Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Ein wissenschaftlicher Denkwerker über die Zukunft der Arbeit:
Die nächste Renaissance für die menschliche Arbeit – nicht ohne Mehrarbeit und Billiglohn!
Meinhard Miegel, Vorstandsvorsitzender des „Denkwerks Zukunft – Stiftung kulturelle Erneuerung“, Soziologe von Beruf, wird von der SZ um Aufklärung zur „Zukunft der Arbeit“ gebeten. Der Wissenschaftler gibt bereitwillig Auskunft:
„Zwar ist die Mehrheit sowohl im historischen als auch im internationalen Vergleich noch wohlstandsverwöhnt. Das aber wird so nicht bleiben. Schon in wenigen Jahren werden viele härter arbeiten müssen als heute und trotzdem einen materiell niedrigeren Lebensstandard haben.“ (SZ 20.9.11)
Die Nachfrage der SZ „Warum sollte der materielle Lebensstandard sinken?“ ist irgendwie verständlich. Es ist in der Tat eine interessante Frage, warum für die Leute trotz größerem Arbeitseinsatz weniger Wohlstand rausspringen sollte.
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Ein wissenschaftlicher Denkwerker über
die Zukunft der Arbeit:
Die nächste Renaissance für die
menschliche Arbeit – nicht ohne Mehrarbeit und
Billiglohn!
Meinhard Miegel, Vorstandsvorsitzender des Denkwerks
Zukunft – Stiftung kulturelle Erneuerung
, Soziologe
von Beruf, wird von der SZ um Aufklärung zur Zukunft
der Arbeit
gebeten. Der Wissenschaftler gibt
bereitwillig Auskunft:
„Zwar ist die Mehrheit sowohl im historischen als auch im internationalen Vergleich noch wohlstandsverwöhnt. Das aber wird so nicht bleiben. Schon in wenigen Jahren werden viele härter arbeiten müssen als heute und trotzdem einen materiell niedrigeren Lebensstandard haben.“ (SZ 20.9.11)
Die Nachfrage der SZ Warum sollte der materielle
Lebensstandard sinken?
ist irgendwie verständlich. Es
ist in der Tat eine interessante Frage, warum für die
Leute trotz größerem Arbeitseinsatz weniger Wohlstand
rausspringen sollte.
„M. Miegel: Weil seine Voraussetzungen nicht länger aufrecht zu erhalten sind: gigantischer Ressourcenverbrauch, hohe Umweltbelastungen, Verschleiß von Mensch und Gesellschaft und riesige Schuldenberge.“
Das ist ein interessanter Wohlstand, der seine Voraussetzung darin hat, die „Mehrheit“ samt ihrer natürlichen und gesellschaftlichen Lebensbedingungen zu verschleißen. Wer wird denn eigentlich verwöhnt durch eine so katastrophale Veranstaltung?! Zu viele Schulden soll es geben. Wer macht sie denn eigentlich und zu welchem Zweck? Und wofür sind sie eigentlich zu hoch? Die disparatesten Bedingungen, Mittel und Wirkungen hiesigen Wirtschaftens fasst der Mann locker unter der Rubrik ‚Voraussetzungen‘ für Wohlstand zusammen, weil es ihm offenbar nur darum geht, mit der Autorität des Experten irgendwie mitzuteilen, dass es mit dem so wie bisher auf keinen Fall weitergehen kann. Alles soll irgendwie beschädigt sein, so dass dem gesunden Menschen- wie dem wissenschaftlichen Sachverstand doch eines in jedem Fall klar sein muss: materielles Kürzertreten ist unvermeidlich!
Wenn aber jetzt schon alles irgendwie zuviel ist, vom
„Ressourcenverbrauch“ bis zu den „Schuldenbergen“, wenn
statt unhaltbarem Wohlstand mehr Bescheidenheit angesagt
wäre und Schonung der Ressourcen durch weniger von allem:
Warum sollte man dann in Zukunft noch „härter“ und mehr
arbeiten müssen, wie der Mann der Wissenschaft eingangs
ankündigt, statt weniger? Da fragt sich doch: Wie
wirkt sich das auf die Arbeit aus?
„M. Miegel: Etwa die Hälfte unserer derzeitigen Produktivität beruht auf dem Einsatz fossiler Energieträger wie Kohle und Öl. Wenn dieser Einsatz vermindert werden muss, sei es, weil die Rohstoffe zu teuer und/oder die Umweltschäden zu hoch werden, wird die menschliche Arbeit eine Renaissance erfahren. Denn sie wird im Vergleich zu anderen Produktionsfaktoren preisgünstig sein.“
Wenn der Mann über Kohle, Öl und menschliche Arbeit redet, denkt er das alles – wie sonst – gleich als kapitalistische „Produktionsfaktoren“, die sich über die Kosten, die sie verursachen, miteinander vergleichen und deswegen einander auch unter Kostengesichtspunkten bei Bedarf ersetzen können müssen: Wenn die fossilen Energieträger knapp und teuer werden, ist für die Rettung die unerschöpflich erneuerbare Energie zuständig, auf die auch die „Gesellschaft der Zukunft“ baut: Die möglichst billig gemachte und deshalb – aber auch nur dann – wieder sehr begehrte menschliche Arbeitskraft, die sich mit Billiglöhnen als Allheilmittel gegen Umweltschäden und Energieknappheit über ihre „Renaissance“ freuen darf.
Die Interviewer, die nichts anderes gelernt haben als ihr
Angebot- und Nachfragemodell, stellen konsequent die
angemessen blöde Frage an den Experten: Wenn die
„menschliche Arbeit“ wieder so begehrt wäre als Ersatz
für erschöpfte Ressourcen, müsste das nicht modellmäßig
enden mit dem Ergebnis dann steigender Löhne?
Da
müssen sie sich eines Besseren belehren lassen: Höhere
Löhne gehen schon mal gar nicht, denn Lohn bekommt man in
Zukunft – wenn überhaupt – nur für mehr Arbeit
als bisher: Viele werden wieder mehr Stunden arbeiten
und später in Rente gehen ...
Und auf jeden Fall
„werden die Völker der früh industrialisierten Länder
ihre Wissens- und Könnensvorsprünge, die ihnen
generationenlang ein recht angenehmes Leben (da ist
wohl wieder die eigenartige „Wohlstandsverwöhnung“ mit
dem „Verschleiß von Mensch und Gesellschaft“ gemeint)
ermöglichten, zügig einbüßen. Sie können abnehmend
Monopolpreise verlangen und müssen sich – wie andere auch
– nach der Decke strecken. Seit Beginn des 20.
Jahrhunderts hat sich die pro Kopf erbrachte Arbeitsmenge
halbiert. Dieser Trend kehrt sich jetzt um… Denn wir
stehen jetzt im Wettbewerb mit Milliarden von Menschen,
von denen viele genauso qualifiziert und motiviert sind
wie wir, die aber ihre Dienste weit billiger anbieten. Ob
wir es wahrhaben wollen oder nicht: Wir, die Völker der
früh industrialisierten Länder, erleben gerade das Ende
eines materiell goldenen Zeitalters.“
Für den Mann vom „Denkwerk Zukunft“ stellen sich Vergangenheit und Zukunft klar strukturiert dar: Mit der interessanten Erklärung, ausgerechnet die hiesigen „Völker“ hätten den anderen bisher zu hohe Preise für ihr Zeug abgenommen, subsumiert er die bisherigen Ausbeutungserfolge des Westens und die imperialistische Verteilung von Vor- und Nachteilen zwischen den Staaten rückblickend einfach unter „Monopolpreise“ auf Grundlage von „Wissens- und Könnensvorprüngen“, welche fleißige und vor allem billige Aufsteiger-Völker jetzt ausgleichen: Die künftige Verbreitung von Arbeitslosigkeit, Billigarbeit und neuem Elend in unseren Breiten ist also nichts als ein unausweichlicher – und letztlich auch gerechter – historischer „Trend“.
Das ist es auch schon, was der Vertreter der „Stiftung kulturelle Erneuerung“ mitteilen will: Wissen und Können sind dann und nur dann prima, wenn sie einem erlauben, anderen „Völkern“ Monopolpreise abzunehmen. Man soll sich aber als Volk auch nicht beschweren, wenn das im Zug langfristiger „Trends“ auch mal anderen gelingt. Dann muss man eben versuchen, selber wieder „qualifizierter“ und „motivierter“ beim Arbeiten zu werden, und länger und härter zu arbeiten, bis man wieder so „billig“ ist, dass man sich vielleicht das nächste „goldene Zeitalter“ verdient hat. Man muss es als Arbeitsvolk gegen den Rest der Welt und seine „Milliarden von Menschen“ nur immer wieder hinbekommen, denen durch eigenen Einsatz und Anspruchslosigkeit den Lohn und die Arbeit wegzunehmen, die man selber zum Leben braucht, dann klappt’s auch wieder mit dem Wohlstand. Das spricht natürlich nicht gegen den Wettbewerb. Sondern nur dafür, sich in ihm richtig anzustrengen.