Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Reform des Bleiberechts:
Wie sich geduldete Asylanten ihre Nicht-Abschiebung durch Arbeitsamkeit verdienen können
Die Regierung hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Status der sich ohne Aufenthaltsrecht hier aufhaltenden Flüchtlinge zu regeln. Im Zuge der Beratungen zu einer Gesetzesreform haben Union und SPD die Sachlage noch einmal in jeder Hinsicht überprüft und dabei „Abschied von der Illusion genommen, man könne den Duldungsstatus so unattraktiv gestalten, dass die Betroffenen von selbst das Weite suchen“. (FAZ, 14.3.) Das Problem besteht offenkundig darin, dass sie es mit Kreaturen zu tun haben, die sich als weitgehend unempfänglich gegenüber allem rechtsstaatlichen Behörden-Terror erweisen.
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Systematischer Katalog
Länder & Abkommen
Reform des Bleiberechts:
Wie sich
geduldete Asylanten ihre Nicht-Abschiebung durch
Arbeitsamkeit verdienen können
Da gibt es doch tatsächlich Flüchtlinge, denen es auf
Grund diverser Abschiebehindernisse gelungen ist, sich
selbst Jahre nach ihrer Ablehnung immer noch auf
deutschem Boden zu befinden, obwohl die Schilys,
Schäubles und Becksteins es wirklich an nichts haben
fehlen lassen, um sie hinauszuekeln. Diese Restbestände
befinden sich in einem rechtlichen Zwitterzustand von
Auszuweisenden, deren Ausweisung aber wegen
entgegenstehenden humanitären, politischen oder
rechtlichen Gründen
(SZ,
13.3.2007) nicht vollzogen werden kann. Für den
stets um kritische Aufklärung bemühten „Spiegel“ sind es
überwiegend Menschen, die es mit allerlei Tricks
geschafft haben, den Abschiebeversuchen lange genug zu
trotzen
(12/2007),
während die wertkonservativ mitfühlende FAZ darunter auch
solche kennt, die unser Gemeinwesen erdulden muss, weil
sie Schlimmes erlebt haben und nur ihre ‚nackte Haut‘
zu retten vermochten
. (FAZ, 13.3.) So oder so
genießen sie den prekären Aufenthaltstitel der
Duldung
(FAZ, 14.3.) –
ein Genuss, der darin besteht, dass sie unter der
beständigen Drohung leben, abgeschoben zu werden.
Kommunale Sozialbehörden sorgen mit Sammelunterkünften
und Sozialwohnblocks
, Ausbildungs- und
Arbeitsverboten
, Essenspaketen und Taschengeld
(SZ, 14.3.) für ein
Zurechtkommen in diesem Zustand der
„Kettenduldung“, bei dem ihnen nach Möglichkeit
das Bedürfnis ausgetrieben wird, sich hier festzusetzen.
*
Die Regierung hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Status
dieser sich ohne Aufenthaltsrecht hier aufhaltenden
Mannschaft zu regeln. Im Zuge der Beratungen zu einer
Gesetzesreform haben Union und SPD die Sachlage noch
einmal in jeder Hinsicht überprüft und dabei Abschied
von der Illusion genommen, man könne den Duldungsstatus
so unattraktiv gestalten, dass die Betroffenen von selbst
das Weite suchen
. (FAZ, 14.3.) Das Problem besteht
offenkundig darin, dass sie es mit Kreaturen zu tun
haben, die sich als weitgehend unempfänglich gegenüber
allem rechtsstaatlichen Behörden-Terror erweisen.
Bedauerlicherweise verspricht es keinen Erfolg, denen das
Leben hier noch mehr zu verleiden; die Konkurrenz mit den
Verhältnissen, denen die Betreffenden zu entfliehen
versuchen, ist für deutsche Behörden beim besten Willen
kaum zu gewinnen.
Dummerweise hat man auch nicht immer Einfluss auf lästige
Abschiebehindernisse. Z.B. wollen 29 Problemländer von
Russland über Algerien bis Mali
die Beschlüsse
deutscher Innenminister partout nicht zum Leitfaden ihrer
Politik machen und „weigern“ sich
unverständlicherweise, Landsleute aufzunehmen, wenn
diese nicht ausdrücklich versichern, freiwillig zu
kommen
. (Spiegel, 12/2007)
Und recht besehen war man hierzulande beim Verscheuchen unerwünschter Ausländer so erfolgreich, dass der verbliebene Rest doch wohl unter Peanuts fällt:
„Von den 7,3 Millionen amtlich registrierten Ausländern in Deutschland verfügen ganze 178 000 nur über den prekären Aufenthaltstitel der Duldung ... Von diesen wiederum halten sich 60 000 schon sechs oder mehr Jahre hier auf. Die neue Bleiberechtsregelung für diese Personengruppe betrifft also weniger als ein Prozent der ausländischen Bevölkerung.“ (FAZ, 14.3.)
*
Angesichts dieser doch sehr überschaubaren Zahl von
Problemfällen macht die Regierung denen glatt so etwas
wie ein Angebot: Langjährig geduldete Ausländer können
künftig eine Aufenthaltserlaubnis bekommen, um bis Ende
2009 einen festen Job zu suchen.
(FR, 14.3.)
Sie revidiert damit den Betreffenden gegenüber ihren
Standpunkt. Bislang wurden sie mit einem strikten
Arbeitsverbot belegt, weil man ihnen jede Gelegenheit
verbauen wollte, sich hier einzunisten; damit waren sie
dann alternativlos auf das Gnadenbrot des
Asylanten-Regelsatzes verpflichtet, so dass sie der
„Spiegel“ als notorische Sozialfälle
(12/2007) beschimpfen kann. Jetzt
eröffnet man ihnen die großartige Perspektive auf ein
verfestigtes Aufenthaltsrecht
(Wulff, CDU, SZ, 13.3.), unter der
Bedingung, dass sie es schaffen, einen Arbeitsplatz zu
ergattern: Den Abschiebungsbedrohten werden zwei Jahre
Aufenthaltserlaubnis auf Probe
eingeräumt, mit der
Aussicht, länger im Land bleiben zu dürfen, wenn sie
bis zum Stichtag Ende 2009 von staatlicher Unterstützung
unabhängig sind.
(SZ,
14.3.) Denn wenn sie schon absehbarerweise
dauerhaft hier leben, dann sollen sie nicht dem
Sozialstaat auf der Tasche liegen. Deswegen will man sie
zu dem Test antreten lassen, ob sie nicht wenigstens
einen Beitrag dazu leisten können, die staatlichen Kassen
von ihrem Unterhalt zu entlasten. Man schafft für
Unterhaltsempfänger einen Anreiz, für sich selbst zu
sorgen
. (FAZ, 14.3.) Angesichts einer solchen
Koppelung zwischen Arbeit und Integration, die wir
schon immer befürwortet haben
(Maria Böhmer, CDU, Die Welt, 14.3.) geht
einer Staatsministerin für Integration ihr christlich
deutsches Herz über.
*
Einfach so bekommt man die Gnade der vorsichtigen
Perspektive
(Die Welt,
14.3.), sich seine Nicht-Abschiebung mit Arbeit zu
verdienen, freilich nicht.
Man muss erstens der Drangsalierung der Ausländerbehörden
schon ein paar Jahre lang erfolgreich widerstanden haben,
um am Stichtag 1. Juli 2007 als Single mindestens acht
oder als Familie sechs Jahre im Land
(SZ, 14.3.) gewesen sein. Während dieser
Jahre muss man sich zweitens bedingungsloser
Gesetzestreue befleißigt haben, was ausdrücklich
einschließt, dass man nicht gegen die
ausländerrechtlichen Bestimmungen verstoßen hat, die z.B.
das Zurück-Expedieren der eigenen Nachkommenschaft
gebieten: Eine falsche Angabe über das Alter eines
mitgeflohenen Kindes kann da schon reichen, um auf der
Abschiebeliste zu bleiben.
(SZ,
14.3.) Drittens sieht es mit der Chance aufs
Dableiben auch dann schlecht aus, wenn man es unterlassen
hat, sich ausreichende Deutschkenntnisse
(Hamburger Abendblatt, 24.3.)
zu verschaffen, sich in Sprache und Kultur der neuen
deutschen Heimat einzufühlen, die bis gestern alles dran
gesetzt hat, einen loszuwerden.
Auch bei der Wahrnehmung des großzügig eingeräumten
Rechts auf Arbeit dürfen sich die Betreffenden einer echt
spannenden Bewährungsprobe unterziehen. Leuten, denen
sechs bzw. acht Jahre jede Arbeitstätigkeit strikt
verboten war, dürfen jetzt mal ausprobieren, ob sie auf
kapitalistischen Arbeitsplätzen auch dauerhaft ihren Mann
stehen bzw. ob sie überhaupt einen Arbeitgeber finden,
der ihnen das zutrauen mag. Herausfallen dürften damit
allemal alte und kranke Menschen sowie Menschen mit
Behinderungen. Auch Alleinerziehende haben kaum eine
Chance
, (woran die Linksfraktion
erinnert, in „junge welt“, 14.3.). Andererseits
will der Hamburger Chef der Agentur für Arbeit schon
etwas von einer neuen Entwicklung
gehört haben,
derzufolge es ein Interesse der Betriebe an
Migranten
gibt. Weil kaum noch ein Deutscher eine
Ausbildung zum Bäcker oder Friseur machen will
,
sollen es seinen Angaben zufolge sogar schon etwa 20
bis 30 geduldete Jugendliche
geschafft haben, eine
Ausbildung zu machen.
(Hamburger
Abendblatt, 24.3.)
Die Herren und Damen Ausländer dürfen sich aber wiederum
keinesfalls zu billig verkaufen: Die Antragsteller
müssen ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten: Ihr Lohn
muss also gemäß Gesetz in der Regel über den
Hartz-IV-Sätzen liegen
. (Spiegel, 12/2007) Zwar gibt
es solche Löhne auch schon für fast 500 000
Bundesbürger
nicht, die mit ihrer Vollzeitstelle
so wenig Geld verdienen, dass sie zusätzlich finanzielle
Unterstützung in Form von Arbeitslosengeld II
benötigen
, wie derselbe „Spiegel“ zwei Nummern weiter
berichtet, aber da sollen sich halt die bleibewilligen
Ausländer etwas einfallen lassen. Außerdem müssen sie
auch noch ausreichenden Wohnraum
(Hamburger Abendblatt, 24.3.) vorweisen
können. Wenn sie denn schon auf Dauer hierbleiben dürfen,
dann kann man von ihnen auch verlangen, dass sie das
deutsche Städtebild nicht mit den üblichen
Erscheinungsformen der Verwahrlosung verunzieren. Wie sie
es schaffen, auf dem Wohnungsmarkt Vermieter ausfindig zu
machen, die sie und ihre Sippschaft anständig hausen
lassen, und aus ihrem Lohneinkommen die dafür fälligen
Mieten zu bezahlen, ist dann freilich ihr Problem.
*
Wo Asylanten sich für die Aussicht auf ein Ende ihrer
unhaltbaren Lebenslage an schier unmöglichen Bedingungen
abarbeiten dürfen, die nicht in ihrer Hand liegen und für
deren Bewältigung sie über nichts verfügen außer über
ihrer Bereitschaft, sich allem anzupassen, da ergibt sich
absehbarerweise das Ergebnis, dass von den 180 000 nur
eine lächerliche Minderheit in den Genuss des famosen
Bleiberechts kommt. Für die meisten der 180 000
abgelehnten Asylbewerber bleiben die begehrten Papiere
für den Daueraufenthalt im Land unerreichbar, auch für
solche, die schon lang im Land leben.
(SZ, 14.3.) So ist es von der Regierung
wohl auch gewollt. Für die überwiegende Mehrheit dieser
Mannschaft ist damit das Ende der Duldung politisch
beschlossen. Der Aufenthalt in Deutschland derjenigen,
die nicht unter die beschlossenen Regelungen fallen, soll
konsequent beendet werden
. (Hamburger Abendblatt,
24.3.) Die Abschiebehindernisse muss man dann eben neu
besichtigen.
*
Die Politiker sind mit ihrem Werk und sich schwer
zufrieden. Befriedigt ist das Interesse aller gutmütig
denkenden Sozialdemokraten, Ausländern, die hier seit
langem in Duldung leben, eine Chance zu geben. Kaum ein
Arbeitgeber wird einen Ausländer einstellen, der täglich
von Ausweisung bedroht ist.
(FAZ, 14.3.) So gut meint es die soziale
Partei mit den geduldeten Ausländern. Zumal sie sich gut
in die Interessenlage der Arbeitgeber hineinfühlen kann,
die ja wohl kaum Arbeit geben können, wenn sie beständig
Angst haben müssen, dass ihre ausländischen Mitarbeiter
unvorhergesehen abgeholt und ins Flugzeug gesteckt
werden. Sturzzufrieden auch die andere Seite des
politischen Spektrums. Der gut gelaunte Stoiber
präsentiert souverän und selbstbewusst
(Die Welt, 14.3.), wie souverän und
selbstbewusst er den Ausländerhass bedient und den
deutschen Sozialsystemen Kosten für schmarotzende
Ausländer erspart. Er gibt damit an, dass er im Rahmen
des umfangreichen Gesetzespaketes zum Asyl-,
Einwanderungs- und Ausländerrecht
höchstpersönlich
eine um 30 % gekürzte Sozialhilfe, möglichst in Form
von Sachleistungen, wie in Bayern üblich
,
durchgesetzt hat (FR, 14.3.) und an der Schaffung eines
Aufenthaltsstatus minderen Rechts
maßgeblich
beteiligt war. Schäuble ist stolz darauf, dass er seinen
deutschen Volkskörper vor der Anwesenheit zusätzlicher
Fremder bewahren konnte: Durch die
Bleiberechtsregelung wird aber kein einziger Mensch mehr
nach Deutschland kommen.
(SZ,
29.3.) Der künftige bayerische Ministerpräsident
sieht das nötige Quantum an Ausländerhetze gesichert, auf
dem seiner maßgeblichen Meinung nach die absolute
Mehrheit der CSU beruht: Die absolute Mehrheit der CSU
wäre ohne entscheidende Korrektur der Regelung in Gefahr
gewesen
. (Beckstein)
Also, so Stoiber, eine rundherum gelungene
Bleiberegelung: gut für die Koalition und gut für
Deutschland
!