Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Die Botschaft von der Bosnienfriedensumsetzungskonferenz der NATO:
In Bosnien regiert die Gewalt – und zwar unsere!
Die Nato-Aufsichtsmächte verfügen die Entmachtung bosnischer Politiker, die den Friedensprozess wegen „kleinkarierter Differenzen“ blockieren. Was den Nato- und EU-Mächten in Bosnien recht ist – einen Volkswillen auszuschalten, der ihnen nicht in ihr Staatsprojekt passt –, wird den Serben verboten.
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Systematischer Katalog
Länder & Abkommen
Die Botschaft von der
Bosnienfriedensumsetzungskonferenz der NATO
In Bosnien regiert die Gewalt – und
zwar unsere!
Anfang Dezember tagt auf dem Petersberg bei Bonn die „3.
Vollversammlung des Friedensumsetzungsrates“ für Bosnien.
Tenor: Die NATO-Aufsichtsmächte sind unzufrieden. Grund:
Die bosnischen Politiker blockieren den Friedensprozeß
wegen kleinkarierter Differenzen
(NATO-Generalsekretär Javier Solana). Schluß daraus: Also
werden sie entmachtet. An ihrer Stelle wird der zivile
Bosnien-Beauftragte der Aufsichtsmächte, Carlos
Westendorp, ermächtigt, eine schiedsrichterliche
Entscheidungsbefugnis
wahrzunehmen. Er wird
aufgefordert, die ausschlaggebende Autorität
seines Amtes bei der zivilen Friedensumsetzung
robust
und energisch
zu gebrauchen. Er soll
gesamtstaatliche Zwischenlösungen
verfügen, die
auch die Entlassung von bosnischen Amtsinhabern
einschließen. Das sieht dann so aus:
„Westendorp greift in Bosnien durch. Beauftragter der Staatengemeinschaft verfügt strittiges Gesetz zur Staatsbürgerschaft … das von Westendorp verfügte Gesetz soll am 1. Januar in Kraft treten … Westendorp unterrichtete das bosnische Dreierpräsidium davon … (sie) hätten es versäumt, ihren Verpflichtungen nachzukommen … Westendorp unterrichtete das Präsidium davon, daß das verfügte Gesetz so lange gültig bleibe, bis das bosnische Parlament es ‚ohne Änderungen und Bedingungen‘ selber verabschiedet“ (SZ, 18.12.97).
Wenn die da unten es an konstruktivem
Kooperationswillen
fehlen lassen, wird eine Einigung
durch die auswärtigen Friedensstifter verhängt,
und alle Politiker vor Ort werden auf sie festgelegt. Wer
nicht mitmacht, wird ausgewechselt, und die Souveränität
des vom Westen eingeführten gesamtbosnischen Parlaments
erfüllt sich in der Aufgabe, die Vorgaben der
Protektoratsverwaltung pünktlich abzusegnen. Das ist doch
mal Klartext zum Dayton-Vertrag.
Werfen wir einen Blick zurück: Vor Jahren war es das
wichtigste Menschenrecht der Völker im kommunistischen
Jugoslawien, den Staat zu zerhauen. Der galt als ein
Zwangsregime, das in einem Vielvölkerstaat
die
nationale Natur der Menschen gewaltsam unterdrückte und
sie aus purem Machtinteresse zusammengezwungen hatte, war
also ein einziges Völkergefängnis
. Daraus leitete
allen voran Deutschland so etwas wie eine höhere Pflicht
zur Einmischung ab, um als Geburtshelfer des
Selbstbestimmungsrechts der Völker
auf dem Balkan
den alten Staat Titos zu erledigen. Und? Was ist jetzt?
Dermaßen pur zusammengehalten durch das Zwangsregime
einer äußeren Macht und ihrer Besatzungsarmee, derartig
geradlinig, gleich per Dekret durch einen ausländischen
Protektor regiert und derart gegen ihren
nationalistischen Willen zum Zusammenleben verurteilt
waren die Völker in Titos südslawischem Staat wirklich
nicht. Aber genau das ist eben die Freiheit, die ihnen
der Westen als Ergebnis ihres Befreiungskrieges diktiert
– mit dem Recht dessen, der diesen Krieg angestachelt,
gesponsort und zu seinem Ende geführt hat. Den Vorwurf,
in Bosnien ein kleines Völkergefängnis einzurichten,
kriegt die Besatzungsmacht daher auch nicht zu hören:
Heute ist die Unterdrückung der nationalen Gegensätze
durch die überlegene Abschreckungsgewalt einer
Besatzungsarmee – die z.B. bei Bedarf, und wenn es ihr
gefällt, mal schnell aus den Niederlanden ein Kommando
losschickt, um gesuchte Outlaws zu jagen – sanktioniertes
Programm, offiziell genehmigt durch USA, Europa und NATO.
Damit ist die Unterwerfung fanatisch verfeindeter
Volksgruppen unter eine gemeinsame Obrigkeit eine gute
Sache; denn bei Gewalt und Unterdrückung kommt es ganz
darauf an, wer sie ausübt. Wenn es der Richtige
ist, dann haben die betreffenden Völker ihr „Recht auf
Selbstbestimmung“ verspielt und sich dem Widerruf dieses
Rechts zu fügen. Verschiedene Völkerschaften unter
einer Herrschaft zusammenzuhalten: das war
nach westlicher Definition früher ein – für die
sozialistische Herrschaft typisches –
Verbrechen. Heute – unter
NATO-Herrschaft – ist es das Gebotene. Dann lag
der Grund des westlichen Eingreifens aber auch nicht in
einer verweigerten völkischen Selbstbestimmung, sondern
allein im Interesse, die frühere Herrschaft durch die der
westlichen Weltordnungsmächte zu ersetzen.
Die werfen einen Blick nach vorn: Die Lage in Bosnien ist
soweit klar und das Nötige auf den Weg gebracht. Gleich
rechts daneben aber liegt ein unterdrücktes Volk ächzend
am Boden, geknebelt durch den Terror eines immer noch
„kommunistischen Zwangsregimes“: In Serbien wird das
Völkchen der Kosovo-Albaner um sein
Selbstbestimmungsrecht gebracht. Zwar nur mit ungefähr
denselben herrschaftlichen Maßnahmen, mit denen die
westlichen Aufsichtsmächte ihr bosnisches Protektorat
regieren. Aber in dem Fall sprechen sie Bände: Kosovo
wird durch einen Vertreter der Belgrader Zentrale
verwaltet – ein eindeutiger Fall von Fremdherrschaft. Das
kosovo-albanische Parlament wird aufgelöst, weil eben
auch die Serben gerne hätten, daß es die Gesetze aus
Belgrad ohne Änderungen und Bedingungen selber
verabschieden
würde – der Kommunismus zeigt seine
häßliche Fratze. Und wenn Belgrad ganz im Stile
Westendorps durchgreift
, dann nicht zur
Befriedung
des Kosovo, sondern nur, um – wieder
mal – die Macht von Milosevič zu stärken – noch ein
Beweis, daß sie einfach in falschen Händen ist.
Die Aufsichtsmächte haben für diesen Fall zwecks
Friedenssicherung auf dem Balkan schon mal vorsorglich
auf der Konferenz die Schrauben des internationalen
Befriedungsbeistands enger gezogen und noch striktere
Bedingungen für wirtschaftliche Hilfe
gestellt
(Kinkel), die gleich darauf auch in Anschlag gebracht
werden: Jugoslawien erhält keine EU-Handelsprivilegien
mehr (…) Das aus Serbien und Monte-negro bestehende
Balkan-Land habe bestimmte Bedingungen bei den
Menschenrechten nicht erfüllt
(SZ, 2.1.98). Noch einmal der Klartext
eines bewährten Friedensstifters: Wir schrauben
hier auf dem Balkan Staaten zusammen, nur uns
steht die dafür allemal nötige Gewalt zu. Was den NATO-
und EU-Mächten in Bosnien buchstäblich Recht ist, wird
den Serben verboten: einen Volkswillen auszuschalten, der
ihnen nicht in ihr Staatsprojekt paßt. Umgekehrt soll der
Staatswille der Serben zurechtgestutzt werden, wofür den
Friedenssicherern schon wieder ein kleiner Bürgerkrieg
ganz recht wäre. Die Konferenz „fordert Serbien zu einem
verantwortungsvollen Dialog mit den Kosovo-Albanern“ auf
– so fordert man diplomatisch zur Sezession auf, denn
worüber sollte dieser Dialog
anderes gehen als
über die weitere Zersetzung Rest-Jugoslawiens, diesmal
über das Herausbrechen des Kosovo? Ein Freibrief für den
Staatswunsch der aufgestachelten Kosovo-Albaner, mit
Tirana und Stammesgenossen in Mazedonien gemeinsam eine
neue, größere Balkanmacht aufzumachen, ist damit freilich
auch nicht ausgestellt: So weit geht das
„Selbstbestimmungsrecht“ nicht, zu dem die demokratischen
Aufsichtsmächte den antiserbisch nützlichen Idioten im
Kosovo verhelfen wollen!
Wenn es dann irgendwann mit der gewaltsamen Zerkleinerung Serbiens losgeht, soll bloß keiner sagen, da hätte wieder irgend jemand versagt! Wie jetzt geredet wird – „Schraubstock“ und so –, wird im Bedarfsfall auch gehandelt.