Zuschrift zur Veranstaltung
„Falsches rechtes Denken und die verkehrte Kritik daran“

Ich möchte mich auf einen Vortrag von euch beziehen mit dem Titel „Falsches rechtes Denken und die verkehrte Kritik daran“. Der Vortrag beginnt mit der Ansage, dass „die Sorgen der Bürger einmal wirklich ernst [genommen] werden sollen. Anschließend sollten also verschiedene Sprüche und Parolen mal ernsthaft auf ihre Wahrhaftigkeit hin überprüft werden...

Aus der Zeitschrift
Systematischer Katalog
Länder & Abkommen

Zuschrift zur Veranstaltung
„Falsches rechtes Denken und die verkehrte Kritik daran“

Ich möchte mich auf einen Vortrag von euch beziehen mit dem Titel „Falsches rechtes Denken und die verkehrte Kritik daran“. Der Vortrag beginnt mit der Ansage, dass „die Sorgen der Bürger einmal wirklich ernst [genommen]“ werden sollen. Anschließend sollten also verschiedene Sprüche und Parolen mal ernsthaft auf ihre Wahrhaftigkeit hin überprüft werden.

Das passierte in etwa so, dass Sprüche wie: die Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg, mit den Fremden wächst die Kriminalität im Land oder Fremde kriegen alles – wir kriegen nichts so aufgefasst wurden, als seien sie wirklich Klagen über gestohlene Arbeitsplätze, Kriminalität oder staatliche Vernachlässigung. Wobei sie das doch gar nicht sind!

Wenn eine Frau sagt, dass sie nun Angst hat abends in die Innenstadt zu gehen, weil plötzlich (mehr) Ausländer dort sind, dann ist es doch idiotisch ihr zu sagen, dass es doch auch deutsche Kriminelle gibt. Wenn jemand sagt, dass Ausländer den Deutschen („uns“) Arbeitsplätze wegnehmen, dann ist es doch dämlich der Person zu erklären, wer eigentlich Arbeitsplätze schafft, vergibt oder streicht.

Die Personen wollen doch gerade sagen, dass Ausländer nicht nach Deutschland gehören, also kein „Recht“ haben sich auch nur in Deutschland aufzuhalten, geschweige denn ein bürgerliches Leben zu führen. Die Abhandlung des Vortrags behandelt die Aussagen aber so, als ob sie keine Vorurteile von deutschen Patrioten gegenüber nicht-Deutschen – insbesondere islamischer, osteuropäischer und sonstiger armuts-geplagter Herkunft – seien, sondern stattdessen Unkenntnis über Arbeitsplatzvergabe, Sozial-Neid oder Vergessenheit bzgl. deutscher Kriminalität.

Auch die angebliche Logik: Es gibt Verbrecher unter Ausländern, also sind Ausländer Verbrecher ist verkehrt. Es ist doch gerade andersherum: Ausländerfeinde haben schon längst das Urteil, dass Ausländer kriminell sind. Wenn dann ein Verbrechen von einem Ausländer begangen wurde, müssen sie ja nur noch mit dem Finger drauf zeigen oder es gleich auf Facebook posten, mit dem Kommentar: Ich hab’ es euch doch die ganze Zeit schon gesagt!

Aufgrund dieses Urteils (man weiß schon längst, dass Ausländer nicht nach Deutschland passen, also hier nicht hingehören) ist die Frage, ob man wirklich neidisch auf die Behandlung sei, welche die Flüchtlinge erfahren, polemisch und somit null produktiv für die Klärung der eigentlichen Sachlage. Anstelle der Person aufzuweisen, dass sie Ausländer hasst, weil sie eine Einbildung darüber hat, wer Recht und kein Recht hat, unter der einheimischen Herrschaft zu leben, weist man der Person nach, dass die Hilfe für die Flüchtlinge überhaupt nicht schön ist. Das hat die Person ja auch nie behauptet. Behauptet hat die Person, dass die Hilfe den Flüchtlingen nicht zusteht.

Mich würde mal eure Meinung dazu interessieren. Findet ihr, dass ich recht habe, oder findet ihr die Vorgehensweise bei dem Vortrag gut?

Antwort der Redaktion

Deiner Schilderung unserer Veranstaltung entnehmen wir, dass du nicht mitbekommen hast, was mit der „Vorgehensweise“ des Vortrages überhaupt beabsichtigt und geleistet wurde: Erwartet hast du offenbar eine Abhandlung darüber, was Rechtsradikale für welche sind, warum sie so hässlich und hasserfüllt über Fremde denken und herziehen, – einen Vortrag, dessen Quintessenz du schon weißt und in der Fassung: „weil sie eine Einbildung darüber haben, wer Recht und kein Recht hat, unter der einheimischen Herrschaft zu leben“ zu der Veranstaltung schon mitbringst. Diese Erwartung ist enttäuscht worden; und das ist auch gut so. Es sollte nämlich nicht um die Erklärung der Herkunft rechtsradikaler Urteile gehen, deren Falschheit und Parteilichkeit – ‚unter uns‘ – als selbstverständlich unterstellt ist. Übrigens auch nicht um einen Triumph im rhetorischen Kräftemessen mit den Vertretern solcher Auffassungen, sondern um deren Kritik. Dazu muss man sie, da hilft nun einmal nichts, als das ernst nehmen, was sie sind: verkehrte Urteile über die Welt – an all den Stellen, die da jeweils aufs Korn genommen werden.

Du meinst, das lohnt sich nicht – „idiotisch“, „dämlich“ –, weil „die Personen“ mit ihren Sprüchen über Fremde und Arbeitsplätze oder Kriminalität „doch gerade sagen“ wollen, „dass Ausländer nicht nach Deutschland gehören, also kein ‚Recht‘ haben ... ein bürgerliches Leben zu führen“. Letzteres wird schon so sein. Aber der Verweis auf weggenommene Arbeitsplätze oder gewachsene Kriminalität dient solchen „Personen“ doch als Argument, warum Ausländern ein solches ‚Recht‘ nicht zusteht. Soll man das einfach übergehen, nach dem Motto: Die meinen doch sowieso bloß ‚Ausländer raus!‘? Man muss sich ja keinen prompten durchschlagenden Erfolg von dem Nachweis versprechen, dass das angegebene Argument den zweifellos gemeinten Schluss gar nicht hergibt. Aber ist es denn deswegen überflüssig – und „dämlich“ – vorzuführen, dass der Zusammenschluss von entgangenem oder gekündigtem Arbeitsplatz oder von Kriminalität mit einem Schuldspruch über Ausländer alles ausblendet, was ein jeder, auch ein Rechter, in seiner Eigenschaft als Mitglied der bürgerlichen Konkurrenzgesellschaft und Rechtsgemeinde kennt und besser weiß? Du brauchst dich doch nur daran zu erinnern, dass auch ganz viele gar nicht rechtsradikale Zeitgenossen sich von solchen gedanklichen Kurzschlüssen beeindrucken lassen und lieber zu Entschuldigungen greifen – ‚sind doch gar nicht so oft kriminell‘, ‚nehmen doch nur ganz wenige Arbeitsplätze weg, die sowieso kein Deutscher haben will‘, usw.: Es ist eben notwendig, die räsonierende Menschheit daran zu erinnern, dass sie es eigentlich besser weiß – und was für eine Dummheit, d.h. wie verkehrt es ist, Drangsale des Arbeitslebens als Schuldfrage, Wirkungen des Systems der Konkurrenz als Übergriff von Konkurrenten aufzufassen oder auch die Übergänge von Privatleuten zur Gewalt, die dem bürgerlichen Leben als verbotene Ausnahmen eigen sind, ‚den Fremden‘ als ihre Eigenart zur Last zu legen. Nur so kriegt man doch auch – nicht nur die bloße Behauptung, sondern – den klaren Schluss hin, dass nicht irgendein entschuldbarer Irrtum oder eine verkehrte Statistik den Grund für ausländerfeindliche Urteile und Einstellungen hergeben, sondern ein Rechtsbewusstsein, das in der Weise, wie es sich vorträgt, gar nicht aus einer korrekten Beurteilung irgendwelcher Lebensverhältnisse hervorgeht, sondern das sich mit Zitaten aus dem bürgerlichen Alltag bebildert und rechtfertigt. Also: Wenn schon – allenthalben, nicht nur bei bekennenden Nationalisten – Wirkungen der kapitalistischen Konkurrenz oder der sozialstaatlichen Armutsbetreuung mit der Fremdheit von Zeitgenossen, die noch ganz anders unter denselben Wirkungen leiden, in einen Topf geworfen werden – und sogar ausgerechnet deswegen, weil der Arbeitsmarkt oder der Sozialstaat die Fremden teilweise in dieselben Lebensumstände versetzt, dann halten wir es jedenfalls für bitter nötig, beides mal ordentlich zu unterscheiden. Nötig, um eventuell nachdenkende Patrioten in ihrer Xenophobie zu irritieren, um eventuell mitdenkende Gegner des Ausländerhasses von falschen, beschwichtigenden Gegenargumenten abzubringen; und um sich selbst erst einmal das Rechtsbewusstsein fremdenfeindlicher Bürger klarzumachen und der Frage weiter nachzugehen, welche Weltanschauung da am Werk ist und wie es dazu kommt, dass ansonsten herzensgute Familienväter zu dem Übergang fähig und bereit sind, Menschen zu verdreschen, ideell und auch wirklich, die und weil sie ihnen fremd vorkommen.

Sicher, für eine solche Unterscheidung braucht es keine Belehrung über die politische Ökonomie des modernen Arbeitsplatzes oder über den Zusammenhang zwischen bürgerlichem Rechtsanspruchsbewusstsein und Verbrechen. Was es aber durchaus braucht, das ist, wie gesagt, die Kritik an den Begründungen, die Ausländerfeinde, gerne in Parolenform, für ihren Standpunkt hören lassen – und die im Übrigen ja auch bei all den wohlmeinenden Mitbürgern Verständnis finden, die Fremdenhassern ‚Angst vor dem sozialen Abstieg‘ als nachvollziehbaren Grund für ihre Einstellung attestieren. Die Erwartung, dass man damit einer politischen Gesinnung beikommt, die sich schon zum praktischen Gefühl verfestigt hat, wäre sicher „dämlich“. Um sich und eventuell mitdenkenden Zuhörern Klarheit darüber zu verschaffen, womit man es da zu tun, was für eine verkehrte Weltsicht man sich da zu erklären hat, erscheint uns die Destruktion der Urteile, in denen diese Weltsicht sich äußert, aber unerlässlich. Anders kommt man – kommst auch du! – nie auch nur in die Nähe eines begründeten Urteils über die besondere Variante affirmativer staatsbürgerlicher Gesinnung, die die Anwesenheit von Fremden nicht aushalten will.

Wir wollen dir aber nicht bloß nachträglich zu einem bessern Verständnis der „Vorgehensweise“ des von dir besuchten Vortrags verhelfen, sondern auch eine Kritik an deinem Alternativvorschlag zukommen lassen. Man hätte, meinst du, „der Person aufzuweisen, dass sie Ausländer hasst, weil sie eine Einbildung darüber hat, wer Recht und kein Recht hat, unter der einheimischen Herrschaft zu leben...“ Da lässt du erstens offen, wie ein solcher „Aufweis“ denn anders als durch die Destruktion der von der „Person“ vorgebrachten Argumente in Gang kommen soll oder überhaupt in Gang kommen könnte. Du tust gerade so, als hätte die Gesinnung der Rechtsradikalen mit den verkehrten Urteilen über die Welt, die sie in ihren Parolen herausschreien, sowieso gar nichts zu tun. Deswegen beschränkt sich der „Aufweis“, den du für angesagt gehalten hättest, auch zweitens auf eine sehr abstrakte Zusammenfassung des Rechtsbewusstseins, das ein Rechtsradikaler, woher und warum auch immer, deiner Meinung nach hat, und die Kennzeichnung dieses Bewusstseins als „Einbildung“, was für dich offenbar schon hinreicht, um dich der Verkehrtheit und Haltlosigkeit dieses Rechtsstandpunkts zu versichern. Du beantragst also, so als wäre das die passende Kritik falschen Bewusstseins, dessen Konfrontation mit einer begründungslosen Belehrung darüber, dass es nichts taugt. Von einer solchen „Vorgehensweise“ halten wir jedenfalls gar nichts.