Israel: Amerikas ebenso unbedingter wie schwieriger Alliierter

Bei seinen Bemühungen um „American leadership“ im Nahen Osten kann sich Obama auf Israel erst einmal verlassen. Zu dessen Staatsräson gehört nämlich eine ganz besondere – weltpolitische, militärische, ökonomische – Allianz mit den USA. Die Kriege, mit denen der Staat sich in der Region etabliert hat und seine räumliche Ausdehnung betreibt, haben keinen allseits anerkannten Abschluss gefunden; Israel liegt in fortdauernder Feindschaft mit der Bevölkerung und den politischen Repräsentanten des besetzten Palästina sowie den arabischen Nachbarstaaten und der iranischen Gottesrepublik. Es definiert seine Lage als permanenten Existenzkampf, der keine Nachgiebigkeit und keine Kompromisse erlaubt, vielmehr unbedingte militärische Überlegenheit über die Gesamtheit seiner Gegner und jederzeitige Kriegsbereitschaft erfordert und mit aktiver Abschreckung geführt werden muss. Gegen alle völkerrechtlichen Verpflichtungen, sich an seine anerkannten Grenzen zu halten und sein Besatzungsregime regelkonform auszuüben, und gegen allen politischen Druck, einen Ausgleich mit seinen arabischen Nachbarn zu suchen und für einen vertraglich zugesicherten Frieden auch Landbesitz zu opfern, besteht der Staat auf seinem unveräußerlichen Recht, allein im Sinne seines selbstdefinierten permanenten Existenzsicherungsbedarfs Gewalt über das von ihm beanspruchte Gebiet und gegen dessen Bevölkerung auszuüben sowie allen erklärten oder potentiellen Feindmächten in der Region anzudrohen und nötigenfalls auch anzutun. Eben das vermag Israel jedoch in keiner Hinsicht aus eigener Kraft. Ökonomisch ist das Land auf Geldtransfers aus dem Ausland, insbesondere aus Amerika angewiesen; seine Militärmacht verdankt es zu entscheidenden Teilen amerikanischer Hilfe; die politischen Anfeindungen, die von Israel ausgehen und denen es ausgesetzt ist, und seine Politik der Nicht-Beachtung von UNO-Resolutionen und auswärtigen Einmischungsversuchen vermag es nur aufgrund amerikanischer Rückendeckung durchzuhalten. Etwas anderes – vom Standpunkt seiner Staatsräson aus gesehen: weniger – als ein Frontstaat, der seiner Umgebung mit abschreckender Gewalt begegnet, will Israel nicht sein. Und genau das kann es nur sein, weil die Weltmacht den Staat eben so gebrauchen kann und haben will.

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Israel: Amerikas ebenso unbedingter wie schwieriger Alliierter

Bei seinen Bemühungen um „American leadership“ im Nahen Osten kann sich Obama auf Israel erst einmal verlassen. Zu dessen Staatsräson gehört nämlich eine ganz besondere – weltpolitische, militärische, ökonomische – Allianz mit den USA. Die Kriege, mit denen der Staat sich in der Region etabliert hat und seine räumliche Ausdehnung betreibt, haben keinen allseits anerkannten Abschluss gefunden; Israel liegt in fortdauernder Feindschaft mit der Bevölkerung und den politischen Repräsentanten des besetzten Palästina sowie den arabischen Nachbarstaaten und der iranischen Gottesrepublik. Es definiert seine Lage als permanenten Existenzkampf, der keine Nachgiebigkeit und keine Kompromisse erlaubt, vielmehr unbedingte militärische Überlegenheit über die Gesamtheit seiner Gegner und jederzeitige Kriegsbereitschaft erfordert und mit aktiver Abschreckung geführt werden muss. Gegen alle völkerrechtlichen Verpflichtungen, sich an seine anerkannten Grenzen zu halten und sein Besatzungsregime regelkonform auszuüben, und gegen allen politischen Druck, einen Ausgleich mit seinen arabischen Nachbarn zu suchen und für einen vertraglich zugesicherten Frieden auch Landbesitz zu opfern, besteht der Staat auf seinem unveräußerlichen Recht, allein im Sinne seines selbstdefinierten permanenten Existenzsicherungsbedarfs Gewalt über das von ihm beanspruchte Gebiet und gegen dessen Bevölkerung auszuüben sowie allen erklärten oder potentiellen Feindmächten in der Region anzudrohen und nötigenfalls auch anzutun. Eben das vermag Israel jedoch in keiner Hinsicht aus eigener Kraft. Ökonomisch ist das Land auf Geldtransfers aus dem Ausland, insbesondere aus Amerika angewiesen; seine Militärmacht verdankt es zu entscheidenden Teilen amerikanischer Hilfe; die politischen Anfeindungen, die von Israel ausgehen und denen es ausgesetzt ist, und seine Politik der Nicht-Beachtung von UNO-Resolutionen und auswärtigen Einmischungsversuchen vermag es nur aufgrund amerikanischer Rückendeckung durchzuhalten. Etwas anderes – vom Standpunkt seiner Staatsräson aus gesehen: weniger – als ein Frontstaat, der seiner Umgebung mit abschreckender Gewalt begegnet, will Israel nicht sein. Und genau das kann es nur sein, weil die Weltmacht den Staat eben so gebrauchen kann und haben will. Denn in einem Israel, das nicht irgendein „vitales Interesse“ in Abstimmung mit den USA verfolgt, sondern sein ganzes, als permanent gefährdet deklariertes Dasein auf seinen Rückhalt bei den Vereinigten Staaten gründet, haben die ihren denkbar zuverlässigsten Verbündeten in der Region. Dieser Staat braucht als Schutzmacht keinen Geringeren als die Weltmacht höchstpersönlich und will von Alternativen nichts wissen, weil er anders seine unversöhnliche Frontstellung gegen seine Umgebung und seinen latenten Dauerkonflikt mit dem größten Teil der „Völkerfamilie“ gar nicht aushalten könnte. Und das weiß die Weltmacht zu schätzen, weil sie die so eröffnete Front für ihren Zugriff auf die Region zu nutzen vermag, weil sie diesen Zugriff auf das von Israel installierte Abschreckungsregime über die Region abstützt, und nicht zuletzt: weil Israel mit seinem auf US-Hilfe gegründeten permanenten Existenzkampf alle Bemühungen konkurrierender imperialistischer Mächte abschmettert, sich in die Konfliktlage und die Kräfteverhältnisse in der Region – sei es gegen Israel und die USA, sei es auf Seiten Israels alternativ oder auch nur ergänzend zu den USA – einzumischen. Indem es sich von den USA absolut abhängig macht, ist Israel für die Weltmacht mehr als ein verlässlicher Stützpunkt unter anderen, beinahe so etwas wie deren eigener Außenposten. Und als solchen, quasi als integralen Teil von sich, erkennt die Weltmacht Israel auch an. Die Zusicherung Obamas an alle Freunde Amerikas, sie würden im Ernstfall um Amerikas eigener Sicherheit willen verteidigt, hat im Fall Israels ihr ganz eigenes Gewicht: Die USA erklären sich zuständig und verantwortlich für Israels Existenz und damit für den durchschlagenden Erfolg des Abschreckungsregimes, das das Land zur Sicherung seiner Existenz für nötig hält; was eine Garantie dafür einschließt, dass diesem Regime dienliche Gewaltaktionen des israelischen Militärs nicht wirklich scheitern.

Ein auf spezielle Weise schwieriger Verbündeter ist Israel darin, dass es ein zwar integraler, dabei aber durchaus autonomer Bestandteil der beherrschenden Weltmacht sein will und sich auch so aufführt. Mit derselben fundamentalistischen Entschiedenheit, mit der er sich als immerzu existenziell bedrohter Schützling der Weltmacht definiert, besteht dieser Staat darauf, sich in der Wahrnehmung seines Existenzrechts niemals von fremdem Ermessen abhängig zu machen, sondern allein nach eigenem Urteil über die Gewalteinsätze zu entscheiden, die er zur Abwehr des feindlichen Vernichtungswillens für angesagt hält, den er den Mächten in seiner Umgebung und den Opfern seiner Landnahme-Politik unterstellt. Letzter Garant dieser Autonomie, des Willens und der Fähigkeit zu existenzsichernder Abschreckung auch ohne Zustimmung und Eingreifen der USA, ist die Verfügung über die Atomwaffe: Deren politischer Sinn liegt für Israel eben darin, den absoluten Ernstfall, nämlich den Fall einer „Massenvernichtung“ feindlicher Kräfte zur Sicherung der eigenen Existenz, aus eigenem Entschluss herbeiführen zu können. Die Abhängigkeit von amerikanischem Schutz ist damit nicht gekündigt; und darin liegt für die Weltmacht das Problem mit ihrem treuesten Verbündeten: Der behält sich vor, den Bündnisfall einer Konfrontation, die für Israel tatsächlich bedrohlich werden kann, selber herbeizuführen; er will in der Lage sein und ist es auch, die Schutzmacht in einen eigenmächtig angezettelten ultimativen Waffengang mit seiner Umgebung hineinzuziehen. Israel trägt damit auf sehr offensive Weise der Tatsache Rechnung, dass die USA zwar genauso unerbittlich auf dem Existenzrecht ihres Vorpostens bestehen wie dieser selbst, dass sie aber dessen Anfeindung durch die Mächte in der Region und die damit angeblich gegebene Infragestellung seines Überlebens anders bewerten als Israel selbst. Als übergeordnete Schutzmacht der gesamten Weltgegend arbeiten sie seit jeher daran, die Eigeninteressen der dortigen Staaten, auch und gerade der von Israel angefeindeten und gegen Israel feindseligen, auf sich auszurichten, nämlich als nützliche Mitglieder in den Weltmarkt zu integrieren und für ein stabiles Sicherheitsregime zu funktionalisieren. Sie wissen nicht nur, sondern wirken tatkräftig darauf hin, dass Israels Nachbarn ganz andere Dinge wichtig nehmen und sich ganz andere Staatsziele setzen als die Bekämpfung oder gar die Vernichtung Israels. Ein Bündnispartner, der das nicht gelten lässt, sondern alles daran setzt, seine selbst erklärte Existenznot ganz oben in Amerikas Sicherheitspolitik hineinzudefinieren, ist da nur einerseits nützlich – eben als zuverlässiger Vorposten, der mit seiner Militanz einen Konflikt in Gang hält, den die USA zur Schwächung jeder arabischen Eigenmächtigkeit und für die eigene Rolle als Ordnungsmacht, die als einziger Akteur für ein Minimum an Sicherheit vor Israel zu sorgen vermag, zu nutzen wissen. Auf der anderen Seite ist Israels Intransigenz ein widerstrebendes Moment in der Regionalordnungspolitik der USA, bisweilen sogar ein Risiko für deren Bemühen, die Herrschaften in dieser Weltgegend auf sich als tonangebende Führungsinstanz zu verpflichten. Denn mit dem Fundamentalismus seiner permanenten Existenzfrage kann Israel amerikanische Arrangements jederzeit durchkreuzen. Und es tut immerzu, was es kann, um die Weltmacht aus der Position des übergeordneten Schiedsrichters in die des einseitig festgelegten Parteigängers zu drängen. Das stört die Nahostpolitik Washingtons immer wieder. Außerdem aber und vor allem kann die Weltmacht es sich ganz grundsätzlich nicht gefallen lassen, von ihrem Schützling im Namen einer unwiderruflichen Existenzgarantie unter Druck gesetzt, am Ende geradezu erpresst zu werden. Gerade ihrem wichtigsten Alliierten inmitten der arabisch-islamischen Krisenregion müssen die USA immer wieder deutlich machen, dass in letzter Instanz immer noch sie darüber entscheiden, wie die Ordnung in der Region aussehen soll und wieviel Gewalt für deren Herstellung nötig und sinnvoll ist, auf welche Fronten und Bündnisse es jeweils ankommt und welches Gewicht dabei dem unversöhnlich offensiven Kampf Israels um sein Existenzrecht im Sinne seiner eigenen Bedrohungsanalyse zukommt.

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Einen solchen Streit hat die Führungsmacht mit ihrem Schützling derzeit in der Iran-Frage durchzufechten. In dem Ziel, den Iran daran zu hindern, Atommacht zu werden, und seinen Einfluss in der Region zu unterbinden, sind sich Obama und Netanjahu einig. Und dennoch meinen beide nicht ganz dasselbe.

Die US-Regierung will den Iran, der sich als Gegenmacht zu Amerikas Ordnung des Nahen Ostens versteht und aufbaut, stoppen und zur Unterordnung unter die eigene Aufsicht zwingen. Dazu passt es grundsätzlich ganz gut, dass Israel seinerseits im Iran seinen derzeitigen Hauptfeind ausgemacht hat. Das „Mullah-Regime“ mit seinem bösen Präsidenten Ahmadinedschad steckt, jedenfalls aus israelischer Sicht, als Sponsor oder sogar als Auftraggeber hinter den Milizen der Hamas, des Hizbullah sowie sonstigen radikalen Islamisten, die Israels Sicherheitskräften bisweilen zu schaffen machen, und auch hinter der syrischen Regierung, die mit Israel etliche Rechnungen offen hat. Für Israel geht es aber gar nicht bloß um die Sicherheitsprobleme, die von diesen Feinden tatsächlich ausgehen und erklärtermaßen ganz gut im Griff sind. Durch die Bemühungen der iranischen Machthaber, unter anderem mit einer starken Parteinahme für die „palästinensische Sache“ in der arabischen Nachbarschaft Einfluss zu gewinnen und sich so für ihren antiamerikanischen Autonomie-Kurs Rückhalt zu verschaffen, sehen die israelischen Kollegen wieder einmal die Existenz ihres Staatswesens angegriffen; und durch die Möglichkeit, dass der Iran sich mit einer eigenständigen Atomindustrie die Fähigkeit erwirbt, auch nukleare Waffen zu entwickeln, sehen sie ihre eigene Fähigkeit zu einseitigen Vernichtungsschlägen gegen den Iran in Frage gestellt und dadurch ihr Abschreckungsregime über die Region überhaupt entwertet. Die notwendige Konsequenz aus dieser Gefahren-„Analyse“ ist für Israels Regierung der Angriff auf den Iran mit dem Ziel einer Zerstörung seiner Atomanlagen. Israels Militär sieht sich durchaus in der Lage, entsprechend gezielte Schläge zu führen und diese Anlagen zumindest soweit zu zerstören, dass das iranische Atomprogramm um Jahre zurückgeworfen würde – noch effektiver wäre es natürlich, wenn es die vom US-Kongress zugesagten bunkerbrechenden Bomben erhielte. Dass Israel mit einem solchen Überfall einen richtigen Krieg riskiert, womöglich noch mit anderen Nachbarn als dem Iran, den es allein dann doch nicht so ohne Weiteres gewinnen könnte, ist für die Regierung kein stichhaltiger Einwand; das wäre vielmehr der Bündnisfall, der die allen potentiellen Gegnern überlegene Militärmacht der USA im Sinne des eigenen Sicherheitsbedarfs aktivieren würde. Und dieses Kalkül passt der Obama-Regierung nun andererseits überhaupt nicht in ihre Iran-Politik. Denn die stellt mit ihrem Gewaltprogramm gegen die iranische Republik, das die „Option“ eines Krieges durchaus auch enthält, darauf ab, möglichst viele arabische Staaten am Vorgehen gegen Iran zu beteiligen, außerdem die Europäer einzubinden und die ambitionierten Weltaufsichtsmächte Russland und China zumindest zu neutralisieren. Dieses Ziel, insbesondere die Rekrutierung arabischer Vasallen für einen möglichen Krieg gegen Teheran, würde durch einen eigenmächtigen Militäreinsatz Israels durchkreuzt – was womöglich sogar in der Absicht der israelischen Regierung liegt, die ihrem Land unbedingt sowohl die privilegierte Stellung als bevorzugter Schützling der USA als auch die Souveränität im Gebrauch ihres militärischen Abschreckungspotentials sichern will. Was die USA noch weniger als die Störung ihres regionalpolitischen Gewaltkalküls dulden können, das ist die befürchtete Anmaßung Israels, die Weltmacht überhaupt in eine strategische Zwangslage zu bringen, nämlich zu einem Krieg nach Maßgabe des israelischen Selbstbehauptungsbedarfs zu nötigen.

Aus diesem Interessenkonflikt resultiert ein andauerndes Gezerre zwischen den Bündnispartnern: Israel wirft der US-Regierung vor, ihrer Verpflichtung als Schutzmacht Israels nicht verantwortungsvoll genug nachzukommen, und mobilisiert per jüdische Lobby in Amerika eine Mehrheit von Kongressabgeordneten, die von Obama ein härteres Vorgehen gegen den Iran einfordern. So dass sich der Präsident zur Verteidigung seiner Politik herausgefordert sieht:

„Vor vier Jahren stand ich hier vor Ihnen und habe gesagt, dass ‚die Sicherheit Israels unantastbar ist. Sie ist nicht verhandelbar.‘ Diese Überzeugung hat mein Handeln als Präsident bestimmt. Das Engagement meiner Regierung für die Sicherheit Israels ist beispiellos – das ist eine Tatsache. Unsere militärische und nachrichtendienstliche Zusammenarbeit ist so eng wie nie zuvor. Unsere gemeinsamen Übungen und die gemeinsame Ausbildung sind solide wie nie zuvor. Trotz haushaltspolitischer Zwänge wurden unsere Unterstützungsleistungen für die Sicherheit jedes Jahr erhöht. Wir investieren in neue Fähigkeiten. Wir stellen Israel moderne Technologie zur Verfügung – die Art von Produkten und Systemen, die wir nur mit unseren engsten Freunden und Verbündeten teilen. Täuschen Sie sich nicht: Wir werden alles tun, um den qualitativen militärischen Vorsprung Israels zu erhalten, denn Israel muss immer in der Lage sein, sich selbst gegen jede Bedrohung zu verteidigen.“ (Obama vor der „American Israel Public Affairs Committee“, Konferenz (AIPAC) in Washington, nach Amerika Dienst, 5.3.12)

Der Präsident stellt freilich auch klar, dass die USA im Iran nicht nur eine Bedrohung von Israels Sicherheitsinteressen, sondern der USA selbst sehen:

„Ich habe klargestellt, dass es nicht nur im Interesse Israels ist, den Iran daran zu hindern, Nuklearwaffen zu bekommen, sondern dass das zutiefst im Sicherheitsinteresse der Vereinigten Staaten ist.“ (Obama-Interview, The Atlantic, 2.3.12)

Deswegen braucht Obamas Regierung erstens überhaupt nicht von Israels Führung dazu angehalten zu werden, gegen Iran das Nötige zu tun. Und zweitens ist damit klargestellt, dass sich Amerikas Vorgehen nach den Bedürfnissen Amerikas richtet und nicht nach dem Kalkül des Verbündeten. Seinen Schutzpflichten gegenüber Israel genügt Obama damit, dass er den Alliierten mit allem ausstattet, was der zum Schutz vor Angriffen aus dem Iran und von dessen islamistischen Hilfstruppen braucht. Darum soll Jerusalem es nicht gering erachten – wie der US-Verteidigungsminister hervorhebt –, dass die USA Israel helfen, seine Bevölkerung flächendeckend vor Angriffen von Dschihad und Hizbullah zu schützen:

„Panetta sagte, den Anweisungen von Präsident Barack Obama folgend, habe er den israelischen Verteidigungsminister Ehud Barak darüber informiert, dass die Vereinigten Staaten die 70 Millionen $ bereitstellen werden, um die Israel für den ‚Iron Dome‘[1] für das Haushaltsjahr 2012 gebeten hatte.
Panetta sagte, die bekanntgegebene Unterstützung der USA für ‚Iron Dome‘ sei ‚ein wichtiger Schritt und ein Ausdruck der außerordentlich engen Verteidigungsbeziehungen zwischen unseren Ländern.‘
‚Iron Dome hat bereits das Leben israelischer Bürger gerettet, und es kann dazu beitragen, künftige Eskalationen zu vermeiden,‘ sagte der Minister. Die anhaltende Unterstützung für das Verteidigungssystem zeigt die von den Vereinigten Staaten übernommene ‚felsenfeste Verpflichtung auf Israels Sicherheit‘ und kommt hinzu zu den ungefähr 3 Milliarden $ sonstiger Sicherheitsunterstützung für Israel,‘ sagte er.“ (American Forces Press Service, 17.5.12)

Eigenmächtigkeiten ihres Schützlings verbittet sich die Führungsmacht: Solange die USA die Strategie verfolgen, den Iran per Verhandlungen und Sanktionen – inklusive Geheimdienstaktionen im Lande, an denen Israel maßgeblich beteiligt ist – zur Aufgabe seines Kurses zu bringen, hat Israel stillzuhalten. Solange sich Netanjahu an diese Vorgabe hält, können seine Kriegsdrohungen gegenüber dem Iran sogar die nützliche Funktion erfüllen, auf die Verhandlungspartner Druck auszuüben.

Solche Schutzzusagen reichen Israels Regierung allerdings überhaupt nicht. An die Verhandlungsdelegationen der 5+1-Gespräche in Bagdad richtet Israels Ministerpräsident darum die Mahnung und Forderung:

„‚Der Iran will Israel zerstören und er entwickelt Nuklearwaffen, um dieses Ziel zu erreichen,‘ sagte Netanjahu auf einer Konferenz für Staatsbeamte. ‚Gegen diese bösartige Absicht müssen die führenden Mächte der Welt Entschlossenheit und nicht Schwäche zeigen. Sie sollten dem Iran keinerlei Zugeständnisse machen,‘ sagte er.
‚Sie müssen klar und unzweideutig fordern, dass der Iran seine gesamte nukleare Anreicherung stoppt, dass er das gesamte bislang angereicherte Material außer Landes bringt und die unterirdische Nuklearanlage bei der Stadt Ghom demontiert,‘ sagte Netanjahu. ‚Nur so kann sichergestellt werden, dass der Iran keine Atombombe bekommt.‘“ (The Daily Star Lib., 22.5.12)

Und falls der Iran diesen Bedingungen nicht zustimmt und die Verhandlungen nicht definitiv zu diesem Resultat führen, behält sich die israelische Regierung eigene Schritte vor:

„Auf die Frage, ob Luftschläge gegen den Iran als letztes Mittel immer noch denkbar seien, trotz der offenbar zu verzeichnenden diplomatischen Fortschritte, sagte der Minister für die Verteidigung der Heimatfront, Matan Vilnai, gegenüber Israel Radio: ‚Man sollte sich auch nicht für einen Augenblick verwirren lassen – alles ist auf dem Tisch.‘“ (Haaretz, 23.5.12) Denn: „Wenn es um das Überleben Israels geht, dann können wir unser Schicksal nicht aus der Hand geben.“ (Netanjahu 3.5.12, www.israel net.com)

Auch wenn Israel unverbrüchlich an der Bündnispartnerschaft zu den USA festhält, der jüdische Staat ist nicht bereit, sich bedingungslos den Ordnungsinteressen der USA unterzuordnen. Gerade weil er in seinen Sicherheitsbedürfnissen von den USA ins Recht gesetzt wird, weil er sich des Interesses seiner Schutzmacht an seiner Existenz sicher ist und weil er von seinem Alliierten mit einer Militärmacht ausgestattet wird, die allen Nachbarn haushoch überlegen ist, sieht er sich in der Lage, seine Unterordnung unter den Vorbehalt zu stellen, dass Israels Macht nicht geschmälert wird.

[1] ‚Iron Dome‘ ist ein System zur Abwehr von Katjuscha-Raketen.