Heimatschutz mal anders

Amerika streitet über seine Familienwerte

Es ist, als ob extra bewiesen werden sollte, wie frei und souverän die amerikanische Staatsgewalt zu Werke geht, wenn sie drüben in Europa Krieg führen lässt und der gesamten Weltwirtschaftsordnung einen Epochenwandel verpasst: Die amerikanische Nation gönnt sich gleichzeitig die Freiheit, sich ganz entschieden um sich selbst zu drehen – und erbittert darüber zu streiten, wie frei und souverän die amerikanische Frau über ihren Körper verfügen darf. Der Anlass ist auch nicht ohne: Mit seinem Urteil im Fall „Dobbs v. Jackson Women’s Health Organization“ kippt der Oberste Gerichtshof das seit 1973 bestehende Grundrecht auf Abtreibung bzw. das bedingte Verbot von einzelstaatlichen Abtreibungsverboten. Die heftigen und schon wieder tief gespaltenen Reaktionen auf das Urteil machen deutlich, dass für beide Seiten mehr als ein Rechtsverhältnis zwischen Frau und Fötus auf dem Spiel steht, nämlich die Moralität des amerikanischen Gemeinwesens überhaupt. Entsprechend wird das Gerichtsurteil selbst rezipiert: als lang ersehnter Sieg oder herbe Niederlage für ein wahrhaft sittliches nationales Gemeinwesen. Letzteres zu realisieren ist schließlich umgekehrt – das führen freiheitsliebende Amerikaner gerade vor – eine Frage rechtsetzender Gewalt und sonst nichts.

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