Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Banken-Krise in Deutschland – Ökonomen wissen Rat
Auch die Banken sind jetzt in der Krise. Gott sei dank gibt es noch den ökonomischen Sachverstand in den Universitäten und Wirtschaftsredaktionen, der sich inmitten der allgemeinen Verzweiflung einen klaren Kopf und ein kühles Urteil bewahrt hat. Unbestechlich analysiert er die Ursachen der Bankenkrise und weist den Weg zu neuen Erfolgen.
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Systematischer Katalog
Banken-Krise in Deutschland – Ökonomen wissen Rat
Es hilft kein Leugnen. Nach den deutschen Unternehmen sind nun auch die Banken in der Krise. Die Gewinne bleiben aus, ganze Geschäftsfelder brechen weg, allen voran die lukrativen frontrunner des letzten Jahrzehnts: Aktien- und Wertpapierhandel, Mergers & Acquisitions, und die Aktiva der Bankbilanzen – Kreditforderungen gegenüber Schuldnern und selbst wieder Aktien – erleiden einen gefährlichen Wertverlust; die gesetzlich geforderten Eigenkapitalquoten drohen unterschritten zu werden. Altgediente Bankvorstände sind ratlos und kapitulieren, die Bankenaufsicht ist im Alarmzustand, die Regierung dementiert eine Bankenkrise, um die schlimme Situation nicht noch durch Wahrheiten zu verschlimmern; derweilen prognostiziert ein Thesenpapier von McKinsey die „Auflösung des Finanzplatzes Frankfurt“.
Die Katastrophe ist perfekt. Gott sei dank gibt es noch den ökonomischen Sachverstand in den Universitäten und Wirtschaftsredaktionen, der sich inmitten der allgemeinen Verzweiflung einen klaren Kopf und ein kühles Urteil bewahrt hat. Unbestechlich analysiert er die Ursachen der Bankenkrise und weist den Weg zu neuen Erfolgen. Um gründlich vorzugehen, wenden sich die Experten zuerst der Definitionsfrage zu: Verdient die „komplexe Lage“, in der sich die Banken zweifellos befinden, überhaupt eine Bankenkrise genannt zu werden? Wo fängt so eine Krise an? Erst wenn die Kunden die Bankschalter stürmen? Oder ist dann schon alles zu spät? In Japan kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von einer Krise gesprochen werden; aber Deutschland ist nicht Japan, was schon daraus hervorgeht, dass es neben einer Bankenkrise nicht auch noch eine Immobilienkrise gibt. Wäre das dann endgültig die Krise – oder müssen erst die großen Institute fallieren? Zwischenruf: Redet man mit solchen Reflexionen die Banken nicht erst in die Krise, anstatt sie aus der Krise herauszureden? Unentschieden – aber auf eines kann man sich schon mal einigen: Von der Krise, die es vielleicht ja auch gar nicht gibt, sollte schon aus Gründen der praktischen Handlungsperspektive nicht die Rede sein. Derartige Diagnosen lähmen eher. Besser ist es, das Phänomen in drei Teilkrisen zu zerlegen, die sich viel schöner praktisch angehen lassen.
Die Ertragskrise überwinden!
Alle Wirtschaftsredaktionen sind sich über den
grundlegenden Imperativ einig: Das Ziel der
Ertragssteigerung muss wieder in den Blick genommen
werden!
Warum hat man diese einfache Regel nur
jahrelang aus den Augen verloren? Endlich wieder Gewinne
machen, und das nicht zu knapp. Das ist der Weg, um als
Bank erfolgreich zu sein. Und so solide! Da haben diese
Blödmänner in den Chefsesseln geglaubt, man könne ewig
auf steigende Aktienkurse setzen und sind
pseudo-wissenschaftlichen Gurus der New Economy gefolgt,
die von der Überholtheit hergebrachter Bewertungsmaßstäbe
und von dem Ende der Konjunkturzyklen geschwafelt haben.
Dabei kann die Wissenschaft nach dem Platzen der
Spekulationsblase empirisch beweisen, dass die alten
Gesetze noch gelten: What goes up, must come down! Jetzt
heißt es, sich von einer Kultur der Maßlosigkeit
verabschieden und wieder kleine Brötchen backen. Es muss
alles anders werden. Den Anlegern müssen endlich
wieder hohe Renditen winken
, zum Beispiel, indem man
ihnen einen neuen TecDax spendiert, auf den sie
spekulieren können.
Die mögen nicht investieren? Scheuen das Risiko? Jetzt
leidet der Aktienhandel an Vertrauensschwund
? Zum
Glück wissen die Sachverständigen, was Not tut: Das
Vertrauen muss wieder hergestellt werden!
Dass noch
ein bisschen mehr geschwunden ist als das Vertrauen – das
Vermögen der Aktiensparer nämlich –, ist bedauerlich,
wäre aber nicht so schlimm, wenn nur das Vertrauen wieder
in Ordnung käme. Allerdings ist bei richtigem Vorgehen,
dieses hohe Gut auch leichter wieder herzustellen als der
alte Kontostand. Zum Beispiel so: Man findet den
Schuldigen. Wer aber hat nun das Vertrauen ins
Geldanlegen verspielt? Der unseriöse Spekulant oder der
zaghafte Unternehmer, der sich nicht in den Aufschwung zu
investieren traut – oder beide zusammen? Auch die
Bankvorstände müssen sich von der Wissenschaft kritische
Worte gefallen lassen: Wer hat denn den Aufbruch in die
deutsche Aktienkultur beschädigt, indem er den kleinen
Anlegern zu dem ökonomischen Risiko, das die natürlich
tragen müssen, ein ganz überflüssiges
Betrugsrisiko
zugemutet hat? Aber eigentlich
bringt es gar nichts, nachzukarten und um
Verantwortlichkeiten zu streiten, wo doch ohnehin klar
ist, was es braucht, um es das beschädigte Vertrauen zu
reparieren: Den seriösen Spekulanten und den
optimistischen Unternehmer; Führungspersönlichkeiten
eben, die das Vertrauen, das sie erzeugen wollen,
überzeugend repräsentieren. Nur woher nehmen? Die FAZ
weiß Rat, sie hat sich die vorbildliche Personalpolitik
der bayrischen Hypo- und Vereinsbank angeschaut: Dort
wirbelt man die Ebene der Bereichsvorstände
durcheinander
und schlägt zwei Fliegen mit einer
Klappe: Man hat anstelle der alten verbrauchten
Führungsmannschaft neue Leute an der Spitze, die neues
Vertrauen verdienen; und man hat zweitens alte Hasen an
der Spitze, denen man die Kompetenz und Erfahrung
zutrauen darf, die Bank aus ihrer Krise auch wieder
heraus zu führen. Genial, wie der neue
Vorstandsvorsitzende einfach einmal Führungskräfte
seines Vertrauens um sich schart
.
Ganz so leicht wie unter Bankern geht
Vertrauensarbeit
am Kleinanleger nicht – eben weil
man vorher so viel und so erfolgreich an ihn
hingearbeitet hat. Ihm, so fordern die Sachverständigen,
muss die Botschaft klarer Schuldeingeständnisse
vermittelt werden: Jawohl, es hat in der Fondsbranche an
Professionalität gemangelt
und Schwarze
Schafe
unter den Anlageberatern gegeben. Die Banken
müssen dem Misstrauen der Anleger recht geben, um ihr
Vertrauen zurück zu gewinnen. Kleinsparer sind eben mit
Fingerspitzengefühl
über die Risiken und
Nebenwirkungen der Aktienanlage aufzuklären, wenn man
ihnen wieder mehr von dem Zeug verkaufen will. Nur die
rechte Balance zwischen dem Anheizen der Gier und der
Beschreibung der Risiken kann gewährleisten, dass
hinterher nicht wieder die dummen Beschwerden kommen:
Die Banken müssen den Kunden deutlicher sagen, dass
selbst die Telekom-Aktie keine Volksaktie und kein
sicheres Rentenpapier ist.
Mit der hilfreichen Empfehlung, die Banken sollten es doch wieder mit dem Gewinnemachen versuchen, und den Ausführungen, wie das ganz anders als in den unheilvollen späten 90er Jahren zu gehen hätte, ist der ökonomische Sachverstand noch lange nicht am Ende. Er ist flexibel genug, den Ertragsmangel der Banken auch von der anderen Seite her zu betrachten, und landet so bei seiner zweiten Teilkrise und den Wegen ihrer Überwindung.
„Die Kostenkrise bewältigen“
Die Überlegung ist einfach und nachvollziehbar: Wenn die
Banken mit ihren Umsätzen keine Gewinne machen, dann sind
einfach ihre Kosten zu hoch, um bei gegebenem Umsatz
einen Gewinn zu erlauben. Kein Wunder also, dass der
Gewinn nicht stimmt, wo die Banken aufs Kostensenken
vergessen! Wieder greift sich der Wissenschaftler ans
Hirn, versteht gar nicht, wie ein so elementarer
Grundsatz guten Kaufmannstums missachtet werden konnte –
und macht sich sogleich an die Auflösung seines Rätsels.
Die deutschen Banken wurden durch zwei Ereignisse
davon abgehalten, rechtzeitig auf ihre Kosten zu achten:
Die Wiedervereinigung und der Börsenboom durch die New
Economy.
Die kurzsichtigen Bankmanager haben sich
blenden lassen – von ihren damaligen Gewinnen nämlich –
also von dem Umstand, dass ihre Kosten für ihre Geschäfte
gar nicht zu hoch waren. Hätten sie damals ihre Kosten
gesenkt, Filialen geschlossen, Investmentbanker und
Aktienbroker entlassen, dann bräuchten sie es heute nicht
zu tun. Hätten sie doch, statt mit den Gewinnen zu
rechnen, die sie gemacht haben, mit denen gerechnet, die
heute ausbleiben! Dann hätten sie wohl kaum im wilden
Osten auf Expansion gesetzt und lauter neue Filialen
eröffnet, die sie in der Krise wieder schließen müssen.
Vor der Wiedervereinigung war die Zahl der Filialen
schon im Sinken, doch dann stieg sie wieder durch
Neueröffnungen im Osten.
Bloß wegen unrealistischer
Hoffnungen auf blühende Landschaften haben sie den
richtigen Trend zur Straffung das Filialnetzes umgedreht.
Hätten sie die Ossis doch ohne Banken gelassen oder
gleich ans Internetbanking gewöhnt, anstatt auf einen
Aufschwung Ost zu setzen, der sich 10 Jahre später als
Flop erweist. Aber auch im Westen decken die
Sachverständigen schwere Fehler der Banken auf. Abgesehen
davon, dass nämlich auch hier an viel zu vielen Stellen
das Geld der Leute eingesammelt wird, hat man sich in
allzu hohe Kosten im IT-Bereich
gestürzt,
„weil viele Institute daran glaubten, dass sie die
Kunden von der Filiale ins Internet bekommen
könnten.“ Ja, weniger Filialen und weniger
Internet-Auftritt, weniger Banking überhaupt, das wär’s
gewesen! – Aber die Eule der Minerva fliegt halt spät;
doch besser spät als nie! Mit dieser Einsicht nämlich ist
der Sachverstand bei seiner 3. Teilkrise und seinem
ultimativen Ratschlag angekommen.
„Strukturkrise bewältigen!“
Auch diese Überlegung ist so luzide, der aus ihr folgende
Ratschlag so klar, dass man sich fragt, warum die Banken
nicht schon früher drauf gekommen sind: Wenn das
Bankgeschäft kleiner ausfällt, als dass alle Banken daran
verdienen, Profite machen und wachsen könnten, dann gibt
es logischerweise zu viele Banken fürs vorhandene
Geschäft. 2500 Banken sind zu viel!
Die
Struktur
der Bankenlandschaft ist
verheerend
, nämlich zersplittert
. Die
Empfehlung, die Ertragslage der Banken dadurch zu
verbessern, dass man deren Zahl reduziert, ist bestechend
– leider ist nicht so ganz klar, an wen sie sich richtet.
Welche Banken sollen ihre Pforten schließen, damit
anderswo der Profit wieder stimmt? Vielleicht die
öffentlichen, weil deren Solidität unfair ist? Der
deutsche Markt ist von öffentlich-rechtlichen Sparkassen
und genossenschaftlichen Volks- und Raiffeisenbanken
überschwemmt und die verhageln den Privatbanken die
Margen.
Oder besser die privaten, weil die keine
vergleichbare Kreditwürdigkeit vorweisen können und
ohnehin schlechte Gewinn-Margen einfahren? Sollen die
Großbanken dichtmachen oder lieber die kleinen? Auf jeden
Fall aber sollen sie erst wieder aufmachen, wenn die
Margen stimmen! Sollen alle gemeinsam oder jede für sich
„verschlanken“, damit sie wieder dicker werden können?
Aber vielleicht sind das ja auch die falschen Fragen. Ein
Professor von der RUB in Bochum jedenfalls gibt eine
umfassende Antwort, die weit über Schrumpfung und
Konsolidierung hinausweist. Entscheidend ist in den
nächsten Jahren eine stärkere Profilierung deutscher
Kreditinstitute durch stärker zugespitzte strategische
Konzepte und deren konsequente Umsetzung.
Das ist
doch ein Wort! Die Denker machen den Praktikern vor,
wie’s vorwärts geht: Probiert’s mal mit Gewinn, Leute –
und bitte konsequent! Nicht nachlassen beim
Erfolgsstreben! Krise, das muss doch wirklich nicht sein!