Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Bild zum 25. Jahrestag des Mauerfalls
Ein Fest für patriotische Betonköpfe
Zu den Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag des Mauerfalls beschenkt die Bild-Zeitung das deutsche Volk mit einer Gratisausgabe in der Auflagenstärke von 42 Millionen. Von allem, was sonst den redaktionellen Alltag bestimmt, nimmt das Blatt demonstrativ Abstand: ob Rentengerechtigkeit, Eurokrise, Gefahren für die innere Sicherheit oder auch das Liebesleben der Prominenz und die Erfolge des deutschen Sports – für einen Tag spielt das alles keine Rolle. Noch nicht einmal die anlässlich der großen patriotischen Sternstunde breitgetretene Debatte über die DDR als „Unrechtsstaat“ oder Wolf Biermanns öffentliche Abkanzelung der Linkspartei im Bundestag sind der Rede wert. Bild feiert mit seiner Leserschaft den großen historischen Augenblick und legt ein buntes Bilderbuch auf.
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Bild zum 25. Jahrestag des Mauerfalls
Ein Fest für patriotische Betonköpfe
Zu den Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag des Mauerfalls beschenkt die Bild-Zeitung das deutsche Volk mit einer Gratisausgabe in der Auflagenstärke von 42 Millionen. Von allem, was sonst den redaktionellen Alltag bestimmt, nimmt das Blatt demonstrativ Abstand: ob Rentengerechtigkeit, Eurokrise, Gefahren für die innere Sicherheit oder auch das Liebesleben der Prominenz und die Erfolge des deutschen Sports – für einen Tag spielt das alles keine Rolle. Noch nicht einmal die anlässlich der großen patriotischen Sternstunde breitgetretene Debatte über die DDR als „Unrechtsstaat“ oder Wolf Biermanns öffentliche Abkanzelung der Linkspartei im Bundestag sind der Rede wert. Bild feiert mit seiner Leserschaft den großen historischen Augenblick und legt ein buntes Bilderbuch auf.
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Gleich auf der Titelseite die – endlich! Endlich! – geborstene Mauer und in gebührend großen Lettern ein Brief an Liebes Deutschland
. Wir grüßen also erst einmal mit Bild unser Land als lieben, vertrauten Bekannten, zu dem wir alle ein durch und durch persönliches Verhältnis haben – und schon geht’s los.
Als erstes verbeugen wir uns mal vor einem
„Denkmal“ – Helmut Kohl
dem Vater der deutschen Einheit
, auf Seite 2 mit halbseitigem Foto:
„Ein Mann im Herbst im Rollstuhl. Wie sein eigenes Denkmal sitzt er da. Allein. In der Stille. Er blickt auf einen schicksalhaften Ort der Deutschen – und sein Lebenswerk.“
Sein Lebenswerk ist die Beseitigung des schrecklichen Bollwerks, der Mauer
. Um dies Lebenswerk des großen Mannes richtig zu würdigen, muss man nicht auf sein Werk schauen – das kennen und lieben wir dank Bild ja schon seit S. 1 –, sondern den Exkanzler erst einmal als Menschen sehen und ehrfürchtig auf ihn schauen, so wie er ganz für sich auf das Sinnbild ehemals deutschen Leidens und endlich gelungener Wiedervereinigung schaut und das Werk, sein Werk genießt: Deutschland – und zwar das ganze große. Von da fällt der Blick dann wie von selbst auf sein Leben. Das ist, kein Wunder, schon wieder ein Denkmal. Da sieht man einen Deutschen, der die kriegsgebeutelten Leidenserfahrungen und Friedenssehnsüchte einer ganzen Generation verkörpert und als geschichtlichen Auftrag versteht, nicht zu ruhen, bis jeder Deutsche im größeren und machtvolleren vereinten Deutschland seinen Frieden gefunden hat. Die Frage beiseite gelassen, warum diese Generation ausgerechnet durch „die Mauer“ an der Verwirklichung ihres Traums von einem Europa, in dem sich die Völker nicht mehr gegenseitig umbringen
, gehindert wurde, erschließt sich zwanglos ein ganzes Kapitel Weltpolitik, in das sich trotz der aktuell zirkulierenden Warnungen vor einem neuen „Kalten Krieg“ keine Silbe über den alten verirrt. Deutschlands Werdegang ist eine konsequente Stufenfolge eines vom Ex-Kanzler unermüdlich vorangetriebenen kollektiven deutschen Friedensdrangs: Die Revision des verlorenen Kriegs, der Aufstieg zu neuer Größe, das alles ist die angemessene Lehre aus dem Leiden und die Erfüllung der Sehnsüchte eines Volks, die immer schon Deutschland und dessen Daniederliegen, also Wiederaufstieg galten – von den Tränen seiner Mutter aus dem zweiten Weltkrieg
über die von Kohl forcierte europäische Einigung
bis zur Wiedervereinigung. Zwar sagt Kohl nichts, aber Bild kennt ohnehin seine Gedanken: historisch bedeutungsschwanger und „reich an Symbolik“ - und wie immer in die richtige Richtung gehend:
„Wenn Helmut Kohl heute Morgen Richtung Westen blickt, ist dieses Bild reich an Symbolik. Vielleicht ist es sogar eine Art politisches Testament... Unser Platz ist in der westlichen Werte- und Kulturgemeinschaft. Da kommen wir her, da gehören wir hin.“
Wir Deutsche sind also endlich in unserer weltgeschichtlichen und geistigen Heimat angekommen und können Deutschlands machtvolle Rolle in Europa und darüberhinaus als solche genießen. Denn mit der Vollendung dieser edlen historische Mission machen wir Deutsche auch den Menschen in ganz Europa ein ganz persönliches Freiheitsgeschenk:
„Am Rand der Absperrung stehen schon die ersten Touristen. Eine von ihnen heißt Ilona. Sie kommt aus Ungarn, sie ist 24 Jahre alt, wurde also ein Jahr nach dem Ende des Eisernen Vorhangs geboren. Den Mann im Rollstuhl erkennt sie nicht. Sie sagt nur: ‚ich hol mit jetzt einen Kaffee bei Starbucks, und nachher geht es zurück nach Ungarn mit dem Bus‘. Für die Selbstverständlichkeit, mit der sie das sagt, möchte man sie umarmen und sich vor Kohl verneigen.“
Ein guter Kaffee aus West für alle auch in Ost, und das sogar ‚to go‘! – nämlich überall hin, wohin man will und wo man zu Hause ist – was will man noch mehr: Das ist Freiheit und man begreift dankbar, was das politische Testament des Einheitskanzlers für jeden Einzelnen bedeutet.
So sind auch die wenigen Worte, die Kohl dann doch noch spricht, in ihrer Schlichtheit einfach anrührend: Es ist kalt.
Da wird einem warm ums deutsche Herz: So groß und doch zugleich so menschlich dieser Mann – eben ein lebendes Denkmal Deutschlands. Davor muss man sich einfach verbeugen.
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Dass die Beseitigung eines ganzen Staats durch seine Eingemeindung in die BRD noch etwas mehr war und anderes erfordert als die historische Vision eines deutschen Kanzlers, die Friedenssehnsucht der deutschen Volksseele und den Freiheitswillen von ein paar hunderttausend kerzentragenden Demonstranten, darüber sieht Bild natürlich nicht hinweg. Das verdanken wir auch
Mr. Gorbatschow und G. Bush, sen.
Ohne sie wäre die Einheit nicht denkbar gewesen
. Was die beiden damals amtierenden mächtigsten Männer der Welt
sonst noch in ihrer Eigenschaft als Staatschefs verfeindeter Systeme im Näheren mit der deutschen Einheit und dem Fall der Mauer zu tun hatten, egal. Jedenfalls halten sie die Reden an das deutsche Volk, die es verdient:
„Glückwunsch an alle Deutschen!“ (Gorbatschow) „Die Mauer wurde umgestoßen von Demonstranten mit Kerzen in den Händen … die nicht mehr hinnehmen wollten, dass sie ihrer gottgegebenen Freiheit beraubt waren.“ (Bush)
So bezeugen die Machthaber von damals die Ehre und historische Bedeutung unseres deutschen Volks, indem sie sich einen Augenblick lang demonstrativ vor ihm ganz klein machen und ihm für seine Jahrhunderttat Respekt zollen. Und die internationale Presse vom „Tag danach“, ein Bild-Rückblick zeigt es, kriegt sich ebenfalls vor Hochachtung vor den Deutschen nicht ein und unterstreicht, welches Geschenk die Deutschen nicht nur sich, sondern der ganzen Welt und freiheitlich gesonnenen Menschheit mit ihrer Wiedervereinigung gemacht haben. Die große Welt würdigt das deutsche Volk: Danke Gorbi, danke Bush, jawohl internationale Öffentlichkeit: In euch erkennen wir unsere Größe! Ihr sagt es ja selber!
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Zeit, endlich einen Blick darauf zu werfen, was das tapfere deutsche Volk der DDR da eigentlich mit seinen Kerzenaufmärschen wegdemonstriert, bzw. wem es da heimgeleuchtet hat. Bild macht einen Hausbesuch:
Hallo Frau Honecker!
Auch wenn er nichts weiß, weiß jeder soviel von dieser Frau: Sie hat mit ihrem Mann die Mauer gebaut, die Helmut Kohl und das DDR-Volk dann zu Fall gebracht haben. Man sieht es ihr heute noch an. Auch sie ist heute ein einsamer Mensch wie der Kanzler der Einheit, freilich im chilenischen Exil, und nicht wegen ihrer historischer Größe, sondern wegen der abgrundtiefen Schlechtigkeit ihres politischen Lebenswerks.
„Als sie die Tür zu ihrem Haus im Nobelstadtteil La Reina öffnet, ist es 10.30 Uhr. Und sie ist noch nicht ganz fertig mit sich: Die zierliche Frau, einst wegen ihrer lila Haare und ihrer berüchtigten Eiseskälte ‚lila Hexe‘ genannt, hat dicke bunte Lockenwickler im Haar! Die Füße in roten Socken (!) und blauen Plastikschuhen.“
Während das deutsche Kanzlermonument noch im Rollstuhl mit jedem Satz und jeder Geste Würde verbreitet, verkörpert die Alt-Stalinistin
nichts als das negative Spiegelbild einer solchen Ausgeburt deutsch-allgemeinmenschlicher und welthistorischer Verantwortung. Das fängt schon damit an, dass sie sich nicht einmal zeitig in Ordnung bringen kann für den Pressetermin, schläft lang, statt in aller Herrgottsfrühe bedeutungsschwanger öffentlich über die Freiheitsträume ihrer Generation oder zumindest ihre Verbrechen gegen dieselben zu sinnieren, geht kaum noch vor dieTür und meidet das Licht der Öffentlichkeit. Nicht einmal ihre pedantisch aufgeräumte Wohnung spricht für einen gesunden Ordnungssinn, sondern ist klinisch
, lässt die Eiseskälte erahnen, mit der sie einst ihr eisernes Regiment als Ministerin für Volksbildung
in der DDR verrichtet hat. Und vor allem will sie über ihren verstorbenen Mann und die Schreckensherrschaft, die sie mit ihm zusammen über ihr Volk gebracht hat, nicht reden, verweigert also der Bild-Leserschaft die fällige Abrechnung mit dem Unrechtregime, samt Mauer, Schießbefehl und Stasi, das sie ganz persönlich – ihre Mauer, ihre DDR! – zu verantworten hat. Aber dank Bild wissen, ja sehen wir es ja an diesem Menschen mit seiner Kälte, starrsinnig bis zum Schluss, randvoll mit erbittertem Hass auf das ganze, auf unser Deutschland: Das ist das untergegangene Un-Deutschland, wie unmenschlich einst, wie klein und hässlich daher sein menschlicher Restbestand.
Und ausgerechnet diese Gestalt genießt in ihrem Exil wie zum Hohn auf die Opfer ihres „Völkergefängnisses“ Privilegien, die das gesunde Gerechtigkeitsempfinden überreichlich strapazieren: 1600 Euro Rente, die ihr der verhasste soziale Einheitsstaat Deutschland überweist
. Wie schon zu Zeiten der DDR hat sie damit mehr als die meisten
, lebt also besser als der deutsche Rentner in seiner Freiheit – und das von unserem Geld! Frau Honeckers Einsamkeit ist dafür die allzu späte, aber nur gerechte Quittung.
„In Chile hat Margot Honecker sie wieder, ihre Mauer: bis zu 2,30 m hoch und grün. Nur kein Wachregiment mehr, nur einen kleinen runden Wachmann... Ein Nachbar spricht es aus: ‚Sie ist gestraft: einsam in einem fremden Land.‘ Ist das die Erkenntnis: dass die meistgehasste Frau der DDR, die nie vor Gericht musste, hier ihre gerechte Strafe erhält?“
Ob das Gerechtigkeit genug ist, überlässt Bild eindeutig-uneindeutig seiner Leserschaft, verschafft ihr aber zumindest die Genugtuung, dass die verbitterte Schreckschraube mit ihrer unwiderruflichen Ausgrenzung aus dem Kollektiv der anständigen Deutschen, das in seiner Heimat für jetzt und alle Zeiten in Freiheit lebt, gestraft ist: Sie ist die letzte Gefangene ihrer DDR
. Recht so!
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Einen ganz anderen Werdegang hat dagegen eine andere Deutsche aus der Zone genommen, auch wenn eingedenk des größten Augenblicks der neueren deutschen Geschichte augenzwinkernd festzuhalten ist,
Wie „Angela Merkel den Mauerfall verschwitzte“
Dieser ganz persönlichen Geschichte widmet Bild mit gebührender dezenter Respektlosigkeit einen Comic. Die Story: müde von einem wegen kommunistischer „Planerfüllung“ „schrecklichen Arbeitstag“ , sich tröstend mit der Erinnerung an den letzten Besuch im Westen bei dem Lebensgefährten und DDR-Forscher
Joachim Sauer, erfährt Merkel in der Sauna, mit Arbeitskolleginnen tratschend über die Hoffnung auf den Demokratischen Sozialismus, vom Mauerfall und beschließt in der Bar: Das müssen Abertausende sein, die zum Übergang gehen. Dann lass uns mal gucken. Prost!
Dann sieht man sie nach Mitternacht irgendwo in Kreuzberg
sitzen, nicht übermäßig begeistert und bewusstseinsmäßig nicht über die Frage hinaus Ob das mit dem demokratischen Sozialismus in der DDR noch was wird?
Dass sie es dann doch noch zur Kanzlerin gebracht hat, zeigt, dass der „Traum“, den Helmut Kohl und das deutsche Volk verwirklicht haben, größer ist als unsere Größten, dass an ihm und durch ihn ein in ihrem Idealismus leicht fehlgeleitetes Mädchen zur Kanzlerin aller Deutschen reifen kann vielleicht gerade wegen ihrer menschlich letztlich sympathischen Art. Immerhin, gezweifelt hat sie an ihrem naiven Ideal, Demokratie und Sozialismus ließen sich irgendwie – und dann auch noch im ehemaligen Unrechtsstaat drüben – vereinbaren, ja schon damals. Das Gute in ihr hat sich dann ja auch ganz schnell durchgesetzt. Und mit wehmütigem Blick aufs Fernsehprogramm, die Pop- und Kinocharts von damals in Ost und West, die durch das Blatt verstreut den Alltag in dieser historischen Stunde ganz nah an den Interessen der Leserschaft noch einmal in Erinnerung rufen, kann so manch einer mit Stolz sagen, dass er „es“ damals vielleicht sogar schon ein bisschen besser wusste, als die spätere Regierungschefin.
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In der patriotischen Feierlaune und aus Dankbarkeit gegenüber dem Geschenk, das Deutschland mit der Erledigung der DDR seinen Ostbürgern gemacht hat, darf man auch mal ein bisschen durchdrehen.
Ein besonders dankbarer Bild-Mitarbeiter-Ost
ruht und rastet nicht, bis er es gegen alle bürokratischen Schwierigkeiten geschafft hat – was? Hören wir ihn selbst, denn das muss er unbedingt loswerden:
„Ich bin Bild-Reporter, seit über 20 Jahren in Ostdeutschland unterwegs. Ich sehe, was sich entwickelt hat, und ich bin dankbar dafür. Deshalb will ich jetzt mein Begrüßungsgeld zurückgeben – umgerechnet 53,13 Euro. GEHT DENN DAS ?“
Der Mann hat sich ins Zeug gelegt, ist von Pontius bis Pilatus gelaufen, bis er endlich bei irgendeiner Behörde sein Geld – zumindest vorläufig – losgeworden ist, weil er Deutschland etwas schuldig ist. Sein Werdegang, seine Karriere bei Bild bezeugen, was jeder gute Ossi Deutschland verdankt: Vom Bettler zum Erfolgsmenschen, der einfach, weil das große, vereinte Deutschland ist, was es ist, werden konnte, was er wurde. Da sind dem Staat dankerfüllt demonstrativ aufgedrängte 53,13 Euro doch eine geradezu wunderbare Metapher für die staatsbürgerliche Gesinnung purer Dankbarkeit, die wir unserem Staat schulden.
So geht es dann dahin. Eingerahmt von humorigen Einsprengseln und den Botschaften einer Anzeigenkundschaft, die sich ebenfalls in patriotischer Feierlaune überbietet – Wir sind das Auto
– eine unaufhörliche Litanei allerpersönlichster Geschichten rund um die Wiedervereinigung. Da ist der sensible Literat, dem seine Besuche in der Hauptstadt der DDR
von der Kindheit bis ins Erwachsenenalter die poetische Laune verdorben haben. Der allgegenwärtige Kellergeruch
, die geschmacksarmen Speisen
, Grenzkontrollen und überhaupt die bedrückende Atmosphäre
sind ihm so schwer aufs Gemüt geschlagen, dass er, der ansonsten seit Kindertagen Griffel und Schreibblock nie aus der Hand legen konnte, drüben einfach Angst hatte, etwas aufzuschreiben
. Er musste nach dem Fall der Mauer schon nach Ostberlin ziehen, um durch das alltägliche Leben und Erleben der Freiheit, die auch da endlich ihr Zuhause gefunden hat, sein Trauma zu bewältigen. Oder zwei erfolgreiche Schauspiel-Grazien, Mutter (Zoni) und Tochter (West), denen im nachgestellten häuslichen und modischen Alltag der DDR ein erleichterter Stoßseufzer entfährt: Unbezahlbar, die sozialistische Gleichmacherei
für immer hinter sich gelassen zu haben, auch wenn sie sich, als Angehörige des unverwüstlich freiheitlichen Menschenschlags deutscher Nation es sich damals trotz DDR und Unterdrückung mit eigenem Einsatz und Erfindungsgeist ganz nett und fast wohnlich gemacht haben in der unwohnlichen kommunistischen Unfreiheit.
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Neben weiteren Glückwünschen aus der Welt der Mächtigen, Reichen und Schönen, die sich vor dem deutschen Volk, also vor jedem Bild-Leser persönlich, ideell verneigen, darf auch
das Symbol unseres nationalen Glücks – die gefallene Mauer
nicht fehlen.
Chefkolumnist Franz-Josef Wagner versteht es, sie zum Sprechen zu bringen. Er versetzt sich in einen imaginären Brocken aus dem unter dem Freiheitsdrang der Deutschen zusammengebrochenen Schandwerk und spricht ihm aus der Seele. Der 9.11.1989 war der Tag, an dem mein Herz aus Beton zerbrach. Dies ist die Geschichte eines Steins. Dieser zerbrochene Mauerstein erzählt die Geschichte der glücklichen Deutschen.
Selbst die Berliner Mauer sehnte sich, Stein für Stein, nach ihrem Fall! Zum Steinerweichen...
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Kurz und erschöpfend bringt Bild den Mauerfall am Ende so auf den Begriff:
Einfach „Wahnsinn“
Jeder, prominent oder von Bild prominent gemacht, hat „seinen Mauerfall“, hat ihn irgendwie persönlich miterleben dürfen, darf berichten, von der Bedeutung, die er dem glücklichsten Moment der jüngeren deutschen Geschichte
(Merkel für alle) in seinem ganz persönlichen Leben als ‚sein persönliches Erlebnis‘ zuschreibt. Dadurch erscheint der Mauerfall von selbst als das, was diesem Sammelsurium von privaten Erinnerungen Empfindungen und Stellungnahmen erst Bedeutsamkeit verleiht: ein von allen politischen Bestimmungen befreites großes Ereignis, an dem ein jeder seinen persönlichen Anteil hat und von dem nichts bleibt als das, was es sein soll – einfach großartig in seiner nationalen Großartigkeit. Den Erfolg des bundesdeutschen Revisionismus, die Beseitigung und Eingemeindung des konkurrierenden Staates, den Machtgewinn der damit endgültig zur europäischen Führungsmacht aufgestiegenen Bundesrepublik darf und soll man mit Bild als private Schicksals- und Glücksstunde nacherleben und nachfeiern, als ein Ereignis, das die Einheit des persönlichen und nationalen Schicksals bezeugt, und das auch auf die, die diesen Umsturz der Machtverhältnisse in Europa miterleben durften, ein wenig abfärbt. Wenn die Herrschaft zu neuer Größe aufsteigt, dann wird damit auch dem Leben in diesem Land und unter dieser Herrschaft Größe verliehen. Dann darf und soll das Volk mit Bild einmal getrennt vom herrschaftlichen Alltag nur dankbar und stolz sein auf dasGlück seiner Herrschaft – und auf sich: als Mensch ganz Deutscher, als Deutscher ganz bei sich, das größer gewordene Deutschland ein einziges Geschenk an ihn: Einfach nationaler „Wahnsinn“.