Die Bestrafung einer französischen Großbank
Die USA statuieren ein Exempel ihrer politischen Hoheit über den privaten kapitalistischen Geschäftsverkehr
Das amerikanische Justizministerium verurteilt BNP Paribas, die größte Bank Frankreichs und die zweitgrößte Europas, zu einer Strafzahlung in Höhe von knapp 9 Mrd. Dollar und spricht ein auf ein Jahr befristetes Verbot von Dollargeschäften mit Erdöl und -gas aus. Dem angedrohten Entzug der Banklizenz für die Geschäfte in den USA entgeht die Bank, indem sie sich im Sinne der Anklage schuldig bekennt, in der Hauptsache zum Vorwurf der
„Konspiration mit anderen Subjekten zum Zwecke der absichtlichen und wiederholten Verletzung langlaufender US-Sanktionen gegen Sudan, Kuba und Iran“.
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Systematischer Katalog
Länder & Abkommen
Die Bestrafung einer französischen
Großbank
Die USA statuieren ein Exempel ihrer
politischen Hoheit über den privaten kapitalistischen
Geschäftsverkehr
I. Von den Freiheiten des Geschäfts – und denen der Instanz, die über es Aufsicht führt
Das amerikanische Justizministerium verurteilt BNP Paribas, die größte Bank Frankreichs und die zweitgrößte Europas, zu einer Strafzahlung in Höhe von knapp 9 Mrd. Dollar und spricht ein auf ein Jahr befristetes Verbot von Dollargeschäften mit Erdöl und -gas aus. Dem angedrohten Entzug der Banklizenz für die Geschäfte in den USA entgeht die Bank, indem sie sich im Sinne der Anklage schuldig bekennt, in der Hauptsache zum Vorwurf der
„Konspiration mit anderen Subjekten zum Zwecke der absichtlichen und wiederholten Verletzung langlaufender US-Sanktionen gegen Sudan, Kuba und Iran“.
In einer eigenen Erklärung gibt der Justizminister auf seine Weise das Gewicht, das derartige konspirative Machenschaften für ihn besitzen, vor allem aber auch die tiefere Bedeutung zu verstehen, die der Verurteilung der Delinquentin zukommt:
„Diese Handlungen stellen einen ernsthaften Verstoß gegen amerikanisches Recht dar. Sanktionen sind ein zentrales Werkzeug für den Schutz der nationalen Sicherheit der USA, doch sie wirken nur, wenn sie konsequent durchgesetzt werden. Wenn Sanktionen greifen sollen, dann müssen Verstöße bestraft werden. Banken, die über Geschäfte nachdenken, die gegen amerikanische Sanktionen verstoßen, sollten es sich gründlich überlegen. (…) Die Präzedenzentscheidung zeigt die Entschlossenheit des Justizministeriums, Sanktionen und andere Maßnahmen durchzusetzen, die dem Ziel dienen, die nationale Sicherheit und unsere vitalen Interessen zu schützen. Daraus ergibt sich eine eindeutige Botschaft an alle Institute – überall auf der Welt –, die in den USA Geschäfte betreiben: Illegales Handeln wird nicht geduldet. Und wo immer es entdeckt wird, wird es mit der ganzen Härte des Gesetzes bestraft.“
Der Justizminister spannt, sein Metier betreffend, einen
weiten Bogen. Er beginnt mit einem Verstoß gegen
amerikanisches Recht
– und hört am Ende mit der
Feststellung auf, dass dieses Recht Geltung für
Unternehmen überall auf der Welt
hat. Das meint er
so prinzipiell, wie er es sagt: Ausdrücklich findet BNP
Paribas als Fall Erwähnung, der für diese weltweite
Erstreckung amerikanischer Rechtsgewalt steht, und zu
diesem Fall ist die Bank seinem Vernehmen nach allein
schon aus dem Grund geworden, weil sie auch in den USA
Geschäfte
treibt und dort eine Niederlassung hat.
Welche Freiheit nimmt der Mann sich da heraus bei der
rechtlichen Würdigung von Verstößen gegen Amerikas
nationale Sicherheit
und sonstige vitale
Interessen
?
Die französische Bank macht Erfahrung mit der Doppelnatur dieser Interessen, die Amerika weltweit verfolgt, zuerst in positiver Hinsicht. Diese betrifft die Reichweite dieser Interessen, nämlich den umfassenden Einschluss der Staatenwelt in eine Rechtsordnung, die die Führungsmacht der Freiheit ihr als politökonomische Grundlage ihres Fortkommens verpflichtend vorgibt und auf deren Basis auch diese Bank ihre Geschäftstätigkeit entfaltet. In ihrem vitalen Interesse, sich die ganze Welt als Bedingung ihres Erfolgs zu erschließen, unterbreiten die USA allen anderen Souveränen und dem Kapital ihrer Standorte das Angebot, mitzumachen in dieser einen Welt des kapitalistischen Geschäfts. Um den Preis des Respekts vor den verbindlichen rechtlichen Regeln und sonstigen Erfordernissen, die es braucht für einen erfolgreichen grenzübergreifenden Geschäftsverkehr und internationalen Finanzmarkt, dürfen und sollen sie im Interesse ihres je eigenen nationalen Materialismus aneinander verdienen, also gegeneinander konkurrieren um die Mehrung des kapitalistischen Wachstums und ihrer Finanzmacht. Die irreversible Unterordnung unter ein Regime der freien Konkurrenz, die Einbindung ihrer kapitalistischen Herrschaftsräson in einen verbindlichen Kodex ihrer Exekution nach außen: Das sollen die Staaten nicht als Negation ihres Egoismus begreifen, sondern als positive Erfolgsbedingung ihres Eigennutzes würdigen und den Einstieg in die imperialistische Konkurrenz als für sie lohnendes Projekt verfolgen. Dieses Angebot hat unter ihnen in großem Umfang verfangen. Zuletzt auch noch bei denen, die Amerikas freundliche Einladung ausschlugen und sich auf ein sozialistisches Programm zur Beglückung ihrer Völker verlegten, so dass die Weltordnung, die die Weltführungsmacht garantiert, inzwischen komplett ist: Sie ist nur ein anderer Name für die weltweite kapitalistische Konkurrenz der Nationen, in der sie sich noch auf dem letzten Flecken des Globus um den Erfolg der Akkumulation ihres Kapitals, der Geschäfte mit ihrem Kredit und des Gebrauchs ihres Geldes kümmern.
Eine Handvoll von ihnen bringt es in dieser
Globalisierung
, wie sich die Herrichtung der Welt
zur Ressource des Profits auch noch nennt, zum Status
einer Weltwirtschaftsmacht, für den die ‚global
player‘ ihres Standorts mit ihren Erfolgen auf den
maßgeblichen Feldern des kapitalistischen Weltgeschäfts
sorgen, und in der Welt des internationalen
Finanzkapitals ist die Bank BNP Paribas eben einer dieser
großen Geschäftemacher und Säulen der Finanzmacht des
Staates, in dem sie residiert. So weit ist im Fall dieser
Bank also noch alles in Ordnung und ganz im Sinne der
Geschäftsordnung, die Amerika der Welt spendiert hat:
Auffällig wird sie vorerst nur als erfolgreicher
Aktivist, der sich in ihr bewährt.
Zu den vitalen Interessen
der USA, die in dieser
Ordnung inkorporiert sind, gehört freilich eine zweite
Seite mit dazu, die deren Reichweite in
negativer Hinsicht, nämlich den
Ausschluss staatlicher Subjekte aus dieser
Ordnung betrifft, und mit der macht die französische Bank
in diesem Fall gleichfalls ihre Erfahrung. Mit derselben
Freiheit, die sie sich bei der Definition ihrer
„Sicherheits-„ und anderer gewichtiger
Interessen herausnehmen, exekutieren die USA auch
Zwangsmaßnahmen, die sie zur Erledigung der
Störfälle ihrer Weltordnung für geboten erachten: Als
Schöpfer und Garant des Ordnungsregimes über das
kapitalistische Weltgeschäft, auf das sie die Staatenwelt
verpflichten, entziehen sie diesen Subjekten das
Recht zur Teilnahme am Weltgeschäft. An diesen Staaten,
die die USA zu ihren Feinden erklären, wird deutlich,
worauf sich die Souveräne mit ihrer Selbstverpflichtung
auf das Mitmachen in Amerikas freier kapitalistischer
Welt ganz nebenbei auch noch verpflichtet haben: Wenn sie
politisches Wohlverhalten nicht so, wie von Amerika
gewünscht, an den Tag legen, bekommen sie zu spüren, wie
sehr sie selbst vom Wohlwollen abhängig sind, das Amerika
ihnen zu erweisen bereit ist. Ihr Einschluss in den
weltweiten kapitalistischen Geschäftsverkehr steht
jedenfalls unter dem generellen Vorbehalt praktizierter
politischer Fügsamkeit gegenüber der Macht, die ihnen die
großzügige Chance, um ihren Erfolg konkurrieren zu
dürfen, überhaupt eröffnet. Fügen sie sich nicht, steht
ihnen in Gestalt amerikanischer Sanktionen
der
Entzug ihrer ökonomischen Lebensgrundlage ins Haus und
sie werden mit dem je nach Bedarf dosierten, teilweisen
bis kompletten Ausschluss vom Weltgeschäft zur
Anpassung an die vitalen
und
Sicherheitsinteressen
Amerikas erpresst.
Dieser Ausschluss erfolgt in aller sachlich gebotenen Grundsätzlichkeit und ist mit Erpressungsmanövern, wie sie zwischen Staaten üblich sind, nicht zu verwechseln. Die Macht, die hinter dem für das weltweite kapitalistische Geschäft maßgeblichen Regelwerk steht, macht mit allergrößter Selbstverständlichkeit nicht nur von ihrer Definitionshoheit in Bezug auf die Subjekte Gebrauch, die aus ihrer Geschäftsordnung ausgegrenzt gehören. Sie geht mit derselben Selbstverständlichkeit davon aus, dass ihr Beschluss, über Kuba, Sudan, Iran und andere staatlichen Subjekte Sanktionen zu verhängen, auch für den Rest der Staatenwelt bindende Wirkung hat, der sich in ihrer Ordnung tummelt. Gegenüber den als Outlaws ihrer kapitalistischen Welt-Geschäftsordnung identifizierten Staaten und gegenüber allen anderen machen die USA derart geltend, dass sie nicht eine Macht wie alle anderen sind, die sich an den Kodex vereinbarter Rechtsregeln und approbierter Geschäftssitten halten: Sie stehen über der für alle anderen verbindlichen Geschäftsordnung – und das ist nicht deren Widerrufung, sondern eine an die Adresse der privaten Geschäftswelt wie ihrer staatlichen Freunde und Partner im imperialistischen Weltgeschäft gerichtete Manifestation der Ausnahmestellung, die ihnen als Schöpfer und Garant dieser Ordnung von selbst zukommt.
Das Urteil gegen BNP Paribas ist in einer Welt,
in der Staaten die höchsten rechtssetzenden Instanzen
sind und sich im Normalfall als solche auch wechselseitig
respektieren, eine Anmaßung – aber eben keine, auf die
ein amerikanischer Justizminister bloß in einem Anfall
von Selbstüberschätzung verfiele. Der Mann weiß
selbstverständlich, dass die Durchsetzung eines von den
USA verhängten Sanktionsregimes ausschließlich auf dem
für US-Bürger verbindlichen Rechtsweg erfolgt, daher
allein in Amerika ansässigen Unternehmen wie
Privatpersonen Geschäftsbeziehungen zu den betreffenden
Staaten verboten sind. Wenn er als oberster Hüter
amerikanischen Rechts sich einfach über den von der
beklagten Bank im Verfahren geltend gemachten Umstand
hinwegsetzt, dass sie bei der Abwicklung der
inkriminierten Sudan-Geschäfte in der Schweiz und sonst
wo in Europa gegen keine einzige Vorschrift des für sie
einschlägigen europäischen Rechts verstoßen habe; wenn er
darauf verweist, dass diese Bank eben auch in den USA
Geschäfte
betrieben habe und nach seiner maßgeblichen
Rechtsauslegung allein dieser Umstand hinreicht, sie in
all ihrer Geschäftsfähigkeit zum Objekt amerikanischer
Rechtsaufsicht zu erklären – dann unterstreicht er die
Reichweite der Ausnahmestellung, die sich die
USA gegenüber dem Rest der Welt herausnehmen. Die
Garantiemacht des weltweiten kapitalistischen
Geschäftsverkehrs nimmt ihre exklusive Kompetenz zur
Zulassung zu diesem eben nicht nur zur Ausgrenzung einer
Handvoll erlesener Schurkenstaaten
wahr, sondern
kümmert sich auch um ihren praktischen Vollzug. Sie sorgt
für die Verbindlichkeit ihres Aufsichtsregimes auch
gegenüber privaten Geschäftemachern, auch wenn
die sich außerhalb des amerikanischen Hoheitsgebiets und
Rechtsbereichs redlich um die Vermehrung ihres Vermögens
kümmern – und auch das ist kein Rückruf der weltweiten
Freiheit, die Amerika den Eigentümern von Geldvermögen
beim Gebrauch der Welt als Quelle ihrer Bereicherung
eröffnet hat: Von der Instanz, die das kapitalistische
Weltgeschäft garantiert, werden die in ihm privat
wirtschaftenden Subjekte an die Macht erinnert,
die hinter den vitalen Interessen
Amerikas auch
noch steht. Die USA verfügen nicht nur über ein
Militärpotential, das allen Konkurrenten hoffnungslos
überlegen ist – ihr ökonomischer Ausnahmestatus
im kapitalistischen Weltgeschäft verschafft ihnen alle
nötigen zivilen Mittel, ihr
sicherheitspolitisches Aufsichtsregime über die
Welt zur verbindlichen Maxime auch des
freiheitlich-privaten Geschäftsverkehrs zu
erklären.
II. ‚Dollarimperialismus‘ – die Währung als Waffe zur Durchsetzung des Rechts ihres Emittenten
Erste sachdienliche Hinweise auf die imperialistischen
Grundlagen, die dem amerikanischem Recht seinen
weltweiten Geltungsanspruch verschaffen, sind den
Stichworten zu entnehmen, die im Umfeld des Verfahrens
gegen BNP Paribas öffentlich die Runde machen. Da ist die
Rede von der Größe
, wahlweise auch Tiefe des
US-Finanzmarkts
, und gemeint ist von den Fachleuten
damit, dass Banken, wollen sie als ‚global player‘
mitmischen im internationalen Finanzgeschäft, an dessen
Zentrum
einfach nicht vorbeikommen: Präsenz am
Hauptplatz des Weltgeschäfts mit Kredit ist, hört man,
allererste Erfolgsbedingung für ein Finanzunternehmen,
das international etwas hermachen, mit eigenen
Kreditgeschäften und Investments erfolgreich sein und
sich den Kredit zur eigenen Refinanzierung wie zur
Finanzierung ihrer anderweitigen Geschäfte günstig
beschaffen will. Die Stichworte selbst verraten freilich
die Sache nicht, die mit der Dominanz
des
amerikanischen Kapitalmarkts und der Wall Street als
Zentrum
der Welt-Finanzmärkte angesprochen wird.
Das kapitalistische Weltgeschäft und das globalisierte
Geschäft des Finanzkapitals, dessen eindrucksvolle
Dimensionen man heute bestaunen darf, geht zurück auf die
Bereitstellung des Dollar als weltweit fungierendes
Geschäftsmittel privater Bereicherung, die der weit
vorausblickende US-Präsident Reagan verfügt hat. Die von
ihm auf dem Weg gebrachte Liberalisierung
des
Dollarhandels, die Befreiung auswärtiger Dollarbesitzer
von amerikanischen Aufsichtsregeln über Banken- und
sonstige Finanzgeschäfte, die den Gebrauch dieses Geldes
betreffen, stellt der internationalen Geschäftswelt die
US-Währung in beliebiger Menge für beliebige Geschäfte
zur Verfügung. Die Deregulierung
des einheimischen
Bankensystems bringt das Geschäft mit Krediten und mit
den Schulden des Staates erst so richtig in Schwung, und
beides zusammen etabliert die Währung der USA als
Welt-Währung, als Kreditgeld, dessen Wert durch den
ausgiebigen praktischen Gebrauch beglaubigt wird, den
Kapitalisten wie Staaten aller Welt von ihm machen. Der
US-Dollar fungiert als Zahlungsmittel für
grenzübergreifende Geschäfte jedweder Art, ist das Geld,
in dem Geschäftsleute Kredite vergeben und ihrerseits
Schulden machen, mit dem sie in Firmen investieren oder
sich bei Banken Investments der anderen Art verschaffen.
Er bilanziert nicht nur den Reichtum, den private
Geschäftsleute mehren, sondern garantiert auch das Geld
der in den freien Welthandel eingestiegenen staatlichen
Subjekte. Die zählen amerikanische Schuldpapiere zu ihren
sichersten Sicherheiten
ihrer Reserven, besorgen
sich selbige über den Rücktransfer verdienter Dollar ins
Mutterland und tragen so maßgeblich mit dafür Sorge, dass
noch so große Defizite im amerikanischen Haushalt das
globalisierte Grundvertrauen in die Potenz der führenden
Weltwirtschaftsmacht und die ihres Geldes nie ernsthaft
beschädigen. Im Interbankenhandel mit den Währungen der
Welt, dem gewichtigsten Posten des internationalen
Finanzgeschäfts, laufen mindestens zwei Drittel aller
Transaktionen über die US-Währung, so dass außerhalb
Europas so gut wie jedes Geschäft von einiger Bedeutung
ein Unterfall eines wie auch immer finanzkapitalistisch
‚strukturierten‘ Dollar-Geschäfts ist – und das Schöne an
diesen wie allen anderen geschäftlichen Transaktionen
ist: Insoweit sie in und mit dem Geld der USA
stattfinden, verlieren sie ihren Konnex mit der
politischen Garantiemacht dieses Geldes auch dann nicht,
wenn sie unmittelbar gar nichts zu schaffen haben mit dem
in ihrem Hoheitsbereich ansässigen geschäftlichen
Treiben. Sie finden statt in dem Kreditgeld, das die
US-Notenbank emittiert und über ihre Geschäftsbanken als
Stoff kapitalistischer Bereicherung in Verkehr bringt,
und unter – wie im einzelnen auch immer gearteter –
Inanspruchnahme des weltgrößten Finanzplatzes, der
amerikanischen Rechtsaufsicht unterliegt.
So entfesselt die Freisetzung des Dollar von
jeder direkten Aufsicht durch die einschlägigen
US-Behörden überhaupt erst den freien kapitalistischen
Weltmarkt mit allen seinen Unterabteilungen und den
Geschäften des Finanzkapitals an seiner Spitze – und weil
das Weltgeschäft in seiner überwiegenden Masse in und mit
Dollar abgewickelt wird, ist und bleibt es in all seiner
Freiheit in letzter Instanz immer der Macht
subsumiert, die ihm sein Geschäftsmittel spendiert.
So gut wie alle Finanztransaktionen – mit Ausnahme
allenfalls derer innerhalb des Euro-Raumes – gehen in
irgendeinem Transaktionsstadium über den Dollar, und alle
auf Dollar lautenden Transaktionen fallen irgendwie unter
amerikanische Jurisdiktion, da bei ihrer Abwicklung in
irgendeinem Stadium auf jeden Fall eine in den USA tätige
Bank beteiligt ist. Das ist die Sache, die in
dem Bild von der Tiefe des US-Finanzmarkts
steckt,
die substantielle Grundlage der exterritorialen
Reichweite des amerikanischen Rechts und auch der
Freiheit, mit der dessen oberster Hüter sich am Fall BNP
Paribas zur Entscheidungsinstanz über die
Zulassungsfragen für die Teilnahme am Weltgeschäft
aufschwingt. Europas Experten für Internationales
Privatrecht mögen irritiert sein: Mit den Mitteln, über
die Amerika gebietet, setzt es auch Recht, und das machen
die Reaktionen der Betroffenen auf ihre Weise auch
deutlich.
III. Zerknirschte Eingeständnisse der Lage im imperialistischen Kräfteverhältnis
Der Rechtsbruch der französischen Bank wird von Amerikas
Behörden demonstrativ gnadenlos sanktioniert. Die Höhe
des Strafmaßes allein schon führt aller Welt
eindrucksvoll vor Augen, wie ernst es Amerika mit der
Durchsetzung seiner Aufsichtsmacht über das private
Weltgeschäft und dessen praktischer Verpflichtung auf die
Wahrung seiner vitalen Interessen
ist – und über
welche wirksamen Zwangsmittel die Macht verfügt, für
Respekt vor ihrem Willen zu sorgen. Vom kompletten Entzug
der Banklizenz für die USA ist der Justizminister bereit
abzusehen – unter der Bedingung freilich, dass sich die
Geschäftsführung von BNP Paribas schuldig bekennt, bei
ihren Transaktionen im Genfer Büro US-Recht gebrochen zu
haben. Nach dem für sie maßgeblichen europäischen Recht
hat sich die Bank zwar nichts zuschulden kommen lassen,
dennoch willigt sie ein. Das Anderthalbfache ihres
letztjährigen Gewinns ist ihr als Preis wert, gewichtiger
Teilnehmer im Weltgeschäft mit Kredit bleiben zu können –
wie im ‚Handelsblatt‘ ein Experte vermerkt, wäre auch
schon ein nur zeitweiliger Verlust der Lizenz für den
Handel mit US-Dollar damit gleichbedeutend, dass aus
einer globalen eine lokale Bank würde.
Die Bank beglaubigt mit ihrer Unterwerfung unter das Urteil der US-Justiz, dass das praktisch gültige Recht für ihre weltweiten Geldgeschäfte amerikanischen Ursprungs ist, für jeden in Europa residierenden ‚global player‘ mithin gilt, dass der Lizenzgeber und die letztlich verbindliche Garantiemacht seiner Aktivitäten nicht in Berlin, Paris oder Brüssel, sondern in Washington sitzt. Dieser Bescheid ergeht somit nicht nur an die Adresse der privaten Akteure des internationalen Geschäftslebens, sondern auch – und damit schließt sich der Kreis zum eingangs Bemerkten – an die staatlichen Hüter der Standorte, die vom kapitalistischen Erfolg ihrer Großunternehmen leben. Ohne von ihnen überhaupt Notiz zu nehmen, blamieren die USA mit ihrem Geschäftsverbot für Mitmacher beim Unterlaufen ihres Sanktionsregimes zugleich die Souveränität der Mächte, die ihrerseits als Garantiemacht hinter den von den USA im Bedarfsfall beschuldigten Unternehmen stehen. Die sind und bleiben zwar die herrschaftlichen Subjekte, denen die Definitionshoheit über das Recht zukommt, unter dessen Schutz Banken und andere Unternehmen ihres Standorts wirtschaften – aber ihre Souveränität zusammen mit ihrem Recht zählen nichts, wenn die USA die Geschäftstätigkeit ihrer Protegés inkriminieren. Im vorliegenden Fall ist es Frankreich, die zweitgrößte Wirtschaftsmacht des Euro-Raums, das praktisch über den hierarchischen Abstand zwischen den Finanzmächten informiert wird, der sich im Zuge der Dollarisierung des Weltgeschäfts mit Kredit gleichsam naturwüchsig eingestellt hat: Der größte Profiteur an diesem Geschäft setzt für die Konkurrenz der Staaten um ihre Finanzmacht auch die Bedingungen, die alle anderen zu respektieren haben. Zusammen mit Frankreich als Patron der verurteilten Bank dürfen sich so auch die übrigen maßgeblichen Mächte Europas als Adressaten dieser Klarstellung verstehen, denn die beinhaltet ja nichts anderes als den aktuellen Zustandsbericht darüber, wie weit sie es in der Konkurrenz um das Geld der Welt mit ihrem ‚Euro‘ bislang nur gebracht haben.
Entsprechend verbittert ist die Reaktion in der
Heimatnation des Finanzunternehmens BNP Paribas. Schon im
Vorfeld des Prozesses hat man sich dort höchstoffiziell
dafür verwendet, dass die amerikanische Justiz doch bitte
respektieren möchte, dass es außerhalb ihres
Hoheitsbereichs auch noch andere Souveräne gibt, die
Recht sprechen: Alle Erklärungen der französischen
Regierung, dass die Großbank sich nach der für sie
geltenden europäischen Rechtslage bei der Abwicklung
ihrer Geschäfte einwandfrei verhalten habe, verhallen in
Washington demonstrativ ungehört. Dann bittet der
Präsident der Nation seinen Kollegen in Washington
schriftlich um Mäßigung
beim Vorgehen der
US-Justiz gegen BNP Paribas – und der antwortet nicht
minder höflich mit dem Verweis auf die Unabhängigkeit der
Justiz, die in Amerika ebenso gelte wie doch hoffentlich
auch in Frankreich. Der französische Finanzminister
versucht es mit einem Appell an das in Amerika
hochgeschätzte Gebot der Fairness bei der Konkurrenz ums
Eigentum und plädiert dafür, mit unangemessenen
Strafen nicht die Zukunft der größten Bank der
zweitgrößten Volkswirtschaft der Euro-Zone aufs Spiel zu
setzen
(zit. nach: Die Welt,
5.6.) – gleichfalls vergebens. Man sieht sich in
Frankreich also praktisch konfrontiert mit der
subalternen Stellung, die man im Weltfinanzgeschäft
innehat – und zieht die Konsequenzen: Man zollt
den USA grundsätzlich den Respekt, den die vor
sich und ihrem Recht von anderen Souveränen verlangen,
schreibt Gnadengesuche an die US-Justiz und stellt dann
noch höchstoffiziell und ganz ausdrücklich nicht
in Frage, dass sich die US-Justiz zuständig sehe,
obwohl die Geschäfte außerhalb der USA abgewickelt
wurden
(ebd.).
So einfach abfinden mit dieser Degradierung kann und will
man sich in Frankreich freilich nicht. Die Suprematie des
Dollar im kapitalistischen Weltgeschäft, aus der die USA
ihre Autorität zur Bevormundung der restlichen
Staatenwelt herleiten, ist zwar ein Faktum, um dessen
Anerkennung man schlechterdings nicht herumkommt – aber
das heißt selbstverständlich nicht, dass man es deswegen
auch hinnimmt: Frankreichs Finanzminister rügte die
derzeitige Dominanz der US-Währung. Im internationalen
Handel habe dies eine Reihe von Konsequenzen, ‚darunter
die Exterritorialität der amerikanischen Normen‘
(onvista/Reuters, 9.7.).
Damit ist der Sachverhalt benannt, unter dem seine Nation
leidet, und der Minister weiß natürlich auch den Weg zur
Linderung des Leids. Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf
den Fall BNP Paribas gibt er sich davon überzeugt,
dass sich die Euro-Zone über die Rolle Gedanken machen
muss, die wir unserer gemeinsamen Währung zuweisen – und
dabei die stärkere Nutzung des Euro als internationale
Währung fördern muss
(ebd.). Er hält es für nachgerade sinn-
und zweckwidrig, wenn die in Euro wirtschaftenden und
rechnenden Nationen Flugzeuge bauen, die sie sich
wechselseitig dann in Dollar verkaufen – und dann erlaubt
er sich bei all seinen Plädoyers, mit Hilfe des Euro
endlich diese unerträgliche Dollar-Dominanz
zu
brechen, in einem Interview mit der ‚Financial Times‘
noch einen kleinen Scherz: Dies sei, bemerkt er dort,
kein Kampf gegen den US-Imperialismus
.
Mit diesem Dementi bringt er exakt die Ebene zur Sprache, auf der der Fall BNP Paribas angesiedelt und auf der auch der Korrekturbedarf anzusiedeln ist, den er im Namen Frankreichs stellvertretend für die Euro-Zone anmeldet. Zu kämpfen hat Europa gegen die weltweite Sonderrolle der amerikanischen Währung nicht mit wirklichen Waffen, sondern ganz zivil, mit der eigenen Währung als Waffe. Die weltweite Durchsetzung des Euro als Alternative zum Dollar soll vorangetrieben werden, dafür hat das europäische Bündnis gut zu sein. Nicht bloß um mehr Geschäfte in und mit dem Euro hat es Europas Mächten zu gehen, sondern darum, die Sonderstellung der amerikanischen Währung als Machtinstrument der USA zu relativieren und sich auf diesem Weg die imperialistische Handlungsfreiheit zu verschaffen, in der man sich durch die Selbstherrlichkeit der Führungsmacht arg beschnitten sieht: Euro-Imperialismus heißt für Frankreich die Antwort auf den Imperialismus, den die USA mit ihrem Dollar-Regime betreiben.
Freilich ist diese programmatische Erklärung des französischen Finanzministers erst einmal auch nur dies, nur die Kundgabe eines Programms, das man sich vorgenommen hat. Der politische Wille, sich endlich der Suprematie des Dollar und der Selbstherrlichkeit der hinter seinem Regime stehenden Macht zu entledigen, ist dem unschwer zu entnehmen – aber eben schon auch, womit die Euro-Staaten sich anlegen, wenn sie den Euro als weltweite Alternative zur Währung Amerikas etablieren wollen: Um nichts Geringeres geht es bei diesem Projekt, als den USA die Hoheit über die Geschäfte der Welt zu entwinden, und da hat man schon eine sehr große Aufgabe vor sich.
In Deutschland, der Führungsmacht dieser Euro-Zone, die nach Auffassung der französischen Polemiker gegen das Dollar-Regime endlich entscheidend voranzukommen hat in der Konkurrenz der Weltgelder, gibt man sich zurückhaltend. Zeitungen wollen wissen, dass die französische Staatsführung bei Merkel nicht hat landen können mit ihrem Ansinnen, gemeinsam Front zu machen gegen die Respektlosigkeit, die Amerika ja nicht nur Frankreich gegenüber an den Tag legt. Sicher gibt es auch hierzulande Bedenken über die Geschäftsschädigung, die Amerika seinen europäischen Partnern zufügt und weiter in Aussicht stellt, schließlich stehen ja auch deutsche Banken auf der Abschussliste des US-Justizministers. Aber sie werden nicht besonders laut. Offiziell hält man sich an die äußerst weise politische Direktive, eine Konfrontation möglichst zu vermeiden, wenn nach Lage der Dinge sowieso keine Aussicht besteht, sie erfolgreich für sich zu entscheiden.