an der pazifischen Gegenküste, kaum 160 km vom chinesischen Festland entfernt, also eines „unsinkbaren Flugzeugträgers“ und Kriegshafens und (Abwehr-)Raketenstationierungsorts – dessen „Sicherheit“ künftig durch Eingliederung in ein „Theatre-Missile-Defense-System“ gewährleistet werden soll.

Die Lieferung der in Aussicht gestellten, selbst von den US-Streitkräften frühestens in fünf Jahren einsetzbaren neuesten Zerstörergeneration „Arleygh Burke“, die mit einem Missile-Defense-tauglichen Frühwarn-Radarsystem namens Aegis ausgestattet werden soll und deshalb von Peking als Beinahe-Kriegserklärung attackiert worden ist, wird aufgeschoben – verbunden mit dem erpresserischen Hinweis, eine endgültige Entscheidung hänge davon ab, ob China seine Raketenstationierung gegen Taiwan fortzusetzen gedenke. Was von gut unterrichteten Kreisen hierzulande abermals als Zeichen von Zurückhaltung gedeutet wird; offenbar halten diese Kreise die amerikanische (Anti-)China-Politik nur dann für glaubwürdig, wenn sie sich über alle Berechnungen hinwegsetzt und der chinesischen Regierung keine andere Wahl lässt als die militärische Selbstbehauptung. Daran gemessen erscheint der US-Präsident tatsächlich als moderat, selbst wenn er auf Nachfragen unmissverständlich betont, dass die USA im Ernstfall „alles Nötige an militärischem Beistand“ leisten werden, damit Taiwan „sich selbst verteidigen“ kann.[5]

Mit dem Schurken Nordkorea darf es keine Entspannung geben

Eine der ersten Amtshandlungen des neuen Präsidenten besteht in der Stornierung aller politischen Beziehungen zu Nordkorea. Er kündigt an, seine Regierung wolle in aller Ruhe und Sorgfalt überprüfen, auf welche Weise das „nordkoreanische Regime“ am zweckmäßigsten zu liquidieren ist. Fest steht: Darum und nur darum geht es, die Erfolgsprognose des ehemaligen Irakkriegshelden und jetzigen Außenministers Powell ist das Programm:

„Die USA haben keine Illusionen über Nordkorea. Das Land ist despotisch und ein Schurkenstaat. Und dieses autoritäre Regime wird zusammenbrechen, ob es nun eine Öffnungspolitik unternimmt oder nicht.“ (8.3.01)

Natürlich bricht ein Staat nicht von selbst zusammen; so wird die bedingungslose Feindschaft gegenüber diesem Staat erklärt. Was auch immer das „Regime“ – der Name signalisiert schon fehlende Existenzberechtigung – unternimmt, ob es sich „öffnet“ oder nicht, spielt keine Rolle für das im Weißen Haus gefällte Todesurteil. Seine Vollstreckung ist also angesagt, und von diesem Standpunkt aus ist die neue Regierung unzufrieden mit dem Ertrag der Mittel, welche die alte für erfolgsdienlich hielt. Natürlich sind dem Außen- wie dem Verteidigungsminister der USA die Ergebnisse der Clinton’schen „engagement-policy“ nicht entgangen, dieser Mischung aus Kriegsdrohung und erpresserischen Angeboten zur „friedlichen“ Aufgabe.[6] Als da wären der Verzicht Nordkoreas auf die Benutzung inkriminierter Graphit-Atomreaktoren gegen das (nach 7 Jahren immer noch uneingelöste) amerikanische Versprechen der Lieferung zweier Leichtwasser-Reaktoren zur ersatzweisen Deckung des Strombedarfs; die Aussetzung von Raketentests gegen die Aussicht auf eine gewisse Lockerung des wirtschaftlichen Embargos; oder die Bereitschaft zu Verhandlungen über das eigene Raketenprogramm gegen die Hoffnung auf eine „Normalisierung“ der Beziehungen. Aber – der Schurkenstaat lebt immer noch, und manch ein Staatsmann hält ihn mittlerweile gar nicht mehr für einen solchen! Was könnte die Unduldsamkeit der Weltmacht Nr.1 besser charakterisieren als die offizielle Vorgabe ihrer neuen Repräsentanten für jede künftige Nordkorea-Politik:

„Nichts sollte gegeben werden, ohne dass eine Gegenleistung erfolgt, die von uns wirklich überprüfbar ist und die Nordkorea in eine völlig andere Richtung bewegt – weg von Raketen, weg von einem Export von Raketentechnologie“ , sowie weg von der „nicht-konventionellen als auch konventionellen Bedrohung der Existenz Südkoreas.“ (Powell, 17.1.01)

Die „Gegenleistung“, welche die USA vermissen, ist nicht mehr und nicht weniger als die militärische Selbstentwaffnung Nordkoreas.[7] Dass dieses Ziel durch Verhandlungen nicht zu erfüllen ist, versteht sich von selbst. Und „wirklich überprüfbar“ wäre eine Demilitarisierung dann und nur dann, wenn die nordkoreanische Regierung sämtliche Fabriken, Forschungsanlagen, U-Bahn-Röhren und sonstigen potentiellen geheimen Produktionsstätten der direkten amerikanischen Kontrolle unterwerfen würde. Die aus der Diplomatie stammenden Postulate von „Reziprozität“ und „Verifizierbarkeit“ finden somit eine originelle Anwendung – als kategorische Absage an jede Form von Verhandlungen, die auf wechselseitiger Anerkennung der Existenzberechtigung des Gegners beruhen. Die Regierung Bush gibt damit – neben dem Eindämmungs-Imperativ gegen China – als weiteres Markenzeichen ihrer „Ostasienpolitik“ die Unversöhnlichkeit gegenüber der „kommunistischen Diktatur“ Nordkoreas vor. Sie ordnet die „Korea-Frage“ neuerlich unter die einzig „realistische“ Rubrik eines Kriegsschauplatzes ein, und sie legt Wert auf diese programmatische Reduktion, weil sie die geforderte Standhaftigkeit gegenüber dem Feind für gefährlich aufgeweicht hält.[8] Damit ist klargestellt, dass sie alle politischen Beziehungen zu diesem Staat, und nicht nur die eigenen, daran misst, ob sie dazu beitragen, seine militärische Ohnmacht zu erzwingen, oder nicht.

Südkorea darf dem Feind nicht in die Hände spielen

Damit gerät automatisch die „Sonnenschein-Politik“ Südkoreas in die Schusslinie der Bush-Regierung. Deren vorderster Verfechter, Präsident Kim Dae Jung, stattet seinen Antrittsbesuch im Weißen Haus ab, um sich die Lizenz zur Fortsetzung seiner „Versöhnungs“-Strategie mit dem Norden abzuholen. Die bekommt er nicht, statt dessen eine eindeutige Auskunft: Die USA lassen es nicht zu, dass ihre Politik der Entmachtung Nordkoreas relativiert oder gar unterlaufen wird. Das hat die südkoreanische Regierung zwar nicht vor. Sie verfolgt vielmehr das Programm, auf Basis der (von den USA bewerkstelligten) militärischen Erpressung des Nordens ökonomische und diplomatische Hebel anzusetzen, um die Staatsräson und damit die widerspenstige Autonomie Nordkoreas von innen heraus auszuhöhlen. Genau diese Offensive aber steht ab sofort unter dem Verdikt der Untauglichkeit – oder schlimmer: in dem Verdacht, als Überlebenshilfe für den Feind zu dienen. Dem soll nicht die geringste Chance zu der berechnenden Defensive bleiben, sich durch Zugeständnisse aus politischer Isolation und katastrophaler Wirtschaftslage befreien zu können. Und verschafft nicht die Implantierung von Kapital in das marode kommunistischen System diesem materielle und finanzielle Mittel – und stärkt damit direkt oder indirekt sogar das Militär?[9] Macht die diplomatische Aufwertung des Regimes dieses nicht hoffähig in der Welt, so dass es statt eiserner Ausgrenzung gar Unterstützung (zwecks „weiterer Reformen“) erwarten kann? Nämlich von Konkurrenten der USA, die nur darauf warten, sich auf Kosten Amerikas ins Spiel zu bringen? Mit solch einer – gar nicht rhetorischen – Infragestellung der südkoreanischen „Annäherungs“-Kampagne ist dieser die Rückendeckung und damit die politische Geschäftsgrundlage entzogen.[10] Denn das Nutzen-Kriterium, welches die USA nunmehr unmittelbar in Anschlag bringen – die Entwaffnung des Gegenübers –, ist mit Geschäftsgründungen, Pipelines und Eisenbahnlinien, Familienbesuchen und politischer Einmischung etc. wirklich nicht zu erfüllen.[11]

Da nützt es gar nichts, wenn der südkoreanische Regierungschef unbeirrt für eine arbeitsteilige Trennung von militärischer und politisch-ökonomischer „Dimension“ votiert, um sein Projekt der „friedlichen Wiedervereinigung“ des Landes zu retten. Im Gegenteil. Dass dieses Projekt, nicht zuletzt für den Gewinn von mehr nationaler Eigenständigkeit, also für den Emanzipationswillen dieses amerikanischen Vorpostens in Ostasien steht, ist der großen Schutzmacht ja auch nicht entgangen. Dieser Wille stört die USA grundsätzlich. Spätestens dann, wenn die Regierung Südkoreas sich gemeinsam mit dem Oberrussen Putin für „die Stärkung des ABM-Vertrags als Eckpfeiler strategischer Stabilität“ ausspricht. Wenn Südkorea sich dergestalt öffentlich und „trotz des Drucks aus Washington“ vom Missile-Defense-Projekt Amerikas distanziert, dann ist das Maß endgültig voll. Südkorea hat, ebenso wie Japan, für die Dislozierung regionaler MD-Komponenten zur Verfügung zu stehen! Die Bedrängnis der Regierung Kim Dae Jung, dass „eine Unterstützung des Programms, das neben anderen ganz offensichtlich auf Nordkorea abzielt, das nordkoreanische Regime provozieren und die derzeitige Annäherung beenden würde“ (so der Außenminister), ist für die USA vor allem eines: ein schlagender Einwand gegen diese Annäherungs-Politik, die tatsächlich diplomatische Rücksicht auf den Feind und Verstöße gegen die verlangte Bündnisdisziplin nötig macht. Lange bevor der geplante „Raketenabwehrschirm“ steht, ist er ein politisches Faktum, an dem die Freunde Amerikas ihre Loyalität beweisen müssen, ob sie wollen oder nicht. Die demonstrative Zurechtweisung Kim Dae Jungs bei seinem Antrittsbesuch in Washington konfrontiert Südkorea mit der Unvereinbarkeit seiner „Sonnenschein-Politik“ mit den Unterordnungsforderungen der USA und wird in Seoul als demütigender Eklat registriert. Der anschließende Versuch, die Regierung Bush durch die Auswechslung des „schuldigen“ Außenministers versöhnlich zu stimmen, kann – aus Sicht der USA – den angemahnten politischen Korrekturbedarf natürlich nicht ersetzen. Kim Dae Jung will an seiner nationalen Aufweichungspolitik gegenüber dem erpressbaren Norden festhalten und muss der von den USA bestimmten Bündnisräson Rechnung tragen, die ihm seine erpresserische Macht verleiht.

Das Dilemma, in das die USA die Republik Korea bringen, führt zu wohlkalkulierten Selbstbehauptungsbemühungen dieser inzwischen durchaus ambitionierten Staatsmacht:

  • Sie sucht ihre formell „neutrale Haltung“ zur amerikanischen Raketenabwehr beizubehalten; von dem Plan, sobald wie möglich einen „Vertrag für Frieden und Sicherheit“ mit Nordkorea zu unterzeichnen, rückt sie – unter dem Druck Washingtons – ab.
  • Sie besteht auf ihren Energie- und Hilfslieferungen nach Norden und wirbt für ein positives Ergebnis des „Revisionsprozesses“ der US-Regierung, das die eigene Aufweichungsstrategie lizenziert.
  • Sie hat keine Berührungsängste, sondern hofft darauf, dass Russland – das sich einerseits an der Modernisierung der nordkoreanischen Armee beteiligen, andererseits mit Südkorea verstärkt ins Geschäft kommen will – seinen wieder erwachten ordnungsmächtigen Anspruch zur Förderung der „Entspannung zwischen Nord und Süd“ nutzt, wie im Februar-Gipfeltreffen vereinbart. Und sie fürchtet ein amerikanisches Veto, vor allem, was so schöne Vereinbarungen betrifft wie diejenige, sich von Putin ein mobiles Raketenabwehrsystem (Typ S-300) zu kaufen.
  • Sie setzt auf die Unterstützung der mächtigeren US-Verbündeten aus Europa. Die EU, welche sich durch die diplomatische Erpressungsoffensive der Clinton-Regierung zu eigenen Einmischungsinitiativen in Nordkorea ermuntern ließ, hält in der Tat ihren Besuchstermin in Pjöngjang aufrecht und konterkariert so die von der Bush-Regierung vorgenommene neuerliche Ächtung des „Schurken-Regimes“ Kim Jong Il. Die hohen EU-Repräsentanten, der Ex-NATO-Chef Solana mit dabei, machen dem aufgeschlossenen Gastgeber („kein Breschnew-Typ, der ZK-Beschlüsse vom Blatt liest“) Hoffnung darauf, dass Bush am Ende der „Überprüfung“ doch mit sich reden lässt. Freilich müsste Nordkorea im Interesse des Friedens die amerikanischen Waffenverbote akzeptieren, den Amerikanern das Feindbild widerlegen – am besten durch Öffnung seines hermetischen Systems und Eingehen auf die Versöhnungsangebote Südkoreas – sowie einen Menschenrechtsdialog mit der EU beginnen. Das Ziel der Intervention ist klar: Man will ein Stück europäischer Asienpolitik im ehemaligen Feindesland starten und gleichzeitig der eigenen Führungsmacht die Notwendigkeit einer pur militärischen Befriedungsstrategie – und damit das Ordnungsmonopol in der fernöstlichen Region ein bisschen bestreiten. Die Botschaft, welche die Drei von der EU nach Seoul überbringen – Kim Jong Il wolle seinen stornierten Gegenbesuch irgendwann nachholen – rührt den südlichen Kim zu Tränen. An Solidarität fehlt es ihm also nicht. Ob selbige die Amerikaner nachhaltig beeindruckt, ist allerdings eine andere Frage. Jedenfalls solange ihre Verbündeten in Nah und Fern selbst davon ausgehen, dass ihre konkurrierenden Zugriffsansprüche von heute auf morgen durch die Praxis der überlegenen Gewalt zunichte gemacht werden können.

Das andere Ende des Kontinents: Der Nahe Osten

Am 16. Februar bombardieren amerikanische und britische Kampfjets erstmals seit 1998 wieder irakische Ziele außerhalb der Flugverbotszonen, in der Nähe von Bagdad. Mit dieser Aktion bekräftigen die USA ihren Willen, die kriegerische Konfrontation gegenüber Saddam Hussein aufrechtzuerhalten.

Die Strangulierung des Irak geht weiter

Von den angemeldeten und zunehmend lauter werdenden Bedenklichkeiten gegenüber den Sanktionen, die unerträglichen Schaden bei der Zivilbevölkerung anrichteten, die Beseitigung des Regimes aber gar nicht erreichten, läßt sich die Regierung in Washington nicht beeindrucken. Sollte in den letzten Monaten der Clinton-Ära der gegenteilige Eindruck entstanden sein, so wird er nun durch die Bombenattacken richtiggestellt:

„Die USA müssen klarmachen, dass die Sanktionen aufrechterhalten werden, und sicherstellen, dass die Gelder, die der Irak durch das oil-for-food-Programm verdient, nicht zur Entwicklung von Massenvernichtungswaffen verwendet werden.“ (Powell, 31.1.01)

Die Vereinigten Staaten bleiben dabei, der Regierung in Bagdad ihr Sündenregister vorzuhalten: Überfall und intendierte Annektion Kuwaits, Beschuß Israels mit Scud-Raketen und der Einsatz von Chemiewaffen gegen die Minderheiten im eigenen Land. Sie bekräftigen erneut das einmal von ihnen gefällte Urteil und die verhängte Strafe: Dieser Schurkenstaat ist mit allen Mitteln so unter Druck zu setzen, daß er jeglichen Handlungsspielraum verliert. Bei Saddam Hussein vermögen sie keinerlei Einlenken zu entdecken, statt dessen immer neue Verbrechen: Er tritt nicht ab und unterdrückt die von den USA gesponserte Opposition, er läßt nicht nach in seinem Appell an die Araber, dem „amerikanischen und zionistischen Erzfeind“ entgegenzutreten, setzt alles daran, das Isolations- und Sanktionssystem der UN zu unterlaufen, verschafft sich per Schmuggel unkontrolliert Staatseinnahmen, die ihm nicht zustehen und für üble Zwecke wie die Beschaffung von „Massenvernichtungswaffen“ verwendet werden. Ein Staat, der vor zehn Jahren ohne Erlaubnis der USA das Kräfteverhältnis im Nahen Osten verändern wollte, der nach wie vor ungebeugt den USA die Oberaufsicht über diese Region bestreitet und noch dazu eigenmächtig Machtmittel in seinen Besitz bringen will, ist und bleibt ein „Schurkenstaat“, der schlimmste in der ganzen Region. Weil er sich der US-Kontrolle verweigert, so der Schluß der Regierenden in Washington, ist er eine „Bedrohung für seine Nachbarn“ und muß mit allen Mitteln von der internationalen Gemeinschaft bekämpft werden. So haben die Vereinigten Staaten nichts als ihre verdammte Pflicht getan, wenn sie mittlerweile seit zehn Jahren, seit dem Ende des Golfkriegs, regelmäßig militärische und zivile Ziele im Irak bombardiert haben, wenn sie bis zu ihrer Ausweisung 1998 Waffeninspekteure eingesetzt haben, die das irakische Waffenarsenal und -produktionspotential zerstört und das Land bis in den letzten Winkel ausspioniert haben, wenn sie im und mit Hilfe des UN-Sanktionskomitees den Wiederaufbau des Landes und eine normale Versorgung der Bevölkerung verhindert haben. An dieser Politik soll und darf sich nichts ändern, im Gegenteil, es müssen endlich wieder Waffeninspekteure in den Irak.

Mit diesem harten Kurs gegenüber Saddam Hussein besteht die Bush-Regierung auf dem Recht der Vereinigten Staaten, Mitglieder der Staatenwelt, die sie für nicht akzeptabel halten, als Outlaws der Völkergemeinschaft auszurufen und entsprechend zu traktieren. Solange Saddam Hussein es ablehnt, das Urteil der Aufsichtsmacht USA zu akzeptieren und sich deren strategischen Interessen zu unterwerfen, bleibt der Kriegszustand aufrechterhalten. Dies hat der Rest der Welt als die gegebene Lage zu respektieren: von allen anderen Ländern ist verlangt, sich der US-Linie unterzuordnen und am Boykott und der Entmachtung des Regimes mitzuwirken – und damit die USA als die Weltordnungsmacht anzuerkennen.

Ein Veto gegen alle Versuche der Konkurrenz, die weltpolitische Ausgrenzung des Irak zu widerrufen

So zwingen die USA allen Nationen eine neue Kalkulation auf, die von sich aus keinen Grund wissen, den Irak mit einem Dauerkriegszustand zu überziehen, vielmehr aufgrund ihrer nationalen Interessen mittlerweile längst einen anderen Umgang mit dem Irak anstreben und zum Teil auch schon pflegen. Sie stehen vor der Wahl, die eigenen Berechnungen fahren zu lassen oder sich selbst die Feindschaft der USA einzuhandeln.

Frankreich, Rußland und China bemühen sich seit geraumer Zeit im Sicherheitsrat um eine Revision der UN-Beschlüsse, mit denen die Strangulierung des Saddam-Regimes völkerrechtlich verordnet wird. Zwar halten auch sie eine Waffenkontrolle Bagdads für weiterhin erforderlich, da sie aufgrund ihres eigenen Großmacht-Interesses auf der Überwachung des Machtpotentials anderer Staaten bestehen, doch sind sie der Ansicht, diese könne im Falle des Irak in Zukunft im Einvernehmen mit der irakischen Führung und nach gemeinhin üblichen Standards und Kontrollverfahren erreicht werden. Entschieden sind sie gegen eine Prolongierung des Sanktionsregimes und der „Oil-for-food“-Regelung, ohne daß von Seiten der USA die Bedingungen für deren Beendigung angegeben werden. Sie wehren sich gegen das amerikanische Aufsichtsmonopol und verlangen, daß bei den Resolutionen des Sicherheitsrats auch ihre Interessen berücksichtigt werden. Sie haben nämlich längst Pläne, mit diesem über bedeutende Öl- und Gasvorkommen gebietenden Staat (wieder) ins Geschäft zu kommen. Zudem würden sich mit der Wiederaufnahme dieser Nation in die Staatengemeinschaft und der Verbesserung ihrer Beziehungen zu dieser wichtigen arabischen Nation auch ihre Einflußmöglichkeiten im Nahen Osten und der Golfregion vergrößern. Bei der Ausarbeitung von Änderungsvorschlägen für die Debatten im Weltsicherheitsrat haben sie es nicht belassen, sondern sind längst tätig geworden. Mit Solidaritätsflügen für die notleidende irakische Bevölkerung, mit denen Lebensmittel und Medikamente nach Bagdad gebracht wurden, fing es an. Schnell fanden sich weitere Nationen als Nachahmer. Die Solidarität war der Einstieg in die schrittweise Wiederaufnahme diplomatischer Kontakte und erweiterter ökonomischer Beziehungen, die sich meist noch im Rahmen des „Oil-for-food“-Abkommens bewegten und Vorarbeit für die Zeit nach den Sanktionen leisteten. Zugleich wurden aber die UN-Sanktionsvorschriften von ihnen immer lascher ausgelegt. China vertrat die Auffassung, die Lieferung von Glasfaserkabeln zur Verbesserung der Kommunikationstechnologie sei zulässig, Rußland hält einen normalen zivilen Flugverkehr nach Bagdad für mit den UN-Resolutionen vereinbar. Bei diplomatischen Vorstößen innerhalb des Sicherheitsrates tat sich insbesondere Frankreich hervor, das eine grundsätzliche Debatte über die Verhängung von Sanktionen durch die UNO beantragt hat.

Frankreich, Rußland und China verstehen die US-Bombardements Mitte Februar so wie sie gemeint sind: als eine Herausforderung, die nicht zuletzt auf sie zielt. In ersten Reaktionen halten sie dagegen, kritisieren die Angriffe als eine Aktion, der „jede rechtliche Grundlage fehle“ und die „gegen die Autorität des Sicherheitsrats“ verstoße. Der Härte ihres Arguments widerspricht jedoch die Form, in der sie es vortragen. Mehr, als ihren Protest der eigenen Nachrichtenagentur anzuvertrauen, mag sich keiner der kritischen Staatsmänner den USA gegenüber herausnehmen. Ihre Interessen am Irak und in der Region, die sich konträr zu den amerikanischen verhalten, geben die drei damit zwar nicht auf, begnügen sich aber zunächst einmal mit dem betrüblichen Schluß, dafür derzeit nicht allzu viel tun zu können. Der russische Außenminister Iwanow hält es bei seinem Treffen mit seinem US-Kollegen Powell in Kairo für angebracht, diesem zu versichern, daß es in der Nahostpolitik „keinerlei grundsätzliche Differenzen“ zwischen Rußland und den USA gebe. Die Chinesen sehen sich durch die amerikanische Anschuldigung, sie hätten mit ihrer Lieferungen von Glasfaserkabeln gegen die Sanktionsbestimmungen verstoßen und dem Irak bei der Verbesserung seiner Luftabwehr geholfen, genötigt, hauptsächlich diesen Vorwurf zu entkräften, um sich selbst aus der Schußlinie zu bringen. Die Deutschen fallen bei erster Gelegenheit den Franzosen in den Rücken und signalisieren, daß Europa in der Irak-Frage keine Konfrontation mit den USA suche. Außenminister Fischer betont eilfertig in Washington: „Wir haben die USA nicht zu kritisieren!“ und läßt es sich nicht nehmen, im Chor mit der amerikanischen Militärpropaganda die hohe moralische Qualität der Angriffe hervorzuheben: Die US-Bomberpiloten riskierten in ihrem „aufopferungsvollen Einsatz“ zum „Schutz der unterdrückten Minderheiten“ ihr Leben.

Der arabischen Welt wird die maßgebliche Frontlinie vorgegeben

Die Botschaft der Bomben verdolmetscht Powell den arabischen Staatsführern bei seinem Besuch Anfang März in den wichtigsten Hauptstädten der Region. Amerika besteht darauf, daß Saddam Hussein die Bedrohung des Friedens in der Region bleibt, auch wenn sich Iraks Nachbarn durch einen Saddam, dessen Land entwaffnet und ruiniert ist, gar nicht mehr bedroht fühlen. Denn das irakische Schurkenregime soll auch weiterhin die massive Militärpräsenz der USA am Golf rechtfertigen. Seit dem Irak-Krieg haben sie 30000 Mann und modernste Waffentechnologie in Saudi-Arabien und den Scheichtümern stationiert. Diese stattliche Militärbastion ist natürlich auf mehr berechnet, als den Irak abzuschrecken. Die Vereinigten Staaten sind damit selbst als allen regionalen Mächten haushoch überlegene Militärmacht vor Ort und stützen sich nicht mehr nur auf ihren Vorposten Israel, der die umliegenden Staaten in Schach hält. Sie kontrollieren damit zunächst einmal die Staaten, die über die größten Vorräte an Öl und Gas auf der Welt verfügen, und achten darauf, daß konkurrierende Staaten, die gleichfalls auf die Nutzung – oder gar die Kontrolle – dieser Energiereserven aus sind, nicht zu viel Einfluß in der Region erhalten. Zudem ist es den USA mit dem Abdanken der Sowjetunion gelungen, die Macht im Nahen Osten zu werden, auf deren strategische Bedürfnisse sich alle Nationen bei der Verfolgung ihrer nationalen Interessen beziehen müssen, weil sie keine Alternative haben. Wer sich diesem strategischen „Sachzwang“ verweigert, wird auf die Liste der „Schurkenstaaten“ gesetzt. Mit den Bombardements hat Washington die arabischen Staaten nachdrücklich daran erinnert, daß auch sie die von den USA auf die Tagesordnung der Weltpolitik gesetzte Unterscheidung zwischen Staaten, deren Regime anerkannt ist, weil es sich an die Funktionszuweisung aus dem State-Department hält, und solchen, die von den USA die Lizenz entzogen bekommen haben, zur Leitlinie ihrer auswärtigen Beziehungen zu erheben haben.

Die amerikanische Forderung ergeht an Staaten, die gerade erst beschlossen haben, sich neu zu positionieren. Auf ihren Gipfeltreffen in Kairo und Amman hat die Arabische Liga eine stärkere Belebung des Bündnisses und die Beilegung aller Differenzen zwischen den „arabischen Bruderstaaten“ – einschließlich derer zwischen Irak und Kuwait bzw. Saudi-Arabien – verabschiedet. Die versammelten Staatschefs waren sich einig, daß es eines geschlosseneren Auftretens bedarf, um den Interessen der Araber vor allem gegenüber Israel, aber auch im Verhältnis zu den USA mehr Gewicht zu verleihen. Sie haben nicht nur die „Aufhebung der Sanktionen“ und die „Respektierung der Souveränität des Irak und seiner territorialen Integrität“ gefordert, sondern in bilateralen Abkommen ihre Beziehungen zu Bagdad bereits neu geordnet. Bis auf Kuwait und Saudi-Arabien haben auch die ehemaligen Kriegsgegner ihre Botschaften im Irak wieder aufgemacht. Vor allem die Staaten, die wegen des Boykotts gegen Bagdad große ökonomische Einbußen erlitten haben, versuchen sich schadlos zu halten. Als erste haben Ägypten und Syrien Verträge über eine Freihandelszone mit dem Irak abgeschlossen, Libanon, Jordanien, Jemen etc. wollen folgen. Syrien hat die Pipeline in den Irak wiedereröffnet, bezieht seitdem Öl zu Vorzugspreisen und kassiert Transitgebühren. Jordanien erhält ebenfalls Öl zu vergünstigten Bedingungen und plant den Bau einer Pipeline vom Irak nach Amman.

Für Washington ist die Interessenlage der arabischen Staaten und deren „Aufbruch“ kein Thema. Eine andere Politik als die bereitwillige Unterordnung unter die Anweisungen Washingtons kommt überhaupt nicht in Frage. Darum behauptet der amerikanische Außenminister in seinen Presse-Statements ganz ungerührt, bei seiner Nahostreise auf eine „aufnahmebereite Zuhörerschaft“ getroffen zu sein, die „Verständnis für den amerikanischen Standpunkt zeigte, daß die Sanktionen nicht dem Zweck dienten, die irakische Bevölkerung zu verletzen, sondern die Entwicklung von Massenvernichtungswaffen einzudämmen“. Es habe sich gezeigt, daß die arabischen Führer „geschlossen hinter dem stehen, was die Vereinten Nationen in den vergangenen zehn Jahren getan haben“. Sein „Bericht“ über die Gespräche ist tatsächlich ein Machtwort der USA, das Powell für angebracht hält, weil er über die Zumutungen, die er seinen Gesprächspartnern abverlangt, Bescheid weiß. Darum ergänzt er seine demonstrative Zufriedenheit über die vorgefundene Kooperationsbereitschaft um unverhohlene Drohungen. Vom syrischen Präsidenten Assad verlangt er gleich dreimal die feierliche Versicherung, Damaskus werde nicht zulassen, daß Saddam sich nach der Wiedereröffnung der Pipeline zwischen Irak und Syrien ohne UN-Kontrolle Öl-Einnahmen verschafft. Damit ist der Verdacht des US-Staatssekretärs zwar nicht ausgeräumt, Assad aber vorgewarnt. Er weiß nun, daß Syrien kurz davor steht, wieder auf die Abschußliste gesetzt zu werden. Eine Reihe amerikanischer Kongreßmitglieder empfehlen ohnehin, Damaskus wegen seiner feindseligen Haltung gegenüber Israel wieder explizit und uneingeschränkt zu den Schurkenstaaten zu zählen. Ägyptens Präsident Mubarak und König Abdullah von Jordanien legt der US-Außenminister eindringlich ans Herz, sich stärker für eine Mäßigung des Anti-Amerikanismus und Anti-Zionismus im arabischen Lager einzusetzen. Von den „neben Israel engsten amerikanischen Verbündeten“ in Nahost verlangt Powell also, den „Aufbruch“, zu dem sich die „Arabische Nation“ gerade erst feierlich bekannt hat, schleunigst zu vergessen und in ihrem Lager wieder dafür zu sorgen, daß die zuverlässigen Partner Amerikas wieder auf Distanz zu den „Problemstaaten“ gehen. Wie sie nebenbei diesen Schwenk ihren nationalistisch bewegten Massen beibringen – schon jetzt muß König Abdullah gewaltsam gegen massive pro-irakische Demonstrationen in Jordanien vorgehen –, ist selbstverständlich ganz allein ihr Problem.

In Kairo „wirbt“ der US-Außenminister um die Unterstützung der amerikanischen Haltung gegenüber dem Irak mit der Ankündigung, die USA wollten das Sanktionswesen für das irakische Volk erträglicher machen, darum arbeiteten sie an „smart sanctions“. Damit diese Mitteilung nicht als Zugeständnis der USA an die arabische Seite mißverstanden wird, hält er fest: „Die USA haben längst selbst erkannt, daß die Leiden des irakischen Volkes gemildert werden müssen.“ Darum seien sie ja dabei, das System der „smart sanctions“ zu entwickeln. Und dann führt er aus, was die USA am Sanktionssystem verbessern wollen: Die Kontrolle über die Wiederbewaffnung des Iraks soll verschärft, der Druck auf die politische Führung erhöht, zugleich aber das Volk selbst – „soweit sich das bewerkstelligen lasse“ – entlastet werden.[12] Das Thema „Schonung der irakischen Bevölkerung“ ist damit von den Amerikanern besetzt, also erledigt. Folglich kann ab sofort auch kein „wohlmeinender“ arabischer Führer mehr seine Mitarbeit bei der verschärften Bekämpfung des irakischen Staatswesens verweigern.

Der Palästina-Konflikt: zur quasi inneren Angelegenheit Israels heruntergestuft

Zu den zunehmend blutigen Auseinandersetzungen zwischen den Palästinensern und Israel verkündet die Bush-Administration, sie habe einen anderen „approach“ als die Vorgänger-Regierung: „Der arabisch-israelische Konflikt wird in Washington nur als ein Element des Gesamtbildes der Region angesehen. In meiner Beurteilung wird ihm nicht länger Priorität eingeräumt.“ (Powell) Während der Fall Irak „die gesamte Welt betreffe“, sei der Streit zwischen Israel und den Palästinensern bloß ein „Regionalkonflikt“.

„Israeli und Palästinenser hätten den Schlüssel für ihre Zukunft selbst in der Hand, meinte der amerikanische Außenminister. Beide Seiten sollten davon absehen, von Washington eine Lösung zu verlangen; eine solche werde auch nicht durch neue UN-Resolutionen kommen. Direktverhandlungen seien durch nichts zu ersetzen. Zunächst müßten beide Seiten dafür sorgen, daß wieder ein geordnetes Leben einkehre. Die Kinder müßten normal zur Schule gehen können, normale Menschen sollten ein normales Leben führen. Die Vereinigten Staaten seien bereit, beim Friedensprozeß zu helfen, ohne zu insistieren. Wenn ein dauerhafter Friede eintreten solle, müßten die Streitparteien selbst den Umfang der gegenseitigen Konzessionen und das Tempo der Annäherung bestimmen.“ (Neue Zürcher Zeitung, 21.3.01)

Die Kurskorrektur, die Powell für die Israel-Politik ankündigt, enthält zunächst einmal zwei Absagen. Die erste betrifft das arabische Lager. Auf dem Gipfel der Liga in Kairo hatten die versammelten Regierungschefs festgehalten, daß der israelisch-palästinensische Konflikt das „Haupthindernis für Frieden und Stabilität in der Region“ sei, und so die Aussöhnung mit dem Irak eingeleitet. Israel warfen sie vor, sich zu weigern, das Recht der Palästinenser auf einen eigenen Staat mit Ostjerusalem als seiner Hauptstadt anzuerkennen und die UNO-Resolutionen über die vollständige Rückgabe aller besetzten arabischen Gebiete zu erfüllen. Die USA wurden aufgerufen, sich als „ehrlicher Vermittler“ zu betätigen und nicht einseitig die israelische Seite zu unterstützen. Darüber hinaus sollte sich die EU stärker in den Friedensprozeß einschalten. Sämtliche Anträge und Änderungswünsche werden von der Bush-Regierung zurückgewiesen, weil sich vom US-Interesse her die Sache genau andersrum darstellt. Wichtig ist nicht, Scharon zu bremsen, sondern Saddam Hussein das Handwerk zu legen. Israel ist und bleibt der wichtigste Verbündete der USA im Nahen Osten. Deshalb geht es beim „Friedensprozeß“ auch nicht um eine „gerechte und ausgewogene Lösung“ zwischen den Interessen zweier gleichberechtigter Parteien, sondern um die korrekte Einordnung des Konflikts in das von den USA angestrebte Kräfteverhältnis. Die arabischen Nachbarn haben daher den Versuch aufzugeben, den Palästina-Konflikt für eine stärkere Berücksichtigung ihrer Interessen und die Eindämmung israelischer Macht zu nutzen. Die Regelung des Palästinenser-Problems haben sie Israel zu überlassen. Wenn sie außenpolitisch aktiv werden wollen, können sie sich nützlich machen, indem sie auf Arafat mäßigend einwirken. Soweit sie bereits Frieden mit Israel geschlossen haben, gilt es, die Beziehungen weiter zu verbessern, soweit noch nicht, müssen sie Israel entgegenkommen. Schließlich gibt es am Aufsichtsmonopol der USA über die Region nichts zu rütteln.

Die zweite Absage betrifft folgerichtig die EU und den UN-Generalsekretär. Bush & Co. sehen es als Fehler an, daß der Abschluß des Friedensprozesses von Clinton mit einer Wichtigkeit beladen wurde, daß sich die ganze Welt einbilden konnte, der Friedensprozeß beträfe auch sie und ginge sie etwas an. Er hätte es nicht zulassen dürfen, daß sich nach dem Scheitern von Camp David zusätzliche, von der arabischen Seite angeforderte Vermittler, wie Solana und Annan, einschalten konnten, beim Gipfel in Scharm el-Scheich mit am Tisch saßen und nun in der Mitchell-Kommission die Ursachen der Gewalt nach ihrer unmaßgeblichen Sicht der Dinge mit aufklären. Dadurch sei nur das Ordnungsmonopol der USA angekratzt und dem Vorwurf, die USA seien in Wirklichkeit Partei innerhalb des Konflikts, Nahrung gegeben worden. Mit der Herabstufung des Streits zu einem „Regionalkonflikt“, den die Parteien selbst lösen sollen, will die Bush-Regierung den „Hilfsvermittlern“ klarmachen, daß sie sich um diesen casus nicht zu kümmern haben, ihre Einmischung mit alternativen Vorschlägen für einen Interessenausgleich nur stört.

Der wichtigste Punkt der Kurskorrektur ist aber eine Zusage an die Adresse Israels. Wenn Washington sich aus der Regelung des Konflikts „zurückzieht“, dann hält es sich nämlich überhaupt nicht raus, sondern verläßt sich auf das existierende Kräfteverhältnis. Bush gibt der israelischen Regierung Rückendeckung, wenn die mit ihrer militärischen Überlegenheit dafür sorgt, daß die Lage der Palästinenser gänzlich aussichtslos wird. Vielleicht sind sie ja dann reif für ein Friedensdiktat, das sie bisher nicht unterschreiben wollen. Wenn beide Seiten auf „Normalität“ verpflichtet werden, dann ist den Palästinensern jeglicher Widerstand gegen die Besatzungsmacht verboten und die Israelis sind dazu ermächtigt, Störer zu eliminieren und mit Gewalt für ihre Ordnung im besetzten Territorium zu sorgen. Solange die Palästinenser nicht kapitulieren, braucht Israel nicht weiter über einen Endstatus zu verhandeln, gewinnt also Zeit, vollendete Tatsachen zu schaffen. Darum kann Scharon bei seinem Antrittsbesuch in Washington auch so zufrieden sein, daß Bush seine Formel „Keine Verhandlungen, solange geschossen wird.“ akzeptiert. Als weitere Erfolge vermeldet er, der Präsident habe weder das Thema Siedlungen angesprochen noch Israels „Politik der Liquidierungen“ – die Ermordung palästinensischer Aktivisten durch Militär und Geheimdienst – kritisiert. Er habe ihm auch nicht die Sorge über den möglichen Zusammenbruch der palästinensischen Verwaltungsbehörde vorgetragen und schließlich ihn nicht gedrängt, die Verhandlungen mit Syrien wiederaufzunehmen. Folgerichtig verhindern die USA im Weltsicherheitsrat mit ihrem Veto den arabischen Antrag auf Entsendung eines UN-Truppenkontingents zum Schutze der palästinensischen Zivilbevölkerung und geben damit der israelischen Version recht, die Juden müßten sich gegen den palästinensischen Terror angemessen wehren.

Eine Generallizenz für Israel mit kleiner Einschränkung

Die Gelegenheit, freie Hand zu haben, weiß die Regierung in Jerusalem im Verein mit dem israelischen Militär (IDF) weidlich zu nutzen. In kürzester Zeit werden neue Siedlungen beschlossen, um weiteres palästinensisches Territorium zu annektieren. Die autonomen Städte und Ortschaften werden abgeriegelt und jeglicher Verkehr zwischen den unter palästinensischer Verwaltung stehenden Landflecken unterbunden. Damit werden die meisten Palästinenser arbeitslos, die Versorgung bricht zusammen, das Gros der Bevölkerung lebt längst unterhalb der Armutsgrenze. Palästinensische Steuergelder, die Israel für die Autonomiebehörde (PA) einsammelt, werden nicht ausgezahlt, um so die PA finanziell lahm zu legen. Hilfslieferungen aus den arabischen Ländern werden nicht über die Grenze gelassen. Die systematische Verelendung und Aushungerung der palästinensischen Bevölkerung ergänzt die IDF mit einem Krieg, der sich gegen die Widerstandskämpfer, die palästinensischen Polizei- und Ordnungskräfte, die Autonomieverwaltung und schließlich gegen die Zivilbevölkerung richtet. Die „Vergeltungsaktionen“ auf Steinwürfe, Gewehrschüsse, Selbstmordanschläge oder Mörsergranaten eskalieren. Neben Liquidierungs-Aktionen ist längst üblich, daß die israelische Armee mit Panzern mutmaßliche Verstecke von Heckenschützen beschießt und die Gebäude abreißt, aus denen Schüsse auf jüdische Siedlungen abgegeben wurden. Bombardements der Kasernen von palästinensischen Sicherheitskräften, Polizeistationen und Büros der PA werden als Vorgehen „gegen die Auftraggeber des Terrors“ gerechtfertigt. Fabriken, Olivenhaine oder Wohnhäuser werden plattgewalzt, damit die IDF freie Sicht und ungehindertes Schußfeld hat. All das fällt unter die Lizenz, die die Bush-Regierung Scharon erteilt hat.

An zwei Punkten sieht sich Washington dann aber doch genötigt einzuschreiten. Nachdem eine Mörsergranate aus dem Gazastreifen nahe einer Stadt auf israelischem Territorium niedergegangen ist, besetzt die IDF einen Streifen der „Zone A“, die unter voller Autonomie der Palästinenser steht, und erklärt, die Besetzung könne Wochen und Monate dauern. Offensichtlich will Scharon testen, ob Israel auch Gebiete zurückerobern darf. Damit wäre er seinem Ideal, die geschlossenen Verträge mit den Palästinensern aufzukündigen und zu einer rein militärischen Lösung der Palästinenserfrage überzugehen, schon sehr nahe gekommen. Wenige Tage zuvor hat die israelische Luftwaffe auf den Beschuß eines israelischen Panzers durch den Hizbullah mit einem Raketenangriff auf einen syrischen Radarposten im Libanon reagiert. Assad soll begreifen, daß Israel einen Krieg mit Syrien nicht scheut, wenn es nicht endlich den Hizbullah entwaffnet. Powell erklärt beide Aktionen für „exzessiv und unverhältnismäßig“, weil die USA keine „Internationalisierung des Konflikts“ wünschen. Die Vereinigten Staaten sind dagegen, daß Jerusalem den Konflikt auf die Nachbarstaaten ausdehnt und das arabische Lager insgesamt vor die Alternative Kapitulation vor Israels Vormachtsanspruch oder Krieg stellt. In ihrem strategischen Interesse liegt es vielmehr, wenn der jüdische Staat mit seiner Stärke dazu beiträgt, daß die arabischen Staaten sich den Interessen der USA in der Region unterordnen. Dazu braucht es wenigstens formell deren Anerkennung als souveräne Partner und den Respekt vor bisher ausgehandelten Kompromissen, wie den Ergebnissen der Konferenz von Madrid („Land für Frieden“) und den Verträgen von Oslo (Rückgabe besetzter Gebiete und Verhandlungslösung mit dem Ziel eines Palästinenserstaats). Darum verpflichtet Powell die Scharon-Regierung explizit darauf, die „Bestimmungen der Verträge zu respektieren, die Israel mit den Palästinensern unterzeichnet hat“, und bekräftigt den amerikanischen Standpunkt: „Es gibt keine militärische Lösung des Konflikts“. Daß der laufende Krieg auf dem bisherigen Niveau damit abgesegnet ist, hat Scharon schon richtig verstanden. Gleichzeitig darf sich Außenminister Peres im Verein mit Mubarak und König Abdullah darum bemühen, Arafat zum Stopp der Intifada zu überreden.

Im Laufe des Mai eskalieren die kriegerische Auseinandersetzungen zwischen israelischer Armee und den Palästinensern derart, daß die USA erneut eine Ausweitung des Konflikts befürchten. Darum läßt sich die Bush-Regierung dazu herbei, den von ihr gerade abgeschafften Posten des Sonderbotschafters für den Nahen Osten wieder einzuführen, und betraut mit dieser Aufgabe den Botschafter in Jordanien, William Burns. Dieser soll aber keineswegs die alte „Shuttle-Diplomatie“ wieder aufnehmen; seine „Vermittlungstätigkeit“ besteht vielmehr darin, zu eruieren, ob Arafat inzwischen willens und fähig ist, ohne Vorbedingungen den Widerstand der Palästinenser zu beenden. Um der PA diese Chance einzuräumen, drängt Burns Scharon, die „Präventivschläge“ der IDF gegen die palästinensische Autonomie erst einmal einzustellen.

Das leidige Russland-Problem

Wenn die neue US-Regierung in aller Freiheit den Osten des asiatischen Kontinents zum Schwerpunkt ihrer strategischen und kommerziellen Interessen in den kommenden Jahrzehnten heraufstuft; wenn sie die Ölregion am westlichen Ende desselben Erdteils, nach wie vor Objekt eines „vitalen Interesses“ ihrer Nation, dem Ordnungsprinzip einer von Amerika organisierten kriegerischen Konfrontation gegen einen erklärten Hauptfeind, Saddam Husseins Irak, unterwirft; dann hat sie ein Problem jedenfalls nicht mehr: Nirgends trifft sie auf Machtpositionen und Einsprüche eines prinzipiell ebenbürtigen und auch als ungefähr gleichrangig eingeschätzten Gegners. Der Kalte Weltkrieg ist tatsächlich gewonnen; die neue Regierung setzt das Bemühen ihrer Vorgänger fort, sich die „Friedensdividende“ einer „unipolar“ auf Washington ausgerichteten Weltordnung zu beschaffen, die sich keineswegs von selbst einstellt.

Dabei kommt sie um eine Sonderbehandlung des Staatsgebildes, das die meisten Machtmittel des ehemaligen Hauptgegners geerbt hat – und das außerdem auf allen gesellschaftlichen Ebenen noch so unangenehm viele Personalidentitäten mit Volk und „Nomenklatura“ der einstigen Sowjetunion aufweist –, nicht herum. Denn dieses Gebilde verfügt nun einmal über ein gewaltiges strategisches Waffenarsenal; und nach einem Jahrzehnt fortschreitender Zersetzung der politischen Organisation des Landes wie seiner ökonomischen Mittel untersteht es mittlerweile erstmals wieder einer Führung, die eine gewisse Entschlossenheit spürbar werden lässt, den Zerfall der staatlichen Macht zu stoppen und sogar an die Restauration von Machtmitteln und -positionen heranzugehen. Es hilft ja nichts, wenn die Sicherheitsberaterin des Präsidenten, C. Rice, in einem von Kennern des diplomatischen Morsealphabets sorgfältig registrierten Organisationsakt die zuvor selbständige Russland-Abteilung ihrer Dienststelle in den Bereich Europa integriert: Damit ist das große Land ja noch nicht wirklich auf den Bedeutungsgrad der Ukraine oder Portugals heruntergebracht, geschweige denn in Amerikas welt- und europapolitische Ansprüche einsortiert.

Die Leitlinien, immerhin, liegen auch hierfür bereits fest.

Missile Defense und ABM-Vertrag: Die strategische Degradierung Russlands vollenden!

Für das Verhältnis der USA zu Russland hat der Beschluss, Gerätschaften zur Abwehr feindlicher ballistischer Raketen zu entwickeln und aufzustellen, wo immer Amerika einer solchen Absicherung bedarf, die folgende spezielle Bedeutung:

„Ich möchte, dass wir den Blick ungefähr 30 Jahre zurückrichten auf eine ganz andere Zeit in einer ganz anderen Welt. Die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion verharrten in einer feindlichen Rivalität. Die Sowjetunion war außer Frage unser Feind; eine hoch bewaffnete Bedrohung für Freiheit und Demokratie. … Wir trauten ihr nicht und das aus gutem Grund. … Die Sicherheit sowohl der Vereinigten Staaten als auch der Sowjetunion war auf eine unerbittliche Prämisse gegründet: Keine Seite würde Nuklearwaffen auf die andere Seite abfeuern, weil dies das Ende beider Nationen bedeuten würde. Wir gingen sogar so weit, dieses Verhältnis 1972 in einem ABM-Vertrag zu kodifizieren, der auf der Doktrin beruht, dass unser Überleben am besten gewährleistet wäre, wenn beide Seiten völlig offen und verletzbar gegenüber nuklearen Angriffen blieben. Die Bedrohung war real und lebendig. … Das heutige Russland ist nicht unser Feind, sondern ein Land im Übergang mit der Chance, eine große Nation zu werden, demokratisch, im Frieden mit sich selbst und seinen Nachbarn. …
Bis jetzt ist die Welt immer noch gefährlich, weniger sicher, weniger vorhersehbar. … Wir müssen eine Sicherheit suchen, die auf mehr als auf dem unerbittlichen Prinzip beruht, dass wir jene zerstören können, die versuchen, uns zu zerstören. … Wir brauchen neue Abschreckungskonzepte, die sich auf beides stützen, auf Offensiv- und Defensivkräfte. Abschreckung kann nicht länger ausschließlich auf der Androhung eines nuklearen Vergeltungsschlages beruhen. … Wir brauchen einen neuen Rahmen, der uns erlaubt, Raketenabwehrsysteme zu bauen, um den verschiedenen Bedrohungen der heutigen Welt begegnen zu können. Das bedeutet, dass wir uns der Zwänge des 30 Jahre alten ABM-Vertrags entledigen müssen. Dieser Vertrag vermag der heutigen Realität nicht Rechnung zu tragen und er kann uns auch den Weg in die Zukunft nicht weisen. Er konserviert die Vergangenheit. Ein Vertrag, der uns daran hindert, heutigen Bedrohungen zu begegnen, der uns verbietet, eine vielversprechende Technologie einzusetzen zu unserer eigenen Verteidigung wie zu der unserer Freunde oder unserer Verbündeten, liegt nicht in unserem Interesse oder im Interesse des Weltfriedens. Dieses neue Rahmenwerk muß eine noch weitergehende atomare Abrüstung fördern. Atomwaffen spielen immer noch eine elementare Rolle für unsere Sicherheit und die unserer Verbündeten. Wir können und werden die Größe, die Zusammensetzung und den Charakter unserer Nuklearstreitmacht in einer Weise ändern, die der Tatsache Rechnung trägt, dass der Kalte Krieg vorbei ist. … Russland und die Vereinigten Staaten sollten zusammenarbeiten, um eine neue Grundlage für den Weltfrieden und die Sicherheit im 21.Jahrhundert zu schaffen. Wir sollten die Zwänge eines ABM-Vertrags hinter uns lassen, der eine Beziehung fortschreibt, die auf Misstrauen und gegenseitiger Verwundbarkeit beruht. Dieser Vertrag ignoriert die grundlegenden technologischen Errungenschaften, die während der letzten 30 Jahre erzielt wurden. … Ich möchte den Wandel unserer Beziehungen vollenden, die nicht länger auf nuklearer Abschreckung, sondern auf gemeinsamer Verantwortung und gemeinsamen Interessen beruhen sollen. Wir mögen auf manchen Gebieten Differenzen mit den Russen haben, aber wir sind keine strategischen Gegner und dürfen es nicht sein.“ (Bush-Rede zum MD-Projekt am 1.5.01)[13]

Der neue US-Präsident hat kein Problem damit, sich rückblickend dazu zu bekennen, dass die Sowjetunion sich ihrer Existenz nur hat sicher sein können, weil die USA die Gefährlichkeit eines Atomkriegs eingesehen und in ihrer Feindschaft einkalkuliert haben. Er schenkt sich auch nicht die Andeutung, dass Amerika seinerzeit nur noch nicht über die heute erreichbar erscheinenden waffentechnischen Mittel verfügt hat, um die Sache anders zu gestalten. Das Bemerkenswerte an seinen Einlassungen ist jedoch: Er findet in seinem Ausblick auf eine Zukunft mit amerikanischen Raketenabwehrwaffen überhaupt nichts dabei, den Russen die neue strategische Lage zu erklären, die aus dem Ende ihrer kommunistischen Herrschaft folgt. Es ist Amerikas Sache, darüber zu befinden, dass ein neues militärisches Zeitalter angebrochen ist, in dem es Wichtigeres gibt als die Kalkulation mit dem Wahnsinn eines nuklearen Schlagabtauschs. Amerika teilt seinem Feind von gestern mit, dass sich die Grundprobleme der globalen Sicherheitslage ganz grundlegend verschoben haben: weg von der Notwendigkeit, mit atomarem Wettrüsten die Fähigkeit zur Vernichtung des Gegners aufrechtzuerhalten; hin zu einem allgemeinen strategischen Flöhehüten, für das selbstverständlich niemand anders zuständig ist als die USA. Die benötigen daher auch weiterhin ein wohldosiertes, sachgerecht fortentwickeltes Arsenal an atomaren Angriffswaffen. Die darin enthaltene Drohung brauchen nun aber die Russen nicht mehr, schon gar nicht exklusiv, auf sich zu beziehen. Sie können vielmehr und sollen gefälligst getrost davon ausgehen, dass sie ihren ererbten Vorrat an strategischen Atomwaffen nicht mehr brauchen. Denn – nochmals: Amerika definiert „die Weltlage“, die globalen Kriegsgefahren, die Welt-Friedensbedingungen, die Erfordernisse strategischer Sicherheit – die eigene samt Verbündeten, versteht sich –, die militärischen Szenarios, mit denen künftig zu rechnen ist, sowie den Rüstungsbedarf, der sich damit, und zwar selbstverständlich für die eigene Seite, ergibt, neu; und es definiert das alles so, dass eine russische Fähigkeit, beim wechselseitigen Vernichten mitzuhalten, einfach nicht mehr „in die Landschaft“ passt.

Andersherum gesagt: Dass es an Russland sein könnte, aus der Einstellung des Kalten Krieges seine Folgerungen zu ziehen – Ideen zu einer „multipolaren Weltordnung“ hätte es ja zu bieten – und diese, gestützt auf seine strategische Schlagkraft und deren Fortentwicklung im entsprechenden Sinn, durchzusetzen, also die neuen Konstanten der globalen Kriegs- und Friedensverhältnisse zu definieren und vorzugeben, das kommt einem US-Präsidenten gar nicht in den Sinn – dem Rest der demokratischen Welt übrigens genauso wenig; so sehr hat die sich daran gewöhnt, dass die strategische Weltordnung in Washington hergestellt wird. Dem Chef aller Amerikaner ist von vornherein klar, er geht quasi gewohnheitsmäßig davon aus – zu Zeiten des Kalten Krieges war das ja auch gar nicht anders! –, dass die Definitionshoheit über die zwischenstaatlichen Gewaltverhältnisse bei den USA und sonst niemandem liegt. Wenn er die verbindlichen Schlussfolgerungen aus dem Ende des Cold War verkündet, dann gelten die; denn er sorgt praktisch dafür, dass sie eintreten. Er entlässt Russland aus der Rolle des strategischen Gegenspielers; an den Russen ist es, das zu akzeptieren; und deswegen buchstabiert er es dem Feind von gestern vor: Die Feindschaft hat sich erledigt, und mit der Feindschaft hat sich auch die strategische Bedeutung des Moskauer „Imperiums“ erledigt. Seinen vielen Atomraketen kommt im neuen strategischen Weltkonzept der USA ganz einfach keine zentrale Funktion mehr zu; denn Amerika will den Krieg nicht mehr, für den sie gedacht waren und gut wären. Weil Amerika sich die Weltsicherheitslage neu zurechtlegt, seine Feindschaften neu verteilt, wird die strategische Position hinfällig, die der Sowjetunion in ihrer Eigenschaft als Feind noch zuzubilligen war. An die Stelle des Respekts vor russischen Atomwaffen tritt das Programm, Amerika und Amerikas Schützlinge der Gefährdung durch feindliche Raketenwaffen, woher auch immer, zu entziehen. So wird Russland mit Amerikas Feindschaft auch sein strategisches Gewicht los. Das müssen seine Regenten nur noch einsehen.

Die Frage, die natürlich von russischer Seite als erstes gestellt wird: ob die USA sich mit ihrem Raketenabwehrprojekt die definitive rüstungstechnische Überlegenheit über und gegen die russische Atomstreitmacht verschaffen wollen, ist einerseits berechtigt, geht andererseits aber an der Sache vorbei. Natürlich geht es Amerika auch darum, im Falle des „undenkbaren“ und deswegen penibel durchdachten Ernstfalls auch russische Angriffsraketen vom Himmel fischen zu können; im Idealfall alle. Der strategische Fortschritt, den die Bush-Regierung anstrebt, hängt davon aber nicht ab. Einstweilen dürfte es schon noch dabei bleiben – die amerikanische Seite selbst weist beschwichtigend, mancher Konkurrent Amerikas hämisch darauf hin –, dass hunderte russischer Angriffsraketen das beste denkbare Abwehrsystem überfordern; dem großen Ideal der „Strategischen Verteidigungs-Initiative“ – SDI – des einstigen Präsidenten R. Reagan, einen Atomkrieg gegen die Sowjetunion ohne „unvertretbare“ eigene Verluste tatsächlich durchführen zu können, genügt die projektierte Abschirmung sicher nicht. Das braucht sie aber auch gar nicht. Mit ihr soll ja nicht der Kalte Krieg von neulich gewonnen werden, weil der nicht mehr gewonnen zu werden braucht. Es geht um die strategischen Konsequenzen aus dem geschenkten Sieg. Und an den Konsequenzen, die Amerika zieht und gleich zur neuen Weltlage erklärt, wird schlagend deutlich, welche strategische Bedeutung die USA der Selbstaufgabe des russischen Kommunismus beimessen: Für sie hat sich damit das größte Hindernis für die alleinige Kontrolle der Staatenwelt erledigt; das Roll-back des Gegners ist gelungen; neue Aufgaben stehen an für die Beherrschung der globalen Gewaltverhältnisse. Amerika sieht sich in der Position, den Feind von gestern mit einer neu sortierten Weltlage zu konfrontieren, in der er als überall präsente, nicht zu umgehende „Supermacht“ einfach nicht mehr vorkommt. Amerika buchstabiert neu durch, was „strategische Weltmacht“ heißt; definiert neue Bedingungen für Weltkrieg und -frieden; entwirft entsprechende, nur von seinem Militär zu beherrschende Szenarien für den Bedarf an und den Einsatz von strategischen Waffen; setzt diese an die Stelle der früheren Fixierung auf das apokalyptische Szenario eines militärisch absolut unbefriedigenden nuklearen „Schlagabtauschs“: Das alles, da ist sich der neue US-Präsident jedenfalls absolut sicher, entwertet Russlands geerbte strategische Kapazitäten.

Als verantwortlicher Chef der maßgeblichen Weltmacht stellt Präsident Bush das freilich nicht einfach selbstzufrieden fest. Er geht zwar praktisch davon aus, dass gilt, was er ansagt. Er teilt das den Russen aber nicht bloß mit, sondern lädt sie ein, die von ihm diktierten Verhältnisse anzuerkennen und in einem entsprechenden „Framework“ selber mit festzuschreiben, das den veralteten ABM-Vertrag ersetzen würde. Und das ist mehr als ein Akt diplomatischer Höflichkeit – mit dieser Tugend hat die neue Präsidentschaft es sowieso nicht so. Den Amerikanern kommt es durchaus darauf an, dass die russische Gegenseite den von ihnen verfügten neuen Zuschnitt der strategischen Weltlage akzeptiert – genau so, wie sie ja schon in der glücklich überwundenen Vergangenheit einiges dafür getan haben, ihrem sowjetischen Widerpart die absurden Regularien eines Atomkriegs ohne Defensiv-Möglichkeiten, mit Erst- und Zweitschlags-Kapazitäten, strategischen Raketen-U-Booten und dergleichen mehr, als der strategischen Weisheit letzten Schluss aufzudrängen und sich in „Rüstungskontroll“-Verhandlungen und -Abkommen die Gewissheit abzuholen, dass man sich in der Roten Armee die „Logik“ der „wechselseitig gesicherten Vernichtung“ auch zu eigen gemacht hatte. An das Muster dieser Übereinkünfte, zu denen eben auch, und zwar als ziemlich zentraler Bestandteil, der ABM-Vertrag mit seinem schönen Einvernehmen über eine unabwendbare wechselseitige Morddrohung der beiden „Supermächte“ gehörte, knüpft die Bush-Regierung an, wenn sie den Russen einen Konsens darüber anbietet, welche Verwendungsweise für Atomraketen „in der heutigen Welt“ überhaupt noch in Frage kommt – und dass es folglich für eine russische Vergeltungs-Kapazität einfach keinen militärisch sinnvollen Einsatzzweck mehr gibt, nachdem die USA den großen strategischen Atomkrieg vom Programm abgesetzt haben.

Damit ist natürlich auch schon klar, was das angepeilte neue „Framework“ von den alten Verträgen mit der Sowjetunion unterscheidet und weshalb eine Neuauflage der „klassischen“ „Rüstungskontroll“-Verhandlungen nicht ansteht. Die amerikanische Diplomatie hatte einst das Kunststück fertiggebracht, die mit enormen Rüstungsanstrengungen und jederzeitiger Weltkriegsbereitschaft einhergehende prinzipielle Nicht-Anerkennung des „Reichs des Bösen“ mit dem Eingeständnis der Nicht-Eliminierbarkeit dieses Ärgernisses und einer förmlichen Anerkennung der Sowjetunion als gleichgewichtige Macht zu kombinieren. Wenn demgegenüber die heutige US-Regierung Russland freundlich einlädt, „die Vergangenheit“ endlich ruhen zu lassen und die diplomatischen Verrenkungen des Kalten Krieges zu vergessen, dann geht es ihr um die Billigung einer strategischen Lagedefinition, die Russland jeden Rest von strategischer Gleichrangigkeit mit Amerika aberkennt; sie spricht vorbehaltlose Anerkennung für ein geläutertes Russland aus, um dessen Führung den Status einer gleichrangigen Macht mit einem tatsächlich unantastbaren Recht auf Eigenständigkeit zu entziehen. Deswegen folgt den freundlichen Aufforderungen an die Moskauer Adresse, die strategische Irrelevanz russischer Machtmittel gefälligst zur Kenntnis zu nehmen, auch keineswegs ein Bemühen um eine Wiederbelebung jener eigentümlichen Verhandlungen, in denen die Amerikaner ihren russischen Kollegen ihre neuesten nuklearstrategischen Errungenschaften auf den Tisch gelegt und nachgefragt haben, ob die Alternative – Kapitulation oder Nachziehen und Stillhalten – auch verstanden worden ist. Die russische Seite kommt mit einem solchen Antrag auf den neuen US-Präsidenten zu, übrigens schon wieder im Sinne des alten Missverständnisses, das sie offenbar auch von ihren sowjetischen Vorgängern geerbt hat: es ginge um so etwas wie gemeinschaftliche Beratungen unter „Supermächten“ darüber, wie „die Weltlage“, nun also die neue nach dem Ende des „Ost-West-Gegensatzes“, zu beurteilen und zu handhaben wäre – und fängt sich eine Abfuhr ein: kein Bedarf auf amerikanischer Seite an Gesprächen auf höchster Ebene über strategische Grundsatzfragen, deswegen auch fürs Erste ausdrücklich kein Termin für einen Empfang des Kreml-Chefs im Weißen Haus, um den Putins Leute dringlich nachgesucht haben. Zwischen Bush und seinem russischen Kollegen gibt es in dem Sinn nichts zu verhandeln: Die Degradierung Russlands zu einem Land ohne strategisches Gewicht, die Hinfälligkeit aller Rechte einer Weltmacht, die Moskau zusammen mit den alten Abschreckungswaffen von der einstigen Sowjetmacht geerbt haben will, ist für Bush eine Tatsache, die man in Moskau nur noch zugeben muss.

Dieser Standpunkt ist ohne Zweifel dreist zu nennen. Zwar hat Bush ein Russland vor sich, an dem 10 Jahre Jelzin und der tatkräftige Einsatz der USA und ihrer Verbündeten für die Durchsetzung aller ruinösen Wirkungen des „Übergangs“ zu kapitalistischen Verhältnissen ihre Spuren hinterlassen haben; der alten antisowjetischen Karikatur eines „Obervolta mit Atomwaffen“ ist es schon ziemlich nahe gekommen. Auch kann Bush sich darauf verlassen, dass Russlands Führung es nach wie vor als unendliche Erleichterung verbucht, aus der Feindschaft, die das große Amerika dem Land jahrzehntelang aufgenötigt hat, endlich entlassen zu sein, und nach wie vor erst gar nicht auf die Idee kommt, ihrerseits den USA eine strategische „Lage“ diktieren zu wollen, die denen gegen den Strich gehen könnte – schon zu Sowjetzeiten haben Moskaus Politiker sich mehr als Opfer der strategischen Entscheidungen Amerikas begriffen und aufgeführt denn als Erfinder und maßgebliche Veranstalter des „Ost-West-Gegensatzes“. Dennoch ist Russland noch nicht auf den Status eines jener Länder herabgesunken, deren Wunsch nach der einen oder anderen „Massenvernichtungswaffe“ strategischen Kalibers und ballistischen Transportmitteln dafür nach amerikanischer Definition die neue Hauptgefahr für den Weltfrieden darstellt. Und insofern ist es eben schon ein dreistes Vorgehen, wenn der neue US-Präsident die Moskauer Führung dazu auffordert, eine strategische Lagebestimmung zu übernehmen und als objektive Sachlage anzuerkennen, die im Wesentlichen nur noch aus Amerika und dessen Verbündeten als unbedingt zu schützender Weltordnungsmacht auf der einen, der guten Seite und einem Gemenge von „Schurkenstaaten“ und deren Helfershelfern auf der anderen Seite besteht, als dritte Kategorie allenfalls noch die der weniger befreundeten Staaten kennt, die man sorgfältig unter Beobachtung halten muss – und die für die russische Atomwaffenmacht keine irgendwie hervorgehobene Position bereithält. Die Einladung, an diesem „Framework“ mitzuwirken, ist gleichbedeutend mit der Zumutung, sich unter „ferner liefen“ in diese Vorgabe einzusortieren; und die wird überhaupt nicht beschönigt.

Doch diese Dreistigkeit ist nur konsequent. Mit der Kündigung der alten Feindschaft hat Bush sich eben von jeder Notwendigkeit freigesprochen, auf russische „Empfindlichkeiten“ noch irgendwie Rücksicht zu nehmen; und das wird demonstriert. Amerika fragt nicht; Amerika konfrontiert Russland mit seiner strategischen Statuszuweisung wie mit einer vollendeten Tatsache – und geht gleich dazu über, dem Hauptfeind von einst seine Verstöße gegen den zugewiesenen Status um die Ohren zu hauen. So vollendet der neue Präsident die Degradierung der Moskauer Erbengemeinschaft – zu einem neuen Problemfall der minderen Güteklasse.

Das gewendete und degradierte Russland: Schon wieder „Teil des Problems“

Von Russlands Pflichten im Rahmen der neuen strategischen Weltordnung hat man in Washington ziemlich genaue Vorstellungen – und vor allem einen denkbar schlechten Eindruck davon, wie weit die Regierung in Moskau davon entfernt ist, die ihr zukommende Rolle angemessen auszufüllen.

Ganz oben in der Liste der Erwartungen, denen ein aus der Verstrickung in den Kalten Krieg befreites Russland zu entsprechen hätte, steht die Unterstützung der US-Politik der Nicht-Weiterverbreitung strategischer Waffen. Das ist nur logisch: In unbefugter Rüstung hat Washington ja das Hauptproblem für sein Recht auf Kontrolle über den Gewaltgebrauch in der Staatenwelt ausgemacht, nachdem die große Konfrontation vorbei ist.

„Die Welt von heute erfordert eine neue Politik, eine umfassende Strategie der aktiven Non-Proliferation, Counter-Proliferation und Abwehrmittel. Wir müssen mit den anderen gleichgesinnten Nationen zusammenarbeiten, um denen die Terror-Waffen vorzuenthalten, die sie zu erlangen suchen.“ (Bush-Rede, 1.5.01)

Dieser Anspruch auf „Zusammenarbeit“ beim „aktiven Nicht-Weiterverbreiten“ von „Terrorwaffen“ ergeht ganz speziell an den womöglich doch nicht ganz „gleichgesinnten“ Partner in Moskau, der sich doch gefälligst derselben strategischen Problemlage gegenüber sieht wie die US-Regierung, nachdem diese festgesetzt hat, worauf es ankommt:

„Russland und Amerika sehen sich neuen Sicherheitsbedrohungen gegenüber. Gemeinsam können wir ihnen begegnen und die heute vorhandenen Möglichkeiten ergreifen.“ (ebd.)

Einstweilen ist freilich festzustellen, dass gewisse Staaten, man nennt ja keine Namen, mehr zur neuen strategischen Weltgefahr beitragen als zu deren Begrenzung:

„Mehr Nationen“, nämlich als zu Zeiten des Kalten Kriegs, als das „Proliferations“-Problem doch ganz gut unter Kontrolle war, „haben Nuklearwaffen und noch mehr haben nukleare Ambitionen. Viele haben Chemie- und biologische Waffen. Einige haben schon die Technologie für ballistische Raketen, die ihnen erlauben würde, Massenvernichtungs-Waffen mit langen Reichweiten und unglaublichen Geschwindigkeiten einzusetzen. Und eine Reihe dieser Staaten verbreiten diese Technologien rund um die Welt“ (ebd.)

Weniger zurückhaltend kommt der zuständige Verteidigungsminister auf den Punkt:

„Lassen Sie uns ehrlich aussprechen, was Russland macht. Russland ist ein Aktivist der Waffenproliferation. Es ist damit selbst Teil dieses Problems. Sie unterstützen andere Staaten und verkaufen Waffen an sie, wie z.B. an Iran und Nordkorea, Länder, die mit dieser Waffentechnologie andere Völker bedrohen, einschließlich der USA, Westeuropas sowie Staaten im Mittleren Osten.“ (Rumsfeld in einer Rede vom 15.2.)

In der Tat kümmert sich Putins Russland schon von sich aus so aktiv, wie es das vermag, um den Gewalthaushalt in der Staatenwelt; mit den Mitteln, die es – noch – hat, und im Sinne eigener strategischer Ordnungsvorstellungen; wie denn auch sonst. Sein wichtigstes Instrument hierfür besteht in dem einzigen auswärts begehrten Exportgut, über das das Land neben seinen Rohstoffen noch verfügt, selbst nach 10 Jahren ökonomischer Destruktion: Produkte des „militärisch-industriellen Komplexes“, der Atomenergie- und der Rüstungsindustrie, werden verkauft, um der Regierung neben Deviseneinnahmen auch wieder Einfluss auf andere Staaten und darüber ein paar strategische Machtpositionen zu verschaffen. Wenn es ginge, würde Moskau gerne noch viel mehr militärischen Außenhandel betreiben, vor allem mit westlichen Partnern, die seit Ausbruch des Weltfriedens als Kunden für Waffen hoffnungsvoll in Betracht gezogen werden – aus geschäftlichen Gründen[14] wie im Sinne eigener Vorstellungen über Bedingungen und Gefährdungen der nationalen Sicherheit. Die finden Putins Leute nämlich in einer allein von Amerika diktierten Weltordnung überhaupt nicht gut aufgehoben. Deswegen sollen „gute Beziehungen“, in die man nicht viel mehr, aber eben auch nicht weniger als solide Rüstungsgüter einzubringen hat, Gegengewichte schaffen und dem Monopolanspruch der USA Elemente einer „multipolaren Weltordnung“ entgegensetzen. Dafür wirbt der russische Präsident bei allen größeren Mächten, bei denen er auf Unzufriedenheit mit der amerikanischen Übermacht in Weltordnungsfragen rechnen kann; den Europäern bietet er sogar eine Zusammenarbeit bei der Entwicklung eines eigenen Raketenabwehrsystems in Konkurrenz zu dem US-Projekt an – neben der verschmähten, aber weiterhin aufrecht erhaltenen Bereitschaft, mit Amerika selbst halbwegs von gleich zu gleich zu kooperieren, und deswegen gleich in Kombination mit einem Dementi, das freilich eher die politische Stoßrichtung verdeutlicht: Man wolle keinen Keil zwischen Amerika und Europa treiben. (FAZ, 21.2.01)

Allerdings kommt er damit nicht weit. Die Zerstörung ihrer Allianzen wissen die USA einstweilen zu verhindern; ebenso einen Einbruch russischer Waffenhändler und Freundschaftswerber in „Märkte“, über die sie ihren „militärisch-industriell-komplexen“ Einfluss auf Staaten mit Bedarf an „Terrorwaffen“ ausüben – da bleibt nicht viel übrig für die Moskauer Ambitionen. Unter den verbleibenden Kunden dominieren folglich die Länder, die von der imperialistischen Führungsmacht mit Sanktionen belegt sind – und die ihrerseits für eine „unipolare“ US-Weltordnung genauso wenig oder noch viel weniger übrig haben als Russland, ohne deswegen für dessen Alternativkonzept eine große Stütze zu sein. Immerhin findet die russische Regierung dort aber überhaupt Ansprechpartner – und sieht sich prompt dem amerikanischen Verdikt ausgesetzt, in unverantwortlicher Weise die „Proliferation“ zu fördern, obwohl Washington doch entschieden hat, dass die davon ausgehende Gefahr an die Stelle der obsoleten Atomkriegsdrohung zwischen den verfeindeten Weltmächten des Kalten Krieges getreten ist. Vorwürfe dieser Art werden zwar zurückgewiesen: Alle nötigen Restriktionen beim Waffenexport würden beachtet, problematische Technologien nicht vertrieben, schon gar nicht an problematische Kundschaft verkauft, nur gute Beziehungen der unanfechtbaren Art gepflegt[15]; den grundsätzlichen Frieden mit Amerika, das Ende der strategischen Feindschaft, die Entlassung aus der Rolle des Hauptschurken der Weltgeschichte möchte man auf gar keinen Fall irgendwie aufs Spiel setzen. Was man sich trotzdem traut, eben um wieder etwas mehr Herr der eigenen nationalen Sicherheit zu werden, langt aber allemal, um von der neuen Bush-Administration mit größten Argwohn bedacht zu werden: Mit seiner Politik für eine „multipolare Weltordnung“ und seinem Waffenhandel ist das gewendete, nicht mehr als Hauptfeind eingestufte Russland doch wieder ziemlich nah am „Schurkenstaat“ und gehört eigentlich schon auf die Liste der „Länder, die Sorgen bereiten“.

Das wird der Moskauer Regierung auch unverzüglich klar gemacht; in einem diplomatischen Akt, der mit Waffenhandel gar nichts zu tun hat und auch nichts zu tun zu haben braucht, um die gemeinte Botschaft zu übermitteln, und der zur Verwunderung der höchlich interessierten übrigen demokratischen Staatenwelt recht drastisch ausfällt: Aus Anlass eines schon sehr weit, bis ins Jahr 1986 zurückreichenden Spionagefalls – ein hochrangiger amerikanischer Regierungsbeamter wird als langjähriger KGB-Agent enttarnt – verfügt die gerade ins Amt gekommene Bush-Mannschaft die Ausweisung von nicht weniger als 50 russischen Botschaftsangehörigen unter der Anschuldigung staatsabträglicher, mit dem Diplomatenstatus nicht vereinbarer Umtriebe. Das grenzt durchaus an eine Feindschaftserklärung, ist auf alle Fälle ein drastischer Hinweis, dass Russland sich mittlerweile extrem unbeliebt gemacht hat und sich vor weiterem Antiamerikanismus gefälligst in Acht nehmen soll.[16] Mit einem „Rückfall in den Kalten Krieg“ hat dieser Affront freilich ebenso wenig zu tun wie Washingtons demonstrative Härte gegen China im Fall des vom Himmel geholten Spionageflugzeugs: Bush’s Leute denken gar nicht daran, Russland die Ehre anzutun und den gesamten Weltlauf wieder unter die Konfrontation mit der mittlerweile ruinierten Moskauer Macht zu subsumieren. Wenn Russlands Regierung so etwas Ähnliches befürchtet, ist es aber durchaus recht: Washington will durchaus so verstanden sein, dass der bisherige Umgang mit den Russen den Charakter eines Zugeständnisses hat, das die andere Seite sich immer neu verdienen muss. Russlands politische Wende ist und bleibt in Ordnung, erspart dem Land die Feindschaft von früher, unterliegt aber amerikanischer Kontrolle – und das Kontrollergebnis, dies der Inhalt der diplomatischen Demonstration, fällt höchst unbefriedigend aus.

Dieses Verdikt betrifft nicht bloß Russlands Außenpolitik. Von Russlands innerer Verfassung hält Bush’s Mannschaft genauso wenig. Gewiss:

„Today’s Russia is not yesterday’s Soviet Union. Its government is no longer Communist. Its president is elected. … a country in transition…“ (Bush-Rede, 1.5.01)

Das ist aber auch schon das Beste, was sich an „today’s Russia“ entdecken lässt. Was die Staatsgewalt unter ihrem „president elected“ treibt, bewegt sich ebenso wie ihre weltpolitischen Abenteuer hart am Rande der Politkriminalität. Vom Start weg sucht und findet die neue Regierung schöne Anlässe, um diese Botschaft loszuwerden – sie schafft sie sich:

  • Dem „Außenminister“ des noch von keinem Staat anerkannten, von Moskau als Terroristenhaufen bekämpften „unabhängigen Tschetschenien“ gewährt sie einen Empfang; zwar nicht beim Außenminister persönlich, doch immerhin durch „hochrangige“ Beamte seines Hauses. Das kommt einer offiziellen Protektion für die separatistische Bürgerkriegspartei schon sehr nahe. Eine rein „innere Angelegenheit“ der russischen Föderation ist dieser Krieg damit auf alle Fälle schon nicht mehr; Washington hat seine oberhoheitliche Entscheidungsbefugnis darüber angemeldet und seine überparteiliche Parteinahme deutlich gemacht. Der verständnisheischende Anspruch Moskaus, im Kaukasus einen Abwehrkampf gegen den islamistischen Terror zu führen und insoweit nicht bloß für die Integrität Russlands, sondern ganz im Sinne der weltordnungspolitischen Vorgaben Amerikas und quasi stellvertretend für alle ordentlichen Staatsgewalten gegen eine der ärgsten Bedrohungen von Ruhe und Ordnung in der Völkerfamilie vorzugehen, wird mit dem halben Staatsempfang für den Quasi-Staatsmann aus dem „freien Tschetschenien“ nicht bloß zurückgewiesen, sondern regelrecht blamiert. Russlands innerer Hauptfeind wird als möglicher Souverän über die umkämpfte Republik im Süden des Landes in Betracht gezogen, also schon ein bisschen anerkannt, komplementär dazu das gewaltsame Vorgehen der Zentralgewalt gegen das abtrünnige Kaukasus-Völkchen in die Nähe eines Annexionskrieges gerückt. Denkbar eindeutig und provokativ erklärt sich die neue US-Regierung so gegen den Versuch des russischen Präsidenten, sich wieder zum Herrn der eigenen Südgrenze zu machen, darüber eine Konsolidierung der Staatsmacht im Innern zu bewerkstelligen und die Voraussetzungen zu schaffen, um im Kampf um Einfluss auf die vom Westen bereits als neue Ölquelle mit Beschlag belegte Region ums Kaspische Meer mitzumischen.
  • Dem offiziellen Sekretär der immerhin offiziell existenten russisch-weißrussischen „Union“, zur Amtseinführung des neuen Präsidenten nach Washington angereist, bereitet Bush’s Amerika einen deutlich anderen Empfang. Er wird verhaftet; die Polizei erklärt seinen Pass für gefälscht. Und man schickt ihn nicht einmal einfach dahin zurück, wo er hergekommen ist: Der illegal eingereiste Herr Borodin, zu Jelzins Zeiten Chef der Kreml-Verwaltung, wird an die Schweiz ausgeliefert, die ihn wegen einer Bestechungs- und Geldwäsche-Affäre aus alten Jelzin-Tagen auf ihren Fahndungslisten führt. Mit dieser ausgesprochen un-diplomatischen Aktion werden die in Minsk und Moskau verfolgten Pläne, aus Russland und Weißrussland wieder ein größeres Staatsgebilde zu machen, demonstrativ der Lächerlichkeit preisgegeben. Und der Verdacht auf illegale Aneignung öffentlicher Gelder und Geldwäsche gegen Figuren aus der russischen Staatsspitze, dem die Schweizer Justiz auf ihre Weise nachgeht, wird zur politischen Lageeinschätzung aufgewertet: Die kapitalistische Weltmacht erklärt einen Umgang mit öffentlichen Finanzen, der in Moskau als sauber und einwandfrei gilt, zumindest nicht verfolgt wird, vielmehr den Verantwortlichen für ein mittelmäßig bedeutendes Amt qualifiziert, zu einem Fall von Wirtschaftskriminalität.[17] So bestreitet man einem Staat die Seriosität seines Finanzgebarens ziemlich grundsätzlich.
  • Den Standpunkt, der da als Verdikt ad personam exekutiert wird, nimmt die Bush-Administration generell zu Geldgeschäften mit Russland ein: Kredite werden zusammengestrichen, um damit nicht weiterhin Korruption und Mafia-Strukturen zu alimentieren. Eine ganze Nationalökonomie wird so als dubioses Geschäftsunternehmen eingestuft.[18] Als Anlagesphäre für amerikanische Kapitalisten kommt Russland damit schon mal nicht mehr in Frage: Die US-Regierung gibt dem Land in einem ganz grundsätzlichen Sinn keinen Kredit; also bekommt es auch von der Geschäftswelt keine Investitionen.
  • Sogar die „Hilfsprogramme“, mit denen sich Bush’s Vorgänger in die russische Atomenergiewirtschaft eingemischt und um die Entsorgung von atomwaffentauglichem Expertenwissen und Plutonium verdient gemacht hat, werden überprüft und gekürzt. Im Pentagon ist man sich des erreichten Erfolgs sicher:
    „Russland ist in einer Verfassung, dass wir in den nächsten 20 Jahren nicht mehr mit denselben Ängsten und Sorgen leben müssen wie in den vergangenen 50 Jahren.“ (Verteidigungsminister Rumsfeld in einem Interview der WamS, 18.3.01)

    da erübrigt sich eventuell einiges von dem Aufwand, der bislang nötig schien, um Verfall und Abbau der politökonomischen Potenzen und militärischen Machtmittel des Landes voranzubringen.

  • Ein solches Staatsgebilde, das zu so gut wie gar nichts Nützlichem taugt und mit den Leistungen, zu denen es noch taugt, eigentlich nur weltpolitischen Schaden anrichtet, statt die globalen Geschäftsinteressen und die strategischen Bedürfnisse Amerikas zu unterstützen, hat – so das zusammenfassende Urteil der US-Diplomatie – in der Gruppe der führenden, die kapitalistische Weltordnung bestimmenden Nationen nichts verloren. Was Putins Vorgänger als Belohnung für seine Verdienste um die Zerstörung russischer Macht zugestanden worden ist: die schon immer mehr an einen zynischen Scherz gemahnende Ehre, als Nummer 8 zur „G7“ hinzuzustoßen, nachdem oder bevor die wirklich Mächtigen sich ihren wirklich wichtigen Angelegenheiten gewidmet haben – das wird dem Nachfolger, der die Trümmer russischer Staatsmacht wieder zusammenklauben will, nicht mehr zugebilligt; zumindest wird schon mal das falsche Etikett „G8“ wieder korrigiert. Im übrigen ist man auf der Suche nach einem Termin, zu dem sich das irgendwann dann doch fällige erste Zusammentreffen der beiden ungleichen Präsidenten möglichst beiläufig arrangieren lässt.

Es ist eine Politik der vollendeten Tatsachen, die die neue republikanische Führung der USA den Russen zumutet, obgleich manche Tatsachen erst noch zu vollenden sind. Als eine solche – noch un- – vollendete Tatsache gilt ihr die strategische Funktionslosigkeit des Atomwaffenarsenals, über das die russische Regierung noch immer gebietet; von einer Sorge, hier mit einem echten Sicherheitsrisiko konfrontiert zu sein und entsprechend vorsichtig operieren zu müssen, ist in den diplomatischen Offensiven, mit denen sie ihre Missile-Defense-Entscheidung begleitet, nichts zu merken. Als vollendete Tatsache behandelt die Bush-Administration daher auch das von ihr diagnostizierte, teils als fahrlässig, größeren Teils als böswillig eingestufte Versagen Russlands vor allen Ansprüchen, die sie mit dem Recht der Weltmacht gegen Moskau geltend macht. Ihre reichlich schroffen Zurechtweisungen sind allenfalls teilweise auf Besserung der russischen Politik berechnet; vor allem übermitteln sie eine Absage an russische Interessen sowie die kaum beschönigte Ansage, Moskauer Bemühungen um eine Wiederherstellung staatlicher Macht und Machtmittel zu behindern und auf eine weitere Schwächung des immer noch viel zu großen russischen Staatsgebildes hinzuwirken. Woraus immerhin hervorgeht, dass die Bush-Leute wissen, was sie tun, wenn sie Russlands Ruin als vollendete Tatsache behandeln: Sie arbeiten daran.

Schließlich: Die europäischen Verbündeten

Die europäischen Nationen, ihres Zeichens Hauptverbündete und Partner in der NATO-Kriegsallianz, werden von der neuen US-Regierung nicht vergessen. Dass das Bündnis nur funktioniert, wenn die USA anschaffen, wird den nach mehr Selbständigkeit strebenden Freunden von der Europäischen Union gleich praktisch vorgeführt. Denen wird der MD-Beschluss, und damit der Wille Amerikas zur Komplettierung seiner militärischen Handlungsfreiheit, als feststehende Tatsache serviert, „ganz ohne Konsultation“, wie aus Brüssel mitgeteilt wird. Die Einwände der Europäer sind damit abserviert; deren offizielle Sprachregelung, wonach es „noch zu früh für eine gemeinsame europäische Position“ sei, weil „die Sache noch nicht spruchreif ist“, ist als Wunschdenken blamiert. Zugleich versichert die neue US-Mannschaft ihren Partnern, dass ihre zentralen Bedenken ohnehin berücksichtigt, mithin grundlos geworden sind.

Wer oder was Amerika nützt, wird mitgeschützt!

Die europäischen Staaten fürchten bekanntlich die Entstehung von „Zonen unterschiedlicher Sicherheit“. Dabei gehen auch sie wie selbstverständlich von der Welt als Kriegsschauplatz aus: Sie rechnen damit, dass die USA vom Standpunkt ihrer gesicherten strategischen Überlegenheit militärische Konfrontationen heraufbeschwören, durch welche die weniger „geschützten“ europäischen Bündnispartner in erhöhte Gefahr gebracht werden – wollen also nicht zu Mit-Betroffenen einer wachsenden Kriegsfähigkeit und -bereitschaft der Bündnisvormacht werden. Das gilt auch für ein durch MD beflügeltes „Wettrüsten“, welches die (Europa-)nützliche „Stabilität“ untergraben und speziell mit Blick auf Russland dazu führen könnte, dass die anstehenden eigenen Expansionsvorhaben des Euro-Imperialismus nach Osten durchkreuzt werden. Diese Befürchtungen erübrigen sich, so Präsident Bush, spätestens mit seiner Regentschaft – brauchen also gefälligst nicht mehr wiederholt zu werden. Aufschlussreich ist wieder einmal die Begründung: Sein Programm ist so umfassend, dass Europa nicht etwa ausgeschlossen, sondern voll integriert ist! Und zwar gleich in zweierlei Hinsicht.

Erstens soll die Reichweite der Raketenabwehr grenzenlos sein. Es sollen alle Optionen einbezogen werden in ein „zu Lande, zu Wasser und im Weltraum“ (plus „Laserwaffen in der Luft“) projektiertes System, so dass es seine militärische Funktion weltumspannend und in jedem „Kriegstheater“ erfüllen kann. Jede Rakete, wo auch immer und mit welchem Ziel auch immer sie abgefeuert wird, soll angreifbar sein, und zwar möglichst mehrfach und in verschiedenen Phasen des Fluges. Die USA werden, so das Versprechen, „die globale Sicherheit stärken“ und technisch die Möglichkeit erwerben, auch Europa zu „verteidigen“.

Zweitens werden die USA nicht so bescheiden sein, sich auf die Sicherung ihres eigenen staatlichen Territorium zu beschränken:

„Der Begriff ‚Nationale Raketenabwehr‘ ist wenig hilfreich. … Wir haben Verbündete, Freunde und eigene Streitkräfte, die in Gebieten stationiert werden, die in Washington als Kriegsschauplätze gelten.“ (Rumsfeld)

Die Mittel, und damit die Schutzobjekte der Weltmacht USA sind über die ganze Welt verteilt. Da firmieren die europäischen Verbündeten neben den US-Interventionstruppen und -gerätschaften als Ressourcen, die der amerikanischen Kriegsmacht für ihre Missionen zur Verfügung, also auch geradezustehen haben. Wegen dieser Funktion werden die EU-Staaten, ihre Potenzen, ihr Territorium zum politischen Eigentum der USA gerechnet und als solches behandelt. Anders herum heißt das: Die europäischen Verbündeten sind praktisch eingeplant, ihrerseits – je nach Bedarf und Eignung – an der Umsetzung der amerikanischen Raketenabwehr-Pläne teilzunehmen.

Das nationale MD-Projekt ist insofern wahrhaft national und supra-national zugleich. Es macht die Verbündeten, ob sie wollen oder nicht, in neuer Weise abhängig vom strategischen Schutz durch die USA, also von ihrem Kalkül. Die amerikanische Regierung verfertigt daraus ein wunderschönes Angebot: Die Streichung des Attributs national vor der Missile Defense verbürgt sozusagen die Identität der Interessen und den gemeinsamen Nutzen; mit der Raketenabwehr übernehmen die USA nicht zuletzt sicherheitspolitische Verantwortung im Namen und zum Wohle der EU-Partner. Die sollen es folglich endlich und endgültig einsehen: Ein starkes und sicheres Amerika ist die beste Sicherheitsgarantie für Amerikas Verbündete.

Ein derartiges Angebot – zur Ein- und Unterordnung unter die amerikanische Regie, und das in den elementaren Angelegenheiten der Souveränität – lebt von dem Hinweis auf die defizitäre Gewaltausstattung der Euro-Staaten, gemessen sowohl an der des amerikanischen Freundes als auch an dem Ordnungsbedarf, der aus ihren weltweit ausgreifenden Geschäftsinteressen folgt. Aber nicht nur davon. Die USA machen den notorischen Schmarotzer-Standpunkt, in dem sich die europäischen Staaten eingerichtet haben, zum Hebel einer gezielten Erpressung. Sie schlachten den Widerspruch aus, dass die Staaten der Union einerseits verstärkt Anläufe zu einer politisch-militärischen Emanzipation unternehmen, andererseits aber die Rückendeckung durch die einzig weltmächtige Kriegsmaschinerie der USA nicht missen wollen, ohne welche ihr Projekt eines kontinentübergreifenden Euro-Imperialismus nicht zu haben ist. Die Bush-Regierung präsentiert den transatlantischen Partnern den MD-Beschluss als politische Gretchenfrage eines Entweder-oder, um ihnen die Konditionen künftigen Einvernehmens zu diktieren.

Seid ihr unsere Verbündeten – oder Konkurrenten? Eindeutige Warnungen.

Nach gefällter Entscheidung bieten die USA großzügig „Konsultationen“ an. Die Emissäre des Präsidenten bereisen die Hauptstädte Europas und verkünden, dass sie die Verbündeten „diesmal nicht einen Tag vor der Umsetzung einer Entscheidung informieren“. Der Gestus des ‚Wir hätten es eigentlich nicht nötig‘ ist Teil einer Diplomatie, die das Recht der überlegenen Gewalt heraushängen lässt, wenn sie ihren Partnern den ihnen gebührenden Status zuweist. Die NATO-Verbündeten sollen auf Linie gebracht werden, d.h. der amerikanischen Definition des Gewaltbedarfs folgen und an der Umsetzung der „neuen Strategie“ teilnehmen. Dabei geht man selbstverständlich vom Erfolg der diplomatischen Mission aus. Mr. Rumsfeld, Verteidigungsminister, verwandelt dementsprechend den vorliegenden Interessengegensatz in einen theoretischen Nachholbedarf der etwas lernbehinderten Freunde in Europa:

„Wir brauchen etwas Zeit, damit die europäischen NATO-Partner sich mit der Natur der Gefahren in unserer Welt beschäftigen können.“ (1.5.01)

Korrigiert werden sollen zwei „Irrtümer“, mit denen die Europäer ihre Distanz zu den amerikanischen Aufrüstungsplänen zu Protokoll geben:

Erstens die Auffassung von der mangelnden Aktualität der Gefahren durch die Verbreitung von Massenvernichtungsmitteln und Trägerraketen. Ein klarer Fall von Realitätsblindheit. Das Bedürfnis nach solchen Waffen ist verbreitet, der Markt ist eine Quelle seiner Befriedigung, also besteht Handlungsbedarf. Die Tatsache, dass Schurken- und potentielle Schurkenstaaten noch nicht am Ziel ihrer Wünsche sind, ist kein Gegenargument. Prävention ist nötig, damit man nicht bestraft wird, weil man zu spät kommt.[19]

Zweitens die fachfremde Vorstellung, die Raketenabfangsysteme müssten erst perfekt funktionieren, bevor sie zum Einsatz kommen können. Das glatte Gegenteil ist der Fall. Die Experten „informieren“ darüber, dass 100%iges Funktionieren keineswegs die Bedingung für den Wert eines Kriegsmittels ist[20]; und darüber, dass die unvermeidlichen Kinderkrankheiten der ersten Waffengeneration erst recht ein Argument sind für ihre möglichst schnelle Einführung: Nur so kann die weitere Perfektionierung der Technologie voran getrieben werden.

Die Rechnung der USA mit dem Opportunismus der Bündnispartner geht fürs Erste auf. Seit der Beschluss der Bush-Regierung steht, ist erst die britische, dann die deutsche, und in der Folge sogar die französische Regierung von mehr oder weniger deutlicher Ablehnung ab- und dazu übergegangen, sich mit der „unvermeidlichen“ Außerkraftsetzung der „überkommenen (Atom-)Kriegslogik“ zu arrangieren – die ebenso unvermeidlich die Frage aufwirft, was ihr militärischer „Besitzstand“ im künftigen reellen wie ideellen Kräftemessen noch wert ist.[21] Fürs Erste ist Schadensbegrenzung angesagt. Die Bereitschaft der Amerikaner zur Konsultation wird als Gelegenheit begrüßt, Einfluss auf das Wie zu nehmen. Wenn schon MD, so der Antrag, dann bitte nicht als „alleinige Antwort auf die neuen Bedrohungen“; die neue amerikanische Feind-Doktrin von den jeder politischen Berechnung unzugänglichen „Schurkenstaaten“, die sich noch nicht einmal durch eine totale Vernichtungsdrohung von ihrem abgrundtief bösen Willen abbringen lassen, wird also im Prinzip durchaus gebilligt.[22] Gleichzeitig, so wird angemahnt, müssten eine „Verstärkung der Rüstungskontrolle“ und weitere atomare Abrüstung in Angriff genommen werden. (SZ, 11.5.01) Das Ideal ist offenkundig: Russland, China und andere potentielle „Sorgenstaaten“ sollen die Umwälzung der strategischen Kräfteverhältnisse durch die und zugunsten der USA nicht zum Anlass nehmen, mit verstärkter Kriegsrüstung dagegen zu halten. Die Kuriere des Präsidenten bedanken sich für die „konstruktive Haltung der Gesprächspartner“ und versprechen ein „umfassendes Konzept“ von „Missile Defense, Rüstungskontrolle und Counter-Proliferation“ – also den Einsatz aller Mittel, die geeignet sind, potentielle Kriegsgegner zu schwächen. Eine Rüstungsdiplomatie aber, welche Amerika „die Hände bindet“, kommt nicht in Frage!

Natürlich verlässt sich die amerikanische Regierung nicht auf die Überzeugungskraft ihrer „Argumente“. Die laufen ja ohnehin allesamt auf die eine Botschaft hinaus, dass die Sicherung militärischer Übermacht über die staatlichen Konkurrenten das entscheidende Mittel ist und bleibt, wenn es darum geht, universelle Botmäßigkeit zu erzwingen. Was denn auch sonst! Die Amerikaner setzen darauf, dass ihr Entschluss den Partnern keine Alternative lässt, als sich zu arrangieren: Die Realisierung des MD-Programms sorgt schon für die sicherheitspolitische Betroffenheit der NATO-Partner, die doch wohl einen unabweisbar guten Grund abgibt, sich erst recht der amerikanischen Führungsmacht anzuschließen! So dass „die Raketenverteidigung“ im Endeffekt „unsere Beziehung nicht gefährdet, sondern stärkt“ (Rumsfeld) – und damit schon wieder eine nützliche Wirkung entfaltet, bevor sie funktioniert.

Europäische Sicherheitspolitik JA, aber nur als Auftragnehmer der USA!

Die Überzeugung der US-Regierung, dass die Europäer ihr Angebot einer weltumspannenden Raketenabwehr gar nicht ablehnen können, macht weitere Warnungen nicht überflüssig. Sie sollen ihre Emanzipationsbemühungen nicht zu weit treiben. Das Machtwort in Bezug auf das Projekt einer Europäischen Sicherheits- und Verteidigungs-Politik (ESVP) samt eigener Eingreiftruppe fordert ein Ende der Zweideutigkeit, also eindeutige Bündnistreue. Die Staaten der EU haben sich bekanntlich entschlossen, eine eigenständige Entscheidungs- und Kriegsfähigkeit auf den Weg zu bringen. Sie wollen auch ohne die USA zur „Ordnungsstiftung“ in der Lage sein und im Bedarfsfall „auf Mittel der NATO zurückgreifen“ können. Unter welchen Bedingungen sie das dürfen, darüber läuft immer noch der Streit. Wenn die USA sich mit der Schaffung einer europäischen „Sicherheitsidentität“ arrangieren, obwohl sie darin immer schon das Motiv zur Bildung einer konkurrierenden Vereinigung erblicken, so erscheint ihnen das als ein einziges Zugeständnis. Das berechtigt, ja zwingt die amerikanische Regierung jetzt um so mehr, einen Missbrauch dieser Erlaubnis für – bloß nicht offen eingestandene – Konkurrenzzwecke zu verhindern. Die ESVP hat sich der „Stärkung des NATO-Bündnisses“ zu widmen, also dafür zu sorgen, dass die Europäer einen größeren Rüstungs- und Kriegsbeitrag im Rahmen dieses Bündnisses leisten. Auf dass die Führungsmacht ihnen auch schon mal die selbständige Erledigung von Kriegseinsätzen zuweisen kann, „in denen die NATO als Ganzes nicht involviert ist“ – sprich: die USA nicht mit eigenen Soldaten antreten wollen. Umgekehrt ergeht die eindringliche Warnung: Eine „Verdopplung der Strukturen“ – Synonym für den Aufbau einer politisch-militärischen Entscheidungs-, Planungs- und Führungskompetenz ohne amerikanische Beteiligung – würde als anti-amerikanische Machenschaft gewertet, die laut Verteidigungsminister Rumsfeld „die Grundlagen der NATO zerstören“ würde. Eine aufschlussreiche Feststellung. Wenn die EU das anstrebt, was die USA als Selbstverständlichkeit für sich in Anspruch nehmen – das Recht und die Fähigkeit, ihre grenzüberschreitenden „Sicherheitsinteressen“ selbst zu definieren und zu garantieren –, so ist das unvereinbar mit der Fortexistenz des Militärbündnisses. Im Klartext: Für Amerika steht und fällt die NATO mit der Bereitschaft der europäischen Staaten, sich der Führungsmacht USA unterzuordnen. Die USA beanspruchen für die NATO und damit für sich kategorisch „das erste Wort“ – also auch das letzte – in allen Europa betreffenden Kriegs- und Friedensfragen: Ob für einen Militäreinsatz „die NATO als Ganzes“ oder lediglich eine europäische Unterabteilung derselben zuständig ist, entscheiden zuallererst die USA. Die Botschaft der Bush-Mannschaft an die Adresse der EU-Partner ist abermals unmissverständlich. Erstens: Das Verbot von militärischer Konkurrenz, das die Amerikaner per NATO-Bündnisräson institutionalisiert haben, um sich für das Weltkriegsprogramm gegen die Sowjetunion zu stärken, bleibt in Kraft! Daraus folgt zweitens: Über den Grad der erlaubten Autonomie Europas bestimmen die USA!

Was die USA von „gleicher Augenhöhe“, dem Ideal einer gleichberechtigten Partnerschaft innerhalb der NATO, halten, demonstriert ihr Präsident gleich noch an einem anderen Fall. Er verspricht Taiwan die Lieferung von U-Booten, für deren Produktion nur Deutschland und die Niederlande in Frage kommen, da die USA sie nicht mehr bauen. Das würde die deutschen oder holländischen Freunde in die amerikanische Konfrontation mit der VR China hineinziehen, von der die Europäische Union sich im Interesse ihrer polit-ökonomischen Eigenrechnungen gerade abgrenzt. Die Empörung der hiesigen Staatschefs signalisiert, was sie – grundsätzlich – stört: Der Fall ist ein schönes Beispiel für die Selbstverständlichkeit, mit der die USA auch über solche Verbündete disponiert, die „keine Bananenrepubliken“ sind.

Neben-Schauplatz „Klimaschutz“: Amerika lässt sich auf nichts verpflichten!

Die USA haben das „Protokoll von Kyoto“ unterschrieben. Darin hat sich die Welt der Industriestaaten 1997 zu der „gemeinsamen Absicht“ bekannt, die Emission „klimagefährdender Treibhausgase“ um insgesamt 5,2% gegenüber 1990 zu reduzieren. Ende März 2001 lässt der neue Präsident die Leiterin seiner Umweltbehörde lapidar mitteilen: „Die Kyoto-Vereinbarung ist tot, so weit diese Regierung davon betroffen ist.“ Der Leitspruch von Herrn Bush sei: „Wir werden nichts tun, was der Wirtschaft der Vereinigten Staaten schadet“ (SZ, 30.3.01). Ein Widerruf, der keine Zweifel erlaubt. Die amerikanische Regierung bittet nicht etwa mit Verweis auf „die kalifornische Energiekrise“ um eine vorübergehende Ausnahmeregelung; sie hat auch nicht nachgerechnet, ob sich die stärkste Wirtschaft der Welt die Kosten, welche durch staatliche Umweltauflagen entstehen, leisten kann. Darum geht es nicht. Sie konfrontiert die Welt vielmehr mit einer ziemlich kategorischen Absage: Die USA erkennen keine Verträge an, welche ihre ureigenste Entscheidungshoheit durch irgendwelche Auflagen beschränken. Versuche ausländischer Staaten, Amerika rechtlich einzubinden und sich damit so etwas wie Einmischungstitel in US-Angelegenheiten zu ergattern, werden als internationale Machenschaften zur Unterminierung der amerikanischen Führungsposition betrachtet. Das betrifft natürlich auch und gerade ein Abkommen, welches das für den Erfolg des nationalen Kapitalismus so entscheidende Feld der Energiepolitik betrifft. Ganz selbstverständlich übersetzen die USA die Heuchelei vom moralischen Menschheitsanliegen „Klimaschutz“ in den realen polit-ökonomischen Sachverhalt zurück, der auch die Abgase für den „Treibhauseffekt“ hervorbringt: nämlich den Bedarf an billiger Energie, die den kapitalistischen Wachstumsmotor in Gang hält. Sich, bzw. seiner Geschäftswelt diesbezüglich Schranken aufnötigen zu lassen, wäre in den Augen des republikanischen Präsidenten dasselbe wie eine Verallgemeinerung des kalifornischen Stromausfalls – im Interesse auswärtiger Konkurrenten. So wird die Welt belehrt, dass statt „Energiesparen“ bzw. CO2-Reduktion in den USA zuallererst der Bau von 1300 neuen Kraftwerken ansteht und dass, im übrigen, „Kohlendioxyd kein Schadstoff ist“ (Bush). Ganz selbstverständlich behandeln die USA den „Kampf gegen die globale Klimakatastrophe“ als das, was er von vornherein ist: als eine Affäre der inter-nationalen Konkurrenz, in der jeder Staat die Eindämmung der kapitalistischen Rücksichtslosigkeit im Umgang mit den allgemeinen natürlichen Lebensgrundlagen als ökonomischen Wettbewerbsnachteil verbucht – den es deshalb auf andere Nationen abzuwälzen gilt.[23] Und sie stellen klar, dass sie für diese Rolle – eines Kostenträgers – jedenfalls nicht in Frage kommen.

Es ist der US-Regierung nicht verborgen geblieben, dass die Europäische Union und speziell Deutschland sich als Protagonisten einer weltweit verbindlichen „Klimapolitik“ aufspielen; dass die Europäer und der deutsche Umweltminister es als ihre Aufgabe betrachten, dafür zu sorgen, dass „der größte Verursacher der Treibhausgase“ „nicht aus der Verantwortung entlassen“ wird (Trittin). Weil es die ökonomischen Hauptkonkurrenten der USA sind, die sich so ins Zeug legen, fühlen sich die Amerikaner besonders herausgefordert, an dieser Umwelt-Materie ein Exempel zu statuieren. Die Hartnäckigkeit, mit der die Europäische Union seit Kyoto darauf drängt, dass die USA auf „echte Reduktionen“ statt „Tricks wie den Ankauf von Verschmutzungsrechten anderer“ verpflichtet werden, ist für sie geradezu der Beweis für das Vorliegen unlauterer Absichten – nämlich für den eigennützigen Willen, auf Kosten der USA eine Konkurrenzoffensive zu starten. Und damit haben sie auch gar nicht so Unrecht. Die „Vorreiterrolle“ Deutschlands in Sachen Umwelt- und Klimaschutz beruht ja erklärtermaßen auf dem Kalkül, aus der allgemeinen Durchsetzung restriktiverer Standards der erlaubten Naturzerstörung im wahrsten Sinne des Wortes Kapital zu schlagen – indem man aus der fortgeschrittenen „Umwelttechnologie“ made in Germany einen Exportschlager macht. Solche Anmaßungen will Gods own country erst gar nicht einreißen lassen. Folglich nehmen die USA sich nicht nur das Recht heraus, das Abkommen von Kyoto einfach für tot zu erklären Sie wählen darüber hinaus die (un)diplomatische Form einer direkten Brüskierung der Partner in Übersee. Nachdem der deutsche Kanzler angekündigt hat, den Präsidenten von der Bedeutung des Kyoto-Protokolls zu „überzeugen“, gibt das Weiße Haus – einen Tag vor Schröders Ankunft – eine Pressemitteilung heraus, in der die Entscheidung als definitiv bezeichnet wird. Das demonstrierte Desinteresse – Motto: ‚Dann schaut mal, was ihr ohne uns an Klimaschutz-Regeln zustande bringt‘– speist sich aus der Gewissheit, dass ohne Amerika ohnehin kein internationales Abkommen über künftige Konkurrenzbedingungen eine Chance hat. Die Weltmacht USA nimmt für sich in Anspruch, ganz und gar eigenmächtig über die Bedingungen zu befinden, unter denen sie in die Konkurrenz eintritt, und auch dann und dadurch die Regeln des zwischenstaatlichen Verkehrs zu bestimmen, wenn sie verbindliche Vorgaben als Konkurrenznachteil für Amerika betrachtet und deshalb ablehnt.

Die europäischen Staaten verstehen die Botschaft – als Affront, also genau richtig. „Empörte Reaktionen in Europa und Japan“ werden über den großen Teich gemeldet. Sie entschließen sich, wenn schon nicht in den obersten Etagen der imperialistischen Gewaltfragen, so doch auf diesem Neben-Schauplatz eine Kraftprobe zu versuchen. Sie nehmen sich vor, die Richtlinien des Kyoto-Protokoll auch ohne die USA in Kraft zu setzen und die dafür nötige Unterstützung der maßgeblichen Staaten – inklusive derjenigen aus der näheren und ferneren amerikanischen Nachbarschaft (Kanada, Australien, Japan) – zu gewinnen. Es handelt sich immerhin um den Vorsatz, ein anti-amerikanisches Bündnis zustande zu bringen und die USA in einer – wenn auch untergeordneten – Frage der Weltwirtschaftsordnung zu isolieren. Das heißt dann: „Bundeskanzler Schröder ruft zum Alleingang ohne die USA auf.“ (SZ, 30.3.01) Dazu stellen sich sogar ganz neue Macht-Phantasien ein, z.B. bei Jürgen Trittin/Deutschland: Das wäre ja das Höchste, wenn die Europäer den Ausstieg der Amerikaner nutzen und nach eigenem Ermessen weltweite Normen für die industrielle Produktion setzen und darauf „neue Industrien“ gründen könnten, die den Geschäftserfolg aus dem Verkauf von CO2 sparenden Technologien in Europa monopolisieren! Spiegelbildlich zum amerikanischen Standpunkt geht es auch bei der europäischen „Verteidigung“ der „gemeinsamen Umwelt-Verantwortung“ einerseits um die spezielle Vorteilskalkulation hiesiger Staaten, andererseits aber genauso um ein Exempel und damit ums Prinzip: Die EU will den USA die Richtlinienkompetenz in Weltordnungsfragen nicht mehr überlassen, welche die Regierung Bush gerade so demonstrativ herauskehrt!

Die europäische Entschlossenheit „überrascht“ die USA. So haben sie das nicht gemeint. Den Hauptkonkurrenten von der EU die Federführung bei der Etablierung von so etwas wie einer Umwelt-Ordnung überlassen, welche neue Konkurrenzvorschriften verbindlich macht und neue Produktionstechniken verallgemeinert, das dürfen die USA nicht zulassen. Sie sind schließlich die Hüter des „fairen Wettbewerbs“, und somit verpflichtet, Verstöße dagegen – und die EU-Kampagne erfüllt natürlich diesen Tatbestand – zu unterbinden. Sie klinken sich also wieder ein in den „Kyoto-Prozess“ und kündigen eigene Vorschläge für eine „marktwirtschaftsverträgliche Klimapolitik“ an. Das Ziel ist klar: Das Zustandekommen einer anti-amerikanischen Klima-Front muss verhindert und gleichzeitig klargestellt werden, dass jedwede globale Ordnungspolitik an Amerika vorbei eine Kampfansage gegen Amerika ist, die zum Scheitern verurteilt ist – d.h. entsprechend gekontert wird. Die USA wollen nicht die Nr.1 unter Gleichen sein. Sie wollen die weltpolitische Ausnahme sein und bleiben, die nicht nur den globalen Gewalt-Haushalt kontrolliert, sondern auch die „Spielregeln“ für den Kampf um die Aneignung des kapitalistischen Reichtums bestimmt.

Das Weltstrafgericht sind die USA! Ein „Internationaler Strafgerichtshof“ ist also eine Provokation.

Die von der Regierung Bush erteilten Lektionen haben nur einen Inhalt: Es ist die amerikanische Nation, nach der sich die Staatenwelt zu richten hat – will man sich nicht mit ihr anlegen! Sie setzt das internationale Recht in Kraft, definiert und ahndet die Verstöße. So gesehen ist die – abermals von Europa ausgehende – Gründung eines „Internationalen Völkerrechtstribunals“ ein großes Missverständnis, oder schlimmer: ein Anschlag auf die legitime Rolle der USA. Inwiefern? Es besteht die „Befürchtung“, dass „US-Soldaten, Beamte und Regierungsmitglieder“ im Zuge der Verfolgung ihrer Weltordnungsmissionen irgendwelcher Kriegsverbrechen bezichtigt und „von dem Völkergericht belangt werden können“. (SZ, 12.5.01) Droht womöglich gar dem Präsidenten George W. Bush das Schicksal eines Milošević, weil seine Kriege als „schwere Verbrechen, Völkermord oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ beurteilt werden? Theoretisch immerhin möglich, denkt der Mann im Weißen Haus. Und das reicht vollkommen aus für ein entschlossenes Verdikt. Der neue Präsident streicht deshalb die Unterschrift des vorigen Präsidenten durch (mit welcher Clinton den Einfluss der USA in dem Tribunal sichern wollte, um Schlimmeres zu verhüten) und erlässt ein nationales „Gesetz zum Schutz der amerikanischen Streitkräfte“, das Recherchen auf amerikanischem Boden und jede Zusammenarbeit mit dem Tribunal unter Strafe stellt. Außerdem soll jedem Staat – mit Ausnahme der „bedeutenden Verbündeten“ – die Militärhilfe entzogen werden, wenn er mit diesem Tribunal paktiert, das nicht von der amerikanischen Regierung bestellt ist.

Die Welt-Ordnungsmacht USA ist nicht nur der oberste Vollstrecker der durch ihre überlegene Gewalt verbürgten „Internationalen Rechtsordnung“. Weil sie das ist – ein höheres Recht als das des Stärkeren ist in einer Welt von lauter souveränen Staaten nicht zu haben –, ist sie auch Ankläger, Verteidiger und Richter in Einem.[24] Ein Gegentribunal kann so gesehen nur ein Verbrechen sein, das solche Staaten planen, die Amerikas Rechte und Interessen unterminieren wollen. Und da es zweifellos so ist, dass es eben die Haupt-Verbündeten Amerikas sind, die sich ein ‚objektiveres‘ „Weltgericht“ wünschen als die Urteilssprüche der USA, richtet sich die Warnung der amerikanischen Regierung im Kern – nicht zuletzt gegen diese!

Fazit

Von wegen also: „die einzig verbliebene Weltmacht“. Mit verblieben hat ein US-Präsident es nicht. Konservativ, wie er ist, mischt er die Staatenwelt auf, damit sie unter Kontrolle bleibt.

[1] Das Ziel der amerikanischen Regierung ist nicht etwa, wie einige Zeitungen titeln und leitartikeln, die „Überwindung der Abschreckung“, sondern die Beseitigung des ärgerlichen Zustands, dass man selbst einem Angriff mit Atomraketen nichts Wirksames – außer eben einen vernichtenden Vergeltungsschlag – entgegensetzen kann. Es ist US-Präsident Bush höchst persönlich, der in seiner offiziellen Erklärung zum MD-Beschluss betont, dass es darum, also um die Perfektionierung der Abschreckung geht: Kalte-Kriegs-Abschreckung ist nicht mehr genug.(…) Wir brauchen neue Abschreckungskonzepte, die auf beidem: auf offensiven und auf defensiven Mitteln aufbauen. Abschreckung kann nicht länger nur auf der Drohung mit nuklearer Vergeltung beruhen.(…) Zusammen (mit den Verbündeten) müssen wir jeden abschrecken, der den Einsatz von Waffen des Terrors in Erwägung zieht. (1.5.01) Eine ausführliche Befassung mit dem amerikanischen Projekt einer umfassenden Raketenabwehr ist nachzulesen im GegenStandpunkt 3-2000, S.131: Amerika schafft Sicherheit – für seine Kriege.

[2] Die von Präsident Bush in Auftrag gegebene „Revision“ des Rüstungsbestands und -bedarfs hat zu folgendem vorläufigen amtlichen Ergebnis geführt: Das Militär der USA will sich endgültig von den klassischen Panzerschlacht-Mustern des 20. Jahrhunderts verabschieden; nicht zuletzt mit Blick auf die neue Prioritätenliste (Schwerpunkt Pazifik/Ostasien) sollen die Kapazitäten zum strategischen Luftkrieg auch mit konventioneller Bewaffnung sowie zur Kriegführung über große Distanzen (mit Marschflugkörpern und Langstreckenflugzeugen) erweitert werden, so dass die Streitkräfte jederzeit überall zuschlagen können, ohne sich von der Existenz zuverlässiger Bündnispartner und Stationierungsorte abhängig zu machen; die Zielgenauigkeit und Wirksamkeit der aus „Sicherheitsabstand“ abgefeuerten Bomben soll erhöht werden; die Perfektionierung der Aufklärungs- und Zielführungstechnologie für alle Waffengattungen (einschließlich der Raketenabwehrsysteme) soll durch eine unangreifbare Überlegenheit im Weltraum gesichert werden, weshalb auch der Entwicklung von „Anti-Killer-Satelliten“ erhöhte Dringlichkeit zukommt. Usw. Weil die geplante „Modernisierung“ nicht billig ist, soll auch „gespart“ werden – bei der Zahl von Soldaten und Schiffskörpern etwa, so dass der Militär-Haushalt mit 660 oder 700 Milliarden Mark plus Zusatzkosten im Jahr auskommen kann. Im Zuge dieser Rationalisierung soll auch die „Doktrin“ offiziell gestrichen werden, wonach die Army zwei ordentliche Kriege gleichzeitig führen können müsse – das war der Titel für die Aufrechterhaltung bestimmter Mindestquanta an Flugzeugen, Schiffen und Mannschaftszahlen. Mehr Bescheidenheit in Kriegsdingen ist damit jedenfalls nicht angesagt.

[3] Die Sicherheitsberaterin von George W. Bush, Condoleezza Rice, schreibt in ihrem Sicherheitspolitischen Programm, dass China keine ‚Status-quo-Macht‘ sei, sondern eine Macht, die das Gleichgewicht der Machtverhältnisse in Asien zu ihren Gunsten verändern wolle. ‚Allein diese Tatsache macht China zu einem Konkurrenten, nicht zu einem Partner der Vereinigten Staaten.‘ (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 9.4.01)

[4] Die moderne Ideologie, wonach Bushs angeblicher „Lernprozess“ im Umgang mit der VR China zeigt, dass im Zeitalter der „Globalisierung“ (Kalter) Krieg keinen Sinn mehr macht, weil selbst oder gerade Amerika sich dadurch ins eigene Fleisch schneide, verrät mehr über das Interesse solcher Deutungskünstler als über die Sachlage. Sie hätten gern einen Sachzwang gefunden, der amerikanischen Präsidenten die Freiheit nimmt, Kriege zu führen, die „uns“ Europäern und Deutschen nationalistische Sorgen bereiten.

[5] Dass diese eindeutige Botschaft von intelligenten deutschen Pressefachleuten als erneuter „faux pas“ bzw. „Versprecher“ Bushs behandelt wird, der wohl „wieder dementiert werden muss“, passt ins Bild! Diesen Freunden geradliniger Führer darf dann der „seriöse Vize“ Cheney versichern, dass es sich keineswegs um einen Ausrutscher handelt. Vielmehr gehe es um eine ehrlich gemeinte Drohung, mit welcher der Präsident endlich die „diplomatischen Doppeldeutigkeiten“ beseitigt, derer sich seine Vorgänger befleißigt haben, um China nicht zu verprellen. (International Herald Tribune, 30.4.2001) Das nützt aber auch nichts. Ein paar Tage später freut sich die hiesige Presse schon wieder. Erst kündigt das Pentagon den Abbruch aller militärischer Beziehungen zu China an, am nächsten Tag dementiert der Sprecher: Beschlossen sei die „fallweise Überprüfung“ der Kontakte am Kriterium ihrer Nützlichkeit für die USA, und das nicht nur im militärpolitischen Bereich. Schadenfroher Tenor: ‚Darf sich eine Weltmacht so amateurhaft präsentieren?!‘ – Es mag ja sein, dass die amerikanische Regierung „nach 100 Tagen“ im Amt „immer noch uneinig“ ist über die „genaue Linie ihrer Politik“. Dass sie nichts dabei findet, sich mit oder trotz dieser Ungenauigkeit der Welt zu präsentieren, also ihre Beschlüsse von gestern am nächsten Tag öffentlich zu korrigieren, ist viel aufschlussreicher: So etwas kann sich – wer sonst wenn nicht – eine Weltmacht leisten, die davon ausgeht, dass ihr Wort gilt, also die politischen „Realitäten“ bestimmt, ein Widerruf deswegen auch nicht schadet. „Berechenbar sein“ ist offenkundig eine Tugend, welche die Führungsmacht von anderen Staaten erwartet. Denn die haben sich gefälligst nach ihr zu richten; und nicht umgekehrt! Im übrigen geht über der ganzen journalistischen Häme wieder mal der Fortschritt in der Sache verloren: Mit dem Beschluss der Bush-Regierung wird, so oder so, der bisherige politische Status der VR China verändert, der Grundsatz der beiderseitigen Respektierung in eine Frage der Willkür Washingtons verwandelt und damit ein Stück Ächtung Chinas eingeführt!

[6] Vgl. den Artikel Nordkorea 2000 im GegenStandpunkt 4-2000, S.109.

[7] Der Katalog der störenden, von Amerika als Bedrohung definierten nordkoreanischen Gewaltmittel ist von der neuen Regierung explizit um den Tatbestand „konventioneller Überrüstung“ erweitert und damit komplettiert worden. Um alle Missverständnisse zu vermeiden!

[8] Aus Sicht der nun regierenden Republikanergarde hat es die Clinton-Mannschaft an der nötigen Entschlossenheit in der Bekämpfung von Feinden (wie Nordkorea) und potentiellen Rivalen (wie China) fehlen lassen. Sie wird eines blauäugigen „Idealismus“ und einer verfehlten „Romantik“ bezichtigt, dank derer Amerikas Gegner an Boden gewinnen konnten. Der „Realismus“ der Bush-Regierung soll das korrigieren – so nennt sich also das Bekenntnis zum Einsatz der überlegenen Gewalt als der entscheidenden Produktivkraft in der Staaten-Konkurrenz. Als ob Clinton und seine Demokraten diesen banalen Grundsatz aus den Augen verloren hätten!

[9] Für die neue Republikaner-Regierung präsentiert sich folgendes Horrorszenario – als Produkt der bisherigen „Sonnenscheinpolitik“: Ab Juli wird Nordkorea eine große Militärübung abhalten. Die Übung werde im Unterschied zu den letzten Jahren offensiven Charakter haben. Nordkorea habe genug Material, um die Übung durchzuführen. Genügend Lebensmittel und Diesel aus Südkorea und China. Das Öl benutze es für seine mechanisierten Einheiten. Die Versorgung der Soldaten hat sich drastisch verbessert. Die meiste Lebensmittelhilfe aus dem Süden sei zu Kriegsnotrationen verarbeitet worden. Die Computer aus dem Süden seien auch größtenteils beim Militär gelandet, das daraufhin sein Training verbessern konnte. (nach Chosun Ilbo, einer südkoreanische Zeitung, 6.4.01)

[10] Die Regierung Nordkoreas registriert dies genau so und sieht sich postwendend zu einer dosierten Aussetzung der vereinbarten „Versöhnungsmaßnahmen“ veranlasst. Sie teilt auf diese Weise mit, dass sie sich nicht auf eine Sorte „Entspannungspolitik“ einlassen will, die nur ein Instrument im Kalten Krieg der USA gegen den eigenen Staat ist.

[11] Drei Beispiele für die Untergrabung der Nordkorea-Politik des Südens. Nr.1: Der Süden will Strom für die im Norden wirtschaftende Hyundai-Filiale liefern. Laut USA ist das nicht zulässig, da Energie unter ihr „Rahmenabkommen“ von 1994 fällt, mit dem Clinton das Atomprogramm Nordkoreas stoppen wollte. Südkorea beschließt, dass das Energieprojekt eine rein innerkoreanische Angelegenheit ist… Atomare Fragen würden zwischen USA und Nordkorea diskutiert, Energiehilfe zwischen den koreanischen Staaten. Die USA bestehen auf der Verknüpfung: Energiehilfe ist eine strategische Sache und müsse verknüpft sein mit einem Aufgeben atomarer Bewaffnung. (Chosun Ilbo, 4.3.01) – Nr.2: Die USA verweigern einem nordkoreanischen Repräsentanten das nötige Visum, um an der Jahrestagung der Asiatischen Entwicklungsbank teilzunehmen. Kredite an Nordkorea gelten als Aufrüstungshilfe. Nr.3: Die US-Regierung legt „zwar dem Empfang des kommunistischen Staatschefs Kim Jong Il“ durch Kim Dae Jung „keine Hindernisse in den Weg“; die geplante Unterzeichnung einer „Deklaration über Frieden und Sicherheit“, die das Ende des Kriegszustands zwischen beiden Staaten beurkunden soll und den Zweck des Besuchs ausmacht, wird aber als „verfrüht“ abgelehnt, sprich untersagt. (Neue Zürcher Zeitung, 8.3.01)

[12] Ende Mai, während gerade wieder einmal Bombenangriffe gegen irakische Ziele geflogen werden, diskutiert die US-Regierung darüber, ob sie das Embargo für „zivile Güter“ offiziell aufheben und womöglich gar die irakische Ölausfuhr legalisieren soll, um im Gegenzug die arabisch-europäische Aufweichungsfront erst recht auf die bedingungslose Einhaltung und Kontrolle des Embargos auf dem Sektor der militärischen und dual-use-Produkte festzulegen. Die Beobachter der deutschen Öffentlichkeit sehen darin abermals einen „Sieg des Realismus“, den sie begrüßen – die Lockerung der Sanktionen entspricht schließlich dem deutschen „Drängeln“ in dieser Richtung. Der Realismus, den sie meinen, besteht nicht in einem schlichten Effizienzkalkül der USA, das Schluss machen will mit „Sanktionen nach Art eines Emmentaler Käses“, sondern in der – angeblichen – schäbigen Abkehr des Präsidenten von politischen Prinzipien in Folge niederer materieller Beweggründe: Bush stellt seine Bedenken gegen den ‚irakischen Schurken‘ hintan, um der US-Wirtschaft Ölgeschäfte zu erleichtern, lautet die hämisch-kühne Deutung, die zum guten Schluss dabei landet, dass die erfundene „Wende in der amerikanischen Irak-Politik“ aus der privaten Biografie des Herrn Bush deduziert wird. Der habe als „Spross einer Erdöl-Dynastie“ immer noch eine Vorliebe fürs Öl, mehr noch als fürs Bombardieren. (alle Zitate: SZ, 19.5.01) – Man sieht, unser Großer Verbündeter kann es den Deutschen einfach nicht recht machen: Ob er „inhumane“ Sanktionen anordnet oder „intelligente“, ein ordentlicher Führer ist er nicht, dem „wir“ vertrauen könnten.

[13] Hier wegen der schönen und klaren Direktheit der Sprache des Präsidenten dasselbe noch einmal im Original: „I want us to think back some 30 years to a far different time in a far different world. The United States and the Soviet Union were locked in a hostile rivalry. The Soviet Union was our unquestioned enemy; a highly armed threat to freedom and democracy. … We didn’t trust them, and for good reason. … Security of both the United States and the Soviet Union was based on an grim premise: that neither side would fire nuclear weapons at each other, because doing so would mean the end of both nations. We even went so far as to codify this relationship in a 1972 ABM Treaty, based on the doctrine that our very survival would best be insured by leaving both sides completely open and vulnerable to nuclear attack. The threat was real and vivid. … Today’s Russia is not our enemy, but a country in transition with an opportunity to emerge as a great nation, democratic, at peace with itself and its neighbors. … Yet, this is still a dangerous world, a less certain, a less predictable one. … …we must seek security based on more than the grim premise that we can destroy those who seek to destroy us. … We need new concepts of deterrence that rely on both offensive and defensive forces. Deterrence can no longer be based solely on the threat of nuclear retaliation. … We need a new framework that allows us to build missile defenses to counter the different threats of today’s world. To do so, we must move beyond the constraints of the 30 year old ABM Treaty. This treaty does not recognize the present, or point us to the future. It enshrines the past. No treaty that prevents us from addressing today’s threats, that prohibits us from pursuing promising technology to defend ourselves, our friends and our allies is in our interest or in the interest of world peace. This new framework must encourage still further cuts in nuclear weapons. Nuclear weapons still have a vital role to play in our security and that of our allies. We can, and will, change the size, the composition, the character of our nuclear forces in an way that reflects the reality that the Cold War is over. … Russia and the United States should work together to develop a new foundation for world peace and security in the 21st century. We should leave behind the constraints of an ABM Treaty that perpetuates a relationship based on distrust and mutual vulnerability. This Treaty ignores the fundamental breakthroughs in technology during the last 30 years. … I want to complete the work of changing our relationship from one based on a nuclear balance of terror, to one based on common responsibilities and common interests. We may have areas of difference with Russia, but we are not and must not be strategic adversaries.“

[14] Seiner Regierung schärfte der Präsident ein, sie solle für wachsende Gewinne durch den Verkauf russischer Waffen sorgen. Die Rüstungsbranche, so Putin, sei ‚der zentrale Schlüssel für den Aufschwung der gesamten Wirtschaft‘. (Der Spiegel, 4.12.00) So weit ist es also gekommen: Nur noch mit seinem militärischen Zerstörungsgerät kämpft der Erbe der einstigen sowjetischen „Weltfriedensmacht“ mit einiger Aussicht auf Erfolg darum, den vollständigen Absturz seines Landes auf das Niveau eines Rohstoffe exportierenden Schuldnerstaates zu vermeiden und den Status einer „Industrienation“ zu retten. An der Stelle ist dem regierenden Reformer auch völlig klar, dass ein solcher Erfolg mit „privatwirtschaftlichen Methoden“ nicht zu haben ist: Im November vorigen Jahres hat der Präsident zur Straffung der Rüstungsexporte die Bildung eines einheitlichen Staatskonzerns angeordnet (Handelsblatt, 6.11.00)

[15] So verteidigt Außenminister Iwanow etwa die russischen Geschäftsbeziehungen zu Teheran gegen die amerikanischen Interventionen: Amerika zielt auf einige Aspekte der militärischen Zusammenarbeit mit dem Iran, um unsere sich dynamisch und harmonisch entwickelnden Beziehungen zu stören. (FAZ, 16.3.01)

[16] …überraschend kam freilich das Ausmaß der Aktion. Der nächste zur Hand liegende Vergleich geht ins Jahr 1986 zurück, als Präsident Reagan 80 sowjetische Diplomaten zum Kofferpacken einlud. Doch damals herrschte noch, wenn auch in der Endphase, der Kalte Krieg. Nach etlichen Enttäuschungen über Russland, die nicht vorankommende Wirtschaftsentwicklung und über den Präsidenten Putin selbst wollte George Bush nun einen Markstein setzen. Er meinte in einer beiläufigen Erklärung…, die Aktionen sprächen für sich selbst, er werde darüber mit Präsident Putin nicht in einen Briefwechsel eintreten. (Neue Zürcher Zeitung, 23.3.01) Russland wird scharf zurechtgewiesen – und darüber wird selbstverständlich nicht verhandelt!

[17] Angeblich verfügte Borodin über eine Einladung auf dem Briefpapier eines amerikanischen Geschäftsmanns, der das jedoch nicht veranlasst und auch nichts davon gewusst haben will… Es kennzeichnet den diplomatischen Status der russisch-weißrussischen „Union“, dass das Auftreten ihrer Vertreter auf der Weltbühne in die Sphären der politischen Halbwelt gehört. Das liegt freilich nicht – nur – an diesem Gebilde, sondern an der Ablehnung, mit der die maßgeblichen Weltmächte ihm begegnen; besonders demonstrativ eben die Weltmacht USA, deren neuer Führer seine Amtseinführung nicht mit der Anwesenheit dubioser Vertreter einer so dubiosen „Union“ verunzieren lässt. Zugleich wird mit der Behandlung des unerwünschten Abgesandten als Fall von Wirtschaftskriminalität das Finanzgebaren des Kreml nicht bloß rückblickend ins Zwielicht des Verdachts auf organisiertes Verbrechen gerückt; und diese Einordnung wird auch dadurch nicht relativiert, dass Präsident Putin seinerseits Wert darauf legt, die peinliche Affäre als quasi private Angelegenheit zwischen Herrn Borodin und der Schweizer Justiz eingeordnet zu wissen.

[18] Der gegen alle diplomatischen Gebräuche publik gewordene Inhalt vertraulicher Gespräche zwischen dem US-Präsidenten und dem deutschen Bundeskanzler, die sich sehr offen über Russlands Kreditunwürdigkeit wegen höchst anrüchiger Machenschaften beim Umgang mit staatlichen Deviseneinnahmen ausgetauscht haben, passt ebenso ins Bild wie die Tatsache der Indiskretion selbst: Russland hat bei der Führungsmacht des Westens keinen Kredit; und es macht gar nichts, wenn alle Welt das erfährt!

[19] Man dürfe nicht zu lange warten; wenn sich solche Länder (wie Iran, Nordkorea, Irak und Libyen) erst einmal in der Lage fühlen, andere zu erpressen, sei es mit der Abschreckung zu spät. Die Entwicklung entsprechender Technologien dauere Jahrzehnte; also müsse jetzt begonnen werden. (Die Bush-Abgesandten in Berlin, nach SZ, 9.5.01)

[20] Jeder, der sich jemals mit Forschung und Entwicklung befasst hat, weiß, dass es höchst ungewöhnlich ist, im ersten Versuch etwas Perfektes zu entwickeln. Das ist nicht wahr in der Pharmazie (…), und es ist bestimmt nicht wahr in der militärischen Verteidigung (…), das gilt für die Offensive wie die Defensive. Aber worum es geht, das ist, neue Fähigkeiten einzuführen, um sicher zu gehen, dass die Abschreckung funktioniert (…). Und diese Fähigkeiten müssen nicht 100%ig perfekt sein. (Rumsfeld, 1.5.01) So drückt der amerikanische Verteidigungsminister aus, dass der entscheidende kriegstechnische Fortschritt darin besteht, dass gegen atomare Offensiv-Raketen Abwehrwaffen aufgeboten werden können, die imstande sind, anfliegende Raketen zu vernichten. Mit der technischen Verfügbarkeit eines solchen Gegenmittels wird die bislang sichere Zerstörungswirkung der „letzten Mittel“ relativiert, ein Krieg im Prinzip auf jeder Eskalationsstufe kalkulierbar und eben so der ärgerliche Zustand der „Selbstabschreckung“ überwunden. Mit einer garantierten Trefferquote hat das (wie bei anderen Waffengattungen auch) nichts zu tun, auch wenn die eigene „Unverwundbarkeit“ natürlich das Ideal eines jeden Kriegsherren ist.

[21] Natürlich steht damit auch, kurz nach der „Lektion“ des Kosovo-Kriegs der NATO, erneut die Frage auf der Tagesordnung, was die EU an eigenen Rüstungsanstrengungen – diesmal auf dem Gebiet der „letzten Mittel“ – in die Waagschale werfen will, ob sie also die Konkurrenz mit der Führungsmacht ernsthaft aufnehmen will. Die Sache scheint den Mitgliedstaaten indes so heiß, dass bis dato noch keiner von ihnen überhaupt den Antrag gestellt hat, „eine gemeinsame europäische Position“ zum amerikanischen Raketenabwehrprogramm herzustellen.

[22] Wie unter Ronald Reagan mit seiner Endlösungs-Mission gegen den Kommunismus die Sowjetunion das „Reich des Bösen“ war, so warten heutzutage lauter „Schurken“ auf die gerechte Todesstrafe. Und keinem der ach so aufgeklärten europäischen Meinungsmacher fällt mehr an „Kritik“ ein als der Verdacht, die Bedrohungsdiagnose wäre derzeit doch wohl (noch!) ein bisschen „übertrieben“. Bei einem Ayatollah-Regime, das dazu aufruft, „den Satan“ USA und die „teuflischen Ungläubigen zu bekämpfen“, die „den Gottesstaat vernichten wollen“, wittert ein jeder sofort eine fanatische Paranoia und Terrorismus. Wenn aber ein amerikanischer Präsident Gods own country bedroht sieht von Staaten, für welche Terror und Erpressung eine Lebensart sind, die Massenvernichtungswaffen suchen, um die USA und andere verantwortliche Nationen davon abzuhalten, Alliierten und Freunden zu helfen (MD-Rede, 1.5.01); wenn dieser Staats-Mann dergestalt Staaten mit einem anderen Herrschaftssystem und/oder nicht genehmigten nationalen Ansprüchen als Inbegriff des zwecklos Bösen hinstellt; dann wirft ihm niemand gemeingefährlichen Wahnsinn vor, der zudem noch mit einem riesigen Arsenal von Massenvernichtungsmitteln auf diejenigen losgehen kann, die sich nicht erpressen lassen wollen – obwohl der politisch-moralische Inhalt dieser „Analyse heutiger Gefahren“ sich keinen Deut von dem der inkriminierten fundamentalistischen Terroristen unterscheidet. Die politische Parteilichkeit, die diesen Meinungsmachern ihre Unterscheidungskriterien liefert, funktioniert offenbar ganz ohne eine Zensur, wie sie in Diktaturen und Schurkenstaaten üblich ist!

[23] Dies ist auch der Grund dafür, dass die Kohlendioxyd-Emissionen allenthalben steigen und nicht sinken. Ein konkurrenzfähiger Kapitalstandort ist schließlich der oberste Zweck staatlicher Politik; die Ruinierung der natürlichen Geschäftsgrundlagen ist die unvermeidliche Konsequenz des Rentabilitätsgesetzes; diese Ruinierung in Grenzen zu halten, damit das Geschäft weiter geht, ist der Inhalt der Umweltpolitik; die Kosten, welche diese der Wirtschaft beschert, dürfen natürlich die nationale Konkurrenzfähigkeit nicht schädigen; schon gleich nicht, wenn es um „künftige globale Folgen“ wie die Klimaerwärmung geht, deren Effekte auf die einzelnen Nationen noch gar nicht absehbar sind. Vielleicht wird es ja hier und dort bloß wärmer, und Land unter oder Dürre finden woanders statt!

[24] Insofern sind auch die diplomatischen „Niederlagen“, welche den USA „aus Verärgerung über das forsche Auftreten des neuen Präsidenten“ bereitet werden, nicht mit einem Sieg der unter ihrer Demütigung leidenden Staaten zu verwechseln. Kaum haben sie die beiden amerikanischen Kandidaten für die UN-Menschenrechts- bzw. Drogenkommission durchfallen lassen, „befürchten“ sie selbst in aller Öffentlichkeit, dass damit eher diese Gremien „entwertet“ seien als die Position der USA. Denn letztlich seien Entscheidungen ohne oder gar gegen die USA ziemlich „wertlos“.