Vorbemerkung

Dem Frieden und der Völkerverständigung wird auch in diesem Band nicht das Wort geredet - das Material gab einfach nichts her für den hoffnungsträchtigen Idealismus, der in der Konkurrenz zwisehen Staaten eine Perspektive einvernehmlichen Fortschritts auf der Welt entdeckt. Auch an den "Nebenfronten" der Weltpolitik konnten wir kein Argument dafür finden, daß sich die Völker ausgerechnet ihrer politischen Herrschaften bedienen müßten, um sie den Frieden "sichern" zu lassen.

Aus dem Buch
1981, 1983 | 256 Seiten | vergriffen
Systematischer Katalog

Vorbemerkung

I

Dem Frieden und der Völkerverständigung wird auch in diesem Band nicht das Wort geredet - das Material gab einfach nichts her für den hoffnungsträchtigen Idealismus, der in der Konkurrenz zwisehen Staaten eine Perspektive einvernehmlichen Fortschritts auf der Welt entdeckt. Auch an den "Nebenfronten" der Weltpolitik konnten wir kein Argument dafür finden, daß sich die Völker ausgerechnet ihrer politischen Herrschaften bedienen müßten, um sie den Frieden "sichern" zu lassen. Vielmehr entnehmen wir der tatkräftigen Verwendung des Ideals der "Friedenspolitik" durch diejenigen, die im Namen ihres Volkes die internationalen Händel bis zur "Kriegsgefahr" vorangebracht haben, immer noch die traurige Wahrheit, daß die "friedliebenden Völker" die Manövriermasse der imperialistischen Praxis abgeben. Das mag uns seitens derer, die dem Frieden den Vorzug vor dem Krieg geben, erneut die übliche Schelte einbringen. Dabei könnte schon die bloße Tatsache, daß es noch immer Staatsmänner sind, die die Alternative Krieg oder Frieden auf die Tagesordnung setzen, um sich für "den" Frieden stets zuständig, im "Ernstfall" aber für ohnmächtig halten zu lassen, zu denken geben. Sind es nicht ihre Werke, die zur "Kriegsgefahr" führen, welche dann ganz anonym auf ihr Volk zukommt? Benutzen nicht sie den Reichtum, den fleißige und in Sachen Weltpolitik ganz unbewanderte Bürger tagtäglich in Gestalt von Kapital schaffen, um mit diesem Wachstum den Einfluß der Nation in der Welt geltend zu machen? Gebrauchen nicht sie ihr politisches Mandat, das sie zusätzlich zu den materiellen Diensten von ihrem Volk ganz gratis erhalten, nach innen als dauernden Anspruch auf Vertrauen und Pflichterfüllung, nach außen als wirksame Waffe ihrer Macht? Woher nehmen sie denn die täglich auf den neuesten Stand gebrachte Definition "unserer Interessen", zu deren Verteidigung sie dann die Jugend der Nation ohne Wenn und Aber vereidigen? Was stellen sie denn in ihren außenpolitischen und weltwirtschaftlichen Vertragswerken, Waffengeschäften und Kreditaffären an, daß sie derzeit mit einer Rüstungsanstrengung nach der anderen den Frieden sichern müssen? Warum fallen Fragen dieser Art schon aus dem Rahmen des Erlaubten heraus, den unsere bundesdeutsche Demokratie mit einer offiziellen und einer zwar schwächlichen, dafür aber alternativen Friedenspolitik immer enger steckt?

Offenbar ist der Nationalismus in seiner modernen Durchführung - in den Kreisen der Staatenlenker ebenso wie beim Volk, das die Kosten tragen darf - so erfolgreich wie in seinen ersten Tagen, als er noch als Kampf um Demokratie, Einigkeit und Recht und Freiheit ausgetragen wurde. Seine Wendung nach außen, die sich der gelungenen demokratischen Unterwerfung im Innern so flott bedient, "desillusioniert" seine Opfer nicht, obgleich die ganze Welt selbst für die hoffnungsbesessensten Idealisten des Fortschritts ein einziges Panorama von "Erschütterungen" bereithält, die ihn auf die Zwecke derer hinweisen könnten, die den Gang der Dinge bestimmen und die übrigen zur Kasse bitten. Da erhält sich der Glaube, in der Welt der großen Politik ginge es zugunsten der "Erniedrigten und Beleidigten" um die Verwirklichung der Ideale von Frieden und Freiheit, lieber als Enttäuschung über Rückschläge und Mißgriffe im imperialistischen Gewerbe, als daß er sich aufgibt - ein für die Macher äußerst begrüßenswerter Entschluß. Schließlich wäre die Befassung mit den tatsächlichen Gründen der "Kriegsgefahr", mit den durchgesetzten Zwecken der internationalen Politik der Auftakt zu etwas ganz anderem als dem Friedensgeseufze einer "Linken", die sich das Thema Krieg & Frieden gleich so zu Herzen genommen hat, daß sie begeistert zur Repräsentation des nationalen Gewissens fortgeschritten ist und - getreu ihren antifaschistischen Anläufen vergangener Jahrzehnte - bestenfalls Bomben und Panzer für Kriegsgründe hält.

II

Was die maßgeblichen Nationen der neuen Weltordnung und ihrer Wettbewerbs- und Versöhnungsgesetze zur Vorbereitung und Lösung der "Frage" nach Krieg oder Frieden geleistet haben, ist der Gegenstand dieses Buches. Die USA kommen zwar nicht mehr gesondert vor, da ihre Durchsetzung und Bewährung als Weltmacht Nr. l in Imperialismus 2 gewürdigt wird - dafür aber immer. Daß der Nationalismus von Europas ehemaligen Großmächten - die westdeutsche als Nachfolgestaat des Reiches eingeschlossen - sich in einer Wirtschaftsgemeinschaft samt "europäischer Idee" betätigt, ist nämlich einerseits eine Konsequenz der ihnen aufgeherrschten Unterwerfung, des Gebots, nur im Rahmen der Bündnisinteressen auswärtige Politik zu betreiben, andererseits eine Form der nationalen Behauptung, die aus dem Mit-Machen im NATO-Westen und dem ,Schutz' der Weltpolizei das beste zu machen versucht und dabei zu beachtlichen Ergebnissen gelangt.

Eines der schönsten Ergebnisse, der Osthandel, hat einst als Beitrag zur "Aussöhnung" und Eckpfeiler der "Entspannung" die Gemüter erhitzt. Heute will deswegen auch kein nationales deutsches Gemüt wahrhaben, daß die offizielle Erwägung, ob Polen nicht einen genuinen casus belli abgibt, eine durchaus logische Fortsetzung der Betätigung "unserer Interessen" - kredit- wie freiheitsmäßig - darstellt. Nicht einmal die friedensverlorenen Reste der Linken sind der Überlegung fähig, daß die Geschäfte und ihre politischen Konditionen (einmal waren 125 000 Aussiedler für gewisse Quanta von Import, Export und Kredit im Spiel!) eine gelungene Einheit von Erpressung und Zusammenarbeit zweier Regimes darstellten, die in der Ruinierung von polnischen Proleten ihr Mittel fand. Eher glauben sie an die Not einer polnischen Nation und an die Hilfe des dicken Genscher - sowie an die Kraft der Solidarität mit der ",Solidarität".

Von Röhrengeschäften und Lohnveredelung ist in bezug auf Afrika nicht die Rede. Aber auch "Entwicklungsländer" brauchen Hilfe, "Entwicklungshilfe" eben, die noch jedem Nationalisten moderner Prägung als der passende Inter-Nationalismus einleuchtet. Was Europas Souveräne, die Wirtschaftspotenz ihres Kapitals und die Leistungen ihrer Proleten im Rücken, aus dem "schwarzen Kontinent" gemacht haben, was sie statt Hilfe an Zerstörung von Land und Leuten zuwege brachten samt der lukrativen Beziehungen zum einzigen Staat des Kontinents, in dem es anständige Ausbeutung, aber keine "echte" Demokratie gibt, schien uns einer Untersuchung würdig. Jedenfalls hat sich auf diesem Gebiet die Beteiligung am Imperialismus genauso ausgezahlt wie in östlichen Gauen - und die Opfer dort unten bieten für die menschliche Anteilnahme einen erlesenen Schmaus. Den Anlegern und Spekulanten, ihren demokratischen Herolden aus der Bonner Mannschaft ein Hindernis bei solchen post-kolonialistischen Unternehmungen in den Weg zu legen, ist ohnehin nicht das Anliegen von Freunden der afrikanischen Befreiung, Kultur und Natur. Genausogut wie sich für Frieden als den eigentlichen Zweck der nationalen Politik hierzulande Stimmung machen läßt, wenn diese Politik zur Vorbereitung von Waffengängen schreitet, läßt sich für Entwicklungs- statt Militärhilfe eintreten, wenn die umgekehrte Linie unter amerikanischer Anleitung beschlossen wird.

Das Öl, der Stoff, von dem "unsere Wirtschaft" so abhängig sein sollte, charakterisiert in der Tat die Nationalökonomie einer ganzen Reihe von Staaten und damit die Abhängigkeit dieser Geschöpfe des Weltmarkts. Sie zählten nie als "Entwicklungsländer", sondern als die ,,Reichen" der "Dritten Welt", die in ihrer unersättlichen Geldgier immer mehr für ihr "schwarzes Gold" verlangt haben und "uns" mit unserer Energieversorgung fast an den Rand des Ruins gebracht haben. So war es einerseits gerecht, daß sie wegen ihrer Petrodollars nie "Entwicklungshilfe" gekriegt und nur den Haß aller autofahrenden Weltbürger auf sich gezogen haben - ihre Entwicklung ist nämlich mit dem Status des "Öllands" abgeschlossen -, andererseits werden sie seit neuestem noch ganz anders nützlich gemacht: Das "Recycling" ihrer Gelder, die Sicherung ihrer ölexportierenden Macht durch ihre Erklärung zur Einflußsphäre der NATO, also die reichliche Versorgung mit Waffen hat das Feindbild verblassen lassen. Leider gehört diese "Wende" zu dem unrühmlichen Kapitel Krieg & Frieden - was die längst bekannten Fakten an den Ideologien über erpresserische Ölpotentaten nicht zu ändern vermochten, der Entschluß der USA hat es bewirkt: Auch in Europa werden Saudis und andere nicht mehr als Räuber, sondern als Partner gehandelt. Dabei haben sie sich gar nicht verändern müssen gegenüber den Zeiten der "Energiekrise" - sie sind souverän fungierende Dependancen von westlichen Wirtschafts- und Militärmächten geblichen, und ihre Korrespondenz mit den Ölkonzernen und demokratischen Regierungen Europas ist nie abgerissen.

Schwierigkeiten hat es allerdings im Iran gegeben, wo ein Volk unter religiöser Anleitung zwar keinen Kampf für sich, sondern um eine islamische Republik geführt hat. Eine solche Republik stört die diplomatischen "Spielregeln" im Umgang mit den Weltmächten tatsächlich, muß aber feststellen, daß die "Abhängigkeit vom Öl" anders beschaffen ist, als es in der Ideologie westlicher Wirtschaftsminister den Anschein hat. Am amerikanisch-europäischen Gemeinschaftswerk Persien läßt sich so immerhin ausmachen, unter welchen Bedingungen ein Staat etwas mit seinem "natürlichen Reichtum" anstellen kann: Er muß ihn fristgemäß an der Industrie kundige Nationen verkaufen und sein Volk im Griff haben - andernfalls wird er uninteressant und verkommt zur strategischen Rechengröße.

Nach dieser Devise bemühen sich die Regierungen Brasiliens seit Jahrzehnten, aus der Entwicklung ihres Landes einen weltweit bestaunten Sonderfall von "Unterentwicklung" zu machen. Und das ist ihnen auch gelungen: Der Reichtum der Nation findet weltweit Interessenten vor, deren Kalkulation zwar anderen Vorstellungen entspricht als denen nationalistischer Generäle, umgekehrt aber mit den Projekten noch jeder brasilianischen Regierung gut zusammenging.

Sechs Sonderfälle nationaler Entwicklung - und doch alles nur leichenträchtige Konsequenzen der Sorte internationaler Konkurrenz, die der freie Westen seit dem 2. Weltkrieg gebietet.