Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Die Große Koalition spendiert den Grünen und der Linken ein paar Zusatzrechte
Sachdienliche Hinweise auf den „staatspolitischen“ Nutzen der parlamentarischen Opposition
Die neue Opposition im 18. Deutschen Bundestag leidet. Sie ist mit ihren 120 von gut 600 Sitzen zu klein, um einige parlamentarische Oppositionsrechte wahrnehmen zu dürfen: etwa die Einberufung eines Untersuchungsausschusses, die Beantragung einer Sondersitzung des Parlaments oder die Anrufung des Verfassungsgerichts in Sachen Überprüfung eines neuen Gesetzes. Grüne und die Linke drängen deshalb auf Änderung der Geschäftsordnung im Bundestag.
Aus der Zeitschrift
Systematischer Katalog
Länder & Abkommen
Die Große Koalition spendiert den Grünen und der Linken ein paar Zusatzrechte Sachdienliche Hinweise auf den „staatspolitischen“ Nutzen der parlamentarischen Opposition
Die neue Opposition im 18. Deutschen Bundestag leidet. Sie ist mit ihren 120 von gut 600 Sitzen zu klein, um einige parlamentarische Oppositionsrechte wahrnehmen zu dürfen: etwa die Einberufung eines Untersuchungsausschusses, die Beantragung einer Sondersitzung des Parlaments oder die Anrufung des Verfassungsgerichts in Sachen Überprüfung eines neuen Gesetzes. Grüne und die Linke drängen deshalb auf Änderung der Geschäftsordnung im Bundestag:
„Dem Linken-Frontmann Gysi schwant jedenfalls, dass die Opposition vier Jahre lang in die Statistenrolle gedrängt werden könnte. Eine wirkliche Kontrolle der Regierung sei dann kaum noch möglich, mit negativen Folgen für die parlamentarische Demokratie insgesamt“ (mdr.de, 23.10.13)
Dass der neue Oppositionsführer Gysi eine übergeordnete staatspolitische Sorge für sein parteipolitisches Anliegen ins Feld führt, in der Konkurrenz gegen die Regierenden mehr hermachen zu wollen, durchschaut jeder als professionelle Heuchelei, und das ist auch die langweilige Seite der Sache. Interessanter ist, dass die beiden kleinen Parteien mit ihren Drangsalen beim politischen Gegner Gehör finden –
„Thomas Strobl, CDU-Vize, ... Vorsitzender des Ausschusses (für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung) ... teilt die Bedenken. ‚Wenn es zu einer großen Koalition kommen sollte, muss man sich natürlich staatspolitische Gedanken machen, wie es um die Oppositionsrechte im Deutschen Bundestag bestellt ist‘, sagte Strobl dem Tagesspiegel“ (tagesspiegel.de, 19.10.13) –
und tatsächlich zugestanden bekommen, was sie verlangen: Grüne und Linke sollen
„gemeinsam einen Untersuchungsausschuss erwirken können, auch wenn sie dafür eigentlich zu wenig Sitze im Bundestag haben“,und „eine Sondersitzung des Bundestags verpflichtend beantragen können, auch wenn sie (die Opposition) laut Wahlergebnis auch dafür strenggenommen zu klein ist“ usw. (Lammert-Papier gemäß Spiegel-Online) „Linke und Grüne erhalten bis zu vier Minuten mehr Redezeit pro Debatte als ihnen laut Sitzverteilung offiziell zusteht.“ (Spiegel 4/2014)
Bemerkenswert ist dies insofern, als in den Reihen der
Regierungsparteien ja schon bekannt ist, wie und wozu
eine Opposition von ihren parlamentarischen Rechten
Gebrauch zu machen pflegt. Ob die Regierung ein Vorhaben
im Parlament vorstellt, ein Gesetz zur Abstimmung bringt
oder die Chefin höchstselbst mit einer „Erklärung“
aufwartet, um der Nation die Zweckmäßigkeit ihres Wirkens
und dessen guten Sinn für Deutschlands Zukunft zu
erläutern: Für eine Opposition ist das alles dasselbe,
nämlich die Gelegenheit, immer und immer wieder das
komplette Unvermögen derer vor Augen zu stellen,
die da an der Macht sind. Notorisch entdeckt sie
handwerkliche Fehler
bei der Ausübung der
Amtsgeschäfte, noch lieber Fehltritte
bei den
Amtsträgern, die sich zu Skandalen
aufblasen
lassen. Bei den Regierten deutet sie auf Interessen, die
schon wieder übergangen
, und auf
Gerechtigkeitslücken
, die noch weiter aufgerissen
werden – und verfolgt mit all dem den einen Zweck: Sich
gegenüber denen, die an der Macht sind, und vor dem Volk,
das sie dorthin gewählt hat, als die ewig bessere
politische Alternative zu präsentieren.
Für diese Selbstdarstellung im parlamentarischen
Dauerwahlkampf hat nun ausgerechnet das Regierungslager
der Konkurrenz die Bühne ein wenig erweitert. Der
zitierte CDU-Experte fürs parlamentarische Regelwerk
führt zur Begründung dieser Großzügigkeit
staatspolitische Gedanken
an, und auch wenn er
deren Inhalt weiter nicht verrät: Schwer zu ermitteln ist
die Produktivkraft nicht, die in der Demokratie eine gut
funktionierende Opposition für die Ausübung des
Regierungsgeschäfts darstellt. Die liegt als erstes
darin, als institutionalisiertes Auffangbecken für jede
Art von Unzufriedenheit zu fungieren, die die regierenden
Volksdiener bei der Wahrnehmung ihrer Amtspflichten im
Land hervorrufen. Denn wer immer sich worin auch immer in
seinen Belangen von den regierenden Amtsinhabern
schlecht bedient sieht, findet in der
Mannschaft, die im Startloch zur Machtübernahme scharrt,
das Angebot fix und fertig vor, aus seiner
Unzufriedenheit das Beste zu machen: Er braucht sie bei
nächster Gelegenheit nur denen zur Betreuung
überantworten, die besseres Regieren
versprechen, und sich auch weiter nicht mit der Frage zu
befassen, für welchen Dienst an welchem Interesse auch
die nur wieder an die Macht gewählt werden wollen.
Sich dahingehend beim Publikum zu empfehlen, ist das
Bestreben jeder guten Opposition, worüber sich der zweite
staatspolitische
Gesichtspunkt erschließt, der es
einer regierenden Mehrheit nahelegt, ihren Widersachern
von der Opposition auch mal ein wenig mehr Raum zur
Selbstdarstellung zu gewähren. Denn in diesem Wettstreit
von Alternativen besseren Regierens, der diese so
bunte parlamentarische Debattenkultur
bestimmt,
haben die regierenden Parteien einen uneinholbaren
Startvorteil: Ihre Kompetenz zur Ausübung des
Regierungsgeschäfts stellen sie regelmäßig
praktisch unter Beweis, nämlich durch die
Ausübung der Macht, an die sie die Mehrheit im
Volk gewählt hat. Ihr politischer Wille überzeugt damit,
dass er gilt, wozu sie aus allem, was ihnen da
so vorschwebt zur Pflege der im Land eingerichteten
Geschäftsordnung, nur ein Gesetz zu machen brauchen. So
kommt es, dass jedes Votum, mit dem die Opposition ihre
Kompetenz in schlechtes Licht zu rücken versucht, eine
einzige Steilvorlage für die Regierenden ist, mit
Demonstrationen ihrer eigenen Machtvollkommenheit
aufzuwarten. Was sich da ihnen gegenüber als politische
Alternative vorträgt, ist von vorneherein keine, sondern
bloßes Wunschdenken
, und das begründen sie
ausführlich: Weil es das Votum einer parlamentarischen
Minderheit ist, ist es gar nicht mehrheitsfähig
,
scheidet als demokratisch salonfähige Alternative also
grundsätzlich aus; weil es nicht zur Gesetzeslage passt,
die die Regierung schafft, ist es ganz und gar
unrealistisch
, entzieht sich also selbst jeder
halbwegs vernünftigen Befassung; weil es die
Haushaltsplanung des Finanzministers durcheinanderbringt,
ist es von vornherein nicht finanzierbar
, also
schon wieder nur ein einziges Dokument des Unvermögens,
die Staatsgeschäfte so zu führen, wie es sich gehört und
die Regierung es vorbildlich tut, usw.
So soll die Opposition als repräsentatives Sprachrohr
aller mit den amtierenden Machthabern Unzufriedenen ruhig
vernehmbar zu Wort kommen – um beim Vorbringen ihres
alternativen politischen Gestaltungswillens
dann
ihrer hoffnungslosen Inkompetenz in Sachen Politik und
Ohnmacht in Sachen Gestaltung überführt zu werden. An der
Minderheit im Parlament, die sich immer wieder als die
bessere Alternative zur regierenden Mehrheit aufstellt,
immer wieder den Beweis zu führen, dass es in der
Demokratie zur Mehrheit, die regiert, einfach keine
Alternative gibt: Dieser staatspolitische
Nutzen
ist der Großen Koalition die kleine Erweiterung der
parlamentarischen PR-Plattform linker und grüner
Volksvertreter wert.