Kleiner, aber notwendiger Nachtrag zu einer erbaulichen Frage
Worin liegt sie nun, die "historische Bedeutung'' des Michail S. Gorbatschow?

Das Bedürfnis, die Leistungen des letzten Führers der Sowjetunion zu begreifen, ist angesichts des Interesses an seinen großen Worten und mutigen Taten ziemlich bescheiden ausgefallen. So recht will sich von den zeitgeschichtlich bewanderten Auskennern keiner auf die Befassung mit der Materie einlassen, deren Kenntnis allein so etwas wie ein Urteil begründen könnte. Zur Beantwortung der Frage, welchem Staatswesen der gute Mensch vom Kreml eigentlich vorstand, bevor er es in Grund und Boden reformierte, sieht sich niemand veranlaßt. Sachkundig auf diesem Feld ist jeder, der den albernen Bogen vom „maroden System“ über „Gewaltherrschaft“ zur „Gerontokratie“ zu schlagen versteht. Geht es um die außenpolitischen Beziehungen und Konflikte, auf die sich die Sowjetunion eingelassen hat, macht es der Sachverstand noch billiger. Der Fehler, der einem Verbrechen gleichkommt und für den „Ost-West-Konflikt“ verantwortlich war, bestand schlicht darin, daß sich die östliche Weltmacht den weltweiten wie gerechten Ansprüchen von „freedom & democracy“ entgegengestellt hat. Ohne Scheu und mit dem unwidersprechlich guten Grund, daß es dem freien Westen aufgrund seiner Interessen allemal zusteht, überall auf dem Globus nach dem Rechten zu sehen, wird da die „natürliche“ Konsequenz gezogen: Dergleichen ist dem anderen System verwehrt; einschlägige Versuche sind als unzulässige, das heilige Völkerrecht schändende Einmischung zu bekämpfen.

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