Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Kaliningrad
Dumm gelaufen für Russland. Die EU-Erweiterung schließt ein Stück russisches Staatsgebiet samt Militärstützpunkt ein

Entgegen den Hoffnungen Russlands, von der EU-Erweiterung ökonomisch zu profitieren, eröffnet die EU eine Auseinandersetzung um den Status der Exklave Königsberg, um ihre Ansprüche auf die strategische Inbesitznahme des Ostseeraums voranzutreiben. Sie versucht daher mit ihren politischen und ökonomischen Potenzen, die Lage in Kaliningrad für Russland ökonomisch, politisch und militärisch unhaltbar zu machen.

Aus der Zeitschrift
Systematischer Katalog
Länder & Abkommen

Kaliningrad
Dumm gelaufen für Russland.
Die EU-Erweiterung schließt ein Stück russisches Staatsgebiet samt Militärstützpunkt ein

Diverse Gespräche zwischen Vertretern Russlands und der EU über den Fall Kaliningrad enden im Sommer ohne Ergebnis. Nach einem letzten Treffen in Brüssel lässt die Kommission mitteilen,

„dass von Verhandlungen keine Rede sein könne. Bisher sei mit Russland eine in die Einzelheiten gehende Erörterung der praktischen und technischen Fragen nicht möglich, weil es sich auf eine politische Argumentation versteife. Moskau müsse daher klargemacht werden, dass die EU in der Prinzipienfrage nicht so flexibel sein könne, wie man dort vielleicht glaube.“ (FAZ, 25.07.02)

Ein origineller Einfall, dass „eine politische Argumentation“ in der Politik nichts zu suchen hat. Das soll aber der Grund sein, weshalb man nicht vorankommt: Die Russen kommen uns politisch, statt sich endlich mal auf die Sache einzulassen. Und was ist die Sache, die Europa da für sich in Anspruch nimmt? Eine „Prinzipienfrage“, der EU-Standpunkt nämlich,

„dass das Prinzip der gleichen Anwendung des gemeinsamen rechtlichen Besitzstandes der Gemeinschaft nicht aufgegeben werden könne.“

Der Besitzstand, um den es hier geht, heißt Schengener Abkommen. Polen und Litauen wollen zum Beweis ihrer Beitrittsqualitäten das europäische Grenzregime schon ab 2003 einführen, was Brüssel selbstverständlich nur begrüßen kann, weil es auch an dieser Grenze steigenden Kontrollbedarf anmeldet. Dass sich die EU alle möglichen Ausnahmen, Übergangs- und Sonderregelungen intern und gegenüber anderen Staaten geleistet hat und leistet, wenn es in ihrem Interesse liegt, zählt hier nicht. In diesem Fall „kann“ sie kein Jota von ihren Prinzipien abgehen, weil sie nicht will. Mit der herablassenden Unterscheidung, wer hier politisch, also unvernünftig, und wer sachlich, also vernünftig zu Werke geht, teilt die Kommission mit, dass sie über die russischen Interessen, die in dem Gebiet unter die Räder kommen, nicht zu verhandeln gedenkt. Dass Europa das eigene Interesse so unverfroren zur Sache erklärt, an der die andere Seite nicht vorbei kann, wirft ein Licht darauf, wie man in Brüssel das Kräfteverhältnis zwischen sich und Russland ansieht – und zwar in doppelter Hinsicht: Was sich da alles schon verschoben hat und wohin man es weiter verschieben möchte.

1. Die Sache – das ist die strategische Neuordnung des Ostseeraums, die die EU schon sehr weitgehend geregelt hat, weshalb es ihr auch „nur“ noch um deren Fertigstellung geht: Kaliningrad gerät zur russischen Exklave in der EU, weil die EU – ganz sachlich – die Ostseeküste bis kurz vor St.Petersburg besetzt und Russland als Ostseemacht dementsprechend zurückdrängt.

Schließlich hat Europa die Auflösung der östlichen Bündnisse und der Sowjetunion als Gelegenheit begriffen und diese mit Entschiedenheit wahrgenommen, sich Mitteleuropa und Teile der alten Sowjetunion einzuverleiben. Und weil einerseits die europäische Landnahme auf dem Weg über den Beitrittswunsch der dort beheimateten Staaten geschieht und die Emanzipationswünsche kleiner unschuldiger Staaten Europa ja bekanntlich ein Befehl sind, weil andererseits Russland laut europäischer Lesart ein für alle Mal auf seine Interessen und sein Recht auf Einfluss in der Sphäre verzichtet hat – alles andere wäre ja der böse Rückfall –, präsentiert Europa jetzt die Fertigstellung dieser Landnahme wie einen Sachzwang. Schließlich ist die Entwertung von Kaliningrad als strategischer Vorposten, Hauptquartier der baltischen Flotte und vorgeschobener Raketenstützpunkt schon dadurch passiert, dass der Unterhalt dieser russischen Position auf dem Landweg nach der Verselbständigung der baltischen Republiken über fremdes Hoheitsgebiet, d.h. im Einvernehmen mit den dortigen, bekanntlich wenig russenfreundlichen Obrigkeiten abgewickelt werden muss. Und deshalb besteht die EU darauf, dass der bereits geschehene Machtverlust Russland doch wohl dazu verpflichtet, weitere Verluste als unvermeidliche Konsequenz hinzunehmen, d.h. zu dulden, dass nun die EU dort ein Grenzregime ganz nach ihren Interessen und anspruchsvollen Maßstäben errichtet. Wenn Russland sich jetzt „auf die politische Argumentation versteift“, dass das Grenzregime seinen Bedarf an notwendigen Verbindungen zwischen Mutterland und Exklave zu respektieren hätte, erklärt Europa solche Anträge für indiskutabel.

2. Der Status einer Exklave ist das eine; wie das künftige Umland Europa den Fall behandelt, das andere: Man sorgt nämlich dafür, die Lage dort unhaltbar zu machen, in allen Abteilungen: ökonomisch, politisch und militärisch.

Ökonomisch wird das Gebiet spätestens mit dem endgültigen Beitritt von Polen und Litauen von seinen bisherigen Lebensmitteln abgeschnitten: Die Stromversorgung, die bislang noch via Litauen über das alte sowjetische Versorgungsnetz erfolgt, wird mit dem geplanten Anschluss Litauens an das europäische Stromnetz abgestellt. Die künftige Euro-Grenze zwischen dem Gebiet und seinem Umland unterbindet den – in der menschenfreundlichen Bilderwelt der Wirtschaftsjournalisten so benannten – „Ameisenhandel“, mit dem nicht unbeträchtliche Teile der Bevölkerung der Exklave wie auch der Nachbarstaaten bislang ihr Überleben bewerkstelligen: Die EU kennt nämlich allerhand technische Normen und Standards, die alle Güter erfüllen müssen, die auf EU-Märkten in Erscheinung treten wollen.

Europa droht, wiederum ganz sachlich, mit seiner Schengen-Grenze Kaliningrad zu einem enormen ökonomischen Schadensfall für Russland auszugestalten – es sei denn, Russland beugt sich und tritt die Ausübung seiner Hoheit auf dem Gebiet in solchen Fragen wie Stromversorgung und Handelsreglementierung an die EU ab: Kaliningrad könnte zum mitteleuropäischen Stromnetz übergehen und sich in die energiepolitische Abhängigkeit und Zahlungspflichtigkeit der EU gegenüber begeben. Genauso gut könnte es sich von den russischen Normen ab- und an die EU-Normen ankoppeln:

„Da das Gebiet in hohem Maße vom Handel mit den Nachbarregionen abhängt, dürfte es daran interessiert sein, die in der EU geltenden technischen Normen und Standards zu übernehmen, damit es diesen besseren Marktzugang voll nutzen kann.“ (Mitteilung der Kommission an den Rat, Die Europäische Union und das Kaliningrader Gebiet, 17.01.01)

Die EU macht sich den mit dem Einzug der Marktwirtschaft eingetretenen Ruin zunutze, indem sie sich mit ein paar Hilfsmitteln als Schutzpatron der notleidenden Wirtschaft ins Spiel bringt (andere Gelder werden samt Justus Frantz zum Zweck der Rettung deutscher Kulturgüter dorthin geleitet, selbstverständlich auf Grund völlig privater Initiativen); die EU droht mit weiterem Ruin durch die Abschnürung des Gebiets, sollte sich die Moskauer Regierung in der Grenzfrage nicht einsichtig zeigen, und winkt mit der Aussicht auf einen de facto Anschluss, durch den die Exklave unweigerlich auch Zugang zum EU-Wohlstand finden wird… – um die Insassen dieser Zone ihrer eigentlichen Obrigkeit zu entfremden und an die Vorstellung zu gewöhnen, dass sie doch in Europa viel besser aufgehoben wären, um also Separatismus zu stiften.

Und was schließlich die Eigenschaft des Gebiets als Militärstützpunkt betrifft, macht man daraus in Brüssel erst gar kein Thema. Während aus den Nachbarstaaten Polen und Litauen immer wieder Gerüchte über neue Raketenstationierungen in Kaliningrad und russische Verstöße gegen das KSE-Abkommen lanciert werden, um sich für bedroht zu erklären und ein Recht auf militärische Kontrolle des Gebiets einzufordern, verhandelt Europa die Sache unter anderslautenden Titeln wie z. B. Umweltschutz, Seuchengefahr und Kriminalität:

„Kaliningrad ist stark verschmutzt. Es herrschen dort Krankheiten wie Aids und Tuberkulose, und es gibt atomare Abfälle. Fast jedes Problem, das man sich vorstellen kann, in Kaliningrad finden Sie es.“ (Der schwedische Ministerpräsident Persson, SZ 18.1.01) „‚Die Region ist eine einzige Katastrophe‘, sagt Brok. Die Kriminalität gehöre zu der höchsten in ganz Russland, die Regionalverwaltung sei fest in der Hand der Mafia, die Zahl der Aids-Infizierten sei die höchste in Europa.“ (FAZ, 29.5.02)

Sicher, auch Europa hat es innerhalb seiner Grenzen zu ordentlichen Mengen von Umweltschmutz, Seuchen und Verbrechen gebracht, aber darum geht es hier ja nicht. Und es geht auch nicht darum, dass sich Europa auf russische Kosten in der Ostseeregion festsetzt – schließlich erklärt Europa hier sich zum Betroffenen: Hausgemachte Seuchen sind schließlich nichts im Vergleich mit denen, die einem andere Staaten vor der Haustür platzieren, und da bekommt man ja einen einzigen Katastrophenfall in den eigenen Grenzen serviert! Dieser Skandal begründet einerseits die Notwendigkeit eines energischen Grenzregimes, damit die genannten Übel nicht auf EU-Gebiet hinüberwuchern, gewissermaßen eine Art staatlicher Quarantäne. Und was sich wiederum sachnotwendig daraus ergibt, ist die Tatsache, dass Europa wegen seiner schon allein aus Gründen der Hygiene gebotenen Selbstverteidigung die Kontrolle über all das an Menschen und Material übernimmt, was zu Lande aus Russland nach Kaliningrad oder umgekehrt transportiert werden soll. Ob das nun die russische Mafia oder zufälligerweise das russische Militär ist, alle sollen sich in Zukunft bei EU-Behörden um Visa anstellen und Einsicht in ihr Gepäck gewähren. Bei der Kontrolle allein kann es natürlich auch nicht bleiben, solange hinter der Grenze Seuchen und atomare Abfälle ohne europäische Aufsicht vor sich hin schwären:

„Eines ist den EU-Abgeordneten und der Brüsseler Kommission klar: Die Enklave kann sich nicht allein aus dem Sumpf ziehen. Fernziel könnte eine ‚europäische Entwicklungszone‘ sein, die für Auslandsgelder aus dem Westen endlich attraktiv wäre. Werden die Russen die dafür nötigen Voraussetzungen schaffen? Brok hat den Eindruck gewonnen, dass die Russen mehr an der Sicherung ihrer Souveränität als am Aufräumen in ihrer Enklave interessiert sind.“ (FAZ, 29.5.02)

Europa verlangt ja gar nicht mehr, als dass vor seiner Grenze aufgeräumt wird! Wenn aber Russland immerzu nur engstirnig an seine Souveränität denkt und sich gegen alle gut gemeinten europäischen Angebote eines gesundheitspolitisch deklarierten Hineinregierens sperrt, muss man ihm weiter gut zureden, mit Hilfe von Blockademaßnahmen der litauischen Regierung z.B. Und auch das wollen die Russen wieder nicht verstehen, Rogosin, der neue Sondervertreter des Präsidenten für das Gebiet:

„Garantiert werden muss auch, dass unser Militärverband im Gebiet Kaliningrad keinen Schaden nimmt, dass er mit allem Nötigen versorgt wird. So stellen die Militärs die Frage, was mit dem unbrauchbar gewordenen Raketentreibstoff im Gebiet Kaliningrad geschehen soll, den auszuführen Litauen uns seit einem halben Jahr nicht erlaubt. Ich verstehe nicht, wieso. Wollen die eine Umweltkatastrophe? Angeblich befürchten sie, dass die speziell dafür vorgesehenen Zisternen, die zwei bis drei Stunden über das Territorium Litauens fahren müssen, nicht ausreichend sicher sind, dass mit ihnen etwas passieren könnte.“ („Moskau handelt nicht mit Prinzipien“, Nesawissimaja Gaseta, 23.7.02)

Soviel Verständnislosigkeit lässt sich nur durch Erpressung kurieren. Entweder Russland unterschreibt das europäische Erweiterungsprogramm und streicht seine Interessen an diesem Gebiet, oder Europa redet erst gar nicht über gewisse „praktische und technische Fragen“. Entweder Russland beugt sich oder die EU verschärft diese „Fragen“ und übermittelt auf diese Weise ihr einziges Angebot: Russland kann ja ruhig seine Souveränität pro forma behalten, wenn es den militärischen Vorposten de facto an die EU abtritt. Wozu soll er denn überhaupt noch gut sein? In der Verfassung, die sich durchaus noch verschlimmern lässt, nützt er militärisch ja ohnehin nichts mehr, sondern entwickelt sich zunehmend zum Problemfall! Ein russischer Militärposten, der am europäischen Stromnetz hängt oder im Zweifelsfall über den Seeweg ausgehalten werden muss, ist schließlich auch ein Unding.

3. Die russische Forderung, dass die souveräne Verfügung über Transporte zwischen Exklave und Mutterland weiterhin gewährleistet sein muss, und den Vorschlag, Korridore durch litauisches und polnisches Gebiet einzurichten, lehnt die EU schlichtweg als nicht verhandelbar ab, siehe „politische Auffassung“. Nicht zuletzt deshalb, weil man Polen mit seinem geschichtlichen Trauma so etwas einfach nicht zumuten könne. In Brüssel ist man nämlich sehr feinfühlig im Umgang mit nationalen Empfindlichkeiten, so dass Russland sein Kaliningrad-Trauma nicht erspart werden kann. Putin probiert auch noch die Retourkutsche mit den Menschenrechten und den Beziehungen, die doch nach Ende des Kalten Krieges viel besser geworden sein sollten:

„Das Recht der russischen Menschen, mit ihren Verwandten frei zu verkehren, die in einem anderen Teil des Landes leben, wird von anderen Ländern abhängen… Heute nach dem Begräbnis des ‚Kalten Krieges‘ ist die Rückkehr zu solchen Herangehensweisen völlig unverständlich. Von der Lösung dieser Frage, die die Lebensinteressen russischer Menschen berührt, hängt ohne Zweifel die Entwicklung der Beziehungen mit der Europäischen Union im Allgemeinen und in vielen anderen Bereichen ab. Für uns ist es das absolute Kriterium der Qualität unseres Zusammenwirkens bzw. das ‚Lackmuspapier‘ unseres Zusammenwirkens.“ (Pressemitteilung Nr.112 vom 31.05.2002 der Russischen Botschaft)

Die EU sieht die Sache mit den guten Beziehungen genauso und deshalb anders: Wenn man in der Kaliningrad-Frage immerzu auf den dort versammelten Missständen herumreitet, die nach einer ordentlichen europäischen Verwaltung und Entwicklungshilfe schreien, dann zielt die Beweisführung gar nicht allein auf das Gebiet, sondern weitergehend darauf, dass dort der generelle russische Bedarf nach europäischer Entwicklungshilfe, sprich: europäischer Kapitalanlage, zum Ausdruck kommt. Europa nimmt es sich deshalb heraus, sich in dieser Streitfrage gegenüber der nach wie vor imposanten Militärmacht Russland erpresserisch aufzustellen, weil dieselbe Macht sich in ökonomischen Dingen für ziemlich bedürftig erklärt. Nachdem allgemein bekannt ist, dass Russland mit seinem Aufbruch in die Marktwirtschaft genau in der Klemme steckt, dass ihm dafür eine entscheidende Bedingung fehlt, die nötige Masse an Kapital nämlich, nachdem ebenso bekannt ist, dass Russland das Kapital seiner europäischen Nachbarn zur Entwicklungshilfe hereinbitten möchte, macht Europa Russland umgekehrt mit seinen Bedingungen für solche guten Beziehungen vertraut.

Es ist also auch nicht ganz die Wahrheit, wie immer zu hören ist, dass Russland die Entwicklung in Kaliningrad über die Jahre hinweg verschlafen hätte; Europa hat dort vielmehr Russland auf dem falschen Fuß erwischt, nämlich bei seiner interessierten Unterscheidung zwischen der Osterweiterung der Nato und der der EU: Die EU-Erweiterung wollte man in Moskau nämlich gerne positiv betrachten, als Hebel für Zusammenwachsen, Wohlstand etc.pp. auch im eigenen Land, so dass jetzt die EU die russische Regierung anhand ihres Regelungsbedarfs an der künftigen gemeinsamen Grenze über die durchaus imperialistische Qualität ihrer Ausdehnung belehren muss. Und dabei verlässt sie sich ganz selbstverständlich darauf, dass Russland nach wie vor seine Notlage als Bedarf an wirtschaftlichem Zusammenwachsen in Europa definiert, auch wenn die gute Meinung von der EU, die man in Moskau gepflegt hatte, ein bisschen gelitten hat.

4. In Brüssel ist man deshalb letztlich optimistisch, was das Zustandekommen einer Lösung in der Kaliningrad-Frage anbelangt. So viel Entgegenkommen gegenüber Russland kann man sich schon vorstellen, dass erstens die Visa nicht unbedingt Visa heißen müssen und dass zweitens die EU auch genügend Geld in die Kontrollen hineinsteckt, die sie haben möchte:

„Nachgedacht wird über Mehrfachvisa oder sogar ein Dokument, das zwar rechtlich einem Visum gleichkäme, aber nicht Visum genannt wird. Die EU hat auch umfangreiche finanzielle Hilfe angeboten, um die Ausstellung von Visa und vor allem die Kontrollen an der Grenze zu erleichtern.“ (FAZ, 25.7.)

Auch aus Russland sind Signale zu vernehmen, wie man sich eine Lösung vorstellen könnte:

„Der Erfolg unserer Verhandlungen wird davon abhängen, wie Russland den europäischen Partnern die Information über die ernsten Maßnahmen übermitteln wird, die wir gegen die illegale Einwanderung ergreifen. Es sind bereits Gesetze ‚Über die Staatsbürgerschaft‘ und ‚Über den Status des Ausländers‘ angenommen worden. Demnächst sollen Änderungen am Gesetz ‚Über den Modus der Ein- und der Ausreise ausländischer Bürger aus der Russischen Föderation‘ vorgenommen werden. Außerdem müssen Änderungen an den Abkommen mit den GUS-Staaten über die visafreie Ein- und Ausreise aus der Russischen Föderation vorgenommen werden, die nicht unseren nationalen Interessen entsprechen.
Am Gebiet Kaliningrad werden wir sehen, inwieweit der russische Staat imstande ist, sein eigenes Territorium zu kontrollieren. Nach Russland reist eine Menge von Personen aus den GUS-Staaten mit Hilfe von recht zweifelhaften Dokumenten ein. (…) Außerdem gibt es außerhalb Russlands noch 25 Millionen sowjetische Pässe.
Es ist der Beschluss gefasst worden, die sowjetischen Pässe ein Jahr früher, bis zum 31. Dezember 2003, abzuschaffen. Auch Reisepässe werden hergestellt. Denn wir sind auch nicht daran interessiert, dass über den ‚Kaliningrader Transit‘ aus Russland Personen verschwinden, gegen die Ermittlungen laufen. Ich denke, dass wir zusammen mit der EU eine bilaterale Kontrolle an der Grenze einleiten müssen. Das Schengener Visum ist keine Lösung. Die Europäer beschweren sich doch selbst, dass sich bei ihnen Kriminelle aus Russland niedergelassen haben.“ (Dmitrij Rogosin, „Moskau handelt nicht mit Prinzipien“, Nesawissimaja Gaseta, 23.7.02)

Wenn erstens die Schengen-Grenze rund um Kaliningrad eingerichtet, aber nicht Schengen-Grenze genannt wird, wenn sie zweitens als genuiner Bedarf russischer Souveränität zurechtdefiniert werden kann, weil Russland drittens gegenüber dem zwielichtigen Gesindel in der GUS selber das Bedürfnis nach durchgreifender Kontrolle entwickelt, wenn sich Russland also sein Nachgeben gegenüber dem europäischen Anspruch auf Kontrolle damit versüssen kann, dass es den Verbrechervorwurf an die GUS weiterreicht und seinen Regelungsbedarf den schwächeren Partnern in der GUS aufs Auge drückt, dann wächst Europa schließlich auch irgendwie zusammen.