Ein Sieg des ‚Populismus‘ im Herzen der Demokratie
Donald Trump und sein Volk – zu ihrem Glück vereint
Ende Januar kommt in den USA ein Mann an die Macht, der einen unerschütterlichen Glauben an die Großartigkeit des amerikanischen Volkes und einen gediegenen Hass auf das ‚politische Establishment‘ des Landes pflegt.
Letzteres nämlich macht er für die katastrophale Lage der Nation verantwortlich, die gar nicht zu dem passt, was Trump seinen Landsleuten an großartigen Leistungen zutraut. Im Gegensatz zu seinen Kritikern und Konkurrenten, die mit Erfolgsmeldungen über die wirtschaftliche Übermacht von Silicon Valley und Wall Street, über die Stärke des amerikanischen Militärs und über die Offenheit, Fortschrittlichkeit und Dynamik des wissenschaftlichen und kulturellen Lebens der USA auftreten, konstatiert Trump ein umfassendes wirtschaftliches, innen- und außenpolitisches und nicht zuletzt moralisches Desaster: Die USA werden im Welthandel von großen und kleinen Konkurrenten geschlagen; aus dem einst glorreichen ‚Heartland‘ der industriellen Weltdominanz ist ein armseliger ‚Rust Belt‘ geworden; die zu harter Arbeit bereiten Amerikaner finden immer weniger Jobs und leben davon immer schlechter, weil die Industrieunternehmen, die sie mit ihrer Arbeit einst groß gemacht haben, heute lieber anderswo arbeiten lassen. Und: Amerika gewinnt schon lange keine Kriege mehr und auch sonst überhaupt ziemlich wenig.
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Ein Sieg des ‚Populismus‘ im Herzen
der Demokratie
Donald Trump und sein Volk – zu ihrem
Glück vereint
Ein großartiger Präsident im Dienste eines großartigen Volkes
Ende Januar kommt in den USA ein Mann an die Macht, der einen unerschütterlichen Glauben an die Großartigkeit des amerikanischen Volkes und einen gediegenen Hass auf das ‚politische Establishment‘ des Landes pflegt.
Letzteres nämlich macht er für die katastrophale Lage der Nation verantwortlich, die gar nicht zu dem passt, was Trump seinen Landsleuten an großartigen Leistungen zutraut. Im Gegensatz zu seinen Kritikern und Konkurrenten, die mit Erfolgsmeldungen über die wirtschaftliche Übermacht von Silicon Valley und Wall Street, über die Stärke des amerikanischen Militärs und über die Offenheit, Fortschrittlichkeit und Dynamik des wissenschaftlichen und kulturellen Lebens der USA auftreten, konstatiert Trump ein umfassendes wirtschaftliches, innen- und außenpolitisches und nicht zuletzt moralisches Desaster: Die USA werden im Welthandel von großen und kleinen Konkurrenten geschlagen; aus dem einst glorreichen ‚Heartland‘ der industriellen Weltdominanz ist ein armseliger ‚Rust Belt‘ geworden; die zu harter Arbeit bereiten Amerikaner finden immer weniger Jobs und leben davon immer schlechter, weil die Industrieunternehmen, die sie mit ihrer Arbeit einst groß gemacht haben, heute lieber anderswo arbeiten lassen. Und: Amerika gewinnt schon lange keine Kriege mehr und auch sonst überhaupt ziemlich wenig. Trump diagnostiziert es als inakzeptablen Schaden für die Weltmacht USA, dass sie in der Welt nicht mehr eindeutig, in jeder Beziehung und anerkanntermaßen als die Nr. 1 dasteht. Das ist ein Ding der Unmöglichkeit, weil nach Trump die Großartigkeit der Amerikaner – was auch immer sie als Einzelne sind oder tun – genau darin besteht, dass sie als Kollektiv von Gewinnern ihre Konkurrenten auf dem ganzen Globus in allen Belangen in den Schatten stellen. Kein Land und kein Volk dieser Erde ist so beautiful wie Amerika und die Amerikaner, was für Trump damit zusammenfällt, dass nichts und niemand sie in dem Kampf schlagen kann, der die Welt in allen Abteilungen für ihn nun einmal ausmacht. Wenn also die Lage des amerikanischen Volkes, der Reichtum seiner Nation und die Macht seines Staates so sehr hinter dem zurückbleiben, wozu dieses Volk eigentlich fähig und prädestiniert ist, eben zur unschlagbaren und uneinholbaren Überlegenheit auf allen Gebieten, auf denen sich die Nationen vergleichen, dann wird das amerikanische Volk offenbar an der Entfaltung seiner Großartigkeit im eigenen Land gehindert, ist also gar nicht mehr Herr im Haus.
Das gilt es zu korrigieren.
Ein Kampf gegen den bestehenden amerikanischen Politikbetrieb …
Diese Korrektur erfordert ein gründliches Aufräumen mit Politikern und einer Politik, die laut Trump die Reichtums- und Machtpotenzen Amerikas erstens gar nicht als Konkurrenzmittel für Amerika einsetzen wollen:
„Viele Jahrzehnte lang haben wir ausländische Industrien auf Kosten der amerikanischen Industrie reicher gemacht; die Armeen anderer Länder finanziell unterstützt, während wir unsere eigene Armee ausgehungert haben. Wir haben die Grenzen anderer Länder verteidigt, aber uns geweigert, unsere eigene zu verteidigen. Wir haben Aberbillionen von Dollar im Ausland ausgegeben, während die amerikanische Infrastruktur zerfallen ist. Wir haben andere Länder bereichert, während Reichtum, Stärke und das Selbstbewusstsein unseres eigenen Landes hinter dem Horizont verschwanden.“ (Antrittsrede, 20.1.17)
Woran zweitens deutlich wird, dass sie nicht für ihr Volk, sondern nur für sich regieren wollen:
„Zu lange hat eine kleine Gruppe in der Hauptstadt unseres Landes von der Machtausübung profitiert, und das Volk hat die Kosten getragen. Washington blühte, aber das Volk hatte keine Teilhabe an dem Reichtum. Politikern ging es gut, aber die Arbeitsplätze wanderten ab und die Fabriken schlossen. Das Establishment schützte sich selbst, aber nicht die Bürger unseres Landes. Ihre Siege waren nicht eure Siege, ihre Triumphe waren nicht eure Triumphe. Und während sie in der Hauptstadt unseres Landes feierten, gab es für um die eigene Existenz kämpfende Familien in unserem ganzen Land wenig zu feiern.“ (Ebd.)
Und dadurch haben sie es drittens und umgekehrt
zugelassen, dass unserem Land so viel nicht
realisiertes Potenzial genommen
(ebd.) werden konnte.
Das amerikanische Volk ist eine überlegene
Kampfgemeinschaft, die es endlich wieder als solche ein-
und freizusetzen gilt: So lautet der Auftrag, für den
Donald Trump sich zuständig erklärt. Mit ihm – diesen
Treueid an alle Amerikaner
leistet er bei seiner
Amtseinführung – steigt nicht etwa einfach nur ein neuer
Mann in die Spitze des bisherigen amerikanischen
politischen ‚Establishments‘ auf, sondern einer, der
diesem die Macht endlich entreißt und sie ans
amerikanische Volk zurückreicht:
„Der 20. Januar 2017 wird als der Tag in der Erinnerung bleiben, an dem das Volk wieder zum Herrscher dieser Nation wurde. Die vergessenen Männer und Frauen unseres Landes werden nicht mehr vergessen sein. Alle hören jetzt auf euch.“ (Ebd.)
In der Person Trump übt also ab sofort niemand
anders als das Volk selbst die Herrschaft über
die Nation aus – mehr Identität zwischen dem Staatswillen
der Regierten und dem selbstbestimmten Willen des
gewählten Regenten geht wirklich nicht. Diese
unmittelbare Einheit von Führungsperson und Volk, die
Trump programmatisch verkündet, schließt freilich
einen Unterschied ein, auf den es gerade ganz
entscheidend ankommt: Im Willen des Volkes hat der Chef
seine Berufungsinstanz für alles, was er will;
im Willen des Chefs erfährt das Volk, was es
will. Und was es will, worauf gehört
wird, wenn jetzt alle auf euch hören
, das hat sein
neuer Chef als Erster gehört und seinem Volk vorauseilend
zugerufen: America first! America first!
Auf die Art definiert Trump das amerikanische
Volk, über das er ab sofort von der Hauptstadt aus
regiert, als Auftraggeber genau des Kampfprogramms, das
er in die Hauptstadt trägt; und ganz im Sinne dieses
Programms für Amerika konstruiert er sich das
Volk zurecht, das ihn an die Macht gebracht hat: Er
spricht seine Amerikaner als das Kollektiv der
Vergessenen
an, der von der bisherigen Herrschaft
Verratenen – was kein empirischer Befund über ihre Lage
oder ihre eigene Sichtweise ist, sondern eine
Stellenbeschreibung, die sie von nun an auf sich
anzuwenden haben. Wie auch immer sie dazu stehen, ihre
eigene Lage und das Tun ihrer Regierenden beurteilen
mögen, und unbeschadet aller Unterschiede und Gegensätze,
die es zwischen ihnen geben mag: Als Mitglieder des
wunderbaren, zu Unrecht vergessenen und vernachlässigten
amerikanischen Volks haben sie sich alle als Feinde der
Politik zu verstehen, der Trump ein Ende zu setzen
verspricht. Deswegen fällt es dem frisch gekürten
Präsidenten nicht im Traum ein, der bewährten Tradition
zu folgen und sich nach seinem Amtseid als ‚Präsident
aller Amerikaner‘ zu präsentieren – was stets bedeutet,
dass der Wahlsieger zum Exekutor der weitgehend
feststehenden und gleichbleibenden Notwendigkeiten und
‚Sachzwänge‘ des Amtes wird. Trump definiert
sich vielmehr als Führer einer Bewegung, die wegen des
Wahlsiegs ihres Kandidaten mit Fug und Recht von sich
behaupten kann: ‚Wir sind das Volk!‘ – mit Trump
als seiner Stimme und zugleich als dem offenen Ohr, das
sie erhört. Mit der Herrschaft, die die anderen
Politiker ausüben, ist es also vorbei; seine
Herrschaft realisiert den auf Millionen Wahlzetteln
dokumentierten Willen eines nicht länger entrechteten
amerikanischen Volks, ist also überhaupt keine
Herrschaft, sondern die Einlösung des Rechts
dieses Volkes auf eine ordentliche, d.h. mit ihm
identische Führung. Oder, wie Trump seinen Kritikern
gerne sagt: You lost, I won.
… für die vernachlässigten hard-working Americans …
Dass Trump sich für seinen Machtanspruch und für sein
Kampfprogramm auf die ‚kleinen Leute‘, vorzugsweise auf
die verelendeten Gestalten im ‚Rust Belt‘ und auf dem
Land beruft; dass er sich mit ihnen so sehr
identifiziert, dass er verkündet, mit ihnen nicht nur
eine Heimat
, sondern ab sofort auch ein
Schicksal
zu teilen, gilt seinen Kritikern auf
beiden Seiten des Atlantiks als Gipfel der Heuchelei: Von
wegen, dieser steinreiche Multimilliardär sei ein Herz
und eine Seele mit den traurigen und wütenden Kreaturen,
in deren Namen er spricht; die Amerikaner, die ihn
gewählt haben, sind auf einen Betrüger hereingefallen –
was allerspätestens durch die sagenhaft reichen
Mitglieder des neuen Kabinetts belegt wird: Trump
inszeniere sich bloß als Vertreter des kleinen Mannes, um
die Reichsten der Reichen – allen voran die in seiner
eigenen Familie – zu befördern und wortwörtlich zu
ermächtigen. Doch mit seiner Ansprache an diese Leute
meint Trump es bitterernst.
Denn erstens sieht er in diesen Leuten den lebenden bzw. dahinsiechenden Beweis dafür, was in und mit Amerika überhaupt so lange so falsch gelaufen ist. Der anhaltende Abstieg dieser hard-working Americans, deren Tüchtigkeit durch die einstige weltweite Dominanz der amerikanischen Industrien hinlänglich belegt ist, steht für Trump stellvertretend für den Abstieg des gesamten Landes. Was auch immer die USA sonst noch an ökonomischen Erfolgen und Erfolgsbranchen vorzuweisen haben und wie klein auch immer die Proportion der arbeitslosen Amerikaner sein mag: Der eindeutige Niedergang dieser einstigen Kernindustrien, das Elend dieser einstigen Kernregionen und ihrer Bewohner zeugen davon, dass Amerika definitiv nicht das ist, was es einmal war, nämlich flächendeckend erfolgreich, lückenlos überlegen. Die USA sind im Kern angefressen, werden von innen abgetötet, wenn ihre Schlüsselindustrien und die dort schuftenden, einst stolzen, heute angry white men zugrunde gehen. Wenn Trump also die Jobs anspricht, die hier verlorengegangen sind und die er zurückzubringen verspricht, dann spricht er nicht einfach die bestimmten Sorgen eines bestimmten Bevölkerungssegments, sondern eine kaputtgegangene amerikanische Gleichung an, für deren Gültigkeit diese Leute einst standen: harte Arbeit, die die Wirtschaft weltweit überlegen macht, einen bescheidenen, aber soliden Lebensunterhalt für die Arbeiter abwirft und eine politische und militärische Macht begründet, die jenseits aller Konkurrenz steht. An den verlorenen Arbeitsplätzen und der verschwundenen Existenzgrundlage dieser Leute und dieser Regionen drückt Trump also seine Diagnose eines gesamtnationalen Abstiegs aus, den er zu korrigieren verspricht – so sehr, dass er in dem Zusammenhang gleich von ‚unseren Jobs‘ als einem kollektiven Gut aller Amerikaner spricht:
„Jahrelang haben unsere Politiker tatenlos zugesehen, als unsere Jobs verschwanden, unsere Kommunen in Arbeitslosigkeit wie zu Zeiten der Weltwirtschaftskrise versanken. Viele dieser Regionen haben sich seitdem nie wieder erholt. Unsere Politiker haben den Leuten die Mittel weggenommen, mit denen sie ihren Lebensunterhalt verdienen und ihre Familien ernähren.“ (Donald J. Trump: Declaring Economic Independence Speech, 28.6.16)
Sein Versprechen, sämtliche staatlichen Entscheidungen ab
sofort und ausschließlich zum Wohl der amerikanischen
Arbeiter und amerikanischen Familien
(Antrittsrede) zu treffen, steht insofern
für das Programm, die flächendeckende, konkurrenzmäßige
Überlegenheit Amerikas wiederherzustellen.
Trumps Identifikation von sich als reichem
Immobilieninvestor, family man und Wahlsieger
mit den hart arbeitenden, aber ärmlichen ‚kleinen Leuten‘
ist zweitens insofern ernst zu
nehmen, als sie Zeugnis davon ablegt, was für eine
furchtbare, abstrakte Kunstfigur der hard-working
American eben ist, der sich um sich und
seine Familie kümmert und dabei und dadurch den
Wesenskern des zu jedem Sieg prädestinierten
amerikanischen Volks ausmachen soll. Auch für diese
Abstraktion steht das Stichwort unsere Jobs
– der
Inbegriff des amerikanischen Erfolgs und Erfolgswegs –
ganz exemplarisch: Zwar ist das unerfüllte Bedürfnis der
kleinen Leute nach Arbeit ein Ausdruck der komplett
abhängigen Existenz, die diese Amerikaner
führen, wenn ihr Lebensunterhalt
vollständig davon
abhängt, ob andere, unternehmerisch tätige Amerikaner in
ihrer harten Arbeit eine Bereicherungsquelle für sich
sehen; und wenn sie für die Erfüllung dieser Bedingung
auch noch zupackende statt bloß zuschauende Politiker
brauchen, dann hängt ihr Leben offenbar auch noch von dem
entschlossenen Gebrauch einer staatlichen Macht ab, die
sie in ihren noch so fleißigen Händen nicht halten. Doch
wenn man eben von allem Wesentlichen absieht, also davon,
mit welchen Mitteln
diese Amerikaner ihren
Lebensunterhalt
wirklich verdienen, und nur ihren
konkurrenztüchtigen Willen dabei ins Auge fasst, für sich
und ihre Familien zu sorgen, dann sind diese Amerikaner
tatsächlich keine Diener fremder Interessen, sondern
nichts als Exemplare eines freien und
selbstverantwortlichen Menschenschlags. Weil sie sich
in dieser Abhängigkeit ganz auf sich verlassen
und niemandem zur Last fallen, sollen sie ganz
selbständige Wesen sein; in dieser abstrakten, die
ökonomische Realität verzerrenden Sicht stehen sie
wirklich nicht anders da als der Multimilliardär Trump
und schon gleich nicht in irgendeinem Gegensatz zu ihm,
bei dem ja nur die Mittel und deswegen auch die Resultate
seiner Arbeit etwas üppiger ausfallen. Umgekehrt geht der
protzigste Reichtum vollkommen in Ordnung, insofern er in
der freien Konkurrenz erworben wird. Ob man hart arbeitet
oder hart arbeiten lässt, einen Job hat oder welche
schafft, um daran zu verdienen – und zwar egal mit
welcher Kapitalgröße: Das Ethos der
selbstverantwortlichen Bewährung mit den Mitteln, die man
seine eigenen nennt, teilen sie alle; vor dieser
geteilten Moral der Konkurrenz verblassen dann alle
Unterschiede zwischen den Volksmitgliedern in
der real existierenden Konkurrenz.
Mit diesem Standpunkt gibt sich Trump als Vertreter eines
traditionellen amerikanischen Ideals der Konkurrenz auf
dem Markt zu erkennen, in der jeder zwar nur für sich und
die Seinen unterwegs ist, aber gerade darin Teil eines
stets nach Besserem strebenden Gemeinschaftsprojekts
selbstverantwortlicher Glückssucher ist, auch wenn dazu
so disparate Figuren wie eine ‚working class‘ und jede
Menge Vertreter von ‚small and big business‘ gehören, die
sich dabei dauernd in die Haare kriegen, längst bevor sie
einander vor Gericht sehen. Nach dieser Vorstellung ist
die Konkurrenz das Feld der verantwortungsvollen
Freiheit, des Strebens danach, immer besser zu werden und
einander nicht zur Last zu fallen. Dass diese Konkurrenz
neben Gewinnern stets auch Verlierer produziert, wird gar
nicht geleugnet, trübt das Bild von der Konkurrenz auf
dem Markt aber auch nicht weiter: Insofern sie eben jeden
Einzelnen aufs Besser-Sein und Besser-Werden
verpflichtet, ist sie eine wahrhaft gemeinschaftsbildende
und gemeinschaftsstärkende Veranstaltung. Dieses Ideal
eines Zusammenfallens von Konkurrenz und Gemeinschaft hat
in den Familien
, die hart arbeitende Amerikaner in
ihrer Konkurrenz ernähren
, seinen lebendigen
Ausdruck: Die Familie erhebt alle privaten, gegeneinander
gerichteten Gemeinheiten der Konkurrenz endgültig in den
Rang eines verantwortungsvoll erbrachten sittlichen
Auftrags; sie taucht jede Härte, die die Konkurrenten
sich und einander antun, ins milde Licht der Hingabe für
das kleinere große Ganze. Was man nicht alles für die
Familie tut! – das ist nicht nur die Moral der beliebten
amerikanischen Mafia-Filme, sondern der amerikanische
way of life schlechthin.[1]
Darin liegt eine auffällige Abweichung von der vor allem in Europa beheimateten, aber auch in Amerika verbreiteten demokratischen Ideologie, die Mitglieder der kapitalistischen Klassengesellschaft wären trotz aller ökonomischen Gegensätze eigentlich eine Gemeinschaft, weil sie neben ihrem Dasein als Konkurrenten, die bloß an sich selbst denken, auch unter der Autorität ein und desselben staatlichen Gewaltmonopols stehen, dem sie gleiche Rechte verdanken und gleiche Pflichten schulden. Dagegen ist in der uramerikanischen Vorstellung von der privatmaterialistischen Konkurrenz ums Geld diese keineswegs der Schauplatz eines zwar produktiven, aber potenziell gemeingefährlichen Egoismus, der sich begrenzt gehört. Der marktwirtschaftliche Wettbewerb ist da kein Feld der möglichen Entzweiung, das stets den ‚Kitt‘ eines neben, im Gegensatz zu und über der Konkurrenz stehenden Gemeinschaftsgeists aller Bürger bräuchte. Wer in dieser Konkurrenz seine Freiheit sieht, wer die Konkurrenz für die effektivste Weise hält, eine starke Gemeinschaft zu organisieren, und wer sich das Sich-Abarbeiten an den Notwendigkeiten der Profitmacherei bzw. des eigentumslosen Zurechtkommens als verwirklichte Selbstbestimmung zurechtlegt, dessen Benehmen macht oft einen recht unzivilisierten und brutalen Eindruck auf die in der Ideologie des Sozialstaats eingehausten, also zivilisierten Europäer. Ein amerikanischer Konkurrenzidealist ist für die Lüge eben nicht zu haben, ausgerechnet ein staatliches Gewaltmonopol mit seiner hoheitlichen, sozialen Betreuung der Konkurrenz und ihrer Schäden stifte so etwas wie wahre Gemeinschaft. Er sieht in der betreuenden Hand des Staates und in der dazugehörigen Tugend der ‚Solidarität‘ eine einzige Zwangsveranstaltung, weil er darin einen schlechten Ersatz oder gar die Zerstörung der eigenen Ideale einer Gemeinschaft freier Konkurrenten entdeckt – eine Gängelung, die bloß die Falschen mit Geld für Nichtstun belohnt, das den anständigen, weil eigenverantwortlichen Bürgern weggenommen wird, was letztlich alle nach unten zieht. Das ist nicht nur moralisch verwerflich, sondern ‚killt‘ auch noch die Jobs, die hart arbeitende Arbeiter brauchen, um ihre Selbstverantwortung in Freiheit zu verwirklichen. Kirche und Caritas aus privater Initiative erledigen den Rest an nötigem Gemeinschaftsgeist.
Patriotische Pflichten gegenüber der amerikanischen
Volksgemeinschaft kennen die Konkurrenzsubjekte durchaus,
doch wenn Trump bei seiner Inauguration seine Landsleute
daran erinnert, dass sie alle dasselbe rote Blut der
Patrioten
(ebd.) teilen,
die ihr Homeland lieben, dann ruft er sie nicht dazu auf,
von ihrem Dasein als Konkurrenten um den schnöden Mammon
abzusehen, um sich zu einem höheren Gemeinwesen zu
bekennen. Sie sollen sich vielmehr auf genau das ‚reale
Gemeinwesen‘ besinnen, das sich in der Konkurrenz ums
Geld betätigt – das ist ihre Gemeinschaft als
Amerikaner. So wie Trump sie nach bester, aber sträflich
vernachlässigter amerikanischer Tradition in das
abstrakte Kollektiv der hard-working Americans
hineindefiniert, sind sie gerade im allseitigen
Gegeneinander der Konkurrenz ums Geld und auf den
unterschiedlichsten Rängen der sozialen Hierarchie als
eine einige nationale Gemeinschaft mitsamt den family
values einer Konkurrenzgesellschaft ganz bei sich.
Und genau so – als Konkurrenten, die zwar mit ganz
unterschiedlichen Mitteln und Resultaten, aber irgendwie
gleichermaßen aus Eigeninteresse und selbstverantwortlich
zu Werke gehen – bilden die Amerikaner eine erfolgreiche
und starke Nation, unvergleichlich erfolgreicher
und stärker als alle anderen.[2]
Das ist also der nach innen angesagte erste und
entscheidende Inhalt von America first!
, in dem
Trump mit seinem Volk und das vergessene
Volk mit
seinem in Trump personifizierten Herrschaftswillen so
unbedingt einig sind: Konkurrenz und nationaler Erfolg,
Konkurrenzmoral und Nationalismus fallen für anständige
Amerikaner unmittelbar zusammen.
… und gegen ihre Feinde im Innern
Wenn der Erfolg und die Stärke zu wünschen übrig lassen, dann haben also offenbar lauter unamerican activities stattgefunden, um ein Stichwort aus der ‚McCarthy-Ära‘ zu zitieren, als ‚Kommunismus‘ der Sammelbegriff für die Feinde aller hart arbeitenden Amerikaner war. Wer die heutigen Feinde des Volkes sind, steht mit der Definition ihrer Opfer schon fest: Das sind alle, die nach Trumps Ermessen nicht in die Stellenbeschreibung eines hard-working American hineinpassen, insofern die Identität zwischen freien und gleichen Konkurrenzbemühungen und dem Patriotismus in Frage stellen, damit die amerikanische Moral untergraben bis unterdrücken und die amerikanische Nation in ein gar nicht nur moralisches ‚total disaster‘ treiben:
— Von dem Hauptfeind aller guten Amerikaner war schon die Rede. Er heißt ‚das Establishment‘ und besteht vornehmlich aus Politikern, die das Volk am freien Konkurrieren hindern. Das tun sie mit lauter Regulierungen – in puncto Umweltschutz, Finanzmarkt-Spekulation oder im Gesundheitswesen, in dem den Amerikanern seit gut sieben Jahren die Freiheit vorenthalten wird, auf eine Krankenversicherung zu verzichten, die sie zwar brauchen, aber sich nicht leisten können.[3] Mit solchen Hindernissen verspricht Trump kurzen Prozess zu machen, was ebenfalls für die – unterstellte – Sonderbehandlung von lauter Minderheiten gilt, die deswegen den Vorwurf auf sich ziehen, gar nicht frei konkurrieren zu wollen, vielmehr von der harten Arbeit der anderen zu schmarotzen. Politiker, die eine solche vermutete Anspruchshaltung nicht unterbinden, mit entsprechenden Gesetzen womöglich auch noch befördern, machen sich selber des Schmarotzertums schuldig: Sie dienen nicht dem Konkurrenzbedürfnis des Volks, sie bedienen sich an ihm, sind bloß an ihren Posten interessiert, also an Einkommen, das sie eben nicht durch redliches Konkurrieren und Konkurrieren-Lassen verdienen.
— Das amerikanische Volk wird nicht nur durch eine
verkehrte Politik verraten, sondern auch durch eine
politische Kultur verdorben, die von den ‚liberal
media‘ [4] und
von ‚liberals‘ in der demokratischen Intelligenz gepflegt
wird. In ihnen sieht Trumps Team seine wahre Opposition,
denn mit der von ihnen propagierten political
correctness, mit ihren Forderungen nach Rücksicht
auf, Anerkennung für und Solidarität mit lauter
vermeintlichen Opfern der Konkurrenz und der
dazugehörigen Kultur selbstverantwortlichen Konkurrierens
zersetzen sie die nationale Moral und bestreiten sie den
anständigen Amerikanern die Ehre, mit ihrer harten Arbeit
und ihren family values die Nation so groß zu
machen, wie sie einmal war. Der unter den ‚liberals‘
verbreiteten, verkehrten Kritik, wonach die Opfer der
Konkurrenz nicht auf diese selbst, sondern auf einen
Mangel an Rücksicht, auf das Fehlen von Respekt und
Solidarität in der Konkurrenz zurückzuführen
sind, setzen diese Rechten ihre Generaldiagnose entgegen:
Die Opfer der Konkurrenz sind gar keine, weil sie sich in
Wahrheit bloß der Konkurrenz entziehen wollen – und damit
für die wirklichen Opfer verantwortlich sind,
die bei den hart arbeitenden Amerikanern anfallen, weil
denen Geld für Soziales weggenommen und ein schlechtes
Gewissen eingeredet wird. Den ‚liberalen‘ Verteidigern
der Opfer wird Scheinheiligkeit vorgeworfen, da sie
niemandem helfen, allenfalls ihrem eigenen Gewissen, wenn
sie die Konkurrenz verfälschen und nach Anlässen suchen,
das System der staatlichen Gängelung immer weiter
auszubauen: Feministen werden dann als ‚feminazis‘
beschimpft, sozial gesinnte Aktivisten als ‚social
justice warriors‘ verspottet. Diese Medien, ihre
Schützlinge und ihre Verbündeten an den Universitäten, in
den besseren Vierteln der Städte und sonst wo bestätigen
ihre Verdorbenheit, wenn sie gegen den Präsidenten der
Vergessenen zu Felde ziehen; weil diese Medien die
Konkurrenzmoral der Nation verfälschen, steht fest, was
all ihre kritischen Berichte über ihn sind: fake
news
!
— Die Freiheit der Konkurrenz ist ein Privileg; sie wird den Amerikanern nicht aufgezwungen, sie steht ihnen zu; sie wird nicht von oben verhängt, sondern geschützt. Wenn Menschen, die daheim nicht leben können, auf illegalem Weg nach Amerika kommen und meinen, einfach so in den Genuss dieser Konkurrenz kommen zu können, dann zeigen sie, wie wenig Respekt sie für dieses nationale Erbe haben, das die Amerikaner als besonderes und besonders prächtiges Volk auszeichnet. Sie sind also von Haus aus Verbrecher – zwar ist nicht jeder von ihnen Drogendealer oder Vergewaltiger, aber jeder derartige Fall wirft ein entsprechendes Licht auf diesen ganzen Menschenschlag. Ihr illegaler Status beweist, dass auch sie eine Sonderbehandlung beanspruchen, wenn sie Schulen und Krankenhäuser besuchen – und auf dem Arbeitsmarkt auftreten, obwohl sie nicht hier sein dürfen. Die niedrigen Löhne, die sie verdienen, bzw. die niedrigen Preise, die sie für ihre Handwerker- und sonstigen Dienstleistungen – öfters auch schwarz – verlangen, zeugen davon, dass sie einen unfairen Konkurrenzvorteil geltend machen, also die größten Schmarotzer sind. Wenn Unternehmer statt Amerikaner lieber Mexikaner dies- oder jenseits der südlichen Grenze anwenden und damit Dollar auf dem amerikanischen Markt verdienen wollen, dann ist auch das eine Art Schmarotzertum, die es zu bestrafen gilt. Die Moral der Konkurrenz, des allgemeinen Prinzips der bürgerlichen Gesellschaft, gerade in ihrer fundamentalistischen amerikanischen Ausprägung, ist eben tatsächlich alles andere als allgemeinmenschlich eingrenzend: Sie adelt den Amerikaner als Vorbild und grenzt ihn als solches vom Rest der Menschheit, die gerne so amerikanisch wäre, ganz entschieden ab – notfalls per Mauer.
Das absolute Recht eines seinem Volk verpflichteten Präsidenten
Die Pflicht eines volksdienlichen Präsidenten besteht also darin, die Freiheit der Konkurrenz gegen alle durchzusetzen, die sie hindern oder missbrauchen. Das Recht des Mannes, der sich derart der Pflicht zur Behebung der nationalen Katastrophe verschreibt, ist ziemlich absolut. Es relativiert sich jedenfalls nicht an den Kompetenzgrenzen, die ihm das amerikanische System von ‚checks and balances‘ zieht. Seine höchste Autorität beruht nicht auf dem Amt, sondern auf dem Recht des hart arbeitenden amerikanischen Volkes, das ihn in das Amt gebracht hat – ein Recht, das Grenzen weder kennt noch duldet. Dass Trump das Volk auf seiner Seite hat, zählt bekanntlich zu seinen Grundüberzeugungen – und der Nachweis, wie richtig er mit denen liegt, zu seinen Lieblingsbeschäftigungen, denen er mit obsessiven Verweisen auf die Höhe seines Wahlsiegs und auf die Anzahl der Menschen bei seiner Amtseinführung wie bei den Versammlungen, die er auch nach seiner Wahl abhält, gerne nachgeht. Gelogen, was das Zeug hält, wird dabei nicht nur wegen eines übersteigerten Selbstbilds des Präsidenten: Seine Selbstverherrlichung entspricht ganz dem volksdienlichen Auftrag, den Trump sich zumisst, und verabsolutiert die Identität seines Machtwillens mit dem wahren Volkswillen, der sich eben dadurch von jeder Bevormundung befreit!
Entsprechend geht Trump mit seiner Regierungsgewalt zu Werke. Für den größten Dealmaker aller Zeiten besteht volksdienliche Politik eben nicht in dem Abschließen von ‚Deals‘ in dem Sinne, einem irgendwie gearteten Ausgleich zwischen konkurrierenden, aber gleichermaßen berechtigten Interessen. Ihr Auftrag besteht vielmehr darin, die Exekutivgewalt im eigentlichen Sinne auszuüben, nämlich das schon feststehende berechtigte Interesse des Volkes durchzusetzen – ganz im Sinne des einzig wahren Ethos der Konkurrenz, das die Kunst des Kompromisse-Schließens als Feigheit und Schwäche verachtet.[5] Die Interessen, die dem entgegenstehen, haben ihr Recht verloren und werden aus dem Weg geräumt, und die, die sich ihm entgegenstellen, entlarven sich als volksfeindlich und verantwortlich für die Misere der Nation. Die anderen demokratischen Institutionen außerhalb des Weißen Hauses – Gerichte, die Legislative, die Geheimdienste, etc. – haben als Hebel und Transmissionsriemen für die Durchsetzung des von Trump bestimmten Volkswillens zu fungieren. Wenn sie ihre Befugnisse dazu gebrauchen, Gesichtspunkte des nationalen Interesses geltend zu machen, die von der von Trump vorgegebenen Regierungslinie abweichen und diese damit wie auch immer behindern, dann geht zwar auch bei Trump der demokratische Schacher zwischen dem Präsidenten und den anderen Gewalten seinen Gang, aber dabei steht eines von vornherein fest: Die anderen haben sich mit ihrer Abweichung mindestens moralisch ins Unrecht gesetzt; im besten Fall verwässern diese Institutionen den Willen des Volkes, im schlimmsten Fall verraten sie ihn.
Deswegen tut Trump vom ersten Tag seiner Amtszeit an sein Bestes, diese Umsetzung gar nicht dem Zufall zu überlassen, indem er die institutionalisierten Verfahren der amerikanischen Herrschaft nach Möglichkeit schlicht umgeht: Er herrscht so weit wie möglich mit Dekreten – und zwar gar nicht, wie sonst bei den Amtsvorgängern üblich, erst als Reaktion auf eine Blockade durch andere Institutionen, sondern als die konsequente Art, Politik fürs Volk und nicht fürs Establishment zu machen. Über Letzteres setzt er sich nach Möglichkeit hinweg, lässt außerdem zahlreiche Posten in der nationalen Bürokratie unbesetzt, was weder die Folge eines Mangels an bereitwilligen Kandidaten noch ein unvollendetes Werk ist: Laut Trumps Chefberater Bannon ist nicht die geeignete Neubesetzung von Posten der Verwaltung, sondern der Abbau des ‚administrativen Staates‘ der primäre Programmpunkt der neuen Regierung. Aus den Posten, die beibehalten werden und über deren Besetzung das Weiße Haus selbst bestimmen darf, werden Vertreter des Establishments verdrängt und entweder durch Familienmitglieder ersetzt, die sich durch ihre Ferne vom Establishment und ihre Nähe zu Trump, also auch zum Volk, auszeichnen, oder durch businessmen und Generäle, die von Politik wenig verstehen, was nicht gegen, sondern umso mehr für sie spricht, weil sie sich entweder auf dem Markt oder auf dem Schlachtfeld – als Schauplätze der Bewährung in der Konkurrenz ohnehin ein und dasselbe – aufs Gewinnen verstehen. Den nötigen Dialog des Präsidenten mit seinem Volk, der in entsprechend zahlreichen, aber knappen Mitteilungen darüber besteht, wer gerade Freund und wer Feind des Volkes ist, wickelt Trump per Twitter direkt ab – also ohne den Umweg über die Presse, die mit ihren kritischen Berichten ihre eigene Bösartigkeit und Volksfeindlichkeit offenbart. So realisiert Trump in der Art seiner Machtausübung das Ethos seiner Präsidentenschaft, die unmittelbare Einheit seiner Willensentscheidungen mit dem Herrschaftswillen des Volkes – Zeichen der Willkür des Regenten signalisieren die Befreiung der Regierten von den Anmaßungen des Establishments. Für einen Großteil der Öffentlichkeit auf beiden Seiten des Atlantiks liefert Trump damit lauter Beweise für seine mangelnde psychische und charakterliche Eignung fürs Amt: für seine Dünnhäutigkeit und seine Unfähigkeit, noch den geringsten Widerspruch zu ertragen – der politische Gehalt seines Verhaltens wird dabei gar nicht erst gewürdigt. Bei einem anderen Teil der Öffentlichkeit wirft das Ganze die Frage auf, ob der ‚Populist‘ Trump überhaupt noch Demokrat oder nicht vielmehr ein autoritärer Diktatortyp, vielleicht sogar ein Faschist sei.
In der Tat ist Trump eine demonstrative Verachtung für
den politischen Betrieb und seine Agenten nicht
abzusprechen. Wenn er das gerichtliche Einkassieren
seines Einreisestopps aus sieben muslimischen Ländern
gleich zum Anlass nimmt, die fachliche Eignung eines
sogenannten
Richters in Frage zu stellen,
missliebige Berichterstattung rundweg als fake
news
zurückweist, beinahe die gesamte
Mainstream
-Presse zum Feind des amerikanischen
Volkes
erklärt, sich von unpassenden Meldungen und
Sorgen der Geheimdienste dazu bewegen lässt, sie als
Speerspitze einer Verschwörung gegen ihn zu denunzieren
und ihre Spitzenvertreter bei Bedarf auch abzusetzen, und
schließlich Kommunen, die sich zu sicheren Häfen für
illegale Immigranten erklären, die Streichung von
Bundesmitteln androht – dann ist das alles zwar noch
lange kein Programm zur Abschaffung der demokratischen
Institutionen des Landes, des Systems von ‚checks and
balances‘, der geteilten Kompetenzen innerhalb
Washingtons und zwischen der Zentrale und den
Bundesstaaten; und überhaupt sind Konflikte zwischen dem
Präsidenten und den anderen Abteilungen der Politik und
der politischen Öffentlichkeit gewiss nicht neu.
Unübersehbar ist allerdings Trumps Standpunkt, dass er im
Sinne seines Programms, Amerika wieder groß zu machen,
einen Kampf im Staate zu führen hat, der das normale
Funktionieren der amerikanischen Demokratie nicht länger
verträgt. Und damit kommt Trump dem faschistischen
Element im System der bürgerlichen Herrschaft sehr nahe:
Er radikalisiert eine Kritik an der Demokratie,
die in der Demokratie zuhause ist, nämlich die
Kritik an Rücksichten auf Einzelinteressen, die das Volk
und die Macht seines Staates nur schwächen und die Volk
und Staat sich nicht leisten können, wenn sie ihre
nationale Krise erfolgreich bewältigen wollen. In dem
Sinn treibt er den Vorbehalt gegenüber der in der
demokratischen Regierungsform angelegten Konkurrenz
zwischen den Abteilungen der Staatsgewalt weiter voran,
weil die das stromlinienförmige Durchregieren hindere,
und hält eine freie Presse für staatszersetzend, weil die
den Standpunkt des konstruktiven Zweifels an der
staatlich beschlossenen Erfolgslinie institutionalisiert.
Trumps programmatischer Standpunkt und seine
programmatische Kampfansage zielen auf die politische
Rettung des amerikanischen Gemeinwesens aus der
diagnostizierten fundamentalen nationalen und
imperialistischen Notlage. Doch diese Rettung erfordert
in Trumps Augen nicht – dies der spezielle amerikanische
Dreh an seinem als ‚faschistoid‘ beschriebenen
Regierungsstil – die Unterwerfung der
privatmaterialistischen, an sich selbst interessierten
Konkurrenten unter die Notwendigkeiten der Staatsgewalt.
Seine Rettung der Nation besteht vielmehr darin,
dem Standpunkt der privaten Konkurrenz radikal recht zu
geben, nämlich Volk und Politik auf ihn rückhaltlos zu
verpflichten: Genau so wird dann ganz America great
again
.
[1] Deswegen gilt es bei seinen Anhängern keineswegs als anrüchig, vielmehr als ein Beweis von Vertrauenswürdigkeit und Volksnähe, wenn Trump den Nepotismus in aller Offenheit praktiziert.
[2] Ein hard-working American sollte sich als Präsident übrigens deswegen nicht von seinen äußerst erfolgreichen Geschäften trennen müssen, um der Nation zu dienen; sein privater Erfolg ist ja sein aufrichtiger Beitrag zur Nation gewesen und kann den Nutzen nur stärken, den die Nation von seiner Regentschaft haben wird.
[3] Nach Trumps neulich vorgelegtem Haushaltsplan zählen offenbar auch Heizkostenzuschüsse zu den Vergewaltigungen der Freiheit – in der Welt der freien Konkurrenz muss man sich eben warm anziehen.
[4] Ein ‚liberal‘ in den USA zeichnet sich – vor allem in den Augen der rechten, freiheitsliebenden Republikaner – gerade nicht durch den traditionell amerikanischen Glauben an die Segnungen eines möglichst freien Markts, also einer möglichst freigesetzten Konkurrenz ums Geld aus, sondern durch seinen guten Glauben an die Segnungen eines Sozialstaates, der die Freiheit des Markts ergänzend korrigiert, und an die heilsamen Wirkungen einer Kultur der Toleranz und der Rücksicht auf Opfer, die in der Welt der freien Konkurrenz so zuverlässig anfallen. Im land of the free wollen eben auch die Freunde sozialstaatlicher Eingriffe in die freie Konkurrenz sich nicht nachsagen lassen, die Freiheit irgendwie einschränken zu wollen.
[5] Dazu sehr passend
ist Trumps an sich selbst gepriesene
Verhandlungstaktik: Ich setze mir ein hohes Ziel und
mache Druck, Druck, Druck.
(Trump: The Art of the Deal)