Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
„Die Welle“ (2008) – ein Film von Dennis Gansel
Ein „besonders wertvolles“ Machwerk über die Verführbarkeit einer orientierungslosen Jugend
Die Lehrer dürfen ins Kino gehen, mit ihren Schulklassen. Im Angebot ein „besonders wertvoller“ Lehrfilm – eine Neuverfilmung eines ca. 40 Jahre alten Experiments über Demokratie, Diktatur, Macht und Verführung, in bunten Bildern. „Viel Stoff zum Nachdenken also, mit unübersehbaren aktuellen Bezügen.“ Im Text ein paar Hinweise zum rechten Verständnis des Films.
Aus der Zeitschrift
Teilen
Systematischer Katalog
Gliederung
- Erste Lektion: Die Jugend hat kein Ideal, keinen Sinn für wahre Werte (Wolfgang Ambros)
- Zweite Lektion: Was ist Autokratie? – ein Grundkurs über Demokratie und Diktatur
- Dritte Lektion: Ein Experiment beweist: Der Mensch und auch unsere Jugend sind verführbar
- Vierte Lektion: Unsere Jugend braucht Werteerziehung
„Die Welle“ (2008) – ein Film von
Dennis Gansel:
Ein besonders wertvolles
Machwerk
über die Verführbarkeit einer orientierungslosen
Jugend
Die Lehrer dürfen ins Kino gehen, mit ihren Schulklassen.
Im Angebot ein besonders wertvoller
Lehrfilm –
eine Neuverfilmung eines ca. 40 Jahre alten Experiments
über Demokratie, Diktatur, Macht und Verführung, in
bunten Bildern. Viel Stoff zum Nachdenken also, mit
unübersehbaren aktuellen Bezügen.
(Alle Zitate im Folgenden aus dem Film bzw. den
Materialien für den Unterricht, die der Verleih den
Schulen zur Verfügung stellt) Im Folgenden ein
paar Hinweise zum rechten Verständnis des Films.
Erste Lektion: Die Jugend hat kein Ideal, keinen Sinn
für wahre Werte
(Wolfgang
Ambros)
Der Film beginnt mit einer Art Bestandsaufnahme der
deutschen Jugend: Ein normales Gymnasium, eine normale
Klasse, hier und heute.
Die ersten
Kameraeinstellungen zeigen gelangweilte Jugendliche, die
auf einer öden Party herumhängen; eine Theaterprobe löst
sich im Chaos auf, weil jeder macht, was er will; ein
Wasserballspiel geht verloren, weil jeder für sich
spielt; wenn sich die Schüler für irgendetwas
interessieren, dann sind es ‚Markenklamotten‘ oder der
dicke Schlitten in Papis Garage; Engagement für etwas
Vernünftiges, Gemeinsames, gar für Werte wie Demokratie
oder Menschenrechte – Fehlanzeige. Ein Jugendlicher
sinniert im Alkohol vor sich hin: Was unserer
Generation fehlt, ist ein Ziel.
– Und Schuld daran
haben der moderne Kapitalismus, der den Jugendlichen
keine Werte, sondern nur noch Konsumbedürfnisse
vermittelt, und Alt-68er an den Schaltstellen der
Erziehung, die in falsch verstandener Liberalität den
Kindern keine Orientierung mehr vorgeben. Kurz: Ein
einziges Bild des Egoismus, der Disziplin
-und Orientierungslosigkeit. So ist die Jugend
von heute, lautet die Warnung und Mahnung des Films.
Zweite Lektion: Was ist Autokratie?
– ein
Grundkurs über Demokratie und Diktatur
An diesem normalen Gymnasium
findet eine
Projektwoche zum Thema „Autokratie“ statt.“ Der beliebte,
junge Lehrer Rainer Wenger mit linker
Hausbesetzer-Vergangenheit ist zwar sauer, dass ihm sein
Wunschthema Anarchie weggeschnappt worden ist, aber was
soll’s? Nun eben „Autokratie“. Er beginnt seine
Projektwoche mit einer Art Theoriestunde, Autokratie.
Was ist das?
steht an der Tafel. Und dieses Thema ist
mit Bedacht gewählt – es soll nicht bloß um einen Aufguss
von Nationalsozialismus-darf-nie-wieder-passieren
gehen, Thema sind Diktaturen überhaupt, Herrschaften, an
denen „wir“ heute viel auszusetzen haben – man denke nur
an China! – , weil sie Demokratie und Menschenrechte mit
Füßen treten. Projektleiter und – gruppe arbeiten die
Frage halt so ab, wie es landauf landab an normalen
Gymnasien
passiert: Die einen kalauern herum, einige
arbeiten konstruktiv mit, so dass ungefähr Folgendes
zusammenkommt: Autokratie ist, wenn ein Einzelner oder
eine Gruppe über die Masse herrscht ... Genau. Autokratie
leitet sich aus dem Griechischen ab und bedeutet
Selbstherrschaft. Ein Einzelner hat so viel Macht, dass
er die Gesetze ändern kann, wie er’s will.
Und was
sind die Grundvoraussetzungen für ein autokratisches
System
? – Antwort: Eine Ideologie, Kontrolle,
...
Was noch? ... eine zentrale Leitfigur, ein
Führer!
Und: Inflation, Arbeitslosigkeit, extremer
Nationalismus begünstigen eine Diktatur.
Eigentlich könnte der engagierte Pädagoge mit dem
inhaltlichen Ertrag ganz zufrieden sein. So geht
Systemvergleich in der politischen Bildung:
Lehrer und Schüler heften den sog. „Autokratien“ – und da
darf man sich alle politischen Gemeinwesen
vorstellen, wenn sie nur von den hier gültigen
Herrschaftsprinzipien und -methoden abweichen, also, so
das fertige Urteil, „undemokratisch“ sind:
Realer Sozialismus, 3.Welt-Diktaturen, das heutige China
oder eben „unser“ Drittes Reich – ein paar negativ
besetzte Etiketten wie Willkür, Führer, Kontrolle oder
Ideologie an und legen sie alle in dieselbe theoretische
Schublade: Autokratien dulden keine Grundrechte,
veranstalten keine ordentlichen Wahlen, sie
regieren totalitär, wollen totale
Kontrolle und produzieren Ideologie.
Demokraten erschrecken in ihrer Analyse so sehr vor
dieser Art Herrschaft, dass sie gleich vornehm unter den
Tisch fallen lassen, was „Autokraten“ mit ihrer
Herrschaft eigentlich anstellen wollen, wozu sie
ihre Macht gebrauchen könnten: Auto-kratische
Führer wie Stalin, Hu Jintao oder eben Hitler denken bei
ihrer Herrschaft immer nur an sich selber und
ihre Machtvollkommenheit; ihnen geht es um schiere
Macht
; Autokraten wollen nichts als ihr Volk
unterdrücken. Irgendein Grund, geschweige ein
guter Grund für ihre Herrschaft ist nicht zu
erkennen. Es geht in dieser demokratischen Lehrstunde
also um eine schlichte Botschaft: Diktaturen, Autokratien
usw. sind böse – Demo-kratien
gut. Fragen der Art, wieso auch Demokraten von
ihren Politikern immer straffe Führung
verlangen, was den Hype um die Leitfigur
Barack
Obama überhaupt vom autokratischen Führerkult
unterscheidet oder wann der stinknormale
Nationalismus eigentlich extrem
wird,
kommen gar nicht erst auf, weil der Systemvergleich schon
entschieden ist, bevor er überhaupt losgeht.
Diese Demokraten jeden Bildungsgrades selbstverständliche
parteiliche Quintessenz des Systemvergleichs präpariert
Lehrer Wenger im seinem Unterricht wieder einmal heraus.
Wenn dem Zuseher daran etwas aufstoßen soll, dann ist es
die Art und Weise, wie die Jugendlichen sich daran
beteiligen. Kaum fällt das Stichwort „Drittes Reich“ im
Unterricht, fällt den meisten die Klappe herunter: Och
nee, nicht schon wieder ... So was passiert hier doch eh
nicht mehr...Auf keinen Fall. Dafür sind wir viel zu
aufgeklärt ... Wir können uns doch nicht ewig für etwas
schuldig fühlen, was wir nicht getan haben...usw.
usf.
Die Schüler haben das Thema satt, für sie ist
das Lernziel längst erfüllt: „Klar,
Nazideutschland war scheiße. Langsam hab ich’s
auch kapiert“, mault einer. Viele winken ab;
jegliches Engagement für Werte wie Demokratie und
Menschenrechte fehlt also, soll man als Zuschauer mit
Lehrer Wenger gemeinsam feststellen. Der fragt weniger
seine Schüler als sich selbst: Ihr meint also, eine
Diktatur wäre heute bei uns nicht mehr möglich, ja?
–
und fasst für sich einen Beschluss: Er will diesen
arroganten Jugendlichen eine Lektion erteilen,
die dem Kinozuschauer eine Warnung sein soll: Diese
abgeklärten, aber an politischen Werten desinteressierten
jungen Deutschen sind von jedem dahergelaufenen Führer
verführbar und manipulierbar.
Mit dieser Beweisabsicht ist im Film die alles
entscheidende Verdrehung passiert: Wer nämlich
Verführbarkeit beweisen will, sucht gar nicht
mehr in den politischen Verhältnissen und Vorhaben eines
Gemeinwesens die Gründe der Gefolgschaft der Untertanen;
genauso wenig wie er in deren politischen Überzeugungen
die Zustimmung zu ihrer nationalen Führung ausfindig
machen will. Dass da Führer und Geführte im Nationalismus
einig werden und sich das Volk – wie in den gelobten
Demokratien auch – deshalb von seinen Oberen deren
nationale Vorhaben und seine daraus folgenden Rechte und
Pflichten vorbuchstabieren lässt, das alles ist mit der
moralischen Verurteilung, die der
Systemvergleich anstrebt, ein für alle Mal
erledigt. Damit tut sich
Verführbarkeitstheoretikern ein neues und ganz und gar
verkehrtes Rätsel auf: Wieso machen ganz normale
Menschen in solch bösen Systemen überhaupt mit?
‚Wie konnte es dazu kommen?‘, lautet die einschlägige
Frage bzgl. des deutschen Faschismus. An offensichtlich
bösen Inhalten der politischen Programme kann es
nicht liegen, dann würden die guten Völker ja nicht
mitmachen. Also muss es etwas anderes geben, so etwas wie
Mechanismen der Macht
, denen die Menschen folgen,
ob sie wollen oder nicht. Sie werden nicht nur
geführt, sondern eben verführt. Etwas
in dieser Art inszeniert der Film: ein
sozialpsychologisches Verfahren, das den
Zusehern demonstrieren will, dass – zumindest im Prinzip
– der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das Böse kroch.
Dritte Lektion: Ein Experiment beweist: Der Mensch und auch unsere Jugend sind verführbar
Lehrer Wenger funktioniert seine Schülergruppe also um,
ohne ihr das auf die Nase zu binden, und erfindet als
gewiefter Pädagoge ein Rollenspiel, das ganz ernst
genommen werden soll: eine Art Führerbewegung, die
Welle
. Er hat durchschlagenden Erfolg. Alle bis auf
wenige Ausnahmen machen widerstandslos mit. Der erste Tag
steht unter dem Motto
Macht durch Disziplin
Der Lehrer lässt sich zum Führer der Projektgruppe
wählen. Ab sofort müssen ihn die Schüler wieder laut und
deutlich mit Nachnamen anreden – Guten Morgen, Herr
Wenger! Danke, Herr Wenger!
; die in ihren Stühlen
lümmelnden Schüler müssen Haltung annehmen, sich aufrecht
hinsetzen und ordentlich durchatmen; ein, zwei
protestieren, aber die Klasse sitzt schließlich aufrecht
diszipliniert da, und was das Beste ist: Sie bestätigt
dem Lehrer, dass sie jetzt viel besser und freier atmen
können! Also, so die Botschaft: Es funktioniert, man
sieht doch: Die Macht
wirkt.
Zweiter Tag:
Macht durch Gemeinschaft
steht an der Tafel. Wenger lässt die Gruppe antreten und
im Klassenzimmer im Gleichschritt marschieren, dass der
Putz von der Decke fällt. Die Schüler haben sichtliches
Vergnügen daran, die anderen Gruppen im Haus zu stören –
was für ein Gemeinschaftsgefühl! Dann setzt der Lehrer
alle Schüler um, immer einen guten neben einen
schlechten; es geht, erfährt man, darum, das
Konkurrenzdenken zu eliminieren und den Egoismus zu
unterwandern
, so dass am Ende jeder etwas davon hat:
In der Gemeinschaft ist man stärker.
Die Schüler
finden’s klasse. Jetzt braucht man nur noch alles, was
der Bewegung ein Gesicht gibt: einen Namen, die
Welle
eben, ein Gemeinschaftslogo, und die Gruppe
beschließt, sich zu uniformieren: Alle ziehen ab sofort
ein weißes T-Shirt an. Schon ist man, man sieht es doch,
eine gemeinschaftliche „Bewegung“, so dass nun die
Welle
ihre
Macht durch Handeln
beweisen kann. Die Mitglieder praktizieren Solidarität
untereinander: Dem Außenseiter, der immer gemobbt worden
ist, wird geholfen, als er von anderen angepöbelt wird,
in der chaotischen Theatergruppe übernimmt einer das
Kommando, plötzlich klappt alles wie am Schnürchen; und
die erfolglose Wasserballtruppe Wengers spielt jetzt
zusammen und – gewinnt. Auch Lehrer Wenger, der alte
Hausbesetzer, spürt die Verführungskraft, die von seiner
Macht ausgeht, und hat ein verdammt gutes Gefühl
,
dass die Schüler so gut parieren. Jetzt gibt’s die
Welle
, jetzt braucht sie ein Ziel. Also schwärmen
die Mitglieder aus, um die Stadt aufzumischen
–
kein Mensch weiß zwar wofür, aber egal.
Hauptsache die Welle
lebt: Aufkleber mit dem Logo
der Bewegung werden geklebt, Wände und Häuser beschmiert.
Das Experiment entgleist
: Die Bewegung führt einen
Erkennungsgruß ein, Nicht-Mitglieder werden ausgegrenzt,
andere Gruppen vermöbelt, eine „Widerständlerin“ in der
Art Sophie Scholls wird angefeindet. Die Katastrophe am
Ende unterstreicht den „faschistoiden“ Charakter der
Welle
: Als der Lehrer das Experiment beendet,
schießt der unterwürfigste Mitläufer einen Mitschüler an
und bringt sich um.
Die Welle
, welche die Mechanismen
von
Gefolgschaft und Führung illustrieren soll, ist so absurd
wie konstruiert. Mit realen politischen
Bewegungen, die es gibt, weil sie ein wie auch immer
geartetes Anliegen verfolgen, hat sie nichts zu tun.
Ausweislich ist sie eine Gemeinschaft, „in der es gar
keine definierten Ziele gibt.
Ein gespielter Führer,
Lehrer Wenger, der alles mit seiner schulischen Autorität
als eine Art besonders „lebendigen Unterricht“
inszeniert, beschließt, eine grund- und zwecklose
Bewegung auszuheben; er mag irgendwelche Absichten damit
verfolgen, aber er sagt sie nicht. Jetzt gibt es
die Welle
, und die Schüler machen mit, weil es
sie gibt: Die Gemeinschaft ist abstrakt
zusammengeschweißt, und der Führer kann schiere
Macht
über die Mitglieder ausüben: Der Führer, hier
der Lehrer, führt, damit er führt, und seine
Macht besteht überhaupt nur aus deren
Symbolen, die sich in der Stadt ausbreiten
müssen, damit man überhaupt bemerkt, dass es diese
Bewegung gibt. Ihr Daseinszweck fällt damit zusammen,
dass sie als Bewegung Mitglieder eingesammelt hat.
Und warum leisten die Schüler ihrerseits in dieser
Bewegung Gehorsam? Dafür inszeniert der Film das zu
diesem Machtkonstrukt komplementäre absurde Motiv: Die
Welle
bietet den Mitgliedern Gelegenheit, ihren
abstrakten Sinn nach Gemeinschaft
zu
befriedigen: Wir wissen zwar nicht, was die Welle
will, aber Dabeisein ist spitze! Als Individuen ist ihnen
eine Art Urbedürfnis nach Führung, Disziplin und
solidarischem Handeln einbeschrieben, weil sie als
Individuen nur durch Einordnung in eine
Gemeinschaft, welcher Art auch immer, auf ihre
Kosten kommen: Sie machen in der Bewegung mit,
damit sie dort als Individuen aufgehoben sind
und nicht ‚vereinzelt‘ sind. Diese tautologische
Gruppenattraktivität inszeniert der Film in bunten
Bildern, in denen alles auf dem Kopf steht: Hier wollen
die Mitglieder nicht ein gelungenes Theaterstück
aufführen und schließen sich deshalb zusammen, sie wollen
nicht einfach gut Wasserball spielen und agieren deshalb
als Mannschaft. Die Erfolge in Theater und Spiel, die
gute Laune auf der Welle
-Party drücken nur aus,
dass die Welle
ein abstraktes
Eingliederungsbedürfnis bedient und dass diese Art von
Einordnung sich lohnt.
In dieses leere sozialpsychologische Bild von Individuum und Gemeinschaft übersetzt das Filmexperiment reale politische Gemeinwesen aller Arten. Allen Ernstes soll es das schulische „Experiment“ ja vorführen, wieso sogar Autokratien usw. funktionieren: Ob am Ende Demokratie oder Faschismus, China oder Deutschland rauskommt, entscheidet sich in der Ausgestaltung dieses prekären Verhältnisses zwischen Mensch und Sozialverband; gute Führer relativieren ihre Macht zugunsten der Ansprüche der Mitglieder auf Individualität, böse autokratische Führer sind ‚machtgeil‘ und genießen ihre verabsolutierte Macht; verantwortungsbereite Untertanen behaupten ihre Ansprüche auf Individualität, Mitläufer geben sie aus Bequemlichkeit auf und gehen in der Gemeinschaft auf. Also oben wie unten alles – ohne politischen Inhalt – bloß eine Frage des gefestigten, gegen Verführung gefeiten Charakters.
Die Figuren des Films repräsentieren nichts als ge- oder
misslungene Varianten dieses gruppenpsychologischen
Mitmachens: Die Widerständlerin Karo, die sich dem
verabsolutierten Gruppenzwang verweigert, der fanatische
Mitläufer Tim, der nur durch und für die Welle
lebt usw. usf. Die Welle
selbst symbolisiert ein
absolut leeres Gefolgschaftssystem, das von
einem verantwortungslosen Führer für einen bösen
politischen Inhalt verfügbar gemacht ist, andererseits
aber wie auf Knopfdruck zu beenden ist: Am Ende des Films
lässt der Führer die Katze aus dem Sack: Lehrer Wenger
hält eine Art nationalistische Rede, er gibt der
Welle
den Inhalt, das Ziel, dem die Mitglieder
jetzt folgen müssen, weil sie nicht mehr anders
können: Sie sind verführt von den
„Mechanismen der Macht. Auf einen Nenner gebracht: Im
Welle-Projekt blühen Unterordnung, Ungleichheit und
Unmenschlichkeit. Am Schluss bleibt ein Scherbenhaufen,
ganz wie im richtigen Faschismus.
Und im nächsten Moment wird diese Gemeinschaft mit
faschistoiden Zügen
vom Lehrer abgesagt, weil er
zu weit gegangen sei, und die Schüler schleichen
verwirrt
und peinlich berührt von dannen: ganz
wie im richtigen Faschismus
?
Vierte Lektion: Unsere Jugend braucht Werteerziehung
Mit dem kritischen Befund über unsere Jugend, die – so
sehen das eben professionelle Sachwalter gelungener
Erziehung – nie so recht gelernt hat, was ihre
Ziele
sind, etwa so kostbare Werte wie Demokratie und
Menschenrechte, liegt die Gefahr auf der Hand: Sie ist
besonders leicht und von jedem dahergelaufenen Führer zu
weiß Gott was zu verführen. Nicht dass das die
pädagogischen Filmmacher wirklich befürchteten. Aber auf
ihre Art wollen sie eine Art Erziehungsauftrag loswerden:
Wir, die mit Persönlichkeitsbildung
Beauftragten, müssen die Jugend eben bis unter den
Scheitel anfüllen, und zwar mit den richtigen
Werten, damit sie ihr ganz normales Bedürfnis nach
Disziplin, Führung, Gemeinschaft usw. in den
guten Bahnen auslebt.
Wissen müssen die Jugendlichen von heute dafür nichts, weder über den wirklichen Faschismus noch über die real existierende Demokratie mit ihren gültigen ‚Sachzwängen‘ von Wirtschaft und Politik. Sie müssen nur ein bisschen Dankbarkeit gegenüber ihrem demokratischen Staat aus dem Film mit nach Hause nehmen – dafür, dass er ihnen im alltäglichen Gehorsam ihren ganz persönlichen Charakter lässt. Ein wenig Anhänglichkeit zu stiften unter Jugendlichen gegenüber dem System, das ihnen ihre freiheitliche Individualität lässt, solange sie sich ins demokratische Gemeinwesen einfügt, das ist doch ein lohnendes Erziehungsziel.