Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Lohnstreik in Renaults rumänischem Dacia Zweigwerk:
Rumänische Billigarbeitskräfte missverstehen die globalisierte Marktwirtschaft
Renault erwirbt billig das sozialistische Überbleibsel der Automobilfabrik Dacia, „eine Ruine, als der französische Hersteller sie 1999 kaufte“ (Le Monde, 14.4.08). Mit dem kapitalistischen Reichtum, den dem französischen Konzern die erfolgreiche Ausbeutung an seinen anderen Stand-orten eingebracht hat, und Kredit für die erfolgversprechende Geschäftsaussicht ist ein heruntergekommener Standort in diesem Drittweltland in Europa sofort viel versprechend: ein wahres unternehmerisches „Eldorado, wo die Arbeitsgesetzgebung wenig verpflichtend, die Gewerkschaften schwach oder zu Konzessionen bereit sind, wenn eine Fabrik Arbeit, welcher Art auch immer, bereitstellen kann“.
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Lohnstreik in Renaults rumänischem
Dacia-Zweigwerk:
Rumänische Billigarbeitskräfte
missverstehen die globalisierte Marktwirtschaft
Ein Eldorado für einen Konzern
Renault erwirbt billig das sozialistische Überbleibsel
der Automobilfabrik Dacia, eine Ruine, als der
französische Hersteller sie 1999 kaufte
(Le Monde, 14.4.08). Mit dem
kapitalistischen Reichtum, den dem französischen Konzern
die erfolgreiche Ausbeutung an seinen anderen Standorten
eingebracht hat, und Kredit für die erfolgversprechende
Geschäftsaussicht ist ein heruntergekommener Standort in
diesem Drittweltland in Europa sofort viel versprechend:
ein wahres unternehmerisches Eldorado, wo die
Arbeitsgesetzgebung wenig verpflichtend, die
Gewerkschaften schwach oder zu Konzessionen bereit sind,
wenn eine Fabrik Arbeit, welcher Art auch immer,
bereitstellen kann
(L’Humanité,
25.3.). Auch ansonsten herrschen entgegenkommende
Geschäftssitten mit unbezahlten Überstunden, nicht
gewährtem Urlaub und Probezeiten von bis zu 18 Monaten
wie bei Romsteel Cord, einer hundertprozentigen Tochter
von Michelin
(sozialismus.info,
12.4.). Außer der großherzigen Auslegung seines
Arbeitsrechtes durch den rumänischen Staat und
Gewerkschaften, die um Arbeit betteln, überzeugen auch
die Personalausgaben, die nur ein Zehntel von denen in
Frankreich betragen. „Der durchschnittliche
Monatsbruttolohn der Angestellten bei Dacia liegt bei
1064 Lei (285 Euro). Bei 2500 Beschäftigten ohne längere
Betriebszugehörigkeit ist er nicht höher als 780 Lei
brutto (209 Euro).“ (Ion Iordache,
Dacia-Gewerkschaftsführer in communisme, Wordpress.com,
12.4.)
So ist alles beieinander für das Geschäftskonzept, an modernen Produktionsanlagen von 13 000 willigen Arbeitern mit bescheidenen Löhnen ein technisch gesehen bescheidenes Auto zusammenschrauben zu lassen. Spekuliert wird auf eine Kundschaft, deren Lebensumstände ein Auto notwendig, deren Einkommen den Kauf eines normalen Autos aber eher schwierig machen. Und diese Geschäftsidee mit der nützlichen Lohnarmut auf Seiten der Beschäftigten wie der Käufer wird ein Riesenerfolg:
„Dacia hat 2007 einen neuen Verkaufsrekord aufgestellt mit dem Verkauf von 230 000 Einheiten ..., was eine Steigerung von 17,4 % darstellt im Vergleich zu 2006.“ (Challenge, 26.3.)
Diese Geschäftsidee wird sogar zum entscheidenden Gewinnposten in der Konzernbilanzrechnung des „Créateur d’automobiles“:
„Anfang März, anlässlich des Genfer Autosalons, lächelt der Vorstandssprecher von Renault, Carlos Ghosn beim Vorstellen der 14,8 Prozent Zuwächse der weltweiten Verkäufe seiner Gruppe und eines jährlichen Wachstums von 10 %. Zahlen, die größtenteils dem Erfolg des Logan zuzuschreiben sind, dessen Verkauf im Januar und Februar sich mehr als verdoppelt haben im Vergleich zum vergangenen Jahr – wobei sie bereits 2007 den bemerkenswerten Zuwachs von 48 % erreicht hatten.“ (L’ Humanité, 25.3.)
So ist die Globalisierung gedacht! Unternehmen vergleichen weltweit Anlagemöglichkeiten und Absatzchancen. Sie entscheiden sich für Standorte, wo ihnen der Lohn passt, Gewerkschaften die Arbeit nicht unnötig verkomplizieren und die politische Hoheit für ausländische Investoren dankbar ist und alles tut, passende Standortbedingungen herbeizuregieren.
Und dann das!
Freche rumänische Billigheimer
werden dreister als es sich deutsche Lokführer je vorstellen konnten:
Die Arbeiter fordern eine Erhöhung ihrer Gehälter von
65 Prozent.
(Le Monde,
11.4.) Damit nicht genug wollen sie noch ein paar
Vergünstigungen obendrauf und haben glatt eine
Lohnerhöhung ... sowie eine Gewinnbeteiligung für die
Mitarbeiter, höheres Oster- und Weihnachtsgeld sowie
Rabatte beim Kauf von Dacia-Autos gefordert.
(newsticker.sueddeutsche.de,
12.4.) Sie beschweren sich darüber, dass die von
Renault gezahlten Löhne nicht zum Leben reichen: Wie
soll man damit zurechtkommen können?
Die Preise
steigen, aber die Gehälter folgen dem nicht.
(Le Monde, 13.4.) Sie
verweisen auf die profitablen Produktionsplätze, an denen
sie alle 52 Sekunden ein Auto herstellen
: Wir
arbeiten wie in Frankreich, aber bekommen nur
Peanuts.
(sozialismus.Info,
29.3.) Und sie sind undankbar gegenüber den
Segnungen des rumänischen EU-Beitritts: Wir wollen
nicht Sklaven der Europäischen Union sein!
(Le Monde, 13.4.)
Offensichtlich haben die rumänischen Lohnkulis die
Erfolgsmeldungen ihrer französischen Anwender gründlich
missverstanden. Sie interpretieren die Profitabilität
ihrer Anwendung glatt als etwas, wovon auch für sie als
angewandte Arbeitskräfte ein ordentlicher Anteil
herausspringen soll.
Die Firma bietet zuerst einmal überhaupt nichts. Der
Pressesprecher Liviu Ion weist jede Parallele zwischen
dem finanziellen Wohlergehen der Gruppe und den Gehältern
der Beschäftigten zurück und qualifiziert die
Gewerkschaftsforderungen als irreal angesichts der
ökonomischen und sozialen Bedingungen, die aktuell in
Rumänien herrschen.
(communisme.word-press.com, 12.4.) Eine
interessante Auskunft über den Standpunkt des
Unternehmens: „Parallel“ hat der Lohn nicht mit dem
Erfolg der Firma zu wachsen, sondern muss wohl eher dem
wirtschaftlichen Misserfolg des Landes und der
allgemeinen Not der Bevölkerung angepasst werden! Daran
gemessen geht es den Dacia-Beschäftigten doch unverschämt
gut. Großzügigerweise liegt der durchschnittliche
Bruttolohn bei Dacia um 20 Prozent über dem landesweiten
Durchschnitt
. (newsticker.sueddeutsche.de, 12.4.) Was
nicht gegen den Durchschnitt, sondern für den
französischen Konzern spricht, der seine privilegierte
Belegschaft nicht auf das landesübliche Lohnniveau
herunterdrückt!
Nach einem Warnstreik offeriert die Firma großzügig
zwölf, dann sechzehn Prozent mehr Lohn. So billig hat der
Lohn aber schon zu bleiben, denn wir können nicht die
Rentabilität des Standorts aufs Spiel setzen
(Dacia-Sprecher, Le Monde,
11.4.) In der Hauptsache setzt die Firma aber auf
ein rechtliches Verbot des Arbeitskampfes. Schließlich
ist letztes Jahr eine Arbeitsniederlegung im selben Werk
von den rumänischen Behörden schon mal freundlicherweise
verboten worden. Dem jetzigen Streik bestreitet die
Geschäftsführung vor Gericht jede Legalität
und
wirft der Gewerkschaft vor, ihn vom Zaun gebrochen zu
haben, bevor alle Verhandlungsschritte ausgeschöpft
worden seien.
(nach
communisme.wordpress.com, 12.4.) Überhaupt gehört
diesem Spuk einiger weniger widersetzlicher Arbeiter von
Recht und Gewalt schon deshalb ein Ende gesetzt, weil die
Gewerkschaft die Zahl der Streikenden künstlich
aufgeblasen
hat, um die fürs Streiken rechtlich
vorgesehene Quote von 50 Prozent überhaupt zu erreichen.
Wofür folgt man denn als Firma den Bitten eines Staates
an der europäischen Armutsperipherie und liefert einen
großen Beitrag zu dessen Bruttoinlandsprodukt, wenn man
sich dann nicht darauf verlassen kann, dass der
politische Standorthüter für das Recht auf ungestörte
Ausbeutung sorgt und einem jede Geschäftsstörung durch
aufsässige Arbeiter vom Hals schafft!
Unternehmerische Drohungen mit der grenzenlosen Standortkonkurrenz
Als das Gericht – nach mehrmaligem Verschieben des
Urteils – den Streik für rechtens erklärt und nach 19
Tagen der Produktionsstillstand für Dacia-Renault rund
15 000 Autos weniger bedeutete und die durch den Streik
bedingten Verluste von den Medien auf 60 bis 150
Millionen geschätzt werden
(newsticker.sueddeutsche.de, 12.4.),
lenkt der Konzern ein. Angesichts einer Fortsetzung des
Streiks würde die von der Renaultzentrale für 2008
angepeilte Produktion von 350 000 Einheiten in Gefahr
geraten. Und das, wo sich das Auto gerade so gut
verkauft! Da kommt die Firma mit einem gewissen
Zugeständnis beim Lohn billiger weg. Also wird mit der
Direktion eine Vereinbarung unterzeichnet, die eine
Erhöhung von 28 Prozent des Grundgehaltes vorsieht
(Le Monde, 13.4.)
Wie viel 28 Prozent mehr Lohn wert sind in einem Land mit
z.T. zweistelligen Preissteigerungsraten, wo einige
Grundnahrungsmittel wie Milch oder Fleisch heute sogar
teurer als in Frankreich oder in Deutschland sind
(sozialismus.info, 12.4.),
ist eine Sache. Wie wenig verlässlich der geschlossene
Lohnkompromiss für die Beschäftigten ist, das führt das
Kapital ihnen nachdrücklich vor. Die Firmenleitung droht
ihnen mit den Alternativen, die sie gegen die Belegschaft
in Anschlag bringen kann: Dacia verweist darauf, dass
sechs andere Fabriken der Gruppe Renault in der Welt den
Logan herstellen, oft wie in Marokko oder Indien mit noch
niedrigeren Löhnen.
Dasselbe Ergebnis lässt sich auch
in Rumänien haben, und zwar ohne
rumänische Arbeitskräfte. Und außerdem gibt es
Moldavier gleich nebenan, die nur darauf warten, zu
solchen Preisen zu arbeiten.
Noch weiter entfernt
hausen auch noch Menschen, deren Abhängigkeit ihres
Lebensunterhaltes von den Geschäftskalkulationen eines
weltweit die Löhne vergleichenden Kapitals sich ausnutzen
lässt: Ein rumänischer Textilunternehmer hat sogar
chinesische Arbeitskräfte kommen lassen!
(Le Monde, 13.4.)
So globalisiert ist der europäische Binnenmarkt!