Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Frauen in die Aufsichtsräte
Manuela Schwesig gendert den Kapitalismus: Die Klassengesellschaft wird weiblicher
Die Verabschiedung des Gesetzes zur Frauenquote durch
Bundestag und Bundesrat im März erklären seine Macher zu
einer Sternstunde der Frauenemanzipation. Gefeiert wird das
„Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und
Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im
öffentlichen Dienst“ als eine Initialzündung für mehr
Gleichberechtigung
, die einen Kulturwandel in
Deutschland
einleitet (Staatssekretär Kelber). Die
Familienministerin spricht sogar von einem historischen
Schritt
, dem als nächster Schritt zur
Gleichberechtigung
der Gesetzentwurf für mehr
Lohngerechtigkeit zwischen Männern und Frauen
(Tagesschau, 27.03.2015) folgen
soll. Über diesen größten Beitrag zur Gleichberechtigung
seit Einführung des Frauenwahlrechts
(Maas, SPD) können sich demnächst also ca.
250 handgezählte Spitzenfrauen freuen: Ab dem 1. Januar 2016
müssen in rund 108 börsennotierten Unternehmen Frauen bei der
Besetzung von Aufsichtsratsposten zu 30 % berücksichtigt
werden – sonst bleibt die Stelle unbesetzt – , und 3500
weitere Firmen müssen sich ab 2015 zumindest verbindliche
Ziele für die Erhöhung des Frauenanteils in
Führungspositionen setzen
(Manager-Magazin, 6.3.).
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Systematischer Katalog
Länder & Abkommen
Frauen in die
Aufsichtsräte
Manuela Schwesig gendert den
Kapitalismus: Die Klassengesellschaft wird
weiblicher
Die Verabschiedung des Gesetzes zur Frauenquote durch
Bundestag und Bundesrat im März erklären seine Macher zu
einer Sternstunde der Frauenemanzipation. Gefeiert wird
das „Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen
und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft
und im öffentlichen Dienst“ als eine Initialzündung
für mehr Gleichberechtigung
, die einen
Kulturwandel in Deutschland
einleitet (Staatssekretär Kelber). Die
Familienministerin spricht sogar von einem
historischen Schritt
, dem als nächster Schritt
zur Gleichberechtigung
der Gesetzentwurf für mehr
Lohngerechtigkeit zwischen Männern und Frauen
(Tagesschau, 27.03.2015)
folgen soll. Über diesen größten Beitrag zur
Gleichberechtigung seit Einführung des
Frauenwahlrechts
(Maas,
SPD) können sich demnächst also ca. 250
handgezählte Spitzenfrauen freuen: Ab dem 1. Januar 2016
müssen in rund 108 börsennotierten Unternehmen Frauen bei
der Besetzung von Aufsichtsratsposten zu 30 %
berücksichtigt werden – sonst bleibt die Stelle unbesetzt
– , und 3500 weitere Firmen müssen sich ab 2015
zumindest verbindliche Ziele für die Erhöhung des
Frauenanteils in Führungspositionen setzen
(Manager-Magazin, 6.3.).
Die politischen Gestalter der sozialen Verhältnisse legen offenbar großen Wert auf Frauen in der Spitze von Konzernen. Dass die dort bislang unterrepräsentiert sind, finden die Gesetzgeber ungerecht, handelt es sich doch bei diesen Jobs um die mit den größten Machtbefugnissen und der höchsten Bezahlung. Dabei spielt das, was die neuen Frauen da im Dienste des großen Kapitals künftig machen sollen, jenseits der abstrakten Bestimmung, sie sollten eben vermehrt „führen“, keine Rolle.
1.
Zwei Prachtexemplare „weiblicher Führungsstärke“ machen aber bereits vor, was in Zukunft für immer mehr Quotenfrauen möglich sein soll.
Die Firma Siemens setzt große Hoffnungen in eine Janina
Kugel, die Anfang des Jahres als Personalvorstand eine
Schlüsselposition im Konzern übernimmt
und für
341 000 Mitarbeiter zuständig ist
. Sie wird also
zum Nutzen der Siemens-Aktionäre Entscheidungen fällen
über die Arbeit, die andere Leute zu machen haben; sie
wird diese kontrollieren und ihnen sagen, für welches
Geld was zu tun ist; und sie wird aus ihnen mit Hilfe
vieler Untergebener beiderlei Geschlechts die Arbeit
herausholen, die die Siemens-Eigentümer noch reicher
macht, und, wo dies nicht der Fall ist, solche Arbeit
abschaffen. Deshalb hat sie in ihrer Funktion als neue
Arbeitsdirektorin
unter anderem die Aufgabe, in
Deutschland 3300 und weltweit 7800 Stellen zu
streichen
(FAZ, 4.4.).
Das soll man einfach super finden. Jetzt nicht direkt die
Entlassungen, obwohl die schon irgendwie – leider
natürlich – nötig sein werden; aber dass eine
Frau sich dieser konfliktreichen Aufgabe
stellt, das soll einen schon begeistern:
„Es ist eine atemberaubende Karriere für die resolute gebürtige Stuttgarterin. … Dabei übernimmt die Mutter von Zwillingen als neue Arbeitsdirektorin eine alles andere als leichte Aufgabe. … Die Strukturen sind noch immer starr, zudem sollen Tausende Stellen gestrichen werden, viele Mitarbeiter müssen sich intern auf neue Jobs einstellen. Das birgt viel Potential für Konflikte. … Kugels Vorgänger sind alle gescheitert.“ (SZ, 27.1.)
Offenbar hielten es Frauenfreunde für einen echten
Fortschritt der Gleichberechtigung, wenn nunmehr Frau
Kugel bei der rentabilitätsorientierten Um- und
Wegorganisation tausender Arbeitsplätze erfolgreicher
wäre als ihre männlichen Vorgänger. Soll man sich
wirklich vorstellen, dass der Verlust des Einkommens
durch Entlassung einen Betroffenen weniger hart ankommt,
wenn die Entscheidung gegen seine Lebensverhältnisse
durch eine zweifache Mutter getroffen wurde? Die Frage
ist unpassend, weil es hier entschieden um die
exemplarische Erfolgsgeschichte einer Frau an
den Schalthebeln des unternehmerischen Privateigentums
gehen soll, weswegen an dieser Stelle nicht interessant
ist, dass die weibliche Führungskraft massenhaft anderen
Leuten das Leben schwer macht, sondern an sich
selbst hohe Ansprüche stellt: einer Frau, die,
ganz Familienmensch
, in all ihrer Weiblichkeit
auch für die notwendigen Härten globaler
Unternehmerverantwortung einsteht und dafür unsere
Sympathie verdient. Und darüber hinaus unsere
Bewunderung, wenn sie das, was sie mit der ihr
ausgelieferten Belegschaft vorhat, ganz munter als
Betätigung ihrer persönlichen Neigung zum Aufräumen
ankündigt: Die Konflikte
, die sie zu Lasten der
Belegschaft anzetteln will, schrecken sie nämlich nicht,
hatte sie doch immer mit Veränderungen zu tun, meist
mit Situationen, in denen Dinge umgekrempelt werden
müssen
(Human Resources Manager,
5.12.14). Solche Frauen braucht das Land – nicht
immer solche, die dauernd ihre Wohnung umräumen, sondern
solche wie die Kugel, die als Frau führt und von
Berufs wegen die Existenzen tausender
Siemens-Beschäftigter umkrempelt
– und nebenher
noch ihre Zwillinge und ein kleines
Familienunternehmen managt
!
*
Während Kugel bereit ist, ein Kommando in der wirklichen
Arbeitswelt einer globalen Firma zu übernehmen, spielt
eine andere Vorzeigefrau, Christine Lagarde, Chefin des
IWF, ihre Rolle auf dem Feld der internationalisierten
finanzpolitischen Herrschaft der den IWF
beherrschenden Weltmächte. Ihr erweist die SZ unter der
Rubrik Finanzfrauen
die nächste Reverenz. Als
Schlüsselfigur
des internationalen
Finanzparketts
hat sie es auch ganz nach oben
geschafft und bewiesen, dass Frauen sich auch als
Führungsfiguren in der internationalen Finanzwelt
bewähren können. Sie mischt nicht nur wie Kugel eine
Weltfirma, sondern ganze Länder auf. In der Welt der
Nationalbanken und ihrer Staatsschulden ist sie als
Charaktermaske des imperialistisch verwalteten Reichtums
und dabei ganz bewusst
als Frau
zu Hause:
„Lagarde ist sehr bewusst Frau. Sie äußert sich schon mal scharf gegen Sexismus, hält die Beteiligung von Frauen für einen Schlüssel zu Wachstum und Wohlstand … In Krisenzeiten seien Frauen die besseren Führungskräfte, sagte Lagarde einmal …“ (SZ, 28.2./1.3.15)
Was sie da in ihrer Führungsposition
zu
tun hat, ist zwar hier nicht von Belang, jeder
Interessierte kann es aber den Nachrichten entnehmen: Mit
ihrem Währungsfonds teilt sie Staaten Kredit zu, anderen,
die die vorgegebenen Konditionen nicht einhalten,
verweigert sie ihn. So entscheidet sie mit über Wohl und
Wehe von Nationen, deren kapitalistisches Lebensmittel
der Kredit ist, und die ihn durch die Zurichtung ihrer
Völker nach den Renditeanforderungen der Gläubiger als
ihr Lebensgesetz anzuerkennen haben. Dass das gerade die
verarmten Massen Griechenlands empfindlich zu spüren
bekommen, nimmt kein Freund der Gleichberechtigung einer
Frau wie Lagarde übel. Sie tut, was getan werden muss,
und sie tut es als Frau, die sich jeder
erforderlichen Härte fähig zeigt; die damit ihre
Qualifikation beweist, und der man – schließlich soll sie
ja als Ausbund femininer Führungsstärke gefeiert
werden – dann auch noch unbesehen den dummen Spruch
abnimmt, dass die Abwicklung der Einkommensquellen eines
ganzen Volkes durch eine weibliche „Führungskraft“
mindestens genauso gut, ja eher besser, bewerkstelligt
werden kann als durch eine männliche…
2.
Die eine Führungsfigur setzt mit viel Laune zum
Konflikt
bei Siemens rentablere Arbeit und weniger
Arbeitsplätze durch, die andere kujoniert über den IWF
ganze Staaten. Die Führungspositionen
dieser
mustergültigen Flintenweiber des Kapitalismus zeugen von
dem Gegensatz, in dem ihre Tätigkeit zur Mehrheit der
Frauen und Männer steht, seien sie Angehörige
eines Betriebes oder eines zinspflichtigen Staatsvolkes.
Das soll aber mitten im rasanten Fortschritt der
Gleichberechtigung per Quotengesetz keine Rolle spielen.
Da will der Begeisterung für diesen „Kulturwandel“ in
Aufsichtsräten und anderswo eben einmal etwas anderes
wichtig sein: Sie pocht an so einem gesetzlichen Feiertag
der Frauenrechte darauf, die soziale Identität
des Menschen läge noch allemal in seinem
Geschlecht, und bläst den kleinen Unterschied zu
so respektabler Größe auf, dass der Herrschaftscharakter
der Führungsaufgaben in dieser Gesellschaft
dahinter glatt verschwinden soll.
Dass es für Führungsaufgaben Geführte braucht, versteht sich von selbst. Die Diskriminierung der sozialen Klassen durch ihre Verteilung auf die Hierarchie der Berufe und der mehr oder minder auskömmlichen Einkommen geht denn auch völlig in Ordnung, wenn endlich die Geschlechterdiskriminierung überwunden ist, die Kommandohöhen der politischen und ökonomischen Herrschaft auch für Frauen erreichbar sind und wirklich nur mehr die Leistung im Dienst an fremdem Eigentum über gesellschaftlichen Rang und Teilhabe am Reichtum entscheidet.
*
Die Ankündigung, dass der gesetzlichen Verpflichtung von
Aktiengesellschaften, in ihren Aufsichtsräten demnächst
auch eine Frauenquote zu erfüllen, als nächster
Schritt
und wie im selben Geiste die
Lohnangleichung von Männern und Frauen
folgen
soll, die außerhalb von Aufsichtsräten arbeiten, ist für
Schwesig und Nahles dann eine ihrer leichtesten Übungen.
Nach dem großartigen Erfolg in Sachen
Geschlechtergleichstellung in den Führungsetagen, wo
Herrschaft und Ausbeutung in den Betrieben organisiert
werden, versprechen die zuständigen Ministerinnen – so
als wäre es ungefähr dasselbe – den Fortschritt demnächst
gleich auch noch auf die uralte Praxis des Kapitals zu
erstrecken, das weibliche Geschlecht als
Konkurrenznachteil zu betrachten und so für die
Einsparung von Löhnen bei den Objekten von Herrschaft und
Ausbeutung auszunutzen – um das genauso uralte Ideal vom
„gleichen Lohn für gleiche Arbeit“ zum tausendsten Mal
aufzuwärmen.