Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Nordkorea: Atomabkommen geplatzt! Oder:
Ein weiteres Kapitel im amerikanischen Antiterrorkrieg wird eröffnet

Die US-Regierung lässt verlauten, Nordkorea habe offiziell zugegeben an einem Atomwaffenprogramm zu arbeiten und damit das Abkommen von 1994 gebrochen. Die schon zuvor nur zögerlichen Lieferungen von Schweröl an Nordkorea werden endgültig eingestellt und der Staat als Teil der „Achse des Bösen“ mit einer prinzipiellen Feindschaftserklärung belegt. Während Nordkorea selbst sich in seinen Kalkulationen auf eine Existenzgarantie durch die USA einstweilen gescheitert sieht, nimmt die Regierung Bush die Anrainerstaaten des „stalinistischen“ Staates ganz neu in die Pflicht, den Übergang in die pure Feinddiplomatie mitzuvollziehen. Mit weniger als der Kapitulation Nordkoreas wollen sich die USA nicht mehr zufrieden geben.

Aus der Zeitschrift
Systematischer Katalog
Länder & Abkommen

Nordkorea: Atomabkommen geplatzt! Oder:
Ein weiteres Kapitel im amerikanischen Antiterrorkrieg wird eröffnet

Mitte Oktober, ein paar Wochen, nachdem Washington in seiner neuen nationalen ‚Sicherheitsdoktrin‘ Nordkorea offiziell auf seine Terrorismus-Liste gesetzt und US-Präsident Bush vor den Massenvernichtungswaffen Nordkoreas gewarnt hat, verlautet aus Washington, dass Nordkorea nach Vorlage von Beweisen offiziell zugegeben habe, an einem Atomwaffenprogramm zu arbeiten, und dass es damit das Rahmenabkommen mit den USA gebrochen habe.

Außenminister Fischer sieht ernste diplomatische Schwierigkeiten heraufziehen, wenn sich dieser koreanische Verstoß bewahrheiten sollte, und die hiesige Öffentlichkeit weiß prompt Bescheid: Ein einmal hoffnungsvoll begonnenes amerikanisches Unterfangen, mit diesem Problemstaat und seinen bedrohlichen Waffen auf friedlichem Verhandlungsweg ins Reine zu kommen, ist am Starrsinn Nordkoreas gescheitert; mit einem solchen Regime – da muss man Amerika einfach Recht geben – sind echte Friedensfortschritte offenbar doch nicht zu erzielen! Verständnis macht sich breit, dass unter diesen Bedingungen Amerika sich auch nicht länger an das Abkommen gebunden sieht:

„Die Vereinigten Staaten wollen nicht länger monatliche Lieferungen von Schweröl an Nordkorea finanzieren. Die für Pjöngjang kostenfreie Lieferung von 500000 Tonnen Schweröl war in dem Abkommen von 1994 vereinbart worden, in dem sich Nordkorea zur Aufgabe seines Atomwaffenprogramms verpflichtet hatte. Pjöngjang hatte Anfang Oktober zugegeben, unter Bruch dieses Abkommens sowie weiterer Vereinbarungen dennoch die Entwicklung von Nuklearwaffen fortgeführt zu haben.“ (FAZ 15.11.02)

Nordkorea freilich sieht die Sache etwas anders, andersherum nämlich: Seiner Auskunft zufolge erklärt der amerikanische Sondergesandte Kelly rundheraus, die USA hätten kein Interesse an einem weiteren ‚Dialog‘, sondern verlangten die Abrüstung Nordkoreas; die koreanisch-japanischen sowie die innerkoreanischen Beziehungen würden zu Fall kommen, sofern Nordkorea dem amerikanischen Sicherheitsbedürfnis nicht Rechnung trage. Im übrigen – so die nordkoreanische Beschwerde – haben die USA

„keinen der vier Artikel des Rahmenabkommens beachtet. Nur die USA können wissen, ob sie je den Willen hatten, das Rahmenabkommen umzusetzen, als es geschlossen wurde, oder ob sie nur ihre Unterschrift darunter gesetzt haben ohne Aufrichtigkeit, darauf setzend, dass die DPRK früher oder später zusammenbrechen werde. Wie dem auch sei, die Bush-Regierung hat jedenfalls die DPRK als Teil der ‚Achse des Bösen‘ eingeordnet und zum Ziel eines präventiven Nuklearschlags der USA erklärt. Das war eine eindeutige Kriegserklärung gegen die DPRK, weil es die gemeinsame Erklärung der DPRK und der USA und das Rahmenabkommen für null und nichtig erklärt. Schließlich hat die Bush Regierung sich als ihre Politik vorbehalten, einen präventiven Nuklearschlag gegen die DPRK zu führen… Niemand kann so naiv sein zu denken, dass die DPRK in so einer Situation untätig dasitzen würde. Deshalb hat die DPRK gegenüber dem Sondergesandten des US-Präsidenten klargestellt hat, dass die DPRK das Recht besitzt, nicht allein Atomwaffen, sondern jede Art wirkungsvollerer Waffen zu besitzen, um seine Souveränität und sein Existenzrecht gegen die ständig wachsende nukleare Bedrohung durch die USA zu verteidigen.“ (Sprecher des Außenministeriums der DVRK am 25.10.)

1. Soviel steht also fest, wird von Nordkorea verstanden und als Zumutung zurückgewiesen: Die Bush-Regierung konfrontiert das Land mit einer prinzipiellen Feindschaftsansage und einem Abrüstungsbegehren, das einem Antrag auf Kapitulation gleichkommt. Sie ist es, die damit einen endgültigen Schlussstrich unter eine Abrüstungsdiplomatie zieht, die die Vorgängerregierung eingeleitet und acht Jahre betrieben hat – wenn auch mit lauter Vorbehalten. Die waren auch gar kein Wunder, denn der Inhalt des Abkommens von 1994 stand in schreiendem Gegensatz zur Form eines Vertrag mit wechselseitigen Verpflichtungen und hätte gegensätzlicher nicht sein können. (Vgl. dazu ausführlich in GegenStandpunkt 4-2000, S.109: ‚Nordkorea 2000 – Die Selbstbehauptungsbemühungen eines geächteten Staatswesens‘) Er zielte vom Standpunkt der USA aus nämlich von vornherein auf eine der Sache nach ganz einseitige Leistung: Das ausgehandelte Abkommen sollte diesem der „Achse des Bösen“ zugerechneten Relikt des Kalten Krieges die freiwillige Selbstentwaffnung zumindest bezüglich seiner atomaren Optionen abringen. Dass dieser „letzte Hort des Stalinismus“, der vierzig Jahre amerikanische Feindschaft überdauert und es sogar zu einer veritablen Macht gebracht hat, nach der Abdankung der Sowjetunion endlich auch aufzugeben hat, mit seinem Selbstbehauptungswillen ein untragbarer Störfall einer neuen von den USA dominierten Weltordnung ist und als solcher beseitigt gehört, egal wie systemalternativ er sich noch versteht: Das stand nämlich auch damals schon für die USA außer Frage und auf der Tagesordnung. Ein Ansinnen, das die Clinton-Regierung zum Inhalt ihrer Diplomatie gemacht hat, welche bis zu besagtem Vertragswesen gediehen ist. Zustande gekommen ist das durch das formelle Versprechen Amerikas, auf zwei existenzielle Bedürfnisse des Feindstaats ein Stück weit einzugehen: Unterstützung bei seiner Energieversorgung und nachhaltige Verbesserung der Beziehungen sowie Aufhebung des US-Boykotts – im Klartext: Streichung Nordkoreas von der Liste der Schurkenstaaten. Die USA stellten den Bau von 2 Leichtwasserreaktoren bis 2003, zwischenzeitliche Öllieferungen sowie den offiziellen Verzicht auf einen atomaren Schlag gegen Nordkorea in Aussicht. Dafür sollte Nordkorea seine Nukleartechnologie aufgeben und die entsprechenden Maßnahmen von der Internationalen Atomenergiebehörde IAEO kontrollieren lassen. Die Clinton-Regierung meinte, mit diesem nicht gerade alltäglichen Abkommen eine brauchbare Handhabe für ihr eigentlich wenig verhandlungsfähiges Begehren zu besitzen, Nordkorea zur schrittweisen Selbstentwaffnung zu bewegen. Sie glaubte eben die Zeit reif und Nordkorea geschwächt genug für den Versuch, nach Jahren der Kriegsdrohung, von Isolation und Handelsboykott die Erledigung dieses Störfalls auf diplomatischem Wege in Gang zu bringen.

In diesem Geist handhabte die Clinton-Regierung dann auch jahrelang den Vertrag: als einen eigentlich nie weit genug auszulegenden Pflichtenkatalog Nordkoreas zur Abrüstung und politischen Kurskorrektur, mit dessen Erfüllung sich das Land erst die amerikanischen Leistungen zu verdienen hätte. Von Anfang an behandelte sie ihren Teil der Abmachung als Zugeständnis, über dessen Einlösung sie nach eigenem Gutdünken von Fall zu Fall neu entschied. Nur mit Verzögerungen und widerwillig ließ sie sich zur Vertrags‚erfüllung‘ herbei, verlangte entschieden Leistungen und Vorleistungen der anderen Seite, suchte also die Energienot als Erpressungshebel zu nutzen. Und sie ließ bei allen im Gefolge einer allmählichen ‚Öffnung‘ Nordkoreas gegenüber Südkorea zustande gekommenen diplomatischen Kontakten zwischen Nordkorea und den USA bis zur Außenministerebene nie einen Zweifel daran, dass Nordkorea sich ein Ende der amerikanischen Anfeindung erst noch zu verdienen hätte, die Streichung von der Liste der Schurkenstaaten keinesfalls die amerikanische Vorleistung für nordkoreanisches Entgegenkommen sein könne, sondern bestenfalls das Endergebnis einer Amerika zufrieden stellenden nordkoreanischen Willfährigkeit, also eines tätig bewiesenen gründlichen Regimewandels. Kurz: Washington verfolgte unter Clinton gegenüber Nordkorea die generelle Linie einer Art Kriegsersatzdiplomatie – mit allen dazugehörigen Vorbehalten.

Von Anfang an wurde in den USA – vor allem bei der republikanischen Opposition im Senat – Kritik an dem Verfahren „Entwaffnung und Regimewandel durch Zugeständnisse“ laut, natürlich nicht wegen seines vermessenen Inhalts, sondern wegen des Verdachts, dieses Vorgehen würde den Feind nur in seinem Selbstbehauptungswillen ermuntern und sogar materiell unterstützen, ihm neue Überlebenschancen eröffnen, statt ihn endlich zur Aufgabe zu bewegen. Und von diesem feindlichen Standpunkt aus gesehen gab Nordkorea den Kritikern nur recht. Denn die nordkoreanische Lesart von Inhalt und Geist des Vertrags war der Amerikas diametral entgegengesetzt. Schließlich erwartete sich das angefeindete ‚Regime‘ auf diesem Wege, wenn nicht gleich generell so doch Stück um Stück, die Beendigung der amerikanischen Bedrohung und die Anerkennung seiner Souveränität. Die amerikanische Feindschaft und damit seine Isolierung loszuwerden und sich so überhaupt erst einmal die Grundlage für eine ‚politische und ökonomische Öffnung‘ zu verschaffen, die dem Staat die Bewältigung seiner wachsenden Notlage ermöglicht: Das war das Ziel Nordkoreas, um dessentwillen es sich im Prinzip zum Verzicht auf militärisch nutzbare Nukleartechnologie bereit erklärte. Bewiesenes amerikanisches Entgegenkommen, vor allem anderen aber so etwas wie eine glaubwürdige Existenzgarantie von Seiten der USA, das war dann aber auch die koreanische Bedingung für ein Eingehen auf Amerikas anspruchsvolle Sicherheitsinteressen. Nichts davon hat Nordkorea erreicht. Stattdessen ist der Vollzug des Abkommens zu einer anhaltenden Auseinandersetzung geraten, in der die Clinton-Regierung Nordkorea ein ums andere Mal die amerikanische Lesart hat spüren lassen und Nordkorea sich laufend genötigt sah, sich dagegen zu verwahren.

2. Mit all dem ist jetzt nach dem Willen der Bush-Regierung Schluss, weil sie im Lichte ihres weltweiten Kampfs um eine nach amerikanischen Interessen und unter amerikanischer Kontrolle geordnete Staatenwelt das bisherige Vorgehen für gescheitert und überhaupt die Methode eines diplomatischen Umgangs mit dem Feind für untauglich, also schädlich hält. Eine amerikanischen Bedürfnissen genügende Entwaffnung ist freiwillig nicht zu haben, also muss die Entwaffnung erzwungen werden. Deshalb darf es Amerika auch nicht bloß um die Beseitigung von bedrohlichen Waffen gehen, sondern es muss dafür sorgen, dass deren Besitzer verlässlich entmachtet wird. Und da nicht darauf zu hoffen und zu warten ist, dass das Regime an seiner staatlichen Not zugrunde geht, schon gar nicht, wenn – so die gültige Lesart – Amerika ihm auch noch gewisse Überlebenshilfen gewährt und Erpressungen erspart, ist ein neuer Umgang erforderlich, der endlich ernst macht mit der prinzipiellen Feindschaft. In diesem Sinne geht die Bush-Regierung jetzt zu einer Feinddiplomatie über, die ganz dem Muster gehorcht, das sie am Irak bereits durchexerziert und bis zum Krieg vorangetrieben hat:

– Mit der offiziellen Einsortierung Nordkoreas in die Riege der Terrorismusstaaten wird zu aller erst einmal und ein für alle Mal die Frage der Anerkennung eines Existenzrechts der jetzigen nordkoreanischen Herrschaft abschlägig beschieden und der unverrückbare amerikanische Anspruch klargestellt: Erledigung dieses ‚Regimes‘.

– Die nordkoreanische Bereitschaft, Amerika in der Atomwaffenfrage entgegenzukommen, wenn sich die USA endlich bereit finden, die Souveränität Nordkoreas anzuerkennen, einen Nichtangriffspakt abzuschließen und von der Behinderung seiner ökonomischen Entwicklung Abstand zu nehmen, erledigt die Bush-Administration mit einem klaren ‚No‘. Es gibt nichts zu verhandeln und schon gar keine US-Garantien, sondern nur eins: Nordkorea hat die amerikanischen Bedingungen zu erfüllen. Zur Bekräftigung dieses feindschaftlichen Begehrens stellt Washington lauter alte und neue, unerfüllbare Forderungen, die die umfassende Entmachtung Nordkoreas und Unterwerfung unter amerikanische Kontrolle zum Inhalt haben: ‚Vollständige‘ Aufgabe des Atomprogramms und zwar ‚schleunigst‘ und ‚auf eine sichtbaren und verifizierbare Art und Weise‘, d.h. unter sofortiger internationaler Kontrolle; Einstellung der Raketenentwicklung sowie der Proliferation von Raketentechnologie; Abrüstung von Bio- und chemischen ‚Massenvernichtungswaffen‘ – und nicht zuletzt Abbau der konventionellen Streitkräfte und Abzug von der Demarkationslinie zwischen Nord- und Südkorea…

– Damit auch klar ist, wie das amerikanische Begehren gemeint ist, inszeniert die Bush-Mannschaft den weltöffentlichen Beweis des nordkoreanischen Vergehens, der überall so großes Aufsehen erregt hat. Sie konfrontiert Nordkorea mit der ‚Aufdeckung‘ seines noch nicht aufgegebenen Atomprogramms, prangert das weltöffentlich als ‚eklatanten Vertragsbruch‘ an und behandelt das – angesichts der radikalen amerikanischen Feindseligkeiten absehbare – Beharren Nordkoreas auf seinem Recht auf Selbstbehauptung als schlagenden Beleg für die Berechtigung, das Land unter die Rubrik antiamerikanischen Terrorismus einzusortieren.

– Dann stellt sie die Öllieferungen ein und sorgt dafür, dass die Hungerhilfe weitgehend zum Erliegen kommt, geht also zur materiellen Erledigung der alten Abmachungen und zum praktischen Kampf gegen das nordkoreanische Regime über.

3. Damit ist zugleich für die interessierte und in Sachen Nordkorea ökonomisch und politisch engagierte Staatenwelt klargestellt, dass ihre Bemühungen, mit diesem Staat in ein jeweils passendes nationales Benehmen zu kommen und sich möglichst weitgehenden geschäftlichen wie strategischen Einfluss zu eröffnen, unter Generalvorbehalt gestellt sind. Entweder sie sind ein Beitrag zur Isolierung und Erpressung Nordkoreas, oder sie werden von Amerika bekämpft – und das trifft auf so ziemlich alles zu, was unter den Auspizien des Programms „Wandel durch Annäherung“ von russischer, chinesischer, japanischer, v.a. aber südkoreanischer Seite auf den Weg gekommen ist. Für Amerika steht jetzt fest, dass die Nachbarstaaten die Aufweichung der nordkoreanischen Quarantäne dazu missbrauchen, lauter eigene regionalpolitische, strategische und sonstige Berechnungen mit Nordkorea voranzubringen, die nur zur Stabilisierung des Regimes taugen und das amerikanische Ansinnen unterlaufen: Japan übt sich in Versöhnungsgesten, um mit Nordkorea ins Geschäft zu kommen; Russland und China erlauben sich grenzüberschreitende Entwicklungsprojekte, streben glatt nach bestimmendem eigenem Einfluss; verständigen sich mit Nordkorea sogar über Gemeinsamkeiten in der Gegnerschaft gegen das amerikanische NMD-Projekt, usw., usw. Der amerikanische Vorbehalt betrifft insbesondere aber die von den USA vorher teils für nützlich erachteten, insgesamt aber auch bisher schon kritisch begutachteten Anstrengungen Südkoreas, mit dem konkurrierenden koreanischen Staat in Verkehr zu kommen, um ihn auf dem Weg über Handelsbeziehungen, Familientreffen und diplomatische Beziehungen nach und nach handhabbar und langfristig eventuell übernahmebereit zu machen. Diese ‚Sonnenscheinpolitik‘ einer Aufweichung und eines ‚friedlichen Systemwandels‘ mit der fernen Zukunftsperspektive einer Wiedervereinigung wird jetzt durch das Vorgehen Amerikas konterkariert, von Washington ausdrücklich unter Generalvorbehalt gestellt und ist damit gründlich erledigt. Südkorea hat sich am Energieboykott zu beteiligen, Eisenbahnprojekte, aus denen der Norden Nutzen ziehen könnte, zu überprüfen, usw. Washington erinnert die Regierung Kim Dae Jung nachhaltig daran, dass Südkoreas Freiheit auf dem militärischen Engagement der USA beruht, also auch alle nationalen Berechnungen am Willen der USA unmittelbar ihre Grenzen haben – kurz: dass es sich neu in die Rolle eines US-Vasallen einzufügen hat, wobei Rücksichten auf irgendeinen national-koreanischen Weg nicht vorgesehen sind. Das amerikanische Vorgehen betrifft dann aber eben auch alle näheren und weiteren Beziehungen, die die Mächte in der Region wie anderswo mit Nordkorea inzwischen pflegen. Die Unterminierung des ‚Kedo-Programms‘ tangiert die daran beteiligten Staaten Südkorea, Japan und Europa. Japan hat sich bei seinem gerade erst in Gang gebrachten ‚Annäherungs‘prozess bereits berechnend auf das amerikanische Begehren eingestellt und verlangt von Nordkorea die bedingungslose Abrüstung des Atomprogramms als Vorbedingung für die Fortführung der Gespräche. Kurz: Amerikas Eröffnung eines neuen Falls auf der Terrorismusagenda zeigt Wirkung.

4. Die demokratische Öffentlichkeit kann angesichts all dessen allerdings nur den Kopf schütteln: Wie kann sich der amerikanische Präsident nur in eine solche ‚Glaubwürdigkeitsfalle‘ begeben, ausgerechnet jetzt den Irak fertig machen zu wollen, obwohl er für dessen Besitz von Massenvernichtungswaffen überhaupt keine schlüssigen Beweise hat, während doch im Fall Nordkoreas eindeutig erwiesen und sogar zugegeben ist… Müsste ein glaubwürdiges Amerika da nicht viel eher und als erstes gewaltsam gegen Nordkorea einschreiten?! Man weiß gar nicht, was man mehr würdigen soll an diesen kritischen Geistern: Wie selbstverständlich sie den USA den Maßstab erfolgreicher Weltordnungspolitik ‚Prompte Erledigung der Schurkenstaaten!‘ ablauschen und darüber glatt entdecken, dass sich die USA gegenüber Nordkorea übertriebener Zurückhaltung schuldig machen; oder wie nationalistisch besserwisserisch sie Amerika diesen Maßstab vorhalten, wenn sie wegen deutscher Irak-Vorbehalte auf ‚Konsequenz‘ in der Reihenfolge dringen. Dabei wissen sie sogar schon, dass es bei diesem Stadium der Kriegsdiplomatie auf Dauer garantiert nicht bleiben kann. Die Spekulation, wie Amerika mit diesem weit schwierigeren ‚Fall‘ als der Irak wohl weiterhin verfahren und fertig werden will, ist längst eröffnet.