Rationalisierung und Lohn 2002
Wie das Kapital mit „Flexibilisierung“ seinen Ertrag aus der Lohnarbeit steigert

Der Inhalt und die Ideologien über die modernen Anforderungen an die Arbeit werden erklärt. Mit Flexibilisierung, Käufermarkt, Dienst am Kunden, Effektivierung der Produktion, Mitarbeiter-Souveränität bis zur Mitarbeiter-Beteiligung kommt die Ausbeutung voran. Wie heutzutage die Ausbeutung zum Dienst am Arbeiter verklärt wird: Der moderne Arbeitsplatz ist einmal mehr ein Segen für die Flexibelegschaft.

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Rationalisierung und Lohn 2002
Wie das Kapital mit „Flexibilisierung“ seinen Ertrag aus der Lohnarbeit steigert

Unternehmer krempeln ihren Produktionsprozess periodisch um: Ihre Kostenrechnung und ihre Konkurrenz untereinander machen das für sie zwingend. Nur wenn sie ihre Kosten senken und dabei ihrer Konkurrenz voraus sind, lassen sich ihre Gewinne halten und steigern. Weil das als so unumstößlich wie vernünftig gilt, heißt dieser Vorgang Rationalisierung.

Ihre jüngste Rationalisierungsoffensive stellen die Unternehmer unter das Motto Flexibilisierung. Das ist einerseits extrem unsachlich, weil damit weder die Sache benannt wird, die da „biegsam“ gemacht werden soll, noch ausgerechnet das die Eigenschaft sein dürfte, auf die es in einem kapitalistischen Betrieb und bei der Lohnarbeit – wenn es denn schon darum gehen soll – ankommt. Andererseits ist der Tendenz nach klar, was gemeint – und leider auch, was dabei unterstellt ist. Stillschweigend vorausgesetzt ist die vollendete Herrschaft der Betriebe über die Arbeit, nämlich diejenigen, die sie tun; anders als ein disponibler Faktor, über den nach freiem Ermessen der Betriebsleitung verfügt werden kann und der sich daher beliebig an jeden betrieblichen Bedarf anpassen und in jede Funktion hinein pressen lässt, kommen sie in den Kalkulationen der Manager dieser neuesten Rationalisierungs-„Runde“ gar nicht vor. Und was mit ihnen angestellt werden soll, was die Praktiker des kapitalistischen Fortschritts also derzeit besonders wichtig finden, das ist deren Schwärmereien über die Segnungen einer „Flexibilisierung“ schon auch zu entnehmen: Es geht um die jederzeit prompt wirksame Anpassung aller Arbeitsabläufe und Entlohnungstechniken an den jeweils aktuellen betrieblichen Bedarf; überhaupt nichts darf als „fix“ gelten, damit die einzig wirklich feststehende Größe, um die sich alles dreht, der Konkurrenzerfolg des Unternehmens, unverwüstlich Bestand hat.[1]

In diesem Sinne drängen die innovationshungrigen Unternehmer auf eine „Verschlankung der Strukturen“, die im doppelten Sinne des Wortes totalitär genannt zu werden verdient: Alle Bereiche des kapitalistischen Wirkens werden gleichzeitig angegangen, und sie werden alle gleichermaßen unter das Diktat des schnelleren Ablaufs und der dadurch verringerten Kosten subsumiert. Dafür nehmen die Rationalisierungsexperten wie üblich die Produktion in all ihren Phasen ins Visier, darüber hinaus aber auch die der Produktion vorgelagerten Bereiche, z. B. die Forschungs- und Entwicklungsabteilungen, sowie die ausgelagerten Bereiche, Zulieferer wie Händler: Alles hat „just in time“ zu passieren; alles wird kritisch darauf hin untersucht, ob der „Materialfluss“ im weitesten Sinn durch den Betrieb hindurch und in Gegenrichtung der Zufluss der Erlöse aus dem Verkauf der soeben erst bestellten Ware noch irgendwo „Verzögerungen“ enthält;[2] dafür werden dann „neue Lösungen“ gesucht und gefunden. Auf die – dann noch benötigten – Arbeiter kommen damit etliche neue Anforderungen zu, die alle dem einen Imperativ entspringen: Sie müssen den Gesamtprozess bruchlos und lückenlos in Schwung halten – eine überaus verantwortungsvolle Aufgabe, die sie auf neue Weise zu „Anhängseln der großen Maschinerie“, nämlich quasi zur multifunktionalen „Software“ im „vernetzten System“ der Gewinnerwirtschaftung degradiert. Dabei ergeben sich wie von selbst etliche planvoll angestrebte neue Kalkulationsgrößen für das zu zahlende Arbeitsentgelt, die fast sachzwanghaft zu neuen Methoden der Lohnzumessung und über entsprechend erneuerte Lohnformen zu – wer hätte das gedacht – völlig logischen Lohnsenkungen führen.

Dazu im Folgenden ein Überblick.

„Käufermarkt“ und „Dienst am Kunden“: Vom Anspruch auf Verkaufserfolg zum Grundsatz ‚Zeit ist Geld‘

Los geht es mit einer Selbstkritik. Die Unternehmer kritisieren die von ihnen eingerichtete und für die Gewinnerzielung genutzte Produktion als „nicht marktgerecht“. Überall mangelt es an „Effizienz“, „Produktivität“, „Qualität“, „Flexibilität“; ergo muss alles effizienter, produktiver, flexibler werden. Es fehle an „Kundenorientierung“, die eigenen Produkte würden dem „mündigen Konsumenten“ nicht gerecht. Das entnehmen sie allerdings nicht einer Erkundigung beim Kunden, welches Produkt der gerne hätte, in welcher Qualität und Quantität und vor allem zu welchem Preis, und aus der Order, gnadenlos „marktorientiert“ zu planen und zu wirtschaften, folgen auch keine entsprechenden zusätzlichen Umfragen. Die Unternehmensleiter sprechen nämlich gar nicht von der Unzufriedenheit der Konsumenten, sondern von ihrer eigenen: „Der Markt“ gibt ihnen zu wenig her. Einen Anspruch melden sie an, wenn sie vom „Käufermarkt“ reden, an dem man sich seit Neuestem bewähren müsse und noch viel zu wenig ausgerichtet habe; einen Anspruch, den sie durch eben diesen Markt noch viel zu wenig eingelöst finden: schlechterdings alles, was an verfügbarer Zahlungsfähigkeit unterwegs ist, mit Beschlag zu belegen; alles Geld für die eigene Firma an Land zu ziehen, was sich mit den Produkten der Firma überhaupt an Land ziehen lässt. Was „der Markt“, um den sich in der Marktwirtschaft alles dreht, für sie und seiner ökonomischen Natur nach wirklich ist, stellen sie auf diese Weise einmal in begrüßenswerter Deutlichkeit und Eindeutigkeit klar: Er ist die Geldquelle des Unternehmerstandes, die Veranstaltung, vermittels derer Gewinne realisiert werden.

Die wollen sie also okkupieren, für sich zur sicheren und verlässlichen Geldquelle machen – und mit diesem Anspruch gehen sie auf ihr eigenes Unternehmen los. Das muss so funktionieren, dass es sofort und immer und überall erfolgreich zur Stelle ist, wo sich ein Hauch von Kaufkraft rührt. Es darf nicht irgendwelchen Zufälligkeiten „des Marktes“ überlassen bleiben, ob die Firma reüssiert; sie muss ihren Erfolg selber sicherstellen: ein leicht aberwitziger Auftrag; aber genau der und nichts Geringeres ist gemeint, wenn die Rationalisierungs-Fanatiker der neuesten Generation vom „Dienst am Kunden“ als Erfolgsrezept für ein zeitgemäß wirtschaftendes Unternehmen reden. Wie produziert, so verkauft! heißt die Devise.[3] Und nach der krempeln sie kalkulatorisch die gesamte Betriebsorganisation, darin eingeschlossen den gesamten Produktionsprozess, um: Zwischen Herstellung und Verkauf – genauer: zwischen der Geldausgabe, mit der das Planen und Produzieren losgeht, dem Vorschuss für die diversen Produktionsfaktoren, und dessen Rückfluss, dem Einkassieren der Erlöse – soll keine Lücke entstehen; die Zeitdifferenz soll gegen Null, die Umschlagsgeschwindigkeit des Kapitals gegen Unendlich gehen. Auch das bleibt letztlich zwar ein Ideal; aber dafür, dass es wahr wird, lässt sich immerhin einiges tun: Produkte schneller entwickeln, schneller einkaufen, schneller produzieren, schneller verkaufen, schneller auf (Neu-, Ab-, Um-) Bestellungen und auf Auftragsschwankungen reagieren…

Was in der Redeweise vom „Käufermarkt“ als die schöne Idee des Marktes als Dienst am Kunden daherkommt, ist also schlicht und ergreifend das Interesse des Unternehmers, mit seinen Produkten jedes Fitzelchen Kaufkraft abzusahnen und alle irgendwie erreichbare Kundschaft zum Garanten des firmeneigenen Geschäftserfolgs zu machen. Und was daraus praktisch folgt, das ist der verpflichtende Auftrag ans eigene Unternehmen, den klassischen kapitalistischen Standpunkt, dass Zeit Geld ist – nämlich kostet –, bitter ernst zu nehmen und dafür zu sorgen, dass der Kapitalvorschuss möglichst überhaupt keine Zeit mehr braucht, um mit realisiertem Gewinn wieder zurückzukommen. Das will organisiert sein – und das wird organisiert.

„Effektivierung der Produktion“: Neue Techniken zur Beschleunigung des Kapitalumschlags

a) Moderne Betriebskalkulatoren nehmen mit der größten Selbstverständlichkeit den Standpunkt der Beschleunigung aller betrieblichen Prozesse ein, die bis zum Warenverkauf nolens volens durchlaufen werden müssen, und entwerfen von da aus in der Planungsphase der Rationalisierung lauter Beschleunigungsstrategien. In ihrer „Zeitwirtschaft“ ist Zeit nicht die Zeitspanne, die nun mal nötig ist, um eine mit Gewinn verkäufliche Ware herzustellen – Zeit ist für sie Kost, sonst nichts. Alle Zeitabschnitte, ob sie der Produktion angehören oder dem Umlauf geschuldet sind, tauchen in ihrer Kalkulation einförmig als „Gesamtdurchlaufzeit“ auf, die notorisch zu lang ist.

Deswegen wird jeder betriebliche Sachverhalt, ob es sich um ein Produktionselement oder eine Produktionsphase handelt, je für sich als „Zeitkontingent“ genommen und kritisch begutachtet. Zum Beispiel die Maschinenlaufzeiten, die Rüst- und Verteilzeiten, die Pausenzeiten, die Liegezeiten von Material: Sie alle müssen verkürzt und damit verbilligt werden. Der „Fertigungsdurchlauf“ insgesamt ist dementsprechend so einzurichten, dass an allen Zeitkontingenten systematisch Minuten oder Sekunden eingespart werden. Und nicht nur die Produktion selber, auch alles Drumherum von der Forschungsabteilung und der Arbeitsvorbereitung bis hin zum Vertrieb muss so umorganisiert werden, dass alles schneller geht und möglichst wenig Kapital bindet, das der Betrieb schließlich einsetzen will. Am Ende werden die – vorerst rechnerisch – verkürzten „Kontingente“ zu einer neuen, verblüffend kurzen „Gesamtdurchlaufzeit“ zusammenaddiert. Das nennt man lean production.[4] Zum Zwecke der Kostensenkung in Produktion und Zirkulation erstreckt das Kapital seine Kalkulationshoheit zugleich auf Beschaffung und Vertrieb. Dort sind zwar selbstständige Unternehmer mit ihren ganz eigenen Kostenrechnungen und Gewinnansprüchen unterwegs. Aber die Marktmacht als großer Einkäufer bei Zulieferfirmen sowie als großer Lieferant an Händler lässt manche Erpressung zu, so viel auf alle Fälle, dass namhafte Unternehmen über diese Geschäftssphären so reden, als wären sie Unterabteilungen ihrer selbst.[5] Der Anspruch lautet: Wenn ich als Betrieb schon alle Phasen der Produktion verkürze, dann habe ich doch ein Recht darauf, dass meine Zulieferer und Händler das nach ihren Kräften unterstützen – und just-in-time liefern und abnehmen.

„Flexibilisierung der Produktion“ ist insoweit also der Imperativ zur Verkürzung sämtlicher Produktions- und Zirkulationszeiten.

b) Die Umsetzung dieses Programms verlangt wie immer einen vergrößerten Kapitalvorschuss: Es muss eine veränderte technische Ausstattung der Fabrik her. Nicht nur neue Maschinen – ganze Fabriken, ja sogar neue Standorte stehen da auf dem Einkaufszettel.[6] Damit ist auch schon klar, welchen anspruchsvollen Vorgaben eine kapitalistisch wirklich zweckmäßige „Flexibilisierung der Produktion“ zu gehorchen hat: Sie muss nicht bloß überhaupt kostspielige Umschlagszeit ersparen, sondern im Ergebnis die Waren stärker verbilligen, als was die Investition, auf die Einzelprodukte umgerechnet, an zusätzlichen Stückkosten verursacht. Hier gerät – weil sich ja am anderweitigen Kostenaufwand nichts weiter verändert – ganz von selbst, was für ein Zufall!, der Kostenfaktor in den Blick, an dem sich mit der Umschlagszeit sparenden Umorganisation des Betriebsablaufs durchaus einiges verändern lässt: der Aufwand an bezahlter Arbeit. Egal auf welcher Stufe des neu durchrationalisierten Umschlagsprozesses – ob bei den Zulieferern, die nicht bloß ‚just in time‘, sondern selber auch billiger liefern müssen, im firmeneigenen Produktionsprozess oder in der Verkaufsabteilung –: überall müssen sich Minderungen bei den Lohnkosten erzielen lassen, die, pro Stück gerechnet, die notwendige Vergrößerung des Kapitalvorschusses überkompensieren.

Für die Experten der „Flexibilisierung“ ist das so selbstverständlich, dass sie von vornherein die geplanten Mehrausgaben für neues technisches Gerät zu der kostenmäßigen „Verschlankung“ des Betriebsablaufs ins Verhältnis setzen, die sie damit erzielen wollen, und den Aufwand gleich so ausgestalten, dass sich daraus überzeugende „Kostenvorteile“ bei den „nicht-investiven“ Ausgaben ergeben, die als sinkende Lohnstückkosten zu Buche schlagen. So gerät ihnen wie von selbst ihre Rationalisierungs-Offensive zu einem Bündel „geeigneter anlagentechnischer und personeller Maßnahmen“, geeignet nämlich „zur Lösung betriebsorganisatorischer sowie arbeitsorganisatorischer Probleme“ – „Probleme“, die sich eben aus der „Effektivierung“ des ganzen Ladens unter dem Kriterium der verschärften Rentabilität der Arbeit ergeben…

Wie sie dabei auf den „Faktor“ Lohnarbeit losgehen, dazu gleich mehr. Was den „investiven“ „Faktor“ betrifft, die Neuausstattung des Betriebs mit Produktionsmitteln zur lohnkostensparenden Umsatzbeschleunigung, so gehen die Fachleute des Kapitals die Sache im Lichte ihrer Kalkulation als ein rein technologisches Problem an, dessen Lösbarkeit im Sinne ihrer interessierten Vorgaben sie schlicht unterstellen; die Lösung kaufen sie bei der Maschinenbauindustrie ein, die das benötigte Gerat inklusive der standardmäßig dazugehörenden fortgeschrittensten Informations- und Kommunikationstechnologien als käufliches Produkt bereits anbietet oder auf Bestellung entwickelt. Betriebswirte reden in diesem Zusammenhang von der „Steigerung der Anpassungsfähigkeit“ der Maschinerie an die Erfordernisse des Markts und meinen damit eine materielle Ausstattung der Produktion, in der einer jeden Bedarfsänderung qualitativer oder quantitativer Art möglichst ohne Zeitverzug entsprochen werden kann:

  • Dass verschiedene Produkttypen und -modelle auf einer Produktionslinie gefertigt werden können, verdankt sich der Perfektionierung der numerisch gesteuerten Werkzeugmaschinen, die schon längst die Automatisierung von Arbeitsfunktionen bewerkstelligen. Verbesserte Steuerungstechnologien steigern die Flexibilität des Einsatzes dieser Maschinen, also die Schnelligkeit und Leichtigkeit, mit der die Art des zu bearbeitenden Werkstücks zu ändern ist. Eine diesbezügliche Umprogrammierung wird zunehmend zu einer reinen Softwarefrage. Zudem erlaubt die Computerisierung der einzelnen Werkzeugmaschinen die datenmäßige Verbindung zwischen diesen Maschinen. Zusammengefasst zu Fertigungsinseln und über Fördereinrichtungen miteinander verbunden, automatisieren sie den ganzen Produktionsbereich und sind damit die moderne Form des Maschinensystems. So kommen die Rationalisierer dem Ziel einer kostengünstigen Fließfertigung trotz immer kleinerer Losgrößen und immer größerer Variantenzahl beständig näher.[7]
  • Nicht nur die eigentliche Produktion, die gesamte Fabrik vom Eingang der Aufträge bis zur Auslieferung an den Kunden wird als integrierter Datenverarbeitungsprozess behandelt.[8] Mit Hilfe einer computergesteuerten Planung und Überwachung der gesamten Auftragsbearbeitung werden die „Durchlaufzeiten“ minimiert – durch eine bessere Abstimmung zwischen Lager und Fertigung, eine optimierte Maschinenbelegung, eine Verringerung der Ausschussproduktion über eine „Qualitätsdatenerfassung“ usw. usf. So automatisieren die „Produktionsplanungs- und -steuerungssysteme“ (PPS)[9] bisher notwendige Aufsichtsfunktionen auf allen betrieblichen Hierarchiestufen.
  • Die Vernetzungsleistungen des Internet gestatten darüber hinaus die unmittelbare Einbeziehung der außerbetrieblichen Zirkulationsstadien Ein- und Verkauf in die Rationalisierung der Gesamtfabrik.[10] Die „Erweiterung des Fertigungsverbundes auf Zulieferer und Kunden“ erspart jede Menge Ausgaben, die in der Zirkulation anfallen. Denn die Verknüpfung des Ein- und Verkaufs mit dem innerbetrieblichen Produktionsablauf in Form der EDV-gestützten Synchronisation von Belieferungs- und Produktionsprozess macht „just-in-time“ wahr: Wenn per Mausklick dem Lieferanten die Bestellung offeriert wird – und zwar automatisch in Abhängigkeit vom aktuellen Stand des Produktionsbedarfs und abgeglichen mit den vorhandenen Lagerbeständen – und daraufhin die Lieferung sofort erfolgt, dann erübrigen sich schon wieder etliche Sach- und Personalaufwendungen im Bestellwesen, im Rechnungswesen und im Lager.[11]

„Mehr Mitarbeiter-Souveränität“: Gewinnsteigernder Einsatz der Arbeitskräfte

Dass die neue Gestalt(ung) des technologischen „Faktors“ auf den veränderten Einsatz des zweiten „Faktors“ zielt, den der Unternehmer kommandiert, wird nicht verhohlen. Es wird in der verlogenen Formel vom Menschen, der wieder mehr im Mittelpunkt stehen muss und der jetzt verantwortlich und eigenständig ans Arbeiten kommt, zum Ausdruck gebracht. Die Rationalisierungsprofis können sich gar nicht einkriegen über die Wunder einer produktiveren und leistungsfähigeren Maschinerie und über die dadurch „ermöglichte“ effektivere Arbeit und kommen doch nicht im Traum darauf, so etwas könnte das Arbeiten erleichtern und den Nutzen für die Arbeiter steigern. Effektivere Arbeit, das ist für einen kapitalistischen Betrieb eben nicht ein perfektionierter Arbeitsprozess, wo leistungsfähigere Maschinen in kürzerer Zeit mehr und bessere Produkte ausspucken und der Mensch nur noch planend und kontrollierend einzugreifen braucht. Effektivität markiert stattdessen die Steigerung der Wirksamkeit der Arbeit für die Gewinnproduktion.

In Bezug auf diese Effektivität wird die Belegschaft – eine Kost wie die technologische Ausstattung des Betriebs auch, nur in der erfreulichsten Weise vielseitig, variabel und flexibel einsetzbar – mit Hilfe des neuen Maschinensystems produktiver gemacht: Sie hat die kalkulatorisch ermittelte Senkung der Stückkosten zu bewerkstelligen, also die ins Auge gefasste Gewinnsteigerung herbeizuwirtschaften.

a) Dieser Standpunkt des Rechnens mit bezahlter Arbeit hat Konsequenzen. Die erste sind Entlassungen. Denn wo das flexible Produktionssystem Einzug hält, da erspart es in erster Instanz das Bezahlen von Leuten, die bisher auf der Lohn- und Gehaltsliste des Betriebs standen: im Einkauf etwa, im Lager, in der Wartung, in der Nacharbeit, im Vertrieb oder im betrieblichen Aufsichts- und Kontrollwesen.

Die zweite Konsequenz: Die mit dem neuen technischen Apparat veränderten Arbeitsstellen zielen auf die ausgiebigere Benutzung der bezahlten Arbeit, beinhalten also neue Leistungsanforderungen an die Arbeitskräfte. Das Kapital bringt seine Hoheit über die Belegschaft, deren Arbeit ihm gehört, nachdem es sie gekauft hat, in Anschlag: ‚Du, Arbeiter, bist die Arbeitskraft, ich fülle sie dir mit Arbeit aus.‘ Jetzt eben mit einer, die „marktorientiert“ ist, also den Umschlag zu beschleunigen und dadurch mehr Rendite als bisher zu erwirtschaften hat. In der neuen Arbeitsorganisation wird festgelegt, wie die Arbeiter flexibel zu funktionieren und zu spuren haben.

„Flexibilisierung“, das ist hier der Zustimmung heischende Ausdruck für ein neues Arbeitszeit- und Leistungsregime, mit dem das Kapital die Senkung der Lohnstückkosten in die Tat umsetzt – auf Kosten von Lebenszeit und -kraft der Belegschaft.

Dieses Regime umfasst neue Vorgaben für Arbeitsumfang und Arbeitstempo ebenso wie für den Inhalt der Arbeit und für die Arbeitszeit.[12] Entfaltet wird es dadurch, dass die Arbeit der gesamten Belegschaft neu organisiert, ein- und aufgeteilt wird. Für die neue Arbeitsorganisation setzen Unternehmer verstärkt auf Gruppenarbeit. Die braucht es einfach für die neu aufgezogene „marktorientierte“ Produktion, in der ganz verschiedenartige Aufträge in unterschiedlicher, auch minimaler Losgröße und in zahlreichen Typenvarianten abzuarbeiten sind. Die Arbeiter werden gruppenweise in „Montage-Inseln“ von der unmittelbaren taktmäßigen Bindung einzelner Handgriffe am Fließband abgekoppelt; die einzelnen Arbeitsschritte sind nun innerhalb und zwischen den einzeln „Inseln“ variabilisiert und in wechselndem Rhythmus je nach Auftragseingang just zur rechten Zeit zu absolvieren. Die Arbeit insgesamt ist und bleibt dem getakteten Material- und Bauteilefluss mittels Fördereinrichtungen zugeordnet: Der Zwang zur Ablieferung rentabler Arbeit macht sich dem Arbeiter gegenüber jetzt als die Notwendigkeit des technischen Systems der „rechnergestützten und integrierten Fabrikation“ mit ihren unwidersprechlichen Daten und deren Verarbeitung geltend. Ihr hat die Gruppe ihre Aufträge zu entnehmen und ihnen bezüglich Menge, Qualität und Termintreue zu genügen.

Den kontinuierlichen Fluss der Produktion, auf den es dem Kapital wegen deren Beschleunigung so sehr ankommt, können die Gruppen angesichts ständig wechselnder Anforderungen nur dadurch sicherstellen, dass in ihnen kein vorgegebener Takt herrscht. Sie müssen es „nur“ hinkriegen, dem Fließtakt des gesamten Produktionsablaufes zu entsprechen, sich also dessen Tempo zu beugen. So entkoppelt das Kapital die Belegschaft vom Arbeiten an den bisherigen „Einzelarbeitsplätzen“ – aber nicht, um sie davon zu befreien, sondern um ihre Arbeit umso rigider an die Erfordernisse zu koppeln, die das Produzieren im Takt unterschiedlicher und wechselnder Produktionslose vorgibt.

So hat die Gruppe durch ihre Anstrengungen sicherzustellen, dass das neue betriebswirtschaftliche Diktat von starrem Takt und flexibler Fertigung im Sinne des Erfinders und in seinem Interesse an beschleunigter Produktion und Zirkulation aufgeht.

b) Im Mittelpunkt steht der Mensch, weil es auf seine Leistung in vielfältigerer Weise als bisher ankommt. Mit den Formeln ‚Job-Rotation‘, ‚Job-Enrichment‘ und ‚Job-Enlargement‘ umschreiben moderne Arbeitsvorbereiter einen ziemlich umfangreichen Katalog wechselnder, erweiterter und zusätzlicher Anforderungen. Mit denen nimmt das Kapital die Produktivkräfte in Anspruch, die in der Kooperation der Arbeitenden und in der Teilung ihrer Arbeit liegen. Auch die rationellere, weil produktivere Zusammenarbeit der Gruppenarbeiter erspart ihnen keine einzige Last, sondern organisiert – gemäß der Logik der Rationalisierung, dass produktivere Arbeit identisch ist mit einer intensiver und extensiver beanspruchten – neue Lasten. Zusätzliche Arbeitsfunktionen wie Qualitätskontrolle und Wartung „bereichern“ die Arbeit durch zusätzliche Belastungen. Die gleichzeitige Bedienung etwa von mehreren CNC-Maschinen „erweitert“ den Arbeitsumfang. Der Auftrag, mobiler Springer potentiell im ganzen Werk zu sein, also jede Tätigkeit innerhalb der Gruppe, aber auch in anderen Gruppen ausüben zu können, führt zu kein bisschen Abwechslung beim Arbeiten, vielmehr zur Anstrengung eines allseitigen Rotierens – Routine wird zum Fremdwort und muss trotzdem da sein.

Im Mittelpunkt steht der Mensch auch deswegen, weil es auf seine Leistung in einer speziellen Hinsicht anders ankommt als bisher: Er hat „Eigenverantwortung“ in der und für die Gruppe zu übernehmen.[13] Die wird ihm allerdings gar nicht überlassen, sondern als zusätzliche Anforderung vom Betrieb vorgelegt: In der „Fertigungsfeinsteuerung“ hat er in aktiver Kooperation mit seinen Kollegen für eine Planung und Abfolge des Produzierens vor Ort zu sorgen, die die Aufträge innerhalb der festgelegten Termine wegschafft. Selber ein bisschen planen, organisieren, einteilen, improvisieren: Das wird von der Gruppe verlangt. Ihre neue „Zeitsouveränität“ tobt sich am Wegschaffen diskontinuierlich anfallender Arbeitspensen aus: Die flexible Arbeitszeit stellt sicher, dass trotz schwankendem Auftragseingang Pausen im Arbeitstag ebenso wie Schwankungen in der Stundenproduktivität vermieden werden, damit jede Arbeitsstunde, wie viele davon auch immer anfallen, gleich intensiv genutzt wird und damit maximalen Ertrag bringt. Da werden überflüssige Pausen entdeckt, um sie abzuschaffen – nämlich alle die, die die Arbeiter brauchen könnten und nur denen zugute kommen. Schwankungen in der Belegschaftsstärke wegen Krankheit oder Urlaub dürfen auf keinen Fall zu einer Schwankung in der „Produktivität“, also auch nicht zum Aufstocken der Arbeiteranzahl führen; das muss dann schon wieder die Gruppe unter sich sowie in Abstimmung mit den vor- und nachgelagerten Gruppen hinkriegen.

Im Kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) schließlich nutzt das Kapital auch die kleinen alltäglichen Produktivitätsfortschritte, die die kooperierende Gruppe in der „Fertigungsfeinsteuerung“ fabriziert – und zur fristgemäßen Erledigung des Auftragspensums auch fabrizieren muss –, zu einer zusätzlichen Intensivierung der Arbeit. Sie werden nämlich zur selbstverständlichen Norm ihres zukünftigen Arbeitens. Was im bisherigen betrieblichen Vorschlagswesen als eine extra Veranstaltung organisiert war – der Betrieb winkte mit Prämien für Vorschläge zur Verbesserung des Verhältnisses zwischen (Lohn-) Kostenaufwand und Betriebsergebnis – wird jetzt zu einer Dauerveranstaltung.

So geht es zu, wenn das Kapital den Mensch in den Mittelpunkt stellt und ihm „mehr Freiräume einräumt“. Dann geht es nämlich um Folgendes: Mit dem neuen flexiblen Maschinensystem macht der Betrieb die Belegschaftsmitglieder zum flexiblen Puffer für seine neuen Ansprüche und weist ihnen ihren Stellenwert als multifunktionale Versatzstücke im beschleunigten Umschlagsprozess des Kapitals zu. Die viel gerühmte „Anpassungsfähigkeit“ der computergesteuerten Fertigung an die Launen des Marktes löst sich auf in die erzwungene Anpassung der Gruppe an die Leistungsanforderungen, die der Betrieb organisiert.

„Mitarbeiter-Beteiligung“: Neue Entgelt-Systeme zur besseren Gewinnsicherung

Wo die Fragen der Arbeitsorganisation, die der Sachverstand moderner „Flexibilisierungs“-Experten aufwirft, um das zwingende Interesse des Unternehmens an garantierter Markteroberung durch beschleunigten Kapitalumschlag zu bedienen, so glücklich gelöst werden, da ergibt sich wie nebenbei noch ein weiterer, fürs Betriebswohl höchst erfreulicher Nutzeffekt: Die angewandte Kunst, aus der bezahlten Arbeit mehr herauszuholen, stellt mit ihren Errungenschaften quasi automatisch auch die Bemessung des Preises der Arbeit selbst in Frage – und gibt gleich die passenden Antworten.

a) Mit der Rationalisierung sparen die Betriebe an den Lohnkosten, indem sie erstens ihre Belegschaft neu durchsortieren und zweitens die Modalitäten ihrer Bezahlung ändern.

Der Betrieb verändert zum einen mit der neuen Betriebs- und Arbeitsorganisation die personelle Zusammensetzung seiner Gesamtbelegschaft. Die Teile der Belegschaft, die er überflüssig macht, lassen die Reservearmee von Arbeitern anschwellen; und das wird ausgenutzt: mittelbar über die größeren Reihen von Arbeitslosen, die auf Wiederanwendung angewiesen sind und die Konditionen bestehender Beschäftigungsverhältnisse tendenziell nach unten drücken; ganz direkt durch eine Art innerbetrieblichen Arbeitsmarkt, wo die Ausrollierten mittels „Beschäftigungs-“ und „Transfergesellschaften“ zum Teil wieder neu einrolliert werden – unter verschlechterten Anwendungsbedingungen und zu einem neuen untertariflichen oder nach einem schlechteren Branchentarif errechneten Lohn. Damit wird der Betrieb in dem ihm eigenen Zynismus den größeren Nöten seiner rausgeschmissenen oder Rausschmiss-gefährdeten Belegschaft gerecht: Er beschäftigt sie mit Teilzeitarbeit, befristeter Arbeit, Leiharbeit sowie in „Flexipools“ mit stündlicher oder täglicher Anwendung in Spitzenzeiten der Kapazitätsauslastung weiter. So scheidet er seine Belegschaft zunehmend in eine Stammbelegschaft und eine Randbelegschaft. Auch das pflegt man „Flexibilisierung der Beschäftigung“ zu nennen.

Die neue Organisation hat zweitens Konsequenzen für die Bezahlung, „muss“ welche haben, wie die Unternehmer verkünden. Den Sachzwang deduzieren sie aus ihrer Hoheit über die Belegschaft, die doppelt bestimmt ist: Sie zahlen den Lohn, auf den die Leute angewiesen sind, und sie legen die Arbeitsleistung fest, die diese dafür erbringen müssen. Als Herren über den Preis der Arbeit berufen sie sich wie bei jeder Rationalisierung auch bei dieser auf die betriebliche Übung, ein Verhältnis von Lohn und Leistung gemäß ihren Gewinnerfordernissen zu taxieren. Wenn sie auf Grundlage ihrer neuen Betriebs- und Arbeitsorganisation einen diesbezüglichen Änderungsbedarf anmelden, dann verweisen sie darauf, dass ein solcher durch die neuen betrieblichen Gegebenheiten schließlich schon vorprogrammiert ist. So viel Freiheit liegt dem Sachzwang zu Grunde: Die Betriebe stricken die Produktion zwecks Senkung der Lohnstückkosten um und erklären dann die Veränderungen im Produktionsablauf zum Grund für die Revision beim Lohnzahlen:[14] Wenn jetzt die Auftragsbearbeitung in Gruppenarbeit ansteht, dann „passt“ die bisherige individuelle Leistungsbeurteilung einfach nicht mehr. Und wenn die Betriebe schon die Arbeitszeit flexibilisiert haben, dann „passen“ Überstundenzahlungen nicht mehr.[15] Kurzum: Die bisherige Lohnzahlung, auf die sich die Belegschaft einstellen musste und eingestellt hat, steht ganz grundsätzlich neu zur Disposition.

Der Betrieb praktiziert in aller Selbstverständlichkeit den Standpunkt, dass der Lohn, von dem die Belegschaft ihren Lebensunterhalt bestreitet, das „ausdrücken“ muss, was er von seiner Rationalisierungskalkulation her als neues Lohnerfordernis definiert. Das betrifft auch die betrieblichen Leistungsbeurteilungen, nach denen etliche Bestandteile des Lohns bezahlt zu werden pflegen, sowie ganze innerbetriebliche Lohnsysteme und -hierarchien, die angepasst und umgestülpt gehören.[16] Die Lohnabteilung, die sich heute aus Gründen der Nicht-Diskriminierung von Arbeitern Entgelt-Abteilung nennt, hat da viel zu tun. Zum Glück helfen auch hier Computer. Nämlich Lohnbuchhalter einsparen…

b) Der anspruchsvolle Maßstab für die Lohn-Reform lautet: Der Betrieb rechnet sich auf Grundlage der Rationalisierung ein größeres Betriebsergebnis aus. Von diesem Ergebnis aus berechnet er die Leistung seiner Belegschaft, die es für dessen Zustandekommen braucht. Und dieser Leistung hat wiederum der Lohn zu entsprechen. Das gestaltet er zu einem flexiblen System von Lohnbestandteilen aus, Lohnabzüge bei „Nichterbringung“ von Leistung und Betriebsergebnis inklusive. Die Unternehmen etablieren so neue Formen der Berechnung von Lohn und Leistung und führen diese in einer von ihnen für geeignet gehaltenen Kombination bei sich ein.[17]

„Flexibilisierung des Lohns“ heißt also, dass die Arbeiter für die Erzielung des geplanten Betriebsergebnisses materiell haftbar gemacht werden.
  • Da wird eine Anwendungspauschale bezahlt – zu welchem Zeitpunkt und in welcher Stundenzahl auch immer die Arbeitskraft der Belegschaft vom Betrieb in Anspruch genommen wird. Die Personalabteilung führt für sie Buch in Form von Gleitzeitkonten, die immer längere Zeiträume umfassen, bis hin zu Lebensarbeitszeitkonten. Mit einer fixen Geldsumme für eine als durchschnittlich deklarierte Arbeitszeit erklären die Unternehmer ihre „Mitarbeiter“ für bezahlt – unabhängig davon, wie lange sie tatsächlich antreten. Überstunden gibt es per definitionem nicht mehr, also auch keine Zuschläge mehr.[18] Das lässt sich auch zu einer „Vertrauensarbeitszeit“ ausbauen, wo Arbeit „nicht mehr an der Zeit, sondern am Ergebnis gemessen wird“. Der Betrieb gibt in Form eines „Projektziels“ oder einer „Zielvereinbarung“ ein Leistungspensum vor, das er mit einem „Programmentgelt“ pauschal bezahlt. Das macht dann glatt die Stechuhr überflüssig, weil das Pensum schon gleich so berechnet ist, dass es in der vereinbarten Arbeitszeit unmöglich zu erledigen ist. Der Betrieb „vertraut“ seiner Belegschaft und spart dadurch die Bezahlung eines Teils der eingeheimsten Arbeitsstunden in Gänze ein. Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser.
  • Bezahlt wird die Arbeit in der Gruppe. Die vom Betrieb organisierte kollektive Verantwortung der Gruppe für das Betriebsergebnis wird als Bestandteil des Lohns – als Gruppenprämie – in Anschlag gebracht. Die Arbeitsleistung des Einzelnen ist vom Kapital zwecks flexibler Produktion erfolgreich kollektiviert, doch kommt auch das Individuum zu seinem Recht: Es wird in seinem Lohn dafür haftbar gemacht, dass das Kollektiv das angeordnete Gruppenergebnis auch hinkriegt. Damit stachelt der Unternehmer zur Verbesserung seiner Konkurrenzsituation die Konkurrenz der Gruppenmitglieder untereinander an, die wegen ihres Lohns auf die Leistungsfähigkeit und -willigkeit der jeweils anderen drängen. Dies erst recht, wenn die Gruppenprämie zusätzlich mit einer Prämie für „individuelle Flexibilität und Einsatzbereitschaft“ verknüpft ist.
  • Bezahlt wird zudem in Abhängigkeit davon, was die Belegschaft für das leistet, worauf es dem Betrieb mit seiner Rationalisierung ankommt: für die Beschleunigung des Umschlags. Die findigen Lohnexperten splitten sie in etliche „Kennziffern“ wie Termintreue, Qualität – nämlich eine, die die zeitraubende Nachbearbeitung der Produkte überflüssig macht –, Menge und Kapazitätsnutzung auf, die zu erreichen und zu überschreiten zum Anliegen der Belegschaft wird, weil der Lohn daran gebunden ist. Was früher die „Akkord-Schere“ geleistet hat – auf Grundlage der mit dem Akkord erzwungenen Leistungssteigerung hat das Kapital periodisch die Stückzahl zum Erreichen des bisherigen Lohns hoch gesetzt –, das gibt es hier, manche Tradition möchten moderne Unternehmer einfach nicht missen, in Form des so genannten „Gain-sharing“: Übersollerfüllungen führen nach Bezahlung einer kleinen Prämie zu Sollerhöhungen.
  • Bezahlt wird schlussendlich direkt nach Maßgabe der Rendite, die das Kapital erzielt hat. Der 5000x5000-Lohn bei VW hat diesen Leistungslohn ganz neuen Typs eingeführt, mit dem die Lohnzahlung direkt und unverblümt auf den Geschäftserfolg des Unternehmens bezogen ist.[19] Der „Ergebnisbeteiligungslohn“ entschlüsselt die letztgültige Wahrheit über Grund und Zweck jeglicher Lohnzahlung: Gekauft wird nicht die Arbeit und die Leistung, die sie abliefert, sondern das mit der Bezahlung erwirkte Betriebsergebnis – ganz gemäß der kapitalistischen Bestimmung der Lohnarbeit, dass sie im Maße ihrer Verausgabung Eigentum in Form steigender Gewinne zu schaffen hat.

Mit solcher „Flexibilisierung“ des Lohns führen die Unternehmer praktisch vor, was ein gerechter Lohn heute ist. Sie erstellen in Form ihrer runderneuerten Leistungsvorgaben einen Anforderungskatalog für ein gerechtes Tagewerk und hängen den Bezahlungsmodus für den Lohn an ihn dran: in aller Freiheit, was in der Redeweise vom „Modell, das zu unserem Betrieb passt“ ungeniert zum Ausdruck kommt.

Mit den neuen „Modellen“ verschieben sich die Anteile der mehr und der weniger festen Lohnbestandteile rapide hin zu den variablen Lohnteilen: jenen „leistungs- und erfolgsabhängigen Zulagen“, die mittlerweile bis zu 50% des Lohns ausmachen können. Das unternehmerische Ziel, mit allen Schikanen der „flexiblen Produktion“ die Gewinnsteigerung zu fixieren, macht den Lohn für die Arbeiter flexibler: Um den Gewinn planmäßig ausfallen zu lassen – denn nichts tut ein Kapitalist lieber als Gewinnpläne aufstellen –, verfährt er mit dem Lohn so, dass er für die Arbeiter noch weniger eine planbare Größe ist als bisher. Das ist mittlerweile schon wieder die Grundlage für eine ganz neue betriebliche Sozialleistung: Damit die Finanzen seiner Lohnempfänger mit ihren nach dem neuen Modus zwangsläufigen starken Schwankungen nicht vollends in Unordnung geraten, zahlt manches Unternehmen einen monatlichen Abschlag in ungefährer Höhe des erzielten und zu erwartenden Durchschnitts der tatsächlich verdienten Summen – oder gleich einen Durchschnittslohn. Ein solcher Auszahlungsmodus lässt sich wiederum für noch einen ganz anderen arbeitsrechtlichen Fortschritt, nämlich weg vom Kollektivvertrag, nutzen: Dann zahlt der Betrieb beispielsweise ein so genanntes „Jahreszielgehalt“, bei dem der variabel gehaltene Anteil an der Jahreszahlung in einer individualrechtlichen Vereinbarung Mann für Mann festgelegt wird. Bei den entsprechenden „Verhandlungen“ kann das Unternehmen sich auf den von ihm hergestellten Stand der Dinge verlassen: dass es bei der laufenden Rationalisierungs-Offensive schon ein Glück und eine Gnade ist, derer sich der Einzelne würdig zu erweisen hat, überhaupt vom Betrieb behalten zu werden.

So kommen die Unternehmer ihrem „Modell“ des gerechten Lohns Schritt für Schritt näher: Wo beim Gang in die Fabrik je schon die Leistung, die die Belegschaft zu erbringen hat, vom Betrieb festgelegt ist, und wo die ausgehandelten Tarifverträge so offenkundig jede Menge Spielraum für flexible Lohnmodelle enthalten, da ist es am Ende nur konsequent, wenn sie die Bezahlung der Belegschaft gleich nach betrieblichem Bedarf selber regeln.[20]

Und nun das Ganze noch mal andersherum:
Modernisierte Ausbeutung: Ein einziger Segen für die Flexi-Belegschaft

Dass moderne Unternehmen ihre Betriebsorganisation umkrempeln, Zulieferer und Abnehmer unter Druck setzen, ihre ausgedünnte Belegschaft mit dem in Hardware und Software verdinglichten Anspruch konfrontieren, durch eigenen gruppenmäßig flexibilisierten Einsatz den Wahn einer gegen Null reduzierten Umschlagszeit des vorgeschossenen Kapitals wahr werden zu lassen, und dafür gerechterweise insgesamt und individuell, pauschal und spezifisch weniger Lohn zahlen – nur um dem Kunden zu Diensten zu sein: Das wissen wir schon; mit dieser frohen Botschaft fangen alle wissenschaftlichen Handreichungen zur aktuellsten Mode der Unternehmens-„Rationalisierung“ an. Was noch nicht zur Sprache gekommen ist, das ist der komplementäre Dienst, den moderne Unternehmensreformer mit dieser Umkrempelung von „Materialfluss“, Arbeitseinsatz und Entgelt den Mitarbeitern erweisen. Sie beantworten damit nämlich ultimativ und definitiv die Jahrhunderte alte „soziale Frage“, perfektionieren die „Humanisierung der Arbeitswelt“, um die die Gewerkschaften Jahrzehnte lang gerungen haben; sie vollenden geradezu die sittliche „Erziehung des Menschengeschlechts“ im Sinne der höchsten Werte von Demokratie und Marktwirtschaft, indem sie das Kostbarste am freien Individuum hervortreiben. Das muss auch endlich mal gesagt werden. Und glücklicherweise hat es einer der bescheidenen Apostel der „Flexibilisierung“ bereits gesagt und in dermaßen wohlgesetzten Worten aufgeschrieben, dass ein ganzer Soziologen-Kongress die Worte nicht wohler hätte setzen können:

„Mehr als ein Jahrhundert lang stand die Frage, wie sich Arbeitnehmer vor sozialen Risiken besser schützen lassen, im Mittelpunkt der Gestaltung der Arbeit. Doch die Welt verändert sich in rasantem Tempo. Eine größere Chance, sich dabei zu behaupten, haben die Länder und die Unternehmen, die ‚loslassen‘ können. Die Zukunft gehört denjenigen, die auf die Mündigkeit der Arbeitnehmer, ihre Kompetenz, Beteiligung und Lernbereitschaft setzen. Denn nur aus dieser Tatkraft, die eigene Zukunft selbst in die Hand zu nehmen, erwächst der Wert persönlicher lebenslanger Beschäftigungsfähigkeit.“ (VW-Personalchef Peter Hartz in seinem Buch: „Job Revolution“)

„Loslassen“: Das bringt’s! Wie ließe sich schöner in einem einzigen Wort ausdrücken, dass in der Welt von heute und morgen, in der alles in rasantester Veränderung begriffen ist, das Eine unverrückbar fest steht: Überlebenschancen – gegen wen auch immer – haben nur die Länder und Unternehmen, die sich von dem Wahn lossagen, sie müssten den Arbeitnehmer vor irgendwelchen sozialen Risiken in Schutz nehmen. Der menschlichen Fähigkeiten alleredelste und wertvollste, nämlich die, sich beschäftigen zu lassen, bringt in Wahrheit doch bloß der Arbeitnehmer mit, der seinen Arbeitgebern und seiner Obrigkeit alle Sorgen um den Lebensunterhalt der eigenen Person kompetent und tatkräftig aus der Hand nimmt und sich keinen besseren Lohn weiß, geschweige denn für sich verlangt, als das Vertrauen, das Land und Unternehmen in ihn setzen: das Vertrauen, dass er schon allein mit den Risiken fertig werden wird, die sie ihm aufhalsen…

Anders gesagt: Es gibt anscheinend tatsächlich ein gewisses Entsprechungsverhältnis zwischen Basis und Überbau. Wie es aussieht, geht das so: Je total(itär)er die Herrschaft des Kapitals über die Arbeit, desto unverschämter die apologetischen Phrasen, die darüber verbreitet werden. Oder umgekehrt: Wenn Lohnarbeiter sich widerstandslos nachsagen lassen, die neuesten Errungenschaften bei der billigen Ausbeutung ihrer Arbeitskraft wären die praktizierte Ehrfurcht vor ihrer Mündigkeit und ihre beste Fähigkeit wäre der Gebrauch, den ein Unternehmer von ihnen macht – dann hat das Kapital zwar immer noch nicht alle Bedingungen der Realisierung seiner gewinnträchtigen Produkte, aber sonst alles im Griff.

[1] In früheren Rationalisierungs-„Runden“ ist es meistens darum gegangen, die Arbeit durch neue Produktionsverfahren und die entsprechende Teilung und Kombination der noch erforderlichen menschlichen Tätigkeiten in einer Weise produktiver zu machen, dass dadurch das Kapital produktiver, die Arbeit also rentabler geworden ist. Damit haben die kapitalistischen Unternehmen es weit gebracht; was sie an bezahlter Arbeit in ihre Fabriken stecken und was sie auf der anderen Seite an gewinnträchtigen Erlösen aus den Arbeitsprodukten herausholen, geht mittlerweile so weit auseinander, dass fortschrittliche Denker bereits die Frage aufgeworfen haben, ob der „Arbeitsgesellschaft“ nicht allmählich „die Arbeit ausgeht“. Davon lassen sich die ehrenhalber so genannten Arbeitgeber freilich nicht irritieren; die wissen, was sie an dermaßen effektiv gemachter Arbeit haben – und sind eben deswegen mit dem jeweils erreichten Stand nie zufrieden. Um noch immer mehr aus ihren angestellten Kräften herauszuholen, reichen ihnen heutzutage die herkömmlichen Methoden der Leistungssteigerung jedoch nicht mehr; die sind anscheinend ausgereizt. Sie gehen „neue Wege“; exemplarisch in der Auto-Industrie. Dass im Folgenden vor allem auf deren Errungenschaften Bezug genommen wird, ist keine Frage des Prinzips; das gilt für Unternehmen aus allen Branchen. Nach der Logik der kapitalistischen Wirtschaftsweise kann sich gar kein Konkurrent den „Standards“ entziehen, die an irgendeiner Stelle in Sachen Kapitalverwertung durchgesetzt werden. Und um nichts Geringeres als neue „Standards“ geht es.

[2] Dieser unternehmerische Bedarf bringt seine spezielle Art von Humor hervor: General Motors will, dass in dem Moment, wo jemand ein Auto mit Ledersitzen bestellt, die Kuh auf der Weide zusammenzuckt. (M. Sommerauer, Supply Chain Management)

[3] Marx stellt in Band 3 des „Kapital“ lapidar fest: Die Bedingungen der unmittelbaren Exploitation und die ihrer Realisation sind nicht identisch. (S.254) Wer hätte je das Gegenteil behauptet? Die Kapitalisten jedoch handeln so, seit jeher, als wäre ihre Ware, wie produziert, so auch schon verkauft. Dass sie sich da täuschen, ist noch das Wenigste. Sie beanspruchen praktisch, dass „der Markt“ die ‚Bedingungen der Realisation‘ ihrer gewinnträchtigen Produkte bereitstellt, und tun deshalb dort, wo sie zu bestimmen haben, in ihrem Betrieb, alles, um die „Bedingungen der unmittelbaren Exploitation“ so einzurichten, dass ihnen die Eroberung „des Marktes“ auch gelingt. So geht es, wie gesagt, im Kapitalismus zu, seit es ihn gibt. Moderne Unternehmer gehen hier noch einen Schritt weiter: Sie bemühen sich allen Ernstes darum, vermittels einer Betriebsorganisation, die die Zeitdifferenz zwischen „Exploitation“ und „Realisation“ minimiert, die von Marx angemerkte Differenz zu eliminieren.

[4] Statt Kapazitäts- und Produktionsprogramme zu optimieren, Stückzahlen zu kloppen, fehlende Kundenaufträge durch unspezifizierte Mengen zu füllen und anschließend in die Händlerlager und Märkte zu drücken, soll der Fertigungsstrom ausschließlich durch Kunden- bzw.(!!) Händleraufträge aus den Fabriken gezogen werden: Die Chancen (!) sind enorm: höhere Kundenzufriedenheit, höheres Absatzpotential, weniger Lagerbindung, weniger Abverkaufshilfen, weniger Standzeiten und Gewährleistungen, geringere Prozesskosten und allgemein mehr Marktchancen (!). (Peter Hartz, VW-Personalchef, im Nebenberuf seit kurzem Arbeitsmarkt-Berater der Bundesregierung). Das „bzw.“ ist süß: Der „Kundenauftrag“, also die Lieferung auf Bestellung, wäre vom Ideal der BWL aus (kaum produziert, schon verkauft!) das einzig Senkrechte. Aber vom Absatzvolumen her ist das zu mickrig und zudem schlecht kalkulierbar: Deswegen haben sich ja die VWs und all die anderen auf die „Händleraufträge“ zur Beschleunigung ihres Umschlags verlegt.

[5] Das Restrukturierungsprogramm Olympia von Opel führt es in 18 Punkten vor: Verringerung des Entwicklungsaufwands, kostengünstigerer Einkauf ohne Qualitätseinbußen, präzisere Produktionsplanung und optimierte Kapazitätsauslastung, kostengünstigere Organisationsstrukturen, Profitabilität der Händlerbetriebe und des Vertriebsnetzes durch dessen Ausdünnung, mehr Werbung…

[6] Im elsässischen Hambach wurde so vor ein paar Jahren für den Bau des Kleinwagens Smart ein neues Werk errichtet und die Zulieferer kreisförmig um dieses Werk herumgruppiert: der Optimierung der Materialströme und der kurzen Wege willen; Smartville entstand. Dieses Werk ist ein schönes Anschauungsbeispiel für das Ideal, die Zirkulationszeit gegen Null zu bringen. Denn dafür wurde es mit einem Vorschuss von x Milliarden DM gebaut, was von der Kapazität her auf den Verkauf von Hunderttausenden Smarts berechnet war. Als die tatsächlichen Verkaufszahlen dieser so lean, just-in-time und selbstredend kundenorientiert projektierten Fabrik unterhalb der Planzahlen blieben, waren erste „Kapazitätsanpassungsmaßnahmen“ notwendig. Anscheinend ist im Kapitalismus der Markt doch irgendwie nicht planbar…

[7] Wenn im Loblied auf die Einführung einer „kundenindividuellen Massenfertigung“ der Zweck der Einführung, die Beschleunigung des Umschlags des Kapitals, weggelassen wird, dann kommen lauter tautologische Ermöglichungsformeln heraus, die ganze Lehrbücher über moderne Produktionswirtschaft füllen. Eine Kostprobe: Die verbesserte Steuerung der technischen Produktionsprozesse ermöglicht (!) in erster Linie eine Flexibilisierung der Fließfertigung, da mit Hilfe der Informations- und Kommunikations-Technologie nun auch kleinere Produktionslose automatisiert und damit produktiv (?!) gefertigt werden können… Flexible Fertigungssysteme ermöglichen (!) die Bearbeitung unterschiedlicher Teile mit unterschiedlichen Bearbeitungsprozessen in beliebiger Bearbeitungsreihenfolge. Sie umfassen in der höchstentwickelten Form mehrere funktionsverschiedene Aggregate, die alle durch automatisierte Transportvorrichtungen miteinander verknüpft sind… Diese ermöglichen (!) durch Verkettung den wahlfreien Materialfluss. Gleichzeitiges, möglichst komplettes Bearbeiten unterschiedlicher Arbeitsobjekte in einem System ist somit gewährleistet. (Krüger, Organisation der Unternehmung, S.201)

[8] Unternehmer und ihre Helfershelfer pflegen ins Schwärmen zu geraten, wenn sie über die „Geschwindigkeit des Datenflusses“, das „Netzwerk Unternehmen“ oder gleich die „virtuelle Fabrik“ sprechen. Den schnellen Datenfluss übersetzen sie sogleich in die beschleunigte Bewegung ihres Kapitals; ihr Kapitalvorschuss scheint sich mittels Datenverarbeitung mit der gleichen Geschwindigkeit verwerten zu lassen, wie Daten im Intranet oder Internet fließen.

[9] Am Beispiel des PPS läßt sich das Ineinandergreifen von Planung, Steuerung und Kontrolle gut verdeutlichen. Ein PPS erfüllt daher nicht nur (!) betriebswirtschaftliche, sondern auch (!) technische Zwecke. (Krüger, S.173). Für den Betriebssoziologen ist die technische Planung des Produktionsprozesses haargenau dasselbe wie die Steuerung und Kontrolle dieses Prozesses unter dem Diktat von Kosten und Gewinn. Deswegen kann er Planen und Kalkulieren nicht auseinanderhalten.

[10] „E-Procurement steht für elektronische Beschaffung: Einkauf per Internet. Dazu gehören auch elektronische Ausschreibung und Auktion sowie Katalogeinkauf. Auf diesem Marktplatz hat die Einkaufsabteilung die Preise bereits verhandelt, so dass der Besteller davon ausgehen kann, zum günstigsten Preis einzukaufen… Bei Angeboten auf elektronischem Wege erzeugt das System dann gleich einen Preisspiegel, in dem der Einkäufer die abgegebenen Angebote miteinander vergleichen kann… DaimlerChrysler wickelt bereits ein Drittel des gesamten Beschaffungsvolumens über Online-Auktionen ab“ (Ruhrgas 2/2002). Das „global ordering“ erweitert den Zugriff des produktiven Kapitals über den Kreis bisheriger Zulieferer hinaus auf potentiell alle Zulieferer, die sich auf dem Weltmarkt tummeln.

[11] Dafür steigt der allgemeine Nervenaufwand auf den Autobahnen, deren mit LKWs verstopfte Spuren den Kapitalisten die Lagerhaltung ersetzen. Das hat „der Kunde“ nun davon, dass er so käufermarktwirtschaftlich bedient wird.

[12] „Zur Flexibilitätserhöhung, um auf wechselnde Kundenwünsche zu reagieren (mehr kundenspezifische Fahrzeuge und weniger Lagerfahrzeuge bauen), muss Volumenflexibilität auf verschiedenen Wegen ermöglicht werden, z.B. (nur zum Beispiel!) durch alternative, effiziente und innovative Arbeitszeit- und Personalbesetzungsmodelle“ (Olympia-Programm von Opel).

[13] Rationalisierungsstrategen entdecken ex-post lauter Nachteile des bisherigen Produzierens – eine abstoßende Ansammlung starren Taktes und unnötiger Arbeiten, fast möchten sie sagen: ein bisschen tayloristisch-unmenschlich –, die die Vorteile des jetzigen Produzierens – ein anziehendes El Dorado von Flexibilität und selbstbestimmter Arbeit – ins rechte Licht rücken: Der Taylorismus weist bei zunehmender Variantenvielfalt der Produkte und der technischen (!) Komplexität kapitalintensiver (!) Produktionsanlagen Nachteile auf … Effiziente Arbeitsabläufe sind insbesondere bei variabler Fertigung auf hohem technischen Niveau nur noch dadurch sicherzustellen, wenn die Produktionserfahrung und das Produktionswissen der direkten Mitarbeiter genutzt wird. Dies ist nur möglich, wenn die bisherige Trennung von planenden und ausführenden Tätigkeiten zurückgenommen und den Mitarbeitern mehr Eigenverantwortung für ihre eigene Arbeit übertragen wird, etwa indirekte Tätigkeiten wie Qualitätskontrolle, Materialversorgung, Instandhaltung, einfachere planerische Tätigkeiten.

[14] Das lässt sich so dumm wie betriebssoziologisch als Zeitverzögerungsprozess ausdrücken: „Zwischen der Einführung von Gruppenarbeit und den hierzu passenden gruppen- und teamspezifischen Vergütungssystem liegt in der Regel ein Timelag, weil zunächst die Basis, die Arbeitsorganisation, stimmen muss“ (Das flexible Unternehmen, 15.4.1999).

[15] Auch das hat selbstredend der Kunde bestellt: Mehrarbeitszuschläge werden nicht gezahlt, da wir keine feste Arbeitszeit haben. Denn unser Kunde bestimmt die Arbeitszeit (Sedus Stoll, Büromöbelhersteller)!

[16] So teilt der Tarifvertrag für die neue VW-Fabrik in Dresden (bekannt als „gläserne Manufaktur“) jenseits aller bisherigen tariflichen Lohngruppen-Arithmetik und Lohndifferenzierung ganz neue Lohngruppen ein, versieht sie mit hausgemachten Leistungsbeschreibungen und ordnet ihnen, ebenso hausgemacht, abgestufte Geldbeträge zu.

[17] Moderne Betriebe befürchten ganz offensichtlich gar nicht mehr, dass ihnen bei der freihändigen Festlegung des Lohns jemand in den Arm fällt: Die Auswahl und die Gestaltung der Entlohnung lässt sich mittels eines morphologischen Kastens betriebsindividuell ermitteln (Bühner, Entgelt, S.53)

[18] Solche Zuschläge und auch Ruhezeiten gelten ab sofort als antiquierter Luxus: Allen bisherigen Modellen ist gemeinsam, dass die Flexibilität der Arbeitnehmer durch Zusatzleistungen wie Überstundengeld, ausgleichende Ruhezeiten oder Zusatzurlaub erkauft wird. (Flexibles Unternehmen: Smartville) Wo der Betrieb doch schon die Arbeitskraft erkauft hat!

[19] Näheres hierzu in GegenStandpunkt 3-01, S.75: Lohnform ‚variables Kapital‘.

[20] Der Vertrag beim neuen VW-Werk in Dresden führt das exemplarisch vor: „Anwendung der Flächentarifverträge… Sie gelten, außer bei Änderungen bzw. Ergänzungen, in den Themenbereichen – Arbeitszeit – Qualifizierung – Arbeits- und Leistungsbedingungen – Allgemeine Bestimmungen über die Formen der Arbeit und ihre Entlohnung – Entgeltregelungen – Bonus“