Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
MIR: Das letzte russische Aufgebot im All
Abgesang auf die russische Weltraummacht, deren MIR-Reparaturen als letzter und vergeblicher (Selbst)-Rettungsversuch gedeutet werden. Die Russen selbst geben sich praktisch schon mit einer anderen künftigen Rolle zufrieden.
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Systematischer Katalog
Länder & Abkommen
MIR: Das letzte russische Aufgebot im All
Während das motorisierte amerikanische Sternenbanner mit
seinem deutschen Wunderspion noch die letzten Steine auf
dem roten Planeten aushorcht, darf eine weitere
außergewöhnliche Weltraummission unsere national
gestimmten Raumfahrtgemüter erhitzen und bewegen. Eine
russische Sojusrakete macht sich auf den Weg zur
havarierten
Raumstation MIR. An Bord: Jede Menge
Ersatzteile samt russischen Schlossern
in
Kosmonautenanzügen. Was es auf der MIR in den nächsten
Monaten mit neuen Solarzellen und Dichtungen zu
reparieren gilt, darüber läßt eine bundesdeutsche
Öffentlichkeit mit ihrem feinen Gespür für den Rang und
Stand der Nationen in der (außer)irdischen
Machtkonkurrenz niemanden im unklaren: Den schwer
beschädigten Status Rußlands als einer ehemals führenden
Raumfahrtnation gilt es zu flicken. Das Schicksal der
russischen Raumfahrt steht auf dem Spiel
. Aber
eigentlich ist es längst schon besiegelt. Genußvoll
ergehen sich die auf westliche Spitzenleistungen
erpichten Nationalisten hierzulande im Ausmalen des
gerechten Untergangs der Raumfahrtnation, die uns früher
einmal mit ihrem Sputnik geschockt hat: Zustände sind das
vielleicht da oben in der MIR – typisch russisch eben!
Ein havariertes und trudelndes
Auslaufmodell von
einer Raumstation, mit einem erschöpften und
herzkranken
Kapitän, der in schumm-riger
Notbeleuchtung
wegen Sauerstoffmangel möglichst
flach atmen
soll, bis das letzte Reparaturaufgebot an
russischen Helden der Raumfahrt
ihn einholt und
ablöst, ja das ist der Stoff, aus dem der Abgesang auf
die russische Weltraummacht für das erfolgsverwöhnte
deutsche Raumfahrtpublikum unterhalt- und einfühlsam
gestrickt und aufbereitet wird.
Der Kontrast zur amerikanischen Marseroberung
ist freilich auch ohne nationalistische Schadenfreude
kaum zu übersehen. Auf der „Neuen Welt“ beweist
Amerika gerade seine technologische
Überlegenheit. Und etwas weiter unten im Raum
macht eine russische Nation die Reparatur der
MIR zu einer einzigen Überlebensfrage, was ihre
Macht im All angeht. Sie knüpft ihren Status als
Raumfahrtnation an den Bestand der MIR und mobilisiert
sämtliche noch verfügbaren Mittel an Kosmonauten, Raketen
und Technologie für den Beweis, daß die Station doch zu
halten geht. Nur und das ist das Eigentümliche an der
ganzen Sache: Wenn der „drohende“ Machtverlust an der
Reparatur eines ramponierten Sonnensegels und der
Anlieferung von ein paar Kanistern Sauerstoff
für
die Pannenbesatzung
hängen soll sowie an der
Glaubwürdigkeit des jetzt in Schauprozessen angestrengten
Beweises, daß vor allem der menschliche Faktor
versagt habe, dann hängt davon garantiert nichts mehr ab;
dann ist die Entmachtung Rußlands als
Weltraummacht längst passiert und vollzogen. Diese Nation
hat einen ganzen Zweig, der früher als fester Bestandteil
des „militärisch industriellen Komplexes“ gegolten hat
und damit als Beitrag zur ehemals sowjetrussischen Macht,
in ein einziges Charter- und Dienstleistungsunternehmen
für fremde raumfahrende Nationen verwandelt; gegen harte
Dollars verscherbelt Rußland sein Weltraumwissen und
seine Erfahrung, vermietet seine außerirdische
Experimentierstube MIR an den Meistbietenden und
verschafft fremden Raumfahrthelden, auch den deutschen,
den freien Zutritt in das Allerheiligste der Nation, samt
umfassender Ausbildung auf seinen Raketen und Kapseln,
Führerschein eingeschlossen. Diese Preisgabe
nationaler Machtmittel untergräbt ganz prinzipiell und
nachhaltig den Status und Rang Rußlands als einer
irdischen wie außerirdischen Macht. Insofern stellt
selbst ein erfolgreiches Reparaturprogramm nicht die
verlorengegangene Macht wieder her, allenfalls ein Stück
weit das Vertrauen der maßgeblichen Raumfahrtmächte, die
russische Abteilung noch eine Zeitlang als Mittel und
Instrument der eigenen Weltraumprogramme nutzen zu
können.