Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
„Union-busting“
Ein modernes Dienstleistungsunternehmen bereinigt die letzten Reste gewerkschaftlicher Umtriebigkeit
Auch wenn amerikanische Gewerkschaften durch Mafia und Staatsgewalt zivilisiert wurden und sich allenthalben im täglichen Kleinkrieg zwischen Kapital und Arbeit darum sorgen, dass alle Rechte gewahrt bleiben, die Arbeiter haben – selbst das ist Kapitalisten noch zu viel Beschränkung ihrer unternehmerischen Freiheit. So boomen Unternehmen, die versprechen, diesen Gewerkschaften den Garaus zu machen.
Aus der Zeitschrift
Teilen
Systematischer Katalog
Länder & Abkommen
„Union-busting“
Ein modernes
Dienstleistungsunternehmen bereinigt die letzten Reste
gewerkschaftlicher Umtriebigkeit
Nach einem Bericht des ‚Observer‘ hat sich in den USA ein Milliarden Dollar schwerer Geschäftszweig eingerichtet, der auf „union-busting“, auf das Zerschlagen von Gewerkschaften spezialisiert ist. Nachdem die britische Regierung per Gesetz Firmen dazu verpflichtet, Gewerkschaften als Verhandlungspartner anzuerkennen, wenn 40% der Belegschaft dies in geheimer Abstimmung befürworten, wollen die union-buster ihr Geschäft auf Großbritannien ausdehnen. Daher stellt der ‚Observer‘ seinem Publikum das Gewerbe vor, mit dem sich in unserer modernen Dienstleistungsgesellschaft ausgezeichnet verdienen läßt: Union-buster arrangieren Zusammenkünfte zwischen einzelnen Beschäftigten und der Betriebsleitung. Auf denen wird ihnen nahegelegt, sich den Beitritt zur Gewerkschaft gut zu überlegen, weil sie mit ihm unweigerlich ihren Arbeitsplatz gefährden. Zusätzlichen Nachdruck verleihen sie ihrer Überzeugungsarbeit, indem sie Familienangehörigen von Gewerkschaftsanhängern persönlich oder per Telefon dieselbe Botschaft zukommen lassen. Auf Seminaren werden Unternehmen mit sachdienlichen Hinweisen vertraut gemacht, wie man gewerkschaftlichen Umtrieben in der Belegschaft schon im Vorfeld auf die Spur kommt. Indizien dafür liegen vor, wenn Beschäftigte sich in Zweier- und Dreiergruppen versammeln und ihr Gespräch beenden, wenn sich ein Manager nähert; wenn sich zwischen den Beschäftigten merkwürdige Beziehungen entwickeln, sie z.B. regelmäßige Treffen oder Kneipenabende veranstalten, ohne ihre Manager einzuladen; wenn in ihre Unterhaltung ein neues Vokabular Einzug hält und sie plötzlich von ‚Beschwerde‘ reden und sich für Dinge wie ‚Sicherheit des Arbeitsplatzes‘ interessieren usw…
Dieses Gewerbe ist unzweifelhaft dem „Geist der Freiheit“ zu verdanken, den „nur ein Land atmet, das freie Gewerkschaften zuläßt“, wie die US-Außenministerin jüngst den Chinesen erläuterte. Die muß wissen, wovon sie redet, denn lange und beschwerlich genug war der Weg nun wirklich bis zu dieser zivilisierten, absolut gewaltfreien, nur mit ein bißchen Ausspionieren und Einschüchtern verbundenen und als ganz legale Dienstleistung organisierten Manier, gewerkschaftliche Aktivitäten schon vor ihrem Stattfinden zu ersticken. Ganz früh waren im Mutterland aller Freiheit Gewerkschaften ja bekanntlich eher nicht „frei“, sondern generell verboten; wer sich für ihre Legalisierung einsetzte, riskierte einiges, manche bezahlten mit ihrem Leben dafür. Unmittelbar nach ihrer dann doch erstrittenen Anerkennung von Staats und Rechts wegen bekamen die Gewerkschaften dann gleich wieder zu spüren, daß alle Fragen, die das Lohnarbeitsverhältnis betreffen, in letzter Instanz Machtfragen sind und als solche von ihren Kontrahenten auch begriffen und praktisch entschieden werden. Arbeitsteilig trugen die Privatgewalt der alten Union-busters von der Mafia auf der einen und die öffentliche Rechtsgewalt des Staates auf der anderen Seite für die engen Grenzen Sorge, in denen sich der gewerkschaftliche Einsatz für Arbeiterinteressen zu halten hatte. Innerhalb derer, die offiziell galten, war sogar Streiken erlaubt. Wie eng diese Grenzen sind, war Ermessensfrage des amerikanischen Präsidenten; und der hat in historischer Stunde im Fall der streikenden Fluglotsen klargestellt, daß die Lahmlegung des inneramerikanischen Luftverkehrs ein Verbrechen gegen den Staat ist, die Gewerkschaft entsprechend als kriminelle Vereinigung behandelt und den Niedergang der Macht der Unions in den USA vorangebracht.
Doch immerhin: Ein für die Gewerkschaften positives Ergebnis kam über den permanenten Klassenkampf schon zustande, der einseitig und von oben gegen sie geführt wurde. Die mußten einfach nur alles, was ihnen da an arbeits- oder anderen rechtlichen Bedingungen ihrer eigenen Betätigung gewährt wurde, nicht als die definitive Festlegung und Beschränkung dessen nehmen, was im Rahmen einer Vertretung von Arbeiterinteressen allenfalls geht und was nicht, sondern sich stur positiv auf ihre nunmehr im Prinzip ja anerkannte Geschäftsgrundlage beziehen und diese praktisch nutzen: Schon durften sie sich innerhalb eines insgesamt unter staatliche Rechtsaufsicht gestellten Arbeitslebens als eigenständige Vereine ganz speziell um die Belange der Arbeiterschaft kümmern und sich im alltäglichen Kleinkrieg zwischen Kapital und Arbeit darum sorgen, daß alle Rechte gewahrt bleiben, die auch Lohnarbeiter haben. Spätestens seitdem verraten diese Unions ihren ursprünglichen Gründungszweck bloß noch in ihrem Namen. Sie sind keine Koalition, die Arbeiter zum Zweck der Bildung einer wirksamen Gegenmacht gegen die des Kapitals eingehen, sondern sprechen ihre Klientel als Kreis von Betroffenen an, die dem freien Schalten und Walten von Unternehmern generell ohnmächtig gegenüberstehen, sich deswegen allerdings nicht immer gleich alles bieten lassen müssen: Als Verein zur Versicherung gegen unfaire Unternehmerpraktiken stellen sie sich auf und werben ihre Mitglieder mit dem Argument, daß angesichts der Wechselfälle, die das Arbeitsleben so mit sich bringt, die Zugehörigkeit zu einem Team doch nicht schaden könne, das sich in den Paragraphen des Arbeitsrechts auskennt.
Kapitalisten aber entdecken offenbar sogar in solchen Gewerkschaften noch viel zu viel Beschränkung ihrer unternehmerischen Freiheit, und die Aussicht, sich gegen Zahlung eines Entgelts alle irgendwie doch lästigen gewerkschaftlichen Umtriebe erfolgreich vom Hals zu schaffen, ist da schon sehr verlockend. Auch nach der anderen Seite hin ist der Geschäftserfolg dieser Union-busters kein großes Rätsel. Die holen die Arbeiter ganz genau an dem Punkt ab, auf den die Gewerkschaften die Vertretung von Arbeiterinteressen heruntergebracht haben. Die billige Berechnung, sich über die Mitgliedschaft in einem Verein zur Förderung eines rechtlich nicht zu beanstandenden Arbeitslebens Unannehmlichkeiten an seinem eigenen Arbeitsplatz zu ersparen, durchkreuzen die miesen Schnüffler auf nicht minder billige Weise. Streng marktwirtschaftlich dämpfen sie die Nachfrage nach gewerkschaftlichem Rechts- und anderem Beistand, indem sie den Preis konkurrenzlos hochsetzen, der für sie zu entrichten sein könnte. Und da es für den Verlust ausgerechnet des Gutes, das Arbeitern das höchste ist, keine Versicherung gibt, nehmen viele ihren Arbeitsplatz dann doch lieber einfach so und ohne gewerkschaftliche Dauerbetreuung in Kauf. Wenn sie ihn dann verlieren, haben sie sich wenigstens nichts vorzuwerfen.