Aus der Reihe „Was Deutschland bewegt“

Der Mietendeckel

In Berlin haben sich neulich einige wohlmeinende Politiker an der Lösung der alterwürdigen „Wohnungsfrage“ versucht. Erlaubt war ihr Mietendeckel nicht, wie sich jetzt herausgestellt hat.

Aus der Zeitschrift
Systematischer Katalog
Länder & Abkommen

Der Mietendeckel

Oft meinen Politiker es einfach nur gut. Immer dann, wenn sie sich den vielfältigen Problemen der unter ihrer Ordnung lebenden Menschen widmen und bemerken, dass es hier und da so nicht weitergehen kann, und sie feststellen, dass diese Probleme von einer allgemeinen Art und Tragweite sind, die am Ende dem Staat selbst noch viel mehr Probleme bereiten könnten, sind sie mit ihrer Regierungskompetenz gefragt und schreiten zur Tat.

In Berlin haben einige von ihnen sich neulich – zumindest für ihren landespolitischen Zuständigkeitsbereich – an der Lösung der altehrwürdigen Wohnungsfrage versucht, von der sie wissen, dass sie eine zentrale soziale Frage unserer Zeit (Wohnungsgipfel 2018) ist. Auch in Berlin können sich immer mehr Bürgerinnen und Bürger das Leben nicht mehr so recht leisten, weil sie mit dem von ihnen verdienten Geld an den Mietzinsansprüchen des Grundeigentums zu scheitern drohen. Dessen Vertreter mussten sich daraufhin tatsächlich einen politisch festgelegten Maximalpreis auf die Verwertung ihres Eigentums aufdrücken lassen. Von dieser unerhörten Maßnahme aus der sozialistischen Mottenkiste (Lars Feld) wussten sie allerdings gleich, dass sie zum Scheitern verurteilt ist, weil sie und ihresgleichen, wenn man ihnen das Geldverdienen derart erschwert, doch nur noch weniger von dem knappen Gut Wohnraum anbieten werden, was die Miet- und Immobilienpreise überhaupt und allgemein doch nur noch weiter steigen lässt. Sie müssen es ja wissen.

Da verstehen die Charaktermasken des Grundeigentums nun einmal keinen Spaß: Ihr unbedingtes Recht auf die Verwertung des Eigentums ist unvereinbar mit Rücksichten auf die Probleme derer, die es mit ihren monatlichen Mietzahlungen für sie verwerten. Darauf bestehen sie, und mit dem entsprechenden Rechtsbewusstsein verweisen sie bei der Gelegenheit Politik und Öffentlichkeit gerne darauf, was und wer von ihrer staatlich garantierten Freiheit des Geldverdienens gesellschaftlich alles abhängig ist.

Recht bekommen haben sie außerdem vom Bundesverfassungsgericht, das sich von solchen Drohungen zwar nicht beeindrucken lässt, vor dem die Betroffenen und weitere Freunde der Freiheit aber selbstverständlich Klage einlegen können und das auch getan haben. Das hat daraufhin nach reiflicher Überlegung festgestellt, dass die Berliner Politik das mit dem Deckel tatsächlich überhaupt nicht gedurft hätte, und das entsprechende Gesetz kassiert. Warum? Nicht, weil man am Gericht bestreiten würde, dass die Sache mit dem Wohnen in der Hauptstadt ein riesengroßes Problem ist – aus dieser Frage hat sich das oberste Gericht ebenso herausgehalten wie aus der politischen Streitfrage, wie viel soziale Rücksicht deswegen im Sinne des Allgemeinwohls geboten ist. Unerlaubt war der Eingriff der Berliner Landespolitik schlicht deshalb, weil das besagte Problem schon geregelt ist – und zwar durch den Bund mit seiner Mietpreisbremse, unter deren Bremswirkung seit Jahren der Anstieg der Mieten in Berlin und anderswo stattfindet, der die Landespolitiker überhaupt zu ihrem Deckelungsversuch verleitet hat. Was der Bund bereits politisch geregelt hat, lässt nun einmal keinen Platz für politischen Gestaltungsspielraum der Länder, so will es das Grundgesetz.

So scheitert die wohlwollende Initiative der Berliner Landespolitik am Ende an der Abstraktionskunst des Verfassungsgerichts, nämlich an dem formellen Rechtsgrundsatz – Bundesrecht steht über Landesrecht –, auf den es die soziale Frage des städtischen Mietwesens gemäß der inneren Arbeitsteilung des sozialen Rechtsstaates herunterbricht. Der soziale Inhalt, der darüber zurechtgerückt wird, ist dabei alles andere als zufällig: Aus den Drangsalen der ‚kleinen Leute‘ auf den großstädtischen Wohnungsmärkten lässt sich nicht mal eben ein praktischer Einspruch gegen die allgemeine Geschäftsfreiheit des Grundeigentums machen. So soll es sein. Darauf bestehen nicht nur die Grundeigentümer selbst, sondern darauf legt der achtsam eingerichtete Konservativismus des Rechtsstaates den Sozialstaat im Ergebnis ebenso fest. Das müssen auch progressive Landespolitiker einsehen: Die Korrektur der zentralen sozialen Fragen des bundesdeutschen Kapitalismus ist gar nicht so einfach...