Schweizer Nationalbank schafft den Mindestkurs zum Euro ab
Eine Nation leidet unter dem Krisengewinn ihres Geldes

Mitte 2015 gibt die Schweizer Nationalbank die Bindung ihrer Währung an den Euro auf. Der Franken steigt schlagartig gegenüber dem Euro im Wert, die Finanzmärkte reagieren mit Turbulenzen, die Kommentatoren mit Verständnis für den ’Befreiungsschlag’ oder Unverständnis angesichts des ‚Frankenschocks‘. Was sich alle ersparen, ist die Befassung mit dem eigentümlichen Problem der Schweiz, dass ihr Geld international zu gefragt ist, also mit der Eigenart dieses Nationalgeldes überhaupt.

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Schweizer Nationalbank schafft den Mindestkurs zum Euro ab
Eine Nation leidet unter dem Krisengewinn ihres Geldes

Mitte Januar 2015 gibt die Schweizer Nationalbank (SNB) überraschend die Kursbindung ihrer Währung an den Euro auf und stellt die dafür nötigen Stützungskäufe ein. Gleichzeitig erhöht sie den Negativzins für Einlagen bei ihr von 0,25 % auf 0,75 %.

Die Maßnahme führt einen Tag lang zu Turbulenzen auf den Finanzmärkten: der Frankenkurs des Euro stürzt von über 1,20 auf 0,81 ab und stabilisiert sich später bei etwas über einem Franken, die Züricher Börse erlebt zeitweilig einen heftigen Einbruch. Kommentatoren und Analysten sind hin- und hergerissen zwischen Verständnis für den Befreiungsschlag zur Abkopplung von der Talfahrt des Euro und völligem Unverständnis für eine Verzweiflungstat, die als SNB-Tsunami die Finanzmärkte heimgesucht und finanzielle Verwüstungen angerichtet haben soll. Als Opfer des Frankenschocks werden Schweizer Uhrenfabrikanten und Skiliftbetreiber, Hedgefonds und die Deutsche Bank, Stadtkämmerer an Rhein und Ruhr sowie polnische Häuslebauer angeführt.

Die Begutachtung der währungspolitischen Maßnahme nach Vor- und Nachteilen für diesen oder jenen Betroffenen erspart sich die Befassung mit dem eigentümlichen Problem der Schweiz, der ihr Geld zu wertvoll wird, ja mit der Eigenart dieses Nationalgeldes überhaupt.

Der Schweizer Franken: Das Geld eines besonderen Finanzplatzes

Der Schweizer Franken bekommt seinen Wert im Verhältnis zu anderen Währungen, so wie jedes nationale Kreditgeld in der heutigen freien Weltmarktwirtschaft, grundsätzlich durch das Verhältnis zwischen der Nachfrage nach und dem Angebot von Franken, hergestellt durchs global agierende Geldhandelsgewerbe und modifiziert durch die Geldpolitik der Schweizer Notenbank. Die starke Tendenz zu einer immer höheren Bewertung, der die SNB lange Zeit mit der Emission immer größerer Mengen eigenen Geldes und dem Aufkauf von US-Dollars und vor allem Euros entgegengewirkt hat, ist – trivialerweise – die Folge eines massiv steigenden Interesses der Geschäftswelt, Abteilung Geld und Kredit, eben diese beiden großen Weltwährungen, die europäische vor allem, in Schweizer Franken umzutauschen. Leicht zu identifizieren ist dabei das Moment von Misstrauen gegen die Tauglichkeit dieser großen Währungen, genauer: des darin verkörperten Kredits als ertragreiches Geldkapital und folglich gegen die Entwicklung ihrer Bewertung durch das Geldgewerbe selber; der Grund für dieses Misstrauen, die Null-Zins- und die Liquiditätsvermehrungs-Politik der zuständigen Notenbanken Fed und EZB, ist auch kein Geheimnis. Bleibt die Frage, was ausgerechnet den Schweizer Franken im Verhältnis dazu so attraktiv macht, nämlich zu einem „sicheren Hafen“ für Dollar- und Euro-Vermögen, zum besonders stabilen „Wertaufbewahrungsmittel“ für besorgte Geldbesitzer und aktive resp. notorisch hyperaktive Währungsspekulanten qualifiziert.

Der eine Grund, dem die konkurrierenden großen Weltwährungen ihre globale Bedeutung und ihre entsprechend dauerhafte, wenn auch gegeneinander schwankende Wertschätzung verdanken, gilt für den Schweizer Franken jedenfalls nicht: Dass mit dieser Währung im eigenen Land auf hoher Stufe und auf noch höherer Stufe weltweit Kapital zu akkumulieren wäre, womöglich noch mehr als mit Euros oder US-Dollars, ist weder im Angebot noch Motiv der Nachfrage. Die eidgenössische Wirtschaft steht zwar nach allen kapitalistischen Erfolgskriterien nicht schlecht da, ist aber viel zu klein für eine ertragreiche Verwertung auch nur eines Bruchteils der Geldmengen, die sich in Franken verwandeln wollen; das gilt erst recht für die Schweizer Staatsschuld als Geldanlage. Und jenseits ihrer Landesgrenze bewirtschaften Schweizer Banken zwar tatsächlich in beträchtlichem Umfang die ganze Welt, konzentrieren einen ansehnlichen Teil des Weltfinanzgeschäfts auf sich; sie tun das aber nur zum geringsten Teil mit ihrer heimischen Währung. Was an Franken-Krediten ins Ausland geht – vor allem über österreichische Institute in einige östliche EU-Mitgliedsstaaten mit schwacher eigener Währung –, war nur wegen besonders niedriger Zinsforderungen eine Zeitlang ein wachsendes Geschäft und ist mittlerweile gerade wegen der Aufwertungstendenz des Franken für dortige Kunden ruinös und für die Gläubiger kein gutes Geschäft mehr, geschweige denn ein zukunftsträchtiges; es handelt sich außerdem und vor allem um eine eher unerhebliche Größe im Verhältnis zu den Euro- und Dollar-Summen, die das Schweizer Bankgewerbe als Mitgestalter des globalen Finanzmarkts ansammelt und ausleiht, der Weltwirtschaft verfügbar macht und aus dem weltweiten Geschäftsgang refinanziert.

Die Schweiz mit ihrem nationalen Kapitalismus ist überhaupt nicht die Quelle, der Franken nicht die Währung, aus der die Banken des Landes den Kredit generieren, mit dem sie im globalen Finanzgeschäft mitmischen. Das nationale Geld und ihr Refinanzierungsverhältnis zur nationalen Notenbank, die ihnen dieses Geld verfügbar macht, nutzen sie für einen anderen, begrenzten, aber sehr hochwertigen Zweck: In diesem Geld existiert ihr eigenes Kapital, mit dem sie sich ins globale Geschäft mit Euro, Dollar und ein paar anderen Währungen einschalten; in heimischen Franken antizipieren und akkumulieren sie die Gewinne, die sie aus ihren Kreditgeschäften mit Weltgeld und sonstigen Devisen abschöpfen und mit denen ihre eigene Kreditwürdigkeit und damit ihre geschäftliche Potenz wächst; auf ihre eigene SNB als Kreditquelle greifen sie zu, um ihren Anteil am Weltgeschäft in anderen und vor allem den zwei großen Weltwährungen nach ihrem freien geschäftlichen Ermessen zu steigern.[1] Für die Schweizer Notenbank und deren Kreditgeld bedeutet das: Mit der Refinanzierung ihrer heimischen Bankenwelt setzt sie ihr Geld nur indirekt der Bewährungsprobe aus, der der weltweit und eben vor allem in Dollar und Euro geschöpfte Kredit durch seinen Gebrauch als Kapitalvorschuss fürs Weltgeschäft permanent unterzogen, durch den er gerechtfertigt oder eben nicht als taugliches Geldkapital bestätigt wird. Sie refinanziert, beglaubigt also und stärkt nicht mehr und nicht weniger als die Macht der Banken des Landes, am Geschäft mit fremdem Kreditgeld zu verdienen, und deren Freiheit, sich mit der Macht ihres Franken-Kapitals über den Kreislauf der Kreditschöpfung und -verwendung in Euro, Dollar etc. zu stellen, ihren akkumulierenden Reichtum diesem Kreislauf zu entziehen, um mit gewachsener Finanzmacht nach eigener Berechnung immer neu in ihn einzusteigen. Die SNB gewährt ihren Kunden die Sicherheit, dass deren Kapitalmacht den Wirkungen der Konkurrenz zwischen den Heimatländern des Dollar-, Euro- und sonstigen Kredits, insbesondere den Konjunkturen der Bewertung dieser Währungen, enthoben ist; das vermag sie, weil ihr eigenes Geld durch die Akkumulation der Gewinne „gedeckt“ ist, die die Kreditinstitute des Landes weltweit erwirtschaften und von ihrer Notenbank aus Devisen in heimische Franken verwandeln lassen. Im Franken existiert der kapitalistische Ertrag des Schweizer Bankgeschäfts separiert von seiner Entstehung; die Garantie für den Franken als kapitalistisch werthaltiges Geld beruht auf der Verselbständigung finanzkapitalistischer Geschäftserfolge des nationalen Bankensektors gegen die Kreditgelder, in denen sie erwirtschaftet werden; diese Verselbständigung ist die Leistung des besonderen Refinanzierungsverhältnisses zwischen der SNB und ihren Klienten.

Es ist also eine ganz eigene Symbiose von staatlicher Kreditgeldschöpfung und Bankgeschäft, die das Schweizer Finanzwesen charakterisiert und die nationale Währung bestimmt. Im Fall der Weltgelder, des Euro und des Dollar, mit denen die Schweizer Banken ihr Weltgeschäft betreiben, ist es die weltweite Verwendung durchs Kreditgewerbe als Geldkapital, die die Emission dieser Währungen durch die zuständigen Notenbanken rechtfertigt – mehr oder weniger, je nach Konjunkturlage im Allgemeinen, kapitalistisch unproduktiver Staatsverschuldung im Besonderen und der Konkurrenz der Währungsräume überhaupt. Im Fall des Schweizer Franken geschieht die politökonomische Rechtfertigung der Zahlungsmittel, für die die Notenbank geradezustehen hat, durch die Umwandlung von Gewinnen der heimischen Geschäftsbanken aus dem Anteil am Weltfinanzgeschäft, den sie sich erobert haben, in nationale Währung – in das Kreditgeld also, auf dem wiederum die Finanzmacht dieser Banken beruht: ihre Potenz, sich frei und massiv in den globalen, mit konkurrierenden Weltgeldern bestrittenen Zirkel der Kreditschöpfung und -verwertung einzuschalten. Nun ist es zweifellos so, dass Banker und Spekulanten mit so Sachen wie der unterschiedlichen politökonomischen Rechtfertigung von Kreditgeldern nicht viel am Hut haben; sie müssen schließlich Geschäfte machen, nicht erklären. Eben deswegen haben sie es umso mehr mit den Wirkungen. Im Fall des Schweizer Franken mit der einen, die sich aus dem Verhältnis der in ihm verkörperten Kreditmacht zum Weltmarkt für Geld und Kredit ergibt: Dieses Geld ist ganz außerordentlich solide. Sein Wert ist so stabil, als wäre es der Repräsentant allein der kapitalistischen Erfolge, die mit den großen Weltwährungen erwirtschaftet werden, beeinträchtigt weder durch die Konkurrenz der Währungsblöcke und die dadurch produzierten Konjunkturen und Schäden noch durch unproduktive Geldvermehrung von Staats wegen. Und bis zu einem gewissen Grad und im Maße des Schweizer Anteils am globalen Finanzkapitalismus ist der Franken das ja wirklich: ein Stück der Schokoladenseite des ganzen Irrsinns.

Diese Qualität macht den Schweizer Franken attraktiv für Geldbesitzer aus aller Welt, die ein wie auch immer verdientes Geldvermögen in seinem Wert festhalten und sichern wollen – also unter normalen Umständen wenig interessant für Besitzer und Manager von Geldvermögen, denen es auf die aktive Teilnahme ihres Reichtums an der finanzkapitalistischen Bewirtschaftung des Globus ankommt; die findet, auch wenn sie von Schweizer Geldinstituten ausgeht, allemal in einer der großen Weltwährungen statt. Wenn da aber Krise herrscht, staatliche Krisenbewältigung durch Verstaatlichung wertloser Kredite die großen Weltgelder aufbläht, fehlende Verwertungsmöglichkeiten mit einer Vervielfachung des Angebots an liquiden Mitteln durch EZB und Fed beantwortet werden: Dann wird erstens die Rettung von Geldvermögen vor drohender Entwertung zum eigenen Zweck; und dann wird zweitens die Spekulation auf die Verschiebung von Währungsrelationen zum besonders attraktiven Geschäft. Unausbleibliche Folge ist die immer rasanter zunehmende Nachfrage nach der Währung, die als selbständige Basis eines weltweit erfolgreichen Finanzgeschäfts unzweifelhaft eine bedeutende Kreditmacht repräsentiert und zugleich, weil gewissermaßen außer Konkurrenz, die Stabilität verspricht, die den konkurrierenden großen Krisenwährungen nicht mehr zugetraut wird.

Die Geschichte des Finanzplatzes und seines Geldes

Die eigentümliche Symbiose von staatlicher Geldschöpfung und Engagement des nationalen Kreditgewerbes im globalen Finanzgeschäft, die die Schweiz auszeichnet, kann natürlich nicht seit Wilhelm Tell in der Welt und immer schon wirksam gewesen sein. Die Macht, sich mit einem Geldkapital aus eigener nationaler Währung zum Weltkreditgeschäft in Dollar und Euro in ein Verhältnis der freien Teilnahme und Ausnutzung zu setzen, ist dem Schweizer Finanzwesen – ohne Plan, der so etwas vor- oder auch nur vorausgesehen hätte – aus einer sehr speziellen Kombination politischer und kommerzieller Dienste an diversen grenzüberschreitenden Geldinteressen zugewachsen.

Politische Neutralität als ökonomische Reichtumsquelle

Gleich nach dem Ersten Weltkrieg bietet das an ihm nicht beteiligte, traditionell neutrale Land einer Welt verfeindeter Staaten sein Hoheitsgebiet, näher die Banken dort, als Dienstleister für Handels- und Finanztransaktionen an, die diese Staaten im direkten Verkehr miteinander nicht mehr abwickeln mögen oder können. Im Rahmen dieser Rolle wird es zum Standort internationaler Institutionen im Finanzwesen: Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) mit Sitz in Basel, gegründet als Institut zur Abwicklung der deutschen Reparationszahlungen, fungiert heute noch als Zusammenschluss fast aller Zentralbanken. Im Zweiten Weltkrieg verdient die Schweiz prächtig an beiden Kriegsparteien: Mit der Abwicklung deutscher Goldverkäufe gegen weltweit akzeptierte Schweizer Franken ermöglicht sie Handelsbeziehungen von Hitlerdeutschland mit dem neutralen Ausland zur Beschaffung von Kriegsressourcen; auch von den Alliierten kauft sie Gold, wickelt größere Teile des internationalen Handels im Krieg über das Edelmetall und den damit unterlegten Schweizer Franken ab. Die Handelshäuser des Landes verdienen am Handel zwischen Feinden und Blöcken, den sie vermitteln; seine Banken bereichern sich an der finanziellen Abwicklung dieses Handels; die Nationalbank, die die benötigte Liquidität dafür bereitstellt, akkumuliert einen unverhältnismäßig großen Goldschatz. Nicht anders im Kalten Krieg, wo sich die Schweiz als Drehscheibe für Finanz- und Handelsgeschäfte zwischen Ost und West bewährt; auch hier spielen Goldtransaktionen eine große Rolle. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und ihres Blocks ist die Welt bekanntlich nicht ärmer an Konflikten und Kriegen geworden, so dass der Bedarf der Staaten nach Vermittlung unerlässlicher Geld- und Handelsbeziehungen und politisch heikler Händel über einen neutralen Makler nicht abnimmt und der weltoffenen Schweizer Bankenwelt weiterhin zu verdienen gibt.

Zur Entwicklung und Erhaltung dieses Geschäfts ihrer Banken tut die eidgenössische Politik alles ihr Mögliche: Auch wenn sie eindeutig zum kapitalistischen Westen gehört, hält sie über alle Weltkriege hinweg eisern an ihrer Blockfreiheit und politischen Neutralität fest, tritt weder NATO noch EU bei und wahrt Distanz zu den politischen und ökonomischen Führungsmächten; sogar UNO-Mitglied wird sie erst 2002. Für die ökonomische Fähigkeit, die Rolle des internationalen Finanzmaklers auszufüllen, sorgt sie mit einer Geldpolitik, die den Franken länger als alle anderen international verwendeten Währungen durch den nationalen Goldschatz deckt, den ihre Nationalbank im Zweiten Weltkrieg angesammelt hat und seitdem hält.[2] Dem internationalen Geldhandelsgewerbe gestattet der Staat die freie Verwendung seines so außerordentlich wertgesicherten Zahlungsmittels als sicheres, zugleich leicht in jeder Menge verfügbares Medium des Devisenhandels, den er selbst in Kriegszeiten keinen politisch motivierten Restriktionen unterwirft; das Angebot wird genutzt.

Safe haven für sicherheitsbedürftige Privatvermögen

Die Schweizer Banken nutzen die Neutralität ihres Landes und den freien Geldverkehr, den es im Interesse seiner Rolle als internationaler Finanzmakler einrichtet, für ein weiteres Angebot, das sich an betuchte Privatleute aller Herren Länder richtet: Ihnen bieten sie sich als dem hoheitlichen Zugriff der jeweiligen Herkunftsstaaten entzogener Tresor zur Aufbewahrung ihres Vermögens an: von Wertpapieren, von Gold, [3] von Wertsachen aller Art, [4] vor allem aber von Geld in einer Währung, die Wertstabilität durch Golddeckung verspricht. Gründe für auswärtige Geldbesitzer, ihr Privatvermögen außer Landes zu schaffen und statt in der heimatlichen in solider Schweizer Währung aufzubewahren, gab und gibt es viele: Sie beginnen mit der Sorge um die Stabilität des heimatlichen Geldes und die Solvenz und Zuverlässigkeit der nationalen Banken, denen Vermögende ihr Geld eben nicht in jedem Fall dauerhaft anvertrauen wollen. Deren Misstrauen richtet sich zweitens gegen Maßnahmen ihres Heimatstaats, die darauf abzielen, im Interesse des ökonomischen Nationalerfolgs tatsächlich auch die Vermögenden in die Pflicht zu nehmen; vor allem durch Steuern, die für Reiche einfach unerträglich sind. Zudem kann aus wirtschaftspolitischen Gründen die geschäftliche oder private Verwendung von Vermögen eingeschränkt, womöglich sogar ihr rechtmäßiger Erwerb oder Besitz bezweifelt und angegriffen werden; immerhin resultieren ja auch Verbrechen, Korruption und andere politisch anrüchige Geschäfte in Geldvermögen, die in Sicherheit gebracht sein wollen. Der Stabilität der politischen Herrschaft, der man das Geld, so gut es geht, entzieht, gilt die nächste Sorge: In manchen Weltgegenden drohen Krieg, Revolution und politische Wirren nicht nur Eigentum zu beschädigen, sondern die Eigentums- und Rechtsverhältnisse selbst umzustürzen. Auf all das ist ein Konto bei einer Schweizer Bank die Antwort.

Die Branche praktiziert eine uneingeschränkte Willkommenskultur und hat gegen „Masseneinwanderung“ gar nichts, solange es sich um eine des Geldes handelt: Sie hält es mit der Weisheit eines römischen Kaisers „Pecunia non olet“ und gewährt um ihr Vermögen besorgten Reichen, Steuerflüchtlingen aller Größenordnungen, Diktatoren aus der Dritten Welt und der Mafia die Sicherheit für ihr Geld, die sie suchen, – vor ihrem eigenen Staat bzw. dem Schicksal der Heimatwährung. Damit haben die Banken einen steten Zustrom von Gold und Geld jedweder Denomination in Tresore und auf Konten zwischen Zürich und Genf in Gang gesetzt und die Masse des treuhänderisch verwalteten Reichtums auf gewaltige Höhen getrieben; was dem geschäftstüchtigen Alpenvolk neben Lob für seine vorbildliche Stabilität auch den hässlichen Ruf des Kriegs- und Krisengewinnlers und Profiteurs auswärtiger Notlagen eingetragen hat.

Dem Geschäftsmodell ebnet der Schweizer Staat den Weg durch eine Bankgesetzgebung, die seinen Banken die Geheimhaltung und Verschleierung der Identität ihrer Kunden gestattet (das berüchtigte Nummernkonto), ja sie zu strikter Diskretion verpflichtet und den Vertrauensbruch gegenüber Kunden besonders streng verfolgt. Mit der feinsinnigen Unterscheidung zwischen Steuerhinterziehung – in diesem Fall leisten die Schweizer Behörden keine Rechtshilfe bei ausländischen Ersuchen – und Steuerbetrug, der naturgemäß ohne Schweizer Mithilfe kaum nachzuweisen ist, sorgt er für den Kundenschutz, der seine Banken für Steuersparer so attraktiv macht. Die eidgenössische Politik erhebt den unbedingten Schutz ausländischen Eigentums vor dem Zugriff und den Ansprüchen fremder Souveräne direkt zur Staatsraison: Sie bietet dem internationalen Privatreichtum ihr Hoheitsgebiet als von den großen Kapitalnationen durch politische Souveränität und Bankgeheimnis abgetrennten Rückzugsort an, wo Geld gut und sicher liegt.

Die ökonomisch materielle Seite dieser Sicherheit fürs Geld fällt der Schweizer Politik nicht schwer: Sie kann ihren Kunden einen international stabilen Franken bieten, der den Wert der eingelagerten Vermögen verlustfrei aufbewahrt und der jederzeit auch wieder rückzuverwandeln ist in die Nationaluniformen des Geldes, in denen globale Geschäfte überwiegend getätigt werden. Ihre ursprünglich goldgedeckte Währung ist nämlich nicht nur die historische Voraussetzung für ihre Rolle als Schatzkammer der Welt, sondern – je länger sie diese Rolle spielt, desto mehr – auch deren Resultat: Geradezu goldgleich ist die Stabilität des Franken, eben weil er überwiegend im globalen Kapitalismus erworbene Erträge repräsentiert: Devisen aus den wichtigen Währungsräumen, die den Schweizer Banken zufließen und die diese im Refinanzierungsverkehr der SNB übereignen.

Ein globaler Finanzplatz der etwas anderen Art

Auf Grundlage beständig einwandernden Geldes und einer darauf gegründeten soliden Währung klinken sich die Schweizer Banken in die höheren Etagen des internationalen Finanzkapitalismus ein, die sie nicht geschaffen haben und von der kleinen Schweiz aus auch gar nicht hätten schaffen können. Der transnationale Finanzmarkt ist das Werk der USA, die nach dem Zweiten Weltkrieg ihren Dollar zum Geld und ihren Kredit zum Kapital der westlichen Welt gemacht haben. Zuerst die USA, später auch ihre großen Weltmarkt- und Nato-Partner finanzieren den Geschäftsgang in aller Herren Länder und ziehen ihre Gewinne aus der Ausbeutung der dortigen Arbeit. Wo immer kapitalistisch gewirtschaftet wird, geht auf Dauer nichts ohne die Finanzkraft amerikanischer, europäischer und japanischer Geldhäuser, worüber die Kreditgelder ihrer nationalen Notenbanken neben dem Dollar zu Weltgeld werden, das alle Nationen brauchen und halten und durch ihre Nachfrage selbst als internationales Geld bestätigen. Das wiederum erweitert die Fähigkeit der Nationalbanken, ihre Banken zu refinanzieren und für die Gleichung von Kredit und Geld bei ihnen zu garantieren. Die international agierenden Finanzhäuser wirtschaften mit dieser Rückendeckung, gründen überall Dependancen, verflechten ihre Kreditforderungen und -verbindlichkeiten über alle Grenzen hinweg, verschieben und verteilen Risiken ihres Geschäfts, schaffen sich durch Konkurrenz und Kooperation untereinander immer neue Garantien für ihre Schulden und bauen so die globalen Finanzplätze mit ihrer berühmten „Tiefe des Marktes“. Wall Street, Londoner City und andere sind Konzentrationen von Banken und Bankgeschäften, die allein durch ihre Massierung und Verflechtung die Kreditmacht der beteiligten Akteure steigern und sie befähigen, die Akkumulation von Rendite tragenden Wertpapieren immer weiterzutreiben.

In dieses globale Geschäft mit Konstruktion und Handel derartiger Papiere mischt sich die Bankenwelt der Schweiz ein, deren Kreditwürdigkeit und deren Nationalgeld nicht auf der Akkumulation des nationalen Kapitalismus beruht, sondern auf dem Zustrom von angelegtem Geld aus genau den Weltmarktnationen, die den globalen Finanzmarkt geschaffen haben und bestimmen. Mit ihrer darauf gegründeten Kreditmacht beteiligen sich die Schweizer Banken am Kapitalismus anderswo und lenken die Erträge der globalen Plusmacherei in die Alpenrepublik. Sie bieten ihren Kunden an, die Sicherheit der Geldanlage bei den grundsoliden Geldhäusern der globalen Schatzkammer mit den Renditechancen finanzkapitalistischer Spekulation zu verbinden: Sie verwalten ihnen überlassene Auslandsvermögen, die zu diesem Zweck gar nicht mehr in CHF umgetauscht, sondern gleich in den Weltwährungen, in denen man sie ihnen anliefert, in Portfolios angelegt und herumgeschoben werden.

Der Schweizer Staat weiß es zu schätzen, dass der Geschäftssinn seiner Bankiers aus seinem Territorium eine bedeutende Zweigstelle des globalen Kreditgeschäfts macht, erteilt alle nötigen Genehmigungen für waghalsige Derivate-Konstruktionen und sichert per Refinanzierung der Banken durch die Zentralbank den ganzen Schwindel ab. Dabei macht sich die Eigenart des Franken, den die SNB schöpft und mit dem sie ihre Finanzierung betreibt, positiv geltend: Hinter dem Franken steht eben nicht bloß das Machtwort der politischen Geldhoheit und nicht bloß die Spekulation auf das nationale Kapitalwachstum, das diese Geld- und Kreditschöpfung rechtfertigt. Sein Wert beruht auf der Funktion der Schweiz als internationaler Vermögensverwalter und ist durch den Devisenschatz der SNB gesichert, also durch Ansprüche, die die Schweiz gegen die Emittenten auswärtiger Weltgelder hat. Das macht das Spekulieren in der Schweiz zu einer besonders seriösen Übung.

Die international engagierten Schweizer Banken tragen mit ihren Gewinnen und Gehältern maßgeblich zur nationalen Wertschöpfung bei; darüber hinaus verschaffen sie der Schweiz die Kreditmacht, ihr ehedem armes Gebirgsland in einen Industrie- und Wirtschaftsstandort von hoher Kapitalproduktivität zu verwandeln – Landwirtschaft und Tourismus eingeschlossen: Nestle, Novartis und Co. können sich mit ihren Finanzierungsbedürfnissen stets am reichen Kreditangebot und den niedrigen Zinsen des Finanzplatzes bedienen und zu Weltmarktführern aufrüsten. In diesem Land ist die Währung eben nicht Ergebnis und Ausdruck des nationalen Wirtschaftswachstums, umgekehrt ist dieses Wachstum Leistung und Ausdruck des bombenfesten Nationalkredits, der andere Quellen hat.[5]

Der politische Angriff von USA und EU auf den Schweizer Finanzplatz

Nach dem Ende der Ost-West-Konfrontation schwindet der Wert der politischen Neutralität, mit der die Schweiz sich die Position des fairen Maklers zwischen den feindlichen Blöcken mit ihren ökonomischen Interessen aneinander verschafft und gesichert hat; und das hat Folgen. Von amerikanischer wie von europäischer Seite wird die Schweiz wegen ihrer Sonderangebote an die seriöse wie vor allem die unseriöse Geschäftswelt, jedem Geldvermögen Asyl und Schutz vor hoheitlichem Zugriff zu bieten, massiv unter Druck gesetzt.[6] Die USA kriminalisieren das Land diplomatisch als Profiteur der Judenvernichtung (Nazi-Gold-Affäre), konfrontieren Banken und Regierung mit dem Vorwurf der organisierten Beihilfe zur Steuerhinterziehung, nötigen den Eidgenossen ein Doppelbesteuerungsabkommen mit einer pauschalen Quellensteuer von 30 % ab, überziehen die Banken mit Bußgeldern und Ermittlungsverfahren [7] und durchlöchern mit diversen nicht ablehnbaren Anträgen auf Herausgabe von Kundendaten das heilige Bankgeheimnis.[8] Sie drohen uneinsichtigen Geldhäusern die existenznotwendige Lizenz zur Geschäftstätigkeit in den USA zu entziehen, setzen also rigoros die Erpressungsmacht ein, die sie als Herr des Weltgelds Nr.1 und Hüter des wichtigsten Finanzplatzes besitzen.

Auch die EU, besonders Deutschland und Frankreich erklären die Abwerbung von besteuerbaren Vermögen aus ihrem Zugriff durch die Schweiz für nicht mehr hinnehmbar: Sie setzen die Eidgenossenschaft auf eine schwarze Liste der Steueroasen und nutzen ihre Abhängigkeit vom sie umgebenden Euro-Raum, um ihr Steuerabkommen abzuringen, die für steuerflüchtige EU-Bürger den Geldtransfer in die Schweiz unattraktiv, den dortigen Banken also Geschäft kaputtmachen. Mit Erwerb und Verwertung illegal gespeicherter Kontodaten von Steuersündern („Steuer-CDs“) entwerten deutsche Behörden praktisch das für solche Anleger essentielle Bankgeheimnis.

So wird offenkundig, dass das finanzkapitalistische Profitieren der Schweiz am Privatreichtum und der Wertschöpfung des Weltmarkts die politische Zulassung, mindestens die Duldung von dessen Ordnungsmächten zur Bedingung hat. Ihre Banken beugen sich daher widerwillig der Erpressungsmacht von USA und EU, akzeptieren hohe Bußgelder und Auskunftsersuchen, versuchen sich an allerlei Ausweichmanövern, stellen sich ansonsten aber geschäftsmäßig auf die neue Lage ein: Sie bekennen sich zu einer Weißgeldstrategie[9] und sind bemüht, nun eben international respektabel mit versteuertem Geld ihrer Anleger die Marktführerschaft im private banking zu halten und den Verlust einer ganzen Sparte ihres Geschäfts zu kompensieren.

Die Politik in Bern ist nun schon im zweiten Jahrzehnt mit der Verteidigung der einen, nunmehr von außen angefochtenen Grundlage ihres nationalen Erfolgswegs befasst: Sie hält das Korrekturen fordernde Ausland in zähen Verhandlungen hin, beugt sich dann aber auch dem Verlangen der finanziellen Weltmächte [10] nach Aufweichung des Bankgeheimnisses; sie sucht einen Weg, sich die unverzichtbare Anerkennung der großen Nationen als legitimer Mitspieler am globalen Finanzmarkt zu sichern und zugleich so viel wie möglich von den Grundlagen ihrer besonderen Benutzung dieses Marktes zu bewahren.[11] Dank außerordentlicher Umstände fällt das leichter als die Schweizer Politik wohl fürchten musste: Der Franken und der Finanzplatz Schweiz haben nichts von ihrer Stärke verloren. Im Gegenteil: Genau die wird nun zum Problem.

Die Karriere des Franken als „Fluchtwährung“ in der Finanzkrise: Von der Sicherheit vor Entwertung zur Spekulation auf Aufwertung

Die Finanzkrise trifft wie alle international engagierten Banken auch die Schweizer. Der UBS droht 2008 als einer der ersten der Bankrott. Die Nationalbank sieht sich genötigt, für die faulen Dollar-Kredite der größten Schweizer Bank mit von ihr geschöpften Franken geradezustehen, und verwendet 45 Milliarden Franken auf ihre Rettung. Immerhin, die UBS bleibt der einzige Notfall. Die dafür nötige Bilanzausweitung der SNB sowie der Anstieg der Staatsschulden fallen moderat aus, erst recht im Vergleich zu den Rettungsanstrengungen von FED, EZB und anderen Zentralbanken. Entsprechend positiv nimmt die Internationale des Geldkapitals diesen Akt der Krisenbewältigung auf: Nach einem vorübergehenden leichten Kurseinbruch erholt sich der Außenwert des Franken schnell; das Land behält seine Einlagen und sein AAA-Ranking.

Die Finanzkrise trifft also die Herkunftsländer des weltweit in die Krise geratenen Kredits und der entsprechenden Kreditgelder und den Finanzplatz Schweiz in unterschiedlichem Maß; und das hat seinen Grund darin, dass sie sie in unterschiedlicher Weise trifft. USA und EU retten ihr System und ihre Geldmacht, indem sie ihre Geldhoheit dazu verwenden, den laufenden Zusammenbruch des Kreditsystems zu stoppen. Sie ersetzen den fallierenden Kredit ihrer privaten Banken durch politisch geschöpften Kredit ihrer Notenbanken und durch ausgeweitete staatliche Schulden; im Euro-System dann noch einmal den verlorenen Kredit von Mitgliedsländern, die für ihre Staatsschulden keine Käufer mehr finden, durch den Kredit der kreditwürdigen Euro-Länder. Diese Notkredite finanzieren nicht erwartetes Geschäft und repräsentieren also auch nicht erwartete Kapitalverwertung, sondern nichts als gescheiterten Kredit und verlorenes Geld. Sie vergrößern Liquidität und Staatsschuld, ohne Geschäfte anzustoßen, durch die die hoheitliche Kredit- und Geldschöpfung ökonomisch haltbar zu machen wäre. Privates Geldkapital, das durch solche Staatsmaßnahmen vor seiner Annullierung gerettet wird, bedankt sich dafür durch Misstrauen in die Staatsschulden und die Währungen, die zu seiner Rettung vermehrt wurden; Investoren halten die aus politischen Gründen geschöpfte, ökonomisch nicht gerechtfertigte Geldflut, für die sie keine rentable und halbwegs sichere Anlage finden, für unzuverlässig. Sie fürchten, dass die politische Rettung ihrer Vermögen zu einer anderen Form ihrer Entwertung gerät – und suchen Sicherheit bei der Bewirtschaftung ihrer Portfolios. Die Flucht in sichere Werte belebt den Immobilienmarkt; sie sorgt für zeitweilig ungeheuer preissteigernde Goldkäufe. Und sie führt zu steigender Nachfrage nach dem Schweizer Franken.[12] Dem wird seine unproduktive Vermehrung nicht als bedenkliche Belastung ausgelegt, sondern als vertrauensstiftende Rettungstat: eine Würdigung, für die das Spekulationsgewerbe nicht mehr benötigt als den Vergleich mit dem relativen Misstrauen, das es den Produkten des amerikanischen und des europäischen Notenbanksystems entgegenbringt. Der „Herdentrieb“ der Spekulanten langt schon: Deren Vergleichsrechnungen reproduzieren unter Krisenbedingungen das politökonomische Verhältnis, das den Schweizer Franken auszeichnet, nämlich die besondere Sicherheit, die das eidgenössische Kreditwesen durch und für seine gewinnorientierte Beteiligung am Weltgeschäft mit Dollar- und Euro-Kredit aus seinem davon separierten Refinanzierungsverhältnis zur nationalen Notenbank mit ihrer so werthaltig besicherten Bilanz gewinnt.

Was die Internationale der sicherheitsbewussten Geldanleger – ganz ohne politökonomische Ursachenforschung – reproduziert, das strapaziert sie allerdings auch, und zwar heftig. Denn natürlich bleibt es nicht bei dem defensiven Interesse, eigenes Geldvermögen per Umtausch in Schweizer Franken vor befürchtetem Wertverlust durch die Wirkungen der amerikanischen und europäischen Krisenbewältigungspolitik zu schützen. Diese Suche nach Sicherheit ist von der anderen Seite her gesehen eine Wette auf die Aufwertung des Franken gegen Dollar und Euro. Und aus der wird naturnotwendig ein Spekulationsgeschäft, das – nach dem Grundgesetz der Spekulation – um so sicherer gelingt, je mehr Investoren es betreiben: Wenn die massenhaft „in den Franken gehen“, also die Weltwährungen, in denen sie nicht nur keine Gelegenheiten zu profitabler Anlage, sondern nicht einmal einen Werterhalt finden, gegen die Schweizer Devise verkaufen, dann treiben sie deren Wechselkurs in die Höhe und verwirklichen für ihr Geld glatt doch noch eine Verwertung. So wird für Investoren die Besonderheit der Währung des grundsoliden Alpenlandes auf einmal selbst zur Quelle der Vermögensvermehrung, ein interessanter Ersatz für die Verwertung von Geldkapital, die auf normalem Weg noch immer nicht wieder zu erzielen ist. Sie nutzen die relative Selbständigkeit des Franken gegenüber den Weltwährungen und den Konjunkturen der Weltwirtschaft und kümmern sich natürlich nicht darum, dass diese Selbständigkeit darauf beruht, dass der Franken selbst international nur wenig als Vehikel der Investition von Geldkapital fungiert und dass die nationale Wirtschaft der Schweiz nie und nimmer die Erträge erzeugen kann, die das in Franken angelegte Geldkapital beansprucht.

Die SNB ist über das enorme Vertrauen, das die Investoren in ihr Produkt setzen, gar nicht glücklich. Denn natürlich ist ihr die Absicht der nach Franken gierenden Geschäftswelt, später, zum Erfüllungszeitpunkt ihrer Termingeschäfte oder wann auch immer, mehr Euros resp. Dollars für ihre Franken zu erlösen, als sie dafür zum aktuell gegebenen Wechselkurs hinlegen muss, überhaupt kein Geheimnis. Und das heißt für sie: Die Massen von Devisen, die ihr zufließen und sie zur Emission von Franken nötigen, sind keine sicheren Einlagen, die den Staatsschatz mehren; sie entstammen weder einem defensiven Sicherheitsbedürfnis ausländischer Geldbesitzer noch einem Refinanzierungsgeschäft mit der einheimischen Bankenwelt, die ihre weltweit erwirtschafteten Gewinne in heimische Währung tauscht und und damit ihre in Franken vergegenständlichte Kapitalmacht steigert und zugleich zur Stichhaltigkeit der Bilanz der Notenbank beiträgt. Diese Gelder werden – auf dem Weg über Konten bei Schweizer Banken, die sie ihrerseits bei der Nationalbank abliefern – bloß „geparkt“, um beim Rücktausch der dafür erworbenen Franken dank deren durch massive Nachfrage erzielten Aufwertung um den Aufwertungsgewinn vermehrt wieder abgeholt zu werden. Mit den Franken, die sie in die Welt setzt, um der spekulativen Nachfrage zu begegnen, vergegenständlicht die SNB eben nicht den Kapitalzuwachs, den Schweizer Banken weltweit erwirtschaftet haben, und auch nicht die bleibenden Depositen einer auf Sicherheit erpichten ausländischen Kundschaft, sondern allein ihre Verpflichtung, in absehbarer Zukunft mit mehr Devisen, als sie dafür eingenommen hat, auf dem Weltdevisenmarkt für den gewachsenen Tauschwert ihres Zahlungsmittels einzustehen. So soll sie der Spekulantengemeinde eine Verwertung ihrer Geldvermögen spendieren, die sich in der ganzen Weltwirtschaft eben nicht mehr verwerten.

Die Bindung des Franken an den Euro: Die Spekulation auf das eigene Geld entmutigen!

2011 tritt die SNB dieser Spekulation und der mit ihr bewirkten Aufwertung des Franken entgegen. Sie verkündet einen Frankendeckel; d.h. sie bindet den Wechselkurs ihrer Währung an das Geld des Euro-Raums, mit dem sie den größten Teil ihres Geschäftsverkehrs abwickelt und aus dem ihr auch die meisten Fluchtgelder zufließen. Durch Stützungskäufe in jedem dafür nötigen Ausmaß verhindert sie einen Fall des Eurokurses unter 1,20 CHF. Der von der Aussicht auf Spekulationsgewinn getriebenen, übermäßigen Nachfrage von Devisenausländern nach Franken setzt sie ihre währungspolitisch begründete Nachfrage nach Euro entgegen, mit der sie dessen Wechselkurs zum Franken stabil und gegen die Tendenz der Märkte hochhalten will, bis sich die Eurozone stabilisiert, das Kapital in Europa wieder wächst und der Wert des Euro von selbst wieder steigt. Inzwischen zielt ihre Wechselkursgarantie darauf, die Aufwertungsspekulation zu entmutigen und den Zufluss fremden Geldes zu bremsen. Außerdem zielt die Stabilisierung auch noch auf den Schutz der heimischen Exportwirtschaft und Tourismusindustrie gegen die Wirkungen einer Aufwertung, die eben nicht Ausdruck und Resultat der Konkurrenzfähigkeit der Schweizer Realwirtschaft ist und sie deshalb beschädigt.

Die Finanzwelt lässt sich von ihrer Spekulation allerdings nicht abbringen, sondern nimmt die Preisgarantie der SNB für den – so gesehen noch – billigen Franken nun erst recht und ausgiebig in Anspruch, kauft weiterhin Franken gegen Euros und verstärkt mit dem anschwellenden Zustrom von Fremdwährung den Aufwertungsdruck gegen die SNB. Je länger die Krise der Eurozone und ihrer Wirtschaft anhält bzw. in der einen oder anderen Form wieder aufbricht, desto mehr können die Spekulanten darauf setzen, dass die SNB das Schicksal ihrer Währung nicht auf ewig und unbedingt an einen gefährdeten Euro binden und dafür ihre Rolle als Schatztruhe der Welt und ihr Geld als Hort der Stabilität opfern wird. Der ungebrochene Zustrom von Euros belehrt die SNB darüber, dass die Finanzwelt jedenfalls nicht auf eine schnelle Erholung der Eurozone setzt: Die zur Abwehr der Aufwertung nötigen Interventionen werden immer größer, lassen bis Ende 2014 die Devisenbestände der SNB auf über 500 Milliarden CHF anwachsen und machen sie zum größten Eurogläubiger.[13]) Wirtschaftsjournalisten ernennen die auf Stabilität bedachte SNB wegen ihrer gegen die Spekulation gerichteten Euro-Käufe auf dem Devisenmarkt und den damit verbundenen Risiken für den Franken zum weltweit größten Währungsspekulanten.[14]

Die Kehrtwende der SNB: Berechnende Kapitulation vor den Finanzmärkten

Mit seinem Programm, durch den Kauf von Staatsanleihen die Finanzmärkte mit über einer Billion Euro zu überschwemmen und die Zinsen für Kreditnehmer und überschuldete Eurostaaten zu drücken, räumt EZB-Chef Draghi selbst den kritischen Zustand der Währungsunion nach sieben Jahren Krise ein, damit auch, dass diese Krise ihren Fortgang nimmt; und er kündigt eine auf wenigstens zwei Jahre angelegte Politik des niedrigen und weiter sinkenden Euro-Wechselkurses an, auf den die Geldhändler und -besitzer mit ihren spekulativen Franken-Käufen setzen. Damit ist das Projekt der SNB, ihr Land von den Krisenfolgen abzuschirmen und die Phase des Misstrauens in den Euro durch Stützungskäufe zu überbrücken, gescheitert. Sie bricht ihre Mindestkurspolitik ab, lässt die folgende schlagartige Aufwertung des Franken um 20 % (langfristig dann um 15 %) zu und realisiert über Nacht einen Wertverlust ihrer Dollar- und Euro-Devisenreserven um 60 Mrd. CHF, [15] nun mit dem Ziel, das Verhältnis zum Euro auf einem neuen Niveau zu stabilisieren.

Dies ist einerseits eine Kapitulation vor den Finanzmärkten. Die Nationalbanker gestehen ein, dass sie die Spekulation auf die Aufwertung des CHF mit ihren Interventionsmilliarden nicht haben stoppen können. Das Ende der Kursbindung, mithin das Geschehen-Lassen der Aufwertung ist andererseits nur der nächste Akt im Kampf gegen diese Märkte: Es will der Spekulation auf eine weitere Aufwertung des – nun teurer einzukaufenden – Franken das Wasser abgraben. Dazu verknüpft die SNB das Ende des Frankendeckels mit dem auf 0,75 % erhöhten Negativzins auf Einlagen der Banken [16] bei ihr, so dass für die das Hereinnehmen von Fremdwährung und folglich für Spekulanten die Aufstockung ihrer Franken-Guthaben bei eidgenössischen Geldhäusern unattraktiv wird. Zudem stellt sie klar, dass sie sich Interventionen auf dem Devisenmarkt zugunsten des Euro und zum Drücken des Frankenkurses selbstverständlich vorbehält, nur eben auf eine für Spekulanten nicht mehr berechen- und ausnutzbare Weise.

Die schädlichen Folgen der Aufwertung für Tourismus und Exportwirtschaft der Schweiz nimmt die SNB in Kauf. Die Betreuung der Währung als nationale Reichtumsquelle hat Vorrang vor dem realen kapitalistischen Geldverdienen: Zur Abwehr der Spekulation auf eine Aufwertung des Geldes wird der Franken aufgewertet und die ‚Realwirtschaft‘ in eine Rezession gestürzt. So bekommt das Land, das in normalen Zeiten vom für die inneren Finanzierungsbedürfnisse total überdimensionierten Bankensektor profitiert, in der Krise negativ zu spüren, dass es zur abhängigen Variablen des globalen Finanzgeschäfts der Banken geworden ist.

[1] Insbesondere bei der Kreation „strukturierter Produkte“ im Derivatesektor, die zwischenzeitlich als Auslöser der Finanzkrise in Verruf geraten sind, gelten Schweizer Banken als Innovatoren, die ihrer Kundschaft für jedes Mischungsverhältnis von Risiko und Sicherheit die maßgeschneiderte Anlage offerieren können: In diesen internationalen Entwicklungen kommt der Schweiz ganz klar eine Führungsrolle zu. Neben dem weltweit größten investierten Vermögen in strukturierten Produkten ist die Branche auch hinsichtlich Innovation regelmäßig führend. Gerade die Metatools, die jetzt auch in Asien Nachahmer finden, tragen den Made-in-Switzerland-Stempel oder wurden zumindest in der Schweiz erfunden. (Finanz und Wirtschaft: Schweiz behauptet ihre Leader-Rolle, 15.2.2015)

[2] Die Golddeckung wird 1992 mit dem – späten – Beitritt zum Internationalen Währungsfonds aufgegeben, dessen Statuten eine Golddeckung der beteiligten Währungen nicht erlauben.

[3] Bei der Lagerung von Gold ist die Schweiz nach wie vor das führende Land. Der Economist geht in einer aktuellen Schätzung davon aus, dass sich die Nettoimporte seit dem 2. Weltkrieg auf 13 000 Tonnen addieren. Zum Vergleich: Die USA halten mit 8.133,5 Tonnen Gold die bedeutendsten staatlichen Goldreserven der Welt. Deutschland besitzt als Nummer 2 ‚nur‘ 3.395,5 Tonnen. (22.12.2013, www.gold.de)

[4] In Schweizer Zollfreilagern werden Luxuskarossen und erlesene Kunstwerke, Spitzenweine und Stradivari-Geigen, Antiquitäten und Pretiosen aller Art im Wert von Hunderten Milliarden Dollar verwahrt, gepflegt und aufwendig gesichert. (NZZ 31.1.2014)

[5] Die niedrigen Zinsen und die Stabilität des Franken haben auch im Ausland Interesse an Kredit in Schweizer Franken geweckt. Kapitalexportland ist die Schweiz also auch noch geworden. Allerdings hat das internationale Verleihgeschäft, wie schon erwähnt, bei weitem nicht die Dimension der auf Vermögensverwaltung und eigene Kreditaufnahme gestützten Teilhabe am weltweiten Euro- und Dollar-Geschäft: In Osteuropa sind nach Schätzung der SNB Franken-Fremdwährungskredite in Höhe von 220 Milliarden Euro in Umlauf, in Deutschland 4 bis 5 Mrd., in Österreich 47 Mrd.

[6] Näheres ist in GegenStandpunkt 3-97 Die Schweiz in der Krise. Die aktuellen Nöte einer imperialistischen Sonderzone nachzulesen.

[7] Jede dritte Schweizer Bank bezichtigt sich der möglichen Beihilfe zur Steuerhinterziehung: 106 eidgenössische Institute haben bei US-Behörden Selbstanzeige erstattet. Der Schritt könnte ihnen unangenehme Strafverfahren ersparen. (Spiegel online, 26.1.2014)

[8] Der stellvertretende Justizminister James Cole erklärte, es sei an der Zeit, dass sich alle US-Steuerzahler, die sich hinter dem Schweizer Bankgeheimnis versteckten oder nicht-deklarierte Konten in anderen Ländern hielten, den Behörden stellten. (www.swissinfo.ch, 30. 8. 2013)

[9] Daneben sind sie ihren Kunden selbstverständlich weiter dabei behilflich, der steuerlichen Behelligung und Kontrolle der Herkunftsstaaten des betreuten Reichtums zu entgehen, z.B. durch Umwandlung ihrer Vermögen in Sachwerte, die in Schweizer Zolllagern steuerfrei eingelagert werden können, oder durch Vermögenstransfer zu Filialen in Singapur.

[10] Bislang hat der Bundesrat 44 neue Doppelbesteuerungsabkommen unterzeichnet, die dem Partnerland den Einblick in hiesige Bankgeheimnisse erleichtern; aber nur acht davon mit Entwicklungs- und Schwellenländern. Andreas Missbach von der entwicklungspolitischen Organisation ‚Erklärung von Bern‘ wittert hier eine ‚Zebra-Strategie‘: ‚Weiß muss nur das Geld aus den OECD-Ländern sein, schwarz darf es bleiben, wenn es aus dem Rest der Welt stammt.‘ (Zeit online, Okt. 2013)

[11] Unter dem Titel Ein Herz für Diktatoren schildert die SZ vom 12.6.2015 süffisant den Eiertanz der Schweizer Gesetzgebung zwischen Schutz des Eigentums und der moralisch gebotenen Rückgabe von Diktatorengeld.

[12] Der große Zuspruch zum Franken als Fluchtwährung führt dazu, dass der Devisenschatz der SNB in den Krisenjahren von 47,7 Milliarden CHF 2008, über 94,7 Mrd. 2009 auf 257,5 Mrd. in 2011 anwächst; ca. 60 % davon in Euro. Der Außenwert des Franken steigt in dieser Zeit um 26 %.

[13] Doch ihre gewaltigen Bestände an Euro und anderen Währungen machen die Schweizer Zentralbank äußerst anfällig für Wechselkursschwankungen. In den USA druckt die Fed Dollar und kauft auf Dollar lautende Anlagen, was sie gegenüber solchen Risiken immun macht. Die SNB kann dies nicht, da es schlicht nicht genügend Schweizer Staatsanleihen oder andere Franken-Anlagen zu kaufen gibt. (Spiegel Online, 13.1.2013) Ob die eidgenössischen Geldschöpfer wirklich deswegen so viele Devisen kaufen, weil sie für das viele Geld, das sie aus welchen Gründen auch immer in die Welt setzen, gar nicht genügend heimische Wertpapiere finden? Dass die SNB fremdes Geld mit eigenem aufkauft, um den Kurs des Franken zu drücken bzw. dem Aufwertungsdruck standzuhalten, ist den Fachleuten vom Spiegel offenbar zu banal zur Erklärung des risikobehafteten Ergebnisses.

[14] Von einer erzkonservativen Notenbank hat sich die SNB damit zum weltweit größten Hasardeur gewandelt. (Wall Street Journal Deutschland, nach Spiegel Online, 13.01.2013) Das idyllische Alpenland gilt vielen Anlegern und Sparern als Hort der Stabilität. Sie vertrauen der sprichwörtlichen Schweizer Sicherheit und setzen in der Schuldenkrise auf den Franken. Die Schweiz und Risiko – die beiden Begriffe passten bisher nicht zusammen. Doch seit Kurzem unternimmt das Vorzeigeland einen finanziellen Drahtseilakt, der zum Absturz des Franken führen könnte. Die Schweiz sei ‚der größte Währungsspekulant der Welt‘, warnt Thomas Straubhaar, Chef des HWWI. Es gebe nur noch wenige Gründe dafür, in den Franken als Fluchtwährung zu investieren, mahnt der gebürtige Schweizer. (Focus Online 9.1.2012) Die Fachwelt denkt eben immer einen Schritt voraus: Hinter dem Zweck der spekulativen Franken-Käufer, einen Gewinn aus der von ihnen betriebenen Aufwertung der Schweizer Währung herauszuholen, lauert in ihrer Diagnose schon die Gefahr, dass der Franken durch Abholung dieses Aufwertungsgewinns an Wert verliert.

[15] Für das erste Quartal 2015 weist die SNB einen Wertverlust ihrer Devisenbestände von über 41 Mrd. SFr aus. Die deutlich unterschiedlichen Summen, je nachdem ob die Entwertung auf eine kurze oder längere Zeitspanne berechnet wird, verdeutlichen, dass der Buchverlust eine schwankende Größe ist, abhängig vom wechselnden Bestand an Devisen wie vom Kursverhältnis der Währungen.

[16] Finanzinstitute müssen Strafzinsen bezahlen, wenn sie überschüssiges Geld bei der SNB parken. Daraufhin erheben nun auch UBS, Crédit Suisse, PostFinance etc. Negativzinsen für Einlagen von Großkunden.