Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
USA erledigen Usama bin Ladin:
Triumph und Nutzen gerechter Gewalt
Anfang Mai fliegt eine amerikanische Eliteeinheit mit Hubschraubern von Afghanistan aus nach Pakistan, überfällt das pakistanische Versteck Usama bin Ladins, tötet ihn und versenkt die Leiche ruckzuck im Meer. Ab da beginnt eine Aufbereitung dieses kleinen Blutbades, die beeindruckt: Von der mitternächtlichen Rede des Präsidenten angefangen; über die Veröffentlichung des Fotos, das die tatkräftigen Männer und Frauen aus dem engsten politischen und militärischen US-Führungskreis bei der Live-Übertragung der Kommandoaktion zeigt; über das gezielte Durchsickern-Lassen allermöglicher Details der Aktion und ihrer Vorbereitung bis hin zur anonymen Auszeichnung der an der Aktion beteiligten Navy-SEALS: Die Öffentlichkeit bekommt die Militäraktion in einer Weise inszeniert und serviert, die jedes Klischee eines Hollywood-Actionfilmes erfüllt. Das kommt an.
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USA erledigen Usama bin Ladin:
Triumph
und Nutzen gerechter Gewalt
Anfang Mai fliegt eine amerikanische Eliteeinheit mit Hubschraubern von Afghanistan aus nach Pakistan, überfällt das pakistanische Versteck Usama bin Ladins, tötet ihn und versenkt die Leiche ruckzuck im Meer. Ab da beginnt eine Aufbereitung dieses kleinen Blutbades, die beeindruckt: Von der mitternächtlichen Rede des Präsidenten angefangen; über die Veröffentlichung des Fotos, das die tatkräftigen Männer und Frauen aus dem engsten politischen und militärischen US-Führungskreis bei der Live-Übertragung der Kommandoaktion zeigt; über das gezielte Durchsickern-Lassen allermöglicher Details der Aktion und ihrer Vorbereitung bis hin zur anonymen Auszeichnung der an der Aktion beteiligten Navy-SEALS: Die Öffentlichkeit bekommt die Militäraktion in einer Weise inszeniert und serviert, die jedes Klischee eines Hollywood-Actionfilmes erfüllt. Das kommt an.
US-Patrioten verstehen die Botschaft ihres Präsidenten schon mit dem ersten Satz und beginnen, noch während der Präsident redet, im ganzen Land eine gigantische Freudenfeier. Offenbar haben diese amerikanischen Bürger den Führer einer Truppe, die sich dem Krieg gegen die USA verschworen hat, zu ihrem persönlichen Feind erklärt. Die hatte es vor bald 10 Jahren geschafft, den USA mittels entführter Flugzeuge anderthalb Zentren und Symbole ihrer Militär- und Finanzmacht kaputt zu machen. Dem Grad der Genugtuung, die sich nach dem Tod des Al-Qaida-Anführers in allen intellektuellen und ganz bodenständig besoffenen Formen austobt, ist zu entnehmen, wie tief die Beleidigung gesessen hat, die Amerika und alle seine Patrioten darüber empfunden haben. Dass erstens überhaupt jemand auf die Idee kommt, zweitens praktisch versucht und es ihm drittens auch noch gelingt, einen echten quasi-militärischen Schlag gegen die Supermacht auf ihrem eigenen Territorium zu führen – das ist freilich eine Demütigung für den amerikanischen Supermachtsstolz, der die globale Überlegenheit amerikanischer Vernichtungsmacht mit der moralischen Güte ihrer ‚Mission‘ identifiziert und in das Recht Amerikas übersetzt, bei allen Kriegen, die es auf der Welt führt, im wörtlichen Sinn unverletzbar zu bleiben. Für amerikanische Patrioten passt es daher bruchlos zusammen, das Recht amerikanischer Militärmacht auf überlegenes Kriegführen auf dem Globus zu fordern und zu feiern, und das für so grundgut und von jedem Erdenbürger geteilt zu halten, dass sie sich – z.B. nach 9/11 – allen Ernstes und völlig fassungslos fragen, woher in aller Welt diese Feindseligkeit gegen Amerika kommt. Und darum hat zwischen die Führung der USA und ihr Volk auch noch nie ein Blatt Papier bezüglich dessen gepasst, dass die Anschläge vom September 2001 und das anschließende 10-jährige ‚Versteckspiel‘ des Anführers von Al-Qaida ein unerträgliches Unrecht waren – und damit zugleich eine einzige Herausforderung an die USA, ihre Gewalt dafür einzusetzen, es zu sühnen. Diese Rache ist der Weltmacht jetzt gelungen und damit haben ihre Patrioten die Gelegenheit, die dafür unternommene Militäraktion in all der Verrohtheit zu genießen, die dazugehört: Für wen amerikanische per definitionem gerechte Gewalt ist, für den ist die Gewalt dann auch das unmittelbar empfundene Vergnügen am Vollzug der Gerechtigkeit.
Die Kritik daran, dass Amerika sich so überschwänglich an seiner überlegenen Gewaltausübung zwecks Sühne des größten anzunehmenden Unrechts berauscht, bleibt einerseits nicht aus, erfüllt andererseits aber den Tatbestand geschmäcklerischer Nörgelei: Wer dem US-amerikanischen Patriotismus mangelnde Zivilisiertheit vorwirft, wer ob der Verletzung so mancher geschriebener oder ungeschriebener Gesetze des Völkerrechts oder der islamischen Religion bedenklich mit dem Kopf wackelt, der ignoriert nämlich, welches Subjekt hier zugeschlagen und nicht nur dem eigenen Volk, sondern dem ganzen Rest der Welt mal wieder eine Botschaft übermittelt hat. Zum Status einer militärischen Supermacht, die für sich beansprucht, die einzige zu sein, gehört solche Form der Gewaltausübung nämlich dazu, ja darin besteht geradezu, was die USA von ihren Konkurrenten und Feinden unterscheidet: Sie üben ihre Gewalt überall auf dem Globus nicht nur mit totaler Überlegenheit aus, sondern als das sich selbst zugesprochene Recht, unter das die anderen sich zu beugen haben. Ihre Überlegenheit über Gegner wie al-Qaida halten die USA an diesen als deren Terrorismus, also deren völlige Rechtlosigkeit und Unwürdigkeit fest. Und letztere praktizieren sie als die Vogelfreiheit ihrer Führer und Aktivisten, die über den ganzen Globus gejagt und – nicht besiegt, sondern: – zur Strecke gebracht werden, also nirgendwo, d.h. in keinem souveränen Staat der Erde mehr sicher sind. Damit ist umgekehrt kein souveräner Staat mehr vor der amerikanischen Strafgewalt sicher, wenn er an deren Terrorismusverdikt Bedenken anmeldet oder diese gar praktisch vollzieht. Das ist die bleibende Basis und Bedingung für alles, was die USA an Anerkennung anderer Staaten und zivilem Umgang mit ihnen einzugehen bereit sind. So funktional ist die rücksichtslos rächende Gewalt für den Imperialismus der USA.