Schmidbauer koordiniert Gefallenen / Gefangenen-Austausch zwischen Hizbullah und Israel
Über die Bedeutung von „humanitären Aktionen“ und „Vermittlungserfolgen“ in der Diplomatie
Deutschlands Geheimdienstkoordinator vermittelt einen Gefangenenaustausch zwischen Israel und der palästinensischen Hizbullah. Die weiterhin kompromisslose Gegnerschaft zwischen beiden Parteien wird ergänzt durch die Demonstration von Gesprächsbereitschaft an die Adresse der Weltaufsichtsmächte. Deutschland als von allen Beteiligten akzeptierter Vermittler nützt die Situation für eine Steigerung seines Einflusses im Nahen Osten.
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Systematischer Katalog
Länder & Abkommen
Gliederung
- Eine Übereinkunft zwischen Feinden
- Gefangene und Gefallene als Verhandlungsobjekte
- Humanitäre Übereinkommen als Überbringen von Signalen
- Signale an die Weltordnungsmächte
- Die Qualifikation eines Vermittlers
- Deutschlands Erfolg in humanitären Fragen
- Die Aktion als Bestätigung der Richtigkeit deutscher Nahostpolitik
Schmidbauer koordiniert Gefallenen / Gefangenen-Austausch zwischen Hizbullah und Israel
Über die Bedeutung von „humanitären Aktionen“ und „Vermittlungserfolgen“ in der Diplomatie
Am 22. Juli 96 fand ein makabrer Handel statt: Der Hizbullah übergab Israel die sterblichen Überreste zweier 1986 getöteter israelischer Soldaten und 21 gefangengenommene Soldaten der mit Israel verbündeten „Südlibanesischen Armee“ (SLA). Im Gegenzug überstellte Israel 45 gefangengenommene Libanesen, zum größten Teil Hizbullah-Kämpfer, sowie 123 gefallene Guerillakämpfer.
In der Presse wurde dies einhellig zunächst einmal als humanitärer Akt gewürdigt.
Als solcher hat er allerdings seine Merkwürdigkeiten:
- Es hat etliche Jahre gedauert, bis sich die beiden Parteien dazu herbeiließen.
- Es wurde nur ein Bruchteil der Gefangenen und Leichen, die es auf beiden Seiten von der jeweils anderen Partei gibt, ausgetauscht.
- Israel entließ nur Gefangene aus SLA-Gefängnissen, keinen einzigen aus den eigenen.
- Der Hizbullah und Israel haben nicht in zweiseitigen Verhandlungen zu dem Ergebnis gefunden, sondern brauchten einen Vermittler, der jahrelang mit beiden Seiten verhandelte.
- Als Vermittler fungierte in dieser humanitären Sache nicht das IKRK, der deutsche Geheimdienstkoordinator im Bonner Kanzleramt mußte seine Beziehungen zu beiden Seiten ins Spiel bringen.
- Dabei soll es ihm gelungen sein, Israel zu bewegen, eine lange verlangte Vorbedingung – Aufklärung über das Schicksal des über dem Libanon abgeschossenen Flugnavigators Ron Arad zu erhalten – ist durch das Versprechens des Hizbullah, sich um die Aufklärung zu bemühen, als erfüllt anzusehen. Das sei der „Durchbruch“ gewesen.
- Schmidbauer mußte schließlich selbst den Austausch vor Ort koordinieren, die israelischen Leichen mußten zudem in einem Flugzeug der deutschen Luftwaffe transportiert werden.
- Die BW-Maschine durfte keine direkte Linie fliegen, sondern mußte Kurs über Zypern nehmen…
Hätten die beiden Seiten einfach nur das Los von ein paar Menschen, die Opfer ihrer kriegerischen Auseinandersetzungen geworden sind, erleichtern wollen und trauernden Angehörigen die Möglichkeit der ihren religiösen Vorstellungen entsprechenden würdigen Beerdigung der Gefallenen geben wollen, hätte man sich diesen ganzen Zirkus sparen können.
Das verlogene Lob der „humanitären Aktion“ wurde denn auch von Kommentaren begleitet, die in dem Austausch viel mehr entdeckten:
„Zunächst ist ein Austausch von Leichnamen und Gefangenen unter Konfliktparteien … eigentlich nur die nachträgliche Fassung eines Kapitels zwischenmenschlicher Unmenschlichkeit in einen Rahmen minimaler Gesittung des Umgangs, also eine gelinde Retusche der Vergangenheit zum Versöhnlicheren hin. Wer aber dazu neigt, Hoffnungszeichen für die Zukunft in sonst eher karg erscheinender Umgebung auszumachen, der kann mit einiger Berechtigung in dieser unter deutscher Vermittlung erreichten Austauschaktion den Anfang von viel mehr sehen:
…Impuls zur Überwindung der Blockierung des nahöstlichen Friedensprozesses zwischen Israel und den arabischen Konfliktpartnern… sollte auch der Stillstand bei der israelisch-palästinensischen Verständigung und sogar der zwischen Syrien und Israel überwindbar werden…
Bonn kann in diesem … Austausch, der der deutschen Regierung Dankbarkeitsbezeugungen beider Seiten einträgt, eine Bestätigung dafür sehen, daß es sinnvoll war und ist, mit dem Regime in Teheran bei aller innerlichen Distanz im Dialogkontakt zu bleiben. Denn ohne die von den Amerikanern, die in derlei Dingen für sich und andere nicht den selben Maßstab einhalten, kritisierten relativ guten Kontakte zu Terrorismus-nahen iranischen Machthabern wäre diese weitere Hoffnung stimulierende Aktion kaum zustandegekommen.“ (FAZ-Kommentar 23.7.96)
Nachdem der FAZ-Schreiber sein Geschmacksurteil über die humanitätsmäßige Qualität dieses Akts zwischen Kriegsgegnern abgeliefert hat, läßt er seiner Spekulation über die Bedeutung dieser Aktion für die Beziehungen der beteiligten und mancher nicht-beteiligter Länder untereinander freien Lauf. Für ihn ist klar, dieser Schmidbauer-Coup war ein diplomatischer Akt von nicht geringer Reichweite. Und mit dieser Auffassung stand er in der deutschen Öffentlichkeit nicht allein. Ein paar Tage lang verbreiten sich Politiker wie Pressefritzen darüber, was der Bonner Geheimdienstkoordinator wohl alles angestoßen haben könnte:
- Fortführung des nahöstlichen Friedensprozesses
- Aufwertung Bonns im Nahen Osten
- Einlenkung der Amerikaner in Sachen „Kritischer Dialog“ mit dem Iran hießen die Themen, an denen herumgedacht wurde.
Dabei erfuhr man manches über deutsche außenpolitische Ambitionen und über das Leiden der hiesigen Politiker – und der teilnahmsvollen freien Presse – an der Begrenztheit deutschen weltpolitischen Einflusses, weniger darüber, was diesen Gefallenen/Gefangenen-Tausch eigentlich überhaupt bedeutsam macht, warum die verfeindeten Parteien im Nahen Osten sich dermaßen kompliziert aufeinander beziehen und was Deutschland an der Rolle des erfolgreichen Vermittlers von internationalem Leichen-Handel so attraktiv findet.
Eine Übereinkunft zwischen Feinden
Juristisch gesehen ist mit der wechselseitigen Übergabe von Gefangenen und Gefallenen das Rechtsgeschäft „Tausch“ erfüllt; nur so eindeutig und klar – die Vertragsparteien einigen sich über Abtretung und gleichzeitigen Erwerb von Eigentum – ist die Sache in diesem Falle gar nicht. Die Unklarheiten gehen schon los bei der Bestimmung der einen Vertragspartei: War es der Hizbullah oder der Libanon? Was für eine Rolle spielten dann aber Syrien und der Iran? Was für Willenserklärungen wurden zudem wem gegenüber abgegeben? Wem gegenüber wollte sich wer rechtlich binden? Welche Funktionen spielte dabei der Vermittler? … Das Eigenartige ist, daß die handelnden Subjekte diese Unübersichtlichkeit der Verhältnisse nicht nur nicht störte; sie trugen mit ihren Bedingungen, die sie stellten, und Klarstellungen, die sie für nötig hielten, kräftig dazu bei.
Der Grund für das Durcheinander ist der, daß bei der Übereinkunft zwischen den Parteien die fundamentale Voraussetzung für Verträge gefehlt hat: Daß sich die Parteien wechselseitig als Rechtssubjekte anerkennen. Den Willen des anderen muß man nämlich erst einmal respektieren, um mit ihm zu einem gemeinsamen Willen im Vertrag kommen zu können. Was beim innerstaatlichen Vertragswesen durch das Gewaltmonopol des Staates sichergestellt ist, daß sich die Parteien als Rechtspersonen gegenübertreten (müssen), ist zwischen Staaten in deren Entscheidung. Sie befinden selbst darüber, ob sie ihr Gegenüber als staatliches Rechtssubjekt akzeptieren wollen oder nicht. Beim nahöstlichen Gefangen- und Leichenhandel passierte das logisch Unmögliche, im internationalen Verkehr aber durchaus Praktizierte, daß Parteien miteinander kontrahierten, die sich gleichzeitig ihr Existenzrecht als Kontrahenten bestreiten. Sie ließen sich ein Stück weit auf den Willen der anderen Seite ein, obwohl sie ihr grundsätzlich das Recht absprechen, als Wille berücksichtigt werden zu müssen.[1]
Mit sämtlichen involvierten Staaten[2] hat Israel keine normalen Beziehungen. Der formal zuständige Souverän für das Territorium, von dem aus der Hizbullah operiert und auf dem er seine Gefangenen hält, ist der Staat Libanon. Mit dem befindet sich Israel seit 1948 immer noch im Kriegszustand.[3] Zudem lassen israelische Regierungschefs keine Gelegenheit aus, die Regierung Hariri als lächerliche Erscheinung darzustellen, die ja nicht einmal ein Gewaltmonopol innerhalb der eigenen Grenzen hinkriegt. Oder sie titulieren sie als „Marionette“ Assads, weil Syrien Schutzmacht des Libanon ist, was impliziert, daß 40000 syrische Soldaten im Libanon stationiert sind. Der Libanon seinerseits macht die Räumung des „Sicherheitsstreifen“ in seinem Süden von israelischem Militär zur Vorbedingung bilateraler Beziehungen.
Auch mit der libanesischen Schutzmacht Syrien lebt Israel in anhaltender Feindschaft. Auf amerikanischen Druck hin hat Assad zwar 1991 Gespräche zur Beendigung des Kriegszustandes aufgenommen und 1994 explizit seine Bereitschaft zum Frieden mit Israel erklärt, seit mehr als sechs Monaten sind die Verhandlungen allerdings unterbrochen. Syrien fordert als Vorbedingung für die Zustimmung zu einem Friedensvertrag den sofortigen und bedingungslosen Abzug der israelischen Truppen von dem seit 1967 besetzten Golan. Israel – zumal unter Netanjahu – weigert sich, diese Forderung zu erfüllen.
Der Iran[4] schließlich hat offiziell einen Friedensschluß mit Israel ausgeschlossen, lehnt den israelisch-jordanischen Friedensvertrag und das Gaza-Jericho-Abkommen ab und bestreitet dem Judenstaat das Existenzrecht, solange er den Golan und den Südlibanon besetzt hält. Israel läßt seinerseits keine Gelegenheit aus, den Iran als „Terrorstaat“ anzuprangern und zur Bekämpfung des Mullah-Regimes aufzurufen.
Trotz des anhaltenden Kriegszustands zwischen den Parteien ist es zu einem Übereinkommen gekommen. Zur Regelung einer offensichtlich für sie nicht ganz unwichtigen Frage setzten sich die Gegner über ihre erbitterte Feindschaft hinweg: um ihre gefangengenommenen Bürger und Toten aus dem Machtbereich des Feindes herauszuholen. Die Umstände des Austauschs haben gezeigt, warum und wie es ihnen um diesen Zweck gegangen ist.
Gefangene und Gefallene als Verhandlungsobjekte
In den Zeitungen konnte man lesen, daß Israel und seine feindlichen Nachbarn bereits seit Jahren um die Gefallenen und Gefangenen schachern. Zitiert wurde z.B. der Hizbullah-Generalsekretär Scheich Nasrallah:
„Die Gespräche über einen möglichen Häftlings- und Gefallenen-Austausch hätten schon 1991 begonnen, doch seien sie jeweils daran gescheitert, daß Israel zuerst Aufschluß über Arad (vor zehn Jahren über dem Libanon abgeschossener israelischer Flugnavigator) und zwei weitere Vermißte verlangt habe. Als Kompromiß habe der Hizbullah nun zunächst Nachrichten über letztere beigebracht und weitere Nachforschungen zugesagt.“ (NZZ 23.7.96)
Dem kann man entnehmen, welche Stellung Staaten zu den Opfern ihrer Kriegshandlungen einnehmen. Gefangene in der Hand des Gegners sind für sie nationale Rechtstitel[5]: Eigentum, das im Besitz eines Nichtberechtigten ist, dessen Herausgabe man verlangen kann; über dessen Verbleib die andere Seite – vor allen weiteren möglichen Schritten – auskunftspflichtig ist. Und weil es so prinzipiell zugeht, die Anerkennung eines nationalen Rechts vom Gegner eingefordert wird, dem der sich zu beugen hat, kommt es zu oftmals langwierigen Verhandlungen. Die andere Seite hat ja ebenfalls Rechtsansprüche, fordert insbesondere Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes und des wechselseitigen Respekts.
Gefangene des Gegners in eigener Hand sind redlich erworbener Besitz, weil er sich dem Umstand verdankt, daß der Gegner gegen einen selbst Kriegshandlungen begeht. Für die Herausgabe läßt man sich also allemal einen anständigen Preis zahlen. Oder man verkauft den Gefangenen an einen Dritten, wie im Falle des besagten Ron Arad, den – Zeitungen zufolge – der Hizbullah-Funktionär Mustafa Dirani an den Iran verkauft haben soll.
Weil man mit den Gefangenen schachern und Rechtsfragen mit den Gegnern austragen will, begnügt man sich nicht mit den im Krieg anfallenden Tauschobjekten. Israel hat z.B. eine Reihe führender Leute der Gegenseite eigens gekidnappt – u.a. 1994 Mustafa Dirani – um über hinreichendes Verhandlungsmaterial für anstehende „humanitäre Aktionen“ zu verfügen.
Die Rechtsfrage, um die es bei diesen Verhandlungen also in erster Linie geht, ist die allerprinzipiellste: Die eigene Anerkennung durch die andere Partei als Souverän, indem diese den vorgelegten Eigentumstitel auf Bürger und Leichen respektiert.
Ein Gefangenenaustausch, wie ihn Schmidbauer gedeichselt hat, beantwortet die Frage keineswegs eindeutig. Die Israelis sahen sich z.B. sofort veranlaßt, Mißverständnissen über die erreichte „humanitäre Aktion“ vorzubeugen. Dabei betonten sie, daß „humanitär“ – was doch moralisch gesehen sehr hochwertig klingt – im Hinblick auf das Anerkennungs-Verhältnis zwischen Staaten mit einem „bloß“ zu versehen ist:
„Der Austausch von Gefangenen und Leichen gefallener Kämpfer sei ein humanitärer Akt und entspreche grundlegenden Normen der Kriegsführung.“ (Netanjahu, NZZ 22.7.96)
Der israelische Ministerpräsident möchte ausdrücklich klarstellen, daß es den Kriegszustand zu seinen Nachbarn keineswegs für beendet ansieht. Israel habe eigentlich nur Respekt gegenüber den Regeln des Kriegsvölkerrechts bezeugen wollen.
Damit hat er sich schon an dem beteiligt, zu was Übereinkommen über humanitäre Fragen taugen und genutzt werden:
Humanitäre Übereinkommen als Überbringen von Signalen
„Von israelischer Seite ist unterstrichen worden, daß keine Gefangenen direkt aus israelischen Gefängnissen entlassen worden seien.“ (NZZ 22.7.96)
Nicht Israel macht dem Hizbullah Zugeständnisse bezüglich der Gefangenen, sondern die SLA, die von Israel gesponserte Freischärler-Armee im Südlibanon. Sie darf mit Israels Zustimmung gerade einmal knapp ein Viertel ihrer gefangenen Gegner freilassen. Die Jerusalemer Regierung will unbedingt den Eindruck vermeiden, sie messe dem Widerstand gegen die Besetzung des Libanon auch nur einen Funken Berechtigung zu.
„In der Tat zwang der Erfolg der indirekten Verhandlungen zwischen Israel und dem Hizbullah die Regierung in Beirut, den Kommandanten der Sicherheitspolizei, Raimond Rufail, als Leiter der Übergabeoperation einzusetzen. Damit bauten die Behörden einer parastaatlichen Aktivität des Hizbullah vor, wie dieser sie während der israelischen Bombenkampagne im April und beim folgenden Wiederaufbau unter tatkräftiger Hilfe iranischer Emissäre entfaltet hatte.“ (ebenda)
Weil Israel auf sein Recht pocht, daß der Hizbullah zu entwaffnen und sein politischer Einfluß auszuschalten ist, bestand der israelische Unterhändler auf einem Zeichen: Ein libanesischer Beamter mußte die Übergabe vornehmen.
Damit wurde aber zugleich der Libanon als eigenständiger Staat aufgewertet, was Syrien auf den Plan rief:
„Im Hintergrund überwachten die Syrer das Geschehen und stellten am Freitag in Beratungen mit Ministerpräsident Hariri sicher, daß keine roten Linien überschritten würden. Nicht von ungefähr traf sich der deutsche Vertreter Schmidbauer jeweils in Damaskus – nicht in Beirut – mit dem Hizbullah-Generalsekretär Nasrallah.“ (ebenda)
Syrien besteht auf Berücksichtigung als Schutzmacht des Libanon, weil es darin eine starke Stütze seiner Position gegenüber Israel in Fragen einer Friedensregelung sieht.[6]
Vom Hizbullah ging die adäquate Antwort auf die Behandlung durch Israel aus; Nasrallahs Stellvertreter Scheich Kassem erklärte:
„Wir werden den islamischen Dschihad, den islamischen heiligen Krieg, bis zur Befreiung der von Israel besetzten Gebiete weiterführen.“ (FAZ 23.7.96)
Die freigelassenen Gefangenen bekundeten ihren Willen, sofort wieder den Kampf gegen Israel aufzunehmen.
Der Iran schließlich sah sich zu folgender Klarstellung veranlaßt: Sein Bonner Botschafter Mussavian wies darauf hin, daß der Iran inzwischen ein Recht auf die Freilassung von drei iranischen Diplomaten und den Büroleiter von „Irna“ (iranische Nachrichtenagentur) habe, die Israel 1982 im Zusammenhang mit dem Libanon-Feldzug als Geiseln genommen und verschleppt hat,
„wo der Iran doch zwischen Hizbullah und den USA; Großbritannien, Irland, Deutschland und Frankreich die Freilassung von im Libanon verschleppten Ausländern vermittelt habe. ‚Wir haben keine Bedingungen gestellt und selbst Amerika, das uns feindlich gesonnen ist, aus humanitären Gründen geholfen‘.“ (FAZ 25.7.96)
Mussavian betont die humanitäre Einstellung seines Landes so penetrant, weil er klarstellen will, daß es zu keinen Gegenleistungen bereit ist, schon gar nicht gegenüber Israel:
„Ein Menschenhandel – Arad gegen die verschleppten Iraner“[7] komme nicht in Frage. (ebenda)
Wenn die Signale der beteiligten politischen Subjekte ziemlich eintönig lauten, man beharre auf den bisher gegeneinander eingenommenen Positionen, dann ist das trotzdem nicht nichts. Immerhin zeigten sich alle Seiten bereit, über Dritte einander zu kontaktieren. Nur warum sie diese Mitteilung für angezeigt hielten, wo andererseits keine Partei auch nur die geringste Kompromißbereitschaft erkennen lassen wollte, erklärt sich nicht aus der direkten Beziehung dieser verfeindeten Staaten zueinander.
Signale an die Weltordnungsmächte
Adressat dieser Bereitschaftserklärung waren nämlich auch und in erster Linie die Weltaufsichtsmächte, daneben auch die anderen Staaten des Nahen Osten.
Nach seinem Amtsantritt hat Netanjahu klargestellt, daß in Israel eine neue Linie gilt:[8] Keine Separation der Autonomen Gebiete von Israel, also kein Palästinenserstaat; Wiederaufnahme der Siedlungspolitik in den besetzten Gebieten; Jerusalem bleibt ungeteilt; keine Verhandlung mit den Nachbarn nach dem Prinzip „Land gegen Frieden“. Mit diesen Vorhaben ist er nicht nur bei den Palästinensern und den arabischen Staaten auf harte Kritik und die Drohung gestoßen, die Politik der Schaffung besserer Beziehungen zu Israel aufzukündigen. Auch die EU-Politiker warnten Israel vor einer solch kompromißlosen Politik. Am meisten zählt für den Judenstaat allerdings, daß Netanjahu für seinen politischen Schwenk in Washington keine vorbehaltlose Rückendeckung erhielt, Clinton vielmehr Anzeichen von Distanz zeigen ließ und Netanjahu aufforderte, mehr im Sinne der bisherigen israelischen Linie fortzufahren.[9] Seit ein paar Wochen entfaltet Netanjahu eine rege Reisediplomatie, wobei er stets betont – ohne in der Sache Zugeständnisse zu machen,[10] daß er – soweit es Israels Sicherheitsinteressen zuließen – für Verhandlungen über alle Fragen offen sei. Sein Vorstoß gegenüber Syrien nach dem Motto „Libanon zuerst“ soll u.a. den USA signalisieren, daß Israel auch zu „territorialen Zugeständnissen“ – natürlich nicht in dem Maße wie bisher – bereit ist.
Der Gefallenen/Gefangenen-Deal gab Israel praktisch die Gelegenheit, seine Verständigungsbereitschaft unter Beweis zu stellen. Dabei betonte die nationale Presse, daß sich eigentlich gar nicht die israelische Seite bewegt habe, sondern die andere:
„In Israel hat man im Zusammenhang mit dem Austausch auch festgehalten, daß sich die iranische Haltung merklich aufgeweicht habe und daß Syrien die Aktion nicht zu torpedieren versucht habe.“ (NZZ 22.7.96)
Israel ist also durchaus bereit, Nachgiebigkeit bei seinen Gegnern anzuerkennen, natürlich nur halboffiziell:
„Der ehemalige Chef des israelischen Inlandsgeheimdienstes ging sogar so weit, den Iranern und Syrern für die Rolle, die sie bei der humanitären Aktion gespielt hätten, zu danken.“ (ebenda)
Auf diese Weise testet Netanjahu – ohne sich etwas zu vergeben –, ob weitere Kontakte zu den Gegnern opportun sind.
Für Syrien war die Austauschaktion eine Gelegenheit – trotz Aufrechterhaltung seiner Forderung nach Herausgabe des Golan als Vorbedingung für einen Frieden mit Israel – zu zeigen, daß es sich nicht prinzipiell gegen Verhandlungen mit Israel stellt. Vor allem gegenüber den USA – die Syrien ständig mit der Behandlung als Terrorstaat bedrohen, falls es nicht Zugeständnisse mache – signalisiert Assad damit seinen guten Willen im Hinblick auf eine Fortsetzung des Friedensprozesses.[11]
Der Iran schließlich, der von den USA als Terrorstaat behandelt wird – gerade erst sind die amerikanischen Sanktionsgesetze gegen ihn in Kraft gesetzt worden –, weiß, daß er zwar diese nicht durch Kooperation in der Leichen-Deal-Frage beeinflussen kann, braucht aber um so mehr gute Kontakte zu andern Nationen, insbesondere der EU und somit Deutschland. Darum verhalf er Schmidbauer zu seinem Erfolg. Hizbullah-Chef Nasrallah durfte sich artig bedanken:
„Die deutsche Vermittlung sei ‚höchst effektiv‘ gewesen. Die Deutschen hätten ihre guten Beziehungen zu Iran, dem Libanon und Syrien und Israel genutzt, um den Austausch herbeizuführen.“ (SZ 23.7.96)
Die Qualifikation eines Vermittlers
Nach erfolgreich verlaufenem Austausch war die deutsche Presse sehr stolz auf Bernd Schmidbauer – den Geheimdienstkoordinator im Kanzleramt:[12]
„Schmidbauer war und ist … eine zentrale Figur dieser Gespräche gewesen, weil er sich in den vergangenen vier Jahren in der Grauzone zwischen Diplomatie und Geheimdiensten des Nahen Ostens ein Netz von persönlichen Beziehungen aufbaute. Offenbar ist er der einzige, der zugleich mit Teherans Geheimdienstminister Ali Fallahian und dem israelischen Regierungschef reden kann – und beider Vertrauen besitzt.“ (SZ 23.7.96)
Schmidbauer selbst reichte in aller Bescheidenheit das Lob weiter:
„… da ist es eben so, daß Deutschland mit Bundeskanzler Kohl in diesen Ländern ein enormes Standing und Vertrauen besitzt.“ (Der Spiegel 31/96)
Das Vertrauen der Staaten im Nahen Osten hat sich Deutschland freilich nicht durch den umgänglichen Charakter seiner Politiker und Diplomaten geschaffen, sondern durch seine Wirtschafts- und Außenpolitik. Nachdem die USA nach dem Sturz des Schah zu Iran auf Distanz gegangen waren, sahen die deutschen Politiker die Chance, in diese „Lücke“ hineinzustoßen. Genscher erfand für dieses Schmarotzen an amerikanischen Entscheidungen – deren Unterlaufen – den schönen Titel: „die Mullahs aus der politischen Isolation herausholen“. Deutschland empfahl sich den Ajatollahs als eine westliche Macht, mit der man über die wechselseitigen Interessen verhandeln kann. So wurde die Bundesrepublik einer der wichtigsten Handelspartner und Schuldenregler des Iran. Die Deutschen haben sich überdies als Waffenlieferanten und Ausbilder des iranischen Spionagedienstes bewährt. Was aber noch wichtiger ist: Den amerikanischen Versuchen, den Iran weltweit zu isolieren, haben sie sich zusammen mit ihren EU-Partnern verschlossen. Nach wie vor weigern sich Kohl und Kinkel, den Iran als Terrorstaat im Sinne der USA einzustufen. Deutschland ist es damit gelungen, den Iran in ein Abhängigkeitsverhältnis zu sich zu bringen. Zur Verfolgung seiner nationalen Interessen und zur Wahrung seiner Macht, muß Teheran daran gelegen sein, sich Deutschlands Wohlwollen zu erhalten.
Auch zu Israel unterhält Deutschland gute Beziehungen: Zwar verbitten sich deutsche Politiker inzwischen, von den israelischen weiter so behandelt zu werden, als stünden sie wegen des Holocaust Israel gegenüber noch in einer Schuld; aber sie stellen sich prinzipiell hinter Israel, wenn es seine Sicherheitsinteressen gegenüber seinen Nachbarn geltend macht, und bekunden bei jeder Gelegenheit, daß es zwischen beiden Ländern keine nennenswerten Differenzen gibt:
„Die Verpflichtung, für die Sicherheit und Lebensfähigkeit Israels einzutreten, ist ein Kernstück deutscher Außenpolitik. Deshalb unterstützen wir, gemeinsam mit unseren Partnern in der Europäischen Union, den Nahost-Friedensprozeß mit großem Engagement. Wir wissen, welche eminente Bedeutung der Friedensprozeß für Israel hat.“ (Kinkel, Bulletin 13.5.96)
Israel ist daran gelegen, daß sich Deutschland und die europäischen Nationen bei dem von den USA betriebenen Friedensprozeß[13] nicht querstellen. Im übrigen braucht der Judenstaat für seine wirtschaftlichen Interessen im Hinblick auf die EU – deren Meda-Programm für die Mittelmeeranrainer fördert auch Israels Investitionen in Infrastrukturmaßnahmen – Deutschlands Unterstützung.
Für die Rolle des Vermittlers braucht ein Staat also erstens „gute Beziehungen“ zu beiden Seiten. Er muß es schaffen, daß sich die Staaten – die ja untereinander nicht bereit sind, das Interesse der anderen Seite gelten zu lassen – wegen ihres Interesses am Erhalt des guten Verhältnisses zu ihm zu Zugeständnissen gegenüber ihrem Feind bewegen lassen.[14]
Beide Seiten erwarten zugleich, daß die vermittelnde Nation auf den Gegner im eigenen Sinne Einfluß nehmen kann und dazu auch bereit ist. Ein Vermittler darf nicht zu sehr die Interessen der einen Partei ins Recht setzen und die der anderen beschränken wollen.[15] Deutschland hat immer schon betont, daß der laufende Friedensprozeß Angelegenheit der Amerikaner und nicht seine sei. Mit seiner Zurückhaltung machte Bonn zugleich klar, daß es, falls Alternativen gefragt sind, dafür bereitsteht. Den Wunsch der Länder des Nahen Osten nach guten Beziehungen zur wichtigsten Macht in Europa haben deutsche Außenpolitiker immer schon als Hebel für den eigenen Einfluß in dieser Region zu nutzen gesucht. So mußte sich Israel gefallen lassen, daß Deutschland nicht einfach Ja und Amen zu jeder seiner mit den USA abgesprochenen Gewaltaktion sagt. Kinkel mahnt immer häufiger Rücksichtnahme auf die Interessen der Gegenseite an. Kaum gesteht er Israel sein Sicherheitsbedürfnis zu, schränkt er ein:
„Alle Seiten müssen aufeinander zugehen. Die PLO hat beschlossen, alle israelfeindlichen Passagen aus ihrer Charta zu streichen. Auch die Palästinenser wollen den Frieden… Die Menschen müssen erleben, daß der Frieden ihnen persönlich mehr Lebenschancen eröffnet, dann verlieren Terrorismus und Fundamentalismus auch ihren Nährboden.“ (ebenda)
Die Israelis sind – nach deutscher Auffassung – eben nicht nur Opfer, ihre Politik läuft Gefahr, auch die Gründe für den Terrorismus im Nahen Osten zu liefern. Und wenn der deutsche Außenminister außerhalb Israels Reden hält, benutzt er durchaus noch härtere Worte. Die Israelis sollten mehr auf die „Verhältnismäßigkeit der Mittel“ achten und die Menschenrechte respektieren. Auf dem „Antiterrorismus“-Gipfel hat die gesamte EU die Gefolgschaft gegenüber der neuen israelisch-amerikanischen Marschroute im Friedensprozeß ausgeschlagen und einen eigenen Weg, Einflußnahme auf Syrien und Iran durch Europa, als ihre Alternative zur US-Politik festgehalten.
Umgekehrt hat Kinkel Bonns Forderungen an den Iran in der letzten Zeit häufig genug aufgezählt:
„. … wir wollen Taten sehen. Deshalb habe ich … an meinen Kollegen Velayati einen Brief geschrieben, in dem ich folgendes gefordert habe:
- eine klare, positive und öffentlich sichtbare Haltung zum Friedensprozeß im Nahen Osten,
- Anerkennung der demokratisch gewählten Autonomieverwaltung als legitime Vertretung der Palästinenser,
- sichtbare Umsetzung der Zusicherung Irans, den nahöstlichen Terror weder finanziell noch logistisch zu unterstützen,
- Einwirkung auf die Hisbollah zu einer friedlichen Lösung im Libanon,
- aktive Mitwirkung Irans an kooperativen und friedensorientierten Lösungen im Nahen Osten.“ (ebenda)
Durch sein Eingehen auf die Forderungen der EU soll der Iran einen Machtbeweis insbesondere auch Deutschlands erbringen.[16] Kinkel stellt immer neue Preisforderungen dafür, daß Deutschland sich dem US-Antrag verschließt, Teheran unter Quarantäne zu stellen. Weil und insofern sich die BRD damit Freiheiten gegenüber den USA (und Israel) herausnimmt, bemühen sich die deutschen Außenpolitiker allen Seiten gegenüber zu signalisieren, wie sie diese Beziehungen zum Iran einordnen sollen. Die Ausladung Velayatis von der Islamkonferenz samt Absage der gesamten Konferenz zum Beispiel und das Hoch- und Herunterkochen der Verantwortung von Irans Führung für das „Mykonos“-Attentat in Berlin – inklusive des Haftbefehl gegen Minister Fallahian – sollen klarstellen: Deutschland hat mit dem Iran nicht gebrochen, läßt ihn aber auch nicht einfach gewähren. Bonn stellt sich keineswegs hinter alle seine politischen Taten und Forderungen. Wie die gesamte EU bezieht die BRD eine „kritische“ Position gegenüber den Ajatollahs, und hat insofern keinen Bedarf danach, durch andere Nationen darüber belehrt zu werden, wie man dem Iran entschiedener begegnen müßte.
Weil Deutschland zu Israel und Iran zugleich gute Beziehungen und Distanz hat, war Schmidbauer qualifiziert für eine Vermittlungsaktion, in die auch Syrien einbezogen war. Diese nahöstlichen Feinde haben mit dem Gefallenen/Gefangenen-Austausch also nicht so sehr wegen Deutschland ein Zeichen gesetzt, nicht völlig unerbittlich auf der Feindschaft gegenüber der anderen Seite zu bestehen. Wie oben erwähnt, haben dazu vielmehr Kalkulationen gegenüber den USA und den Nachbarstaaten geführt. Deutschland wurde aber als geeigneter Vermittler der humanitären Aktion akzeptiert, und diesen Umstand kann Bonn immerhin als Beweis seines gestiegenen Einflusses im Nahen Osten verbuchen.
Deutschlands Erfolg in humanitären Fragen
Darauf waren Politik und Öffentlichkeit hierzulande auch mächtig stolz. Kohl & Co überließen es allerdings weder der Presse noch ihren ausländischen Kollegen, die Bedeutung dieser Vermittlung für Deutschlands künftige Rolle in der Nahost-Diplomatie zu würdigen. Aller Welt teilten sie mit, wie sie den Erfolg interpretieren, mit welcher Anspruchshaltung Bonn von nun an auftreten will. Dabei stapelte die deutsche Führung erst einmal tief und gab sich angesichts hochfliegender Erwartungen „ganz realistisch“:
„Meinungen, die Bundesregierung sollte jetzt neben ihren Bemühungen im humanitären Bereich auch verstärkt eine politische Vermittlertätigkeit zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn anbieten, werden in Bonn sehr zurückhaltend kommentiert. Schmidbauers erfolgreiche Bemühungen sind vorwiegend auf der Schiene der Geheimdienste vorangekommen, die diplomatische Einwirkung der europäischen Staaten auf Teheran läuft auf einer ganz anderen Schiene. Von Nachteil seien die Sonderkontakte zu Iran aber sicherlich nicht…“ (SZ 23.7.96)
Die Nationalisten in den Zeitungsstuben mag das ein wenig enttäuscht haben. Die erfolgreiche Vermittlungsaktion, ein Ausweis für das „Ansehen“ Deutschlands im Nahen Osten zeige wegen des Gegenstands der Vermittlung, wie wenig Weltordnungsmacht Deutschland im Nahen Osten erst spielt. Bonn kann gerade einmal eine humanitäre Maßnahme vermitteln, also auf der „Schiene der Geheimdienste“ vorankommen.[17] Zugang zu den gewichtigen Themen der Diplomatie hat die Bundesrepublik – bisher – nicht. Ihre Linie, wie man mit den Staaten des Nahen Ostens verfahren soll, ist damit längst noch nicht durch die maßgeblichen Mächte akzeptiert:
„Die Vereinigten Staaten, auch andere Partner, trennen sehr wohl humanitäre Bemühungen von den üblichen Auseinandersetzungen und Diskussionen um den ‚kritischen Dialog‘.“ (Schmidbauer, Der Spiegel 31/96)
Die Bonner Herrschaften lassen jedoch zugleich durchblicken, daß sie keineswegs gewillt sind, die gelungene Aktion als Dokument relativer Ohnmacht,[18] mit der man sich abgefunden hat, abhaken zu lassen. Für sie soll sie von gewachsener Macht Deutschlands zeugen. Deswegen geben sie erst einmal der gelaufenen Vermittlung die Bedeutung eines „ersten Schritts“ und versuchen sie auf diese Weise aufzuwerten:
„Schmidbauer sieht in der Vermittlung einen ersten Schritt zu weiteren humanitären Missionen in Nahost. Die Bundesregierung sei auch bereit, die Bemühungen um Aufklärung von Arads Schicksal zu unterstützen. Im Nahen Osten werde gewünscht, daß sich Deutschland und die EU politisch stärker engagierten. ‚Uns schlägt viel Sympathie entgegen und das ist ein Pfund, mit dem man auch wuchern kann.‘“ (SZ 23.7.96)
Bonn hält also keineswegs damit hinterm Berg, was es eigentlich will: Mitmischen beim Friedensprozeß im Nahen Osten. Nur tritt es nicht wie Chirac im Libanon auf und meldet öffentlich seinen Anspruch an, der USA Konkurrenz zu machen. Deutschland bedient sich da lieber seiner alten verlogenen Tour zu versichern, daß man keineswegs den Amerikanern ins Handwerk pfuschen wolle. Nach dieser Versicherung braucht es natürlich einen Grund, warum Schmidbauer sich jahrelang so hineingehängt hat. Der lautet gemäß offizieller Verlautbarung: Deutschland konnte sich einfach weder dem Vertrauen, das ihm entgegenschlug, noch der guten Sache, zu der es sein bescheidenes Scherflein beisteuern durfte, entziehen.
„Man traut uns als großem Partner in der EU durchaus eine wichtige Rolle zu. Das ist spürbar, das ist aktueller denn je. Steuerten wir eine politische Vermittlung an, wie dies die Vereinigten Staaten betreiben, würden wir uns in der Tat übernehmen. Aber jeder Beitrag, der den Friedensprozeß ein Stück weitertreibt, ist der Mühe wert.“ (Schmidbauer, Der Spiegel)
Ein bißchen dick trägt der Geheimdienstkoordinator schon auf, wenn er behauptet, Deutschland suchte nicht Einfluß, sondern bekäme ihn nur angetragen; Deutschland ginge es gar nicht um sich, sondern um den uneigennützigen Beitrag zu der guten Sache „Friedensprozeß“.[19]
Die Aktion als Bestätigung der Richtigkeit deutscher Nahostpolitik
Auch Kanzler Kohl sprach von Schmidbauers Aktion mit Vorliebe als einer „Geste der Menschlichkeit“. Wer also Arges dabei denkt, disqualifiziert sich selbst.[20] Dies ist freilich erst der Auftakt dazu, fällige Konsequenzen aus Deutschlands Vermittlungserfolg abzuleiten. Die Bonner Logik geht dabei folgendermaßen: Nachdem Deutschland mit seiner politischen Vorgehensweise etwas unbestreitbar Gutes zustande gebracht hat, dem Iran Schritte abgerungen hat, für die sich sogar Natanjahu mit einer Einladung Kohls nach Israel bedankte, darf niemand mehr die deutsche Iranpolitik als falsch und schädlich kritisieren. Der Erfolg Schmidbauers verbietet alles weitere Herumhacken auf der deutsch/europäischen Politik des „kritischen Dialogs“.
„Die Bundesregierung sieht sich in ihrer Iranpolitik bestätigt. Der Dialog mit der iranischen Führung sei aus Sicht der Regierung richtig gewesen.“ (Regierungssprecher Hausmann, SZ 23.7.96)
Offensichtlich halten es Kohl und Kinkel gar nicht für unverfroren so zu tun, als hätten sie ihre Politik des kritischen Dialogs mit dem Iran nur deswegen geführt und gegen alle Anfeindungen verteidigt, weil sie es nicht mitansehen können, wenn jüdische Leichen in unheiligem Boden liegen. Ferner zu unterstellen, als müßten die USA einen großen Respekt vor Deutschlands humanitären Erfolg haben, weil es ihnen ja auch um solche Fragen in erster Linie gehen müßte. Als hätte Clinton nichts Besseres im Nahen Osten vor, als Gefangene und Leichen dort hinzubringen, wo sie hingehören.
Die Adressaten dieser deutschen Interpretationsbemühungen, den „kritischen Dialog“ ins Recht zu setzen, gaben umgehend zu verstehen, daß sie derartige Schlußfolgerung für völlig inadäquat halten. Amerikas Vorposten im Nahen Osten ließ – halboffiziell – verlauten:
„Der von Schmidbauer vermittelte Austausch von Gefangenen und Toten sei zwar wichtig, aber doch nur ein Detail am Rande… Der kritische Dialog könne die Entwicklung von Atomwaffen in Iran nicht verhindern und er habe auch nichts am Todesurteil gegen … Salman Rushdie geändert, das die Europäer zu einem Testfall erklärt hätten. Die Regierung in Teheran habe dem Austausch in Libanon nur zugestimmt, weil sie Nutzen aus den wirtschaftlichen Beziehungen zu Europa im allgemeinen und besonders zu Deutschland ziehen wolle.“ (Ex-Premier Peres, NZZ 23.7.96)
Die Bonner Mannschaft läßt sich von solcher Kritik freilich nicht beeindrucken. Sie gibt vielmehr damit an, in dieser Aktion die Entscheidung über das wichtigste Problem im Nahen Osten endlich auf die Tagesordnung gesetzt zu haben. Deutschland habe mit seiner Vermittlung Teheran noch einmal eine Chance gegeben:
„Der Iran habe jetzt die Riesenchance zu beweisen, daß er nicht auf der Seite des Terrorismus steht.“ (Schmidbauer, SZ 23.7.96)
„Ich wollte mit diesem Satz darauf hinweisen, daß der Iran durch eigenes Verhalten dazu beitragen kann, in der Zukunft nicht mehr mit Staatsterrorismus in Verbindung gebracht zu werden.“ (Schmidbauer, Der Spiegel)
Deutschland nimmt sich heraus, Teheran Angebote zu machen, wie es den Terrorvorwurf losbekäme – durch Wohlverhalten. Bonn setzt sich somit über die längst geschehene Einordnung durch die USA hinweg und meldet auf diese Weise – mal wieder – seinen Anspruch an, Mit-Weltordnungsmacht zu sein.
Freilich tritt Kohl nicht offiziell mit einer Kritik der US-Politik im Nahen Osten hervor und traut sich, Clinton zu schulmeistern. Das überläßt er lieber seinem offiziellen Berater Michael Stürmer, Leiter des Forschungsinstituts für internationale Politik und Sicherheit in Ebenhausen, der sich darüber in einer angesehenen Zeitung verbreiten durfte. Um die Engstirnigkeit amerikanischer Außenpolitik, sprich: die Weitsichtigkeit der deutschen, herausarbeiten, verbreitete sich Stürmer in der Neuen Zürcher erst einmal über die mutmaßliche Rolle und weltpolitische Bedeutung des Iran in der Zukunft: „Iran isoliert durch den Westen, gewinnt Drehscheibenfunktion für Asien“. Dazu stehe in Widerspruch, daß Teheran wirtschaftlich in die Enge getrieben werde. Es sei also selbstverständlich, daß alle größeren Staaten nicht umhin kämen, das günstige Angebot anzunehmen, sich um dieses wichtige Land zu kümmern. Die US-Politik sei demgegenüber perspektivlos:
„Die Vereinigten Staaten haben dem Iran nicht den Krieg erklärt. Aber sie verfolgen eine Strategie, die durch die Unterbindung des wirtschaftlichen Verkehrs das Regime zwingen soll, jede Unterstützung des Terrors, weltweit und vor allem gegen den Staat Israel, aufzugeben und aktiv, auch durch Öffnung für internationale Kontrollen, jeden Verdacht zu widerlegen, das Regime strebe nach regionaler Vorherrschaft, Massenvernichtungswaffen und Trägerraketen. Jenseits davon allerdings ist die Strategie unklar. Weder gibt es klare Vorstellungen, wann genug genug ist, noch gibt es eine Arbeitsteilung zwischen den Staaten des Westens, das heißt eine zweckmäßige Mischung von Stock und Karotte zur Offenhaltung von Kanälen der Kommunikation. Das ist in der neuen Lage nicht genug… Auf die Dauer ist die dringend gebrauchte amerikanische Führungs- und Beruhigungsrolle in der Region und für die Region nur zu halten, wenn Iran aus dem Kern des Problems zum Teil der Lösung würde.“
Als letztes und schlagendstes Argument für Deutschlands Linie fällt dem alten Kommunisten-Hasser natürlich ein:
„Zum anderen könnte Rußland das ‚Great Game‘ der zwanziger Jahre zwischen Kaukasus und Golf um Öl und Einfluß neueröffnen. Vorerst geht es um zivile Nuklearanlagen, die Moskau zum Ersatz der 1979 abgebrochenen deutschen Entwicklungen aufbauen will. Bald aber kann es um strategische Unterstützung gehen. Das würde neue Kraftlinien in die Karten des mittleren Ostens einzeichnen…“ (NZZ 8.8.96)
Stürmer tut so, als wenn das Betreiben von Außenpolitik eine Frage richtiger Rezepte sei. Diese in der Diplomatie übliche Heuchelei ist aber auch angebracht, wenn man die bisher allein zuständige Ordnungsmacht nicht allzu sehr verprellen will.
[1] Deswegen ging überhaupt nichts ohne Vermittler – zu dessen Rolle später.
[2] Der Hizbullah ist kein Staat, sondern eine politische Gruppierung, die Israel wegen der Besetzung des Südlibanon bekämpft; die libanesische Regierung ist weder willens noch in der Lage, über ihn ein Gewaltmonopol auszuüben. Für Israel ist der Hizbullah eine Terrorgruppe, deren Vernichtung ansteht. Das einzige, was diesen Staat davon abhält, dieses Urteil zu exekutieren, ist der Umstand, daß diese Kämpfer sich auf nicht-israelischem Territorium befinden, also nicht dem Gewaltmonopol des Judenstaates unterstehen. Was freilich nur bedingt gilt; die Operation „Früchte des Zorns“ und die ständigen Gefechte im von Israel besetzten „Sicherheitsstreifen“ des Südlibanon zeigen, wie wenig Israel bereit ist, seine Landesgrenzen als Grenzen für die Anwendung seiner Gewaltmittel anzusehen.
[3] Dies ist auch der simple Grund dafür, daß die Bundeswehrmaschine mit den beiden Leichen nicht die direkte Route vom Libanon nach Israel nehmen durfte.
[4] Formell gesehen hat der Iran mit dem Tauschgeschäft erst mal nichts zu tun. Faktisch war er aber involviert, weil er als der eigentliche Patron des Hizbullah angesehen wird und es sich auch nicht nehmen lassen will, als einflußreicher Staat, der sich der Sache der Palästinenser gegen die Angriffe Israels annimmt, berücksichtigt zu werden. Der Hizbullah hat zudem eigene israelische Gefangene an den Iran überstellt.
[5] Entsprechendes gilt auch noch für deren sterbliche Überreste. Die Kriegs-Leichen sind nicht einfach Menschen, die tot sind, sondern nach wie vor nationale Rechtstitel und Objekte nationaler Ehre. Deswegen will man als Staat über sie selber verfügen oder zumindest ihre würdige Unterbringung durch den anderen Staat erzwingen – Soldatenfriedhof samt Gedenktafel, Blumenpflege und freiem Zugang.
[6] Umgekehrt versucht Netanjahu derzeit Syrien mit seinem Angebot „Libanon zuerst“ unter Druck zu setzen. Indem er seine Bereitschaft bekundet, die israelischen Truppen aus dem Südlibanon zurückzuziehen, wenn dafür die Sicherheit Israels durch Libanon und Syrien gewährleistet würde, will er sich in eine neue Verhandlungsposition begeben. Hatte Peres Assad den Rückzug vom Golan angeboten – freilich nicht ohne diesen Schritt von einer Volksabstimmung in Israel abhängig zu machen, lehnt Netanjahu eine Freigabe des Golan ab. Offensichtlich möchte er mit seinem Angebot auch einen Keil zwischen Libanon und Syrien treiben.
[7] Politikern kommt das häßliche Wort vom „Menschenhandel“ immer dann über die Lippen, wenn sie zur Unterstreichung ihrer ganz prinzipiellen Vorbehalte gegen die andere Nation die Einigung auf „humanitäre Akte“ ausschließen.
[8] Zur Politik der Regierung Peres siehe „‚Anti-Terrorismus‘-Gipfel und Operation ‚Früchte des Zorns‘ – Zwei Offensiven für einen ‚Neuen Nahen Osten‘“ in GegenStandpunkt 1/2-96, S.28.
[9] Daß Clinton bei seiner Reaktion auf Netanjahu mehr an das US-Ansehen als Ordnungsmacht im Nahen Osten dachte, als daß es ihm um die Durchsetzung einer anderen politischen Linie in Israel ging, legen die amerikanischen Neudefinitionen des Nah-Ost-Friedensprozesses der letzten Zeit nahe: „So weigern sich die USA seit Dezember 1993, wie in den Jahren zuvor der alljährlichen Erneuerung der UN-Resolution 194 zuzustimmen. Diese 1948 von der Vollversammlung verabschiedete Resolution sichert den palästinensischen Flüchtlingen ein Recht auf Rückkehr
zu. Auch die israelischen Siedlungen sind in den Augen der USA nicht mehr ‚widerrechtlich‘,sondern lediglich ein ‚problematischer Aspekt‘ der Lage. Zwar hält man noch an der UN-Resolution 242 und dem Prinzip Frieden gegen Land
fest, aber neuerdings ist nicht mehr die Rede von besetzten Gebieten
und man fordert auch nicht mehr die Rückkehr zu den Grenzen von 1967 (mit lediglich kleinen Modifikationen).“ (Le Monde Diplomatique/die tageszeitung/WoZ 4.7.96)
[10] Bei seinem Treffen mit dem jordanischen König informierte Netanjahu Hussein (und indirekt damit Assad, zu dem Hussein anschließend reiste) über die Bedeutung der Aufhebung des Baustopps: „Diese Entscheidung sei die Einlösung eines Wahlversprechens und könne keinesfalls als pauschale Genehmigung und grünes Licht für die Errichtung neuer und die Erweiterung bestehender Siedlungen interpretiert werden. Neuvorhaben oder Anschlußprojekte seien ausnahmslos genehmigungspflichtig und deshalb kein Verstoß gegen die Osloer Abkommen, die Israel honorieren wird… Auch Kairo und Washington waren über diesen innenpolitischen Schachzug informiert…, das heiße Eisen der Siedlungen sei Chefsache und damit außerhalb der Kompetenzen von Minister Ariel Scharon. Israel werde keinen arabischen Boden enteignen und das Mandat der internationalen Beobachtertruppe in Hebron verlängern. Der Beschluß habe bloß die Diskriminierung der Siedler aufgehoben, aber sei keine Festlegung hinsichtlich zukünftiger Aktionen und Aktivitäten.“ (HB 5.8.96) Netanjahu behält sich alles vor, läßt gleichzeitig zusätzliche Siedler in bestehende Siedlungen und diese ausbauen und beauftragt Scharon mit der Organisierung des Straßenbaus zur besseren Verbindungen zwischen Siedlungen und israelischem Kernland. Letzterer organisiert schließlich auch den Ankauf von Land in der Westbank durch Strohmänner in großem Stil. Damit gilt wieder das alte zionistische Prinzip: Privateigentum von Juden ist die Vorstufe – weil Rechtstitel – für die Landnahme durch den Staat Israel.
[11] „Laut der arabisch-sprachigen Jerusalemer Zeitung Al Quds
hat der syrische Geheimdienst die Büros der Volksfront zur Befreiung Palästinas / Oberkommando, der Kommunistischen Revolutionären Partei und der Fatah-Al-Intifada-Bewegung geschlossen. Diese Gruppen widersetzen sich den Autonomie-Abkommen zwischen Israel und den Palästinensern … syrische Funktionäre hätten palästinensische Oppositionsgruppen davon abgehalten, nach Jordanien einzudringen oder das jordanische Königreich als Ausgangsbasis für Anschläge auf Israel zu benutzen.“ (NZZ 7.8.96)
[12] Die Frankfurter Allgemeine war ganz begeistert von diesem Mann und widmete dem Lobpreis seines Geschicks eine ganze Spalte: … überraschte der umtriebige Mann selbst Bundeskanzler Kohl mit Erfolgsmeldungen … Den Auftrag der Bundesregierung, die als Geiseln im Libanon festgehaltenen Deutschen Strübig und Kemptner zurückzuholen, meisterte er ebenso wie die Rückholung des im Iran wegen Spionage für den Irak zum Tode verurteilten Deutschen Szimkus. Und aufgrund seiner vielfach kritisierten engen Beziehungen zum iranischen Geheimdienst konnte er auch für Amerika und Israel in Teheran Erfolge verbuchen.
(FAZ 24.7.96)
[13] Zum Friedensprozeß im Nahen Osten vgl. neben dem oben erwähnten Artikel in GegenStandpunkt 1/2-96, S.28 auch: „Frieden für Galiläa“, Israel stiftet ein Stück neuer „Nahost-Ordnung“, GegenStandpunkt 3-93, S.188 und „Neueste Entwicklungen im Nahöstlichen Friedensprozeß“, GegenStandpunkt 2-94, S.137.
[14] Deswegen eignet sich ein Staat auch eher zur Vermittlung solcher Händel als das Internationale Rote Kreuz. Wie man hörte, war diese Institution zwar auch um die Einfädelung und Abwicklung des Gefallenen/Gefangenen-Austauschs bemüht, brachte es aber nur dazu, auf ihren Lastwagen die Gefangenen zu den jeweiligen Grenzen transportieren zu dürfen.
[15] Die USA, die ja wirklich keinen Mangel an Einflußmöglichkeiten haben und den Anspruch erheben, für sämtliche Regelungsfragen im Nahen Osten allein-zuständig zu sein, wurden bei den Waffenstillstandsverhandlung zwischen Israel und Hizbullah Anfang dieses Jahres von Syrien und dem Iran als alleiniger Vermittler abgelehnt, weil sie eindeutig auf Israels Seite stünden. Sie mußten es sich gefallen lassen, daß Frankreich mit in den Verhandlungsprozeß einbezogen wurde.
[16] Daß der Iran – aus deutscher Sicht – ständig dazu herhalten muß, führt zu Beschwerden folgender Art: Der sogenannte ‚kritische Dialog‘ sei ‚nicht so positiv, daß man ihn über alle Maßen loben müßte‘… So habe Kohl…Rafsandschani einen Brief mit der Bitte geschrieben, die Chemiewaffenkonvention zu unterzeichnen. Iran gehöre zu den wenigen Staaten, die den Vertrag ‚sofort unterschrieben‘ hätten. In Teheran sei damit die Erwartung verbunden worden, im Gegenzug ‚positive Auswirkungen‘ in der Zusammenarbeit auf diesem Gebiet zu sehen. Doch … sei die Zusammenarbeit zurückgegangen. Auch habe Bonn Iran gebeten den Atomwaffensperrvertrag (NPT) zu verlängern … Auch in diesem Falle habe das nicht zu der angestrebten Zusammenarbeit auf dem Gebiet der friedlichen Nutzung der Kernenergie geführt…Diese Dinge scheint Herr Kinkel vergessen zu haben. Es ist Iran, das sagen müßte: Der kritische Dialog ist keine Einbahnstraße.
(Botschafter Mussavian, FAZ 19.3.96)
[17] Und dafür hat es sich noch die Erlaubnis der westlichen Partner geholt: „Schmidbauer: Wir haben die Partner informiert von dieser Aktion. Das gilt nicht nur für Washington, das gilt auch für die westlichen Partner, die involviert waren. Sie wußten exakt Bescheid über die Mission, die wir geführt haben.“ (Der Spiegel 31/96)
[18] Die Aktion Schmidbauer zeigt tatsächlich nicht nur, wie wenig sich Deutschland mit den USA messen kann, selbst gegenüber Frankreich ist der deutsche Erfolg ziemlich erbärmlich. Chiracs Rede vor dem libanesischen Parlament (eine Auszeichnung, um die sich selbst untere Chargen der amerikanischen Politik nicht gerade reißen würden, weil der Libanon nun einmal kein echter Souverän ist) hatte immerhin den Nutzen, daß Frankreich in echte Waffenstillstandsverhandlungen – Operation „Früchte des Zorns“ – hineinrutschte.
[19] Und keiner der so furchtbar kundigen Journalisten möchte an Stellen wie dieser darauf hinweisen, was sich da – z.B. in den Ankündigungen Netanjahus etc. – „Fortsetzung des Friedensprozesses“ schimpft.
[20] Das „bloß Humanitäre“ der Aktion, läßt sich also auch so wenden, daß es sich dabei um Außenpolitik in seiner höchsten moralischen Form handelt. Daraus lassen sich dann wieder Rechte ableiten.