Botschafter Melnyk und sein Gastland unterhalten sich über ihre Völkerfreundschaft
Mit Kriegsbeginn läuft der ukrainische Botschafter Melnyk zu Hochform auf: Pausenlos hetzt er gegen Russland, die Russen und alles Russische, wirbt für den Krieg, für den sein oberster Dienst- und aller Ukrainer Kriegsherr diese verheizt, fordert immer neue Gewaltgeräte von Deutschland und ist bei jeder Waffenlieferung, die Deutschland zusagt, damit unzufrieden, dass nicht die nächste Lieferung schon eingetroffen ist. Alle, die er in seiner mal lässig, mal echauffiert, jedoch stets stilsicher inszenierten Kriegshysterie als zurückhaltend oder skeptisch ausmacht, beschimpft er mit den unter zivilisierten Europäern üblichen Vokabeln und erklärt sie für schuldig am Tod seiner Volksgenossen. Mit diesem liebenswerten Dauerauftritt schafft er es, in Deutschland gefeiert zu werden, manchen geht er aber auf den Wecker oder wenigstens manchmal zu weit. Man kann ihn schon verstehen, schließlich ist der Mann im Kriegsmodus, aber ...
Melnyk und sein Gastland verstehen sich offenbar prächtig.
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Botschafter Melnyk und sein Gastland unterhalten sich über ihre Völkerfreundschaft
Mit Kriegsbeginn läuft der ukrainische Botschafter Melnyk zu Hochform auf und kommt von der auch nicht mehr runter: Pausenlos hetzt er gegen Russland, die Russen und alles Russische, wirbt für den Krieg, für den sein oberster Dienst- und aller Ukrainer Kriegsherr diese verheizt, fordert immer neue Gewaltgeräte von Deutschland und ist bei jeder Waffenlieferung, die Deutschland zusagt, damit der Krieg gegen die Russen so richtig in Gang kommt und nicht wegen russischer Überlegenheit vor der Zeit aufhört, damit unzufrieden, dass nicht die nächste Lieferung schon eingetroffen ist. Alle, die er in seiner mal lässig, mal echauffiert, jedoch stets stilsicher inszenierten Kriegshysterie als zurückhaltend oder skeptisch ausmacht, beschimpft er mit den unter zivilisierten Europäern üblichen Vokabeln und erklärt sie für schuldig am Tod seiner Volksgenossen. Wenn in der deutschen Öffentlichkeit zart angemeldet wird, dass es ja irgendwie auch die Gefahr der Eskalation des Krieges zu einem atomaren Weltkrieg gibt, dann hält er dieses Risiko wahlweise für erfunden oder für belanglos. Tenor: Der eigentliche Weltkrieg tobt schon längst, ihr Waschlappen. Mit diesem liebenswerten Dauerauftritt schafft er es, in Deutschland gefeiert zu werden, manchen geht er aber auf den Wecker oder wenigstens manchmal zu weit, und wenn er meint, unsere deutschen Anführer beleidigen zu müssen, dann wird das auch nicht nur gutgeheißen. Tenor: Man kann ihn schon verstehen – schließlich ist der Mann im Kriegsmodus –, aber ... Dass er sich außerdem noch zu einem in den 1930er bis 50er Jahren praktizierenden ukrainischen Faschistenführer als nationalem Helden bekennt, sorgt dann endgültig für Murren, weil deutsche Vergangenheit ...
Melnyk und sein Gastland verstehen sich offenbar prächtig.
Darin nämlich, dass die Ukraine gegen Russland auch einen deutschen Krieg führt. Unter dem überwölbenden Motto „Freiheit oder Russland“ kommen beide darin überein, dass die Ukraine nicht nur für sich und ihre Souveränität kämpft, sondern für die Verteidigung und Rettung des Westens vor dem kriegerisch praktizierten russischen Anspruch auf Koexistenz als Weltmacht neben der NATO, und dass für diesen Zweck Russen und Ukrainer sterben und das schöne ukrainische Land mit seiner schwarzen Erde, den wundervollen Atomkraftwerken und anderen Sehens- und Liebenswürdigkeiten nachhaltig zerstört wird. Dieser Inhalt der deutsch-ukrainischen Völkerfreundschaft bringt gewisse Betonungsunterschiede mit sich, wenn beide Seiten sich dazu gratulieren, dass die Konstellation „Ukrainer führen für den Westen Krieg und der hilft dabei“ so was von notwendig, moralisch erhaben und im Prinzip gelungen ist.
Deutschland meint und praktiziert die Freundschaftsformel so: Es lässt seinen Krieg führen, stattet die Ukraine mit Geld und Waffen aus und unternimmt im Verein mit dem Rest des transatlantischen Wertehaufens auch sonst noch einiges, damit sein Recht auf eine Welt ohne den russischen Störenfried seiner Verwirklichung mit jeder Leiche und jedem kaputten Haus ein bisschen näher kommt. Wie der Westen insgesamt, so ist auch das solidarische Deutschland darauf bedacht und bisher ganz erfolgreich darin, den Krieg in der Weise aktiv am Laufen zu halten, dass es sich ihn gleichzeitig so weit wie möglich vom Halse hält – die berühmten „zwei Flugstunden von Berlin“, um genau zu sein. Zum Dank und zwecks Ermunterung zur Fortsetzung gibt’s aus Berlin die regelmäßigen Gruß- und Glückwunschadressen in Richtung Kiew, die vom tapferen ukrainischen Volk handeln, dem mit unserer Hilfe ein antirussischer Widerstand gelingt, den sich niemand hätte träumen lassen.
Selenskyj und seine Melnyks nehmen Glückwünsche und Waffen gern entgegen, fordern mit Verweis auf ihre Frontstellung im Kampf des Guten gegen den Russenhitler auch immer mehr und sehen sich so dazu befähigt und beflügelt, diesen Kampf tatsächlich als den zu führen, den ihre westlichen Ausstatter so gern beschwören: den Kampf der Ukraine um ihre Souveränität gegen Russland. Was im Verhältnis zum Westen, der der Ukraine überhaupt die militärischen Souveränitätsmittel verschafft, heißt: Wer sein Volk verheizt, der bestimmt auch, wofür es stirbt, worin der Sieg besteht und welchen Frieden er sich schon mal gar nicht gefallen zu lassen braucht. Und, ganz wichtig, gerade angesichts dessen, dass Putin völkermördermäßig darauf herumreitet, dass die Existenz der Ukraine als Land einer Idee der Sowjets entsprungen ist, die ein frommer Russe bis heute nicht versteht: Wer wir Ukrainer sind, die wir für den Westen tapfer sterben, das bestimmen wir schon gleich selbst. Hierfür spielt der seinerzeit umtriebige Juden-, Polen- und Russenhasser Bandera eine ehrenhafte Doppelrolle: Erstens als Erbauung und Anschauung fürs Volk, damit es weiß, was es ist, weil das momentan nun einmal gleichbedeutend ist damit, wofür es sich lohnt, den massenhaften Heldentod zu sterben. Da trifft es sich gut, dass man eine Figur hat, die beweist, dass Ukrainer-Sein schon immer damit zusammengefallen ist, sich um die nationale Selbstausgrenzung aus und Abwehr von anderen Slawenvölkern zu bemühen. Dieses Recht der Ukrainer auf nationale Selbstdefinition halten ihre Führer und Botschafter zweitens auch gegen das Ausland hoch, wenn es vorschreiben will, welche Mordbuben und welche eher nicht die Ukraine zu nationalen Säulenheiligen stilisieren darf, nur weil dieses Ausland die Waffen liefert, die aus dem stolzen Ukrainertum überhaupt eine wirkliche welthistorische Größe, nämlich den bekanntermaßen fürs feindliche Russland so herrlich verlustreichen Krieg machen.
Genau auf eine solche Vorschrift will aber Deutschland hinaus. Natürlich nicht wirklich und schon gar nicht praktisch – aber schön wär’s schon. Denn zum Palaver des Westens vom Guten, Wahren und demokratisch Schönen, das ihn zu seiner strategischen Auseinandersetzung mit Russland treibt und ihm Nachgeben verbietet, passt es nicht gut, wenn es so aussieht, wie es ist: dass der Westen und die Ukraine eher nicht wegen ihrer identischen demokratischen Werte, sondern wegen der wechselseitigen Brauchbarkeit für die Gewalt gegen Russland zusammengefunden haben, die sie aus ganz unterschiedlichen Gründen für unbedingt geboten halten. Darum ist die Verehrung für Bandera in der Ukraine gerade dem antifaschistischen Deutschland mit seiner besonderen Fassung vom großen Ukraine-Westen-gut-Putins-Russland-böse-Gerede ein bisschen peinlich. Denn es verweist ja gern auf seine historischen Großtaten in Sachen Verwüstung ukrainischen und russischen Volks & Bodens und entnimmt dieser bekanntlich vorbildlich bewältigten Vergangenheit im Sinne der richtigen Deutung der Gegenwart neben der Pflicht zum Stellvertreterkrieg gegen Russland noch zweierlei: erstens die Aufgabe, die Moskauer Behauptungen zu widerlegen, bei der Kiewer Regierung handele es sich um eine Bande von Nazis; zweitens die Kompetenz, gemäß der Leitlinie „Von wegen Nazis, selber Nazi!“ Putins Aggression mit der eigenen von vor 80 Jahren gleichzusetzen, den Kremlherrscher also offiziell in die Hitler-Nachfolge einzusetzen. Darum spielt Melnyks Bandera für Deutschland seinerseits eine doppelte Rolle. Im Verschweigen, Kleinreden, Faktenchecken und gelegentlichen Verurteilen des in der Ukraine gepflegten und von Melnyk repräsentierten Bandera-Kults geben die demokratischen deutschen Kriegserklärer erstens ihrem Volk etwas zu verstehen: Es darf weiter an die Legende glauben, dass die neue Großkonfrontation eine Sache der antifaschistischen und demokratischen Werte ist, die uns mit der im Prinzip lupenrein demokratischen Ukraine verbinden; den Herrn Melnyk soll das deutsche Publikum in der Hinsicht einfach nicht als repräsentativ für das ukrainische Volk und seine Asowregimenter betrachten. Und in Richtung Melnyk und seine Kiewer Vorgesetzten eignet sich dieses Kapitel Traditionspflege zweitens eben auch von deutscher Seite aus dafür, mit allem gebotenen Respekt darauf hinzuweisen, dass das, was wir die lieben ukrainischen Freunde führen lassen, dann doch bitte unser Krieg ist.