Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
VW-Betriebsrat gegen Porsche-Betriebsrat
Arbeiterkämpfe, wie Unternehmer sie mögen:
Für Produktivität in der Fabrik und Gerechtigkeit im Aufsichtsrat
Richtig sauer wird der Betriebsratschef, wenn er den Verdacht hat, der neue Hauptanteilseigner Porsche in Gestalt des Vorstandsvorsitzenden Wiedeking wolle die angemessene Repräsentation der VW-Arbeiter durch ihn und seine Betriebsratskollegen im neuen Gesamtkonzern hintertreiben. Ein unerhörter Anschlag auf die Arbeiter liegt vor, wenn in der Mitbestimmungsvereinbarung für die neue Porsche-Holding, in die der VW Konzern als Tochter eingegliedert wird, den Belegschaftsvertretern im Aufsichtsrat nicht mehr Posten zugebilligt werden als den Vertretern der Porsche-Arbeiter. Als Anhänger einer ‚Unternehmenskultur‘, bei der die ‚Einbindung‘ des Betriebsrats dafür sorgt, „dass die Beschäftigten Veränderungen (schön gesagt!) akzeptieren und mittragen (noch schöner gesagt!)“, geniert er sich nicht, dem Porsche-Boss vorzuwerfen, „den Stolz und den Schwung der Belegschaft zu brechen“.
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Systematischer Katalog
Länder & Abkommen
VW-Betriebsrat gegen
Porsche-Betriebsrat
Arbeiterkämpfe, wie Unternehmer sie
mögen: Für Produktivität in der Fabrik und Gerechtigkeit
im Aufsichtsrat
Die Belegschaft von VW, repräsentiert durch ihren
Betriebsratsvorsitzenden, droht mit Kampf
– und
das nicht nur vor den Gerichten
.
Grund dafür hätte die Belegschaft genug, kündigt der Chef von VW doch an, dass man dafür sorgen werde, dass die Produktivität beim Autobauen jährlich um 10 % steigt. Was „Produktivitätssteigerung“ heißt, hat besagte Belegschaft erst vor 2 Jahren in der „Produktivitätsoffensive“ 2006 erfahren: unbezahlte Mehrarbeit und Massenentlassungen.
Dagegen hat der kämpferisch gestimmte
Betriebsratsvorsitzende Osterloh gar nichts einzuwenden,
im Gegenteil. In der Diktion des Co-Managers und der Pose
des Arbeiterführers sagt er die entsprechenden Leistungen
der Belegschaft
zu, so als wären sie auf seinem
eigenen Mist gewachsen:
„Nach den Worten des VW-Gesamtbetriebsratsvorsitzenden Bernd Osterloh wird es im Wolfsburger Stammwerk in den nächsten Jahren weitere Produktivitätssprünge geben, ‚wenn sich die Belegschaft mächtig ins Zeug legt‘. Dies sei angesichts des gezielten Angriffs von Toyota insbesondere auf den europäischen Markt auch notwendig, sagte der Betriebsratsvorsitzende. Für die aus der Produktivitätssteigerung resultierenden Personalüberhänge brauche man allerdings Antworten. ‚Wir gehen davon aus, dass sich das Management darüber Gedanken macht, wie man zusätzliche Beschäftigung generieren kann‘, betonte Osterloh.“ (International Business Times, 13.11.2007)
Gerne bestätigt das Aufsichtsratsmitglied aus dem
Arbeitnehmerlager die Konzernstrategie gegen den
japanischen Feind und versichert die Konzernleitung
seiner und der Belegschaft konstruktiven Mitarbeit, so
als ob es das Selbstverständlichste von der Welt wäre,
dass Arbeiter ständig um die ‚Wettbewerbsfähigkeit‘ ihres
Unternehmens kämpfen, die nur auf ihre Kosten geht. Er
bemüht noch nicht einmal die Phrase von der ‚Sicherung
der Arbeitsplätze‘, die weniger Lohn und mehr Leistung
als schmerzliches, aber leider unumgängliches Opfer
notwendig machen würde. Produktivitätssteigerung gleich
Intensivierung der Arbeit gleich Überflüssigmachen von
Arbeitskräften – das ist das von Osterloh gewusste,
unterschriebene und von der Belegschaft eingeforderte
Ziel. Die Opfer für die VW-Mannschaft, die aus dem
Renditeziel der Konzernmanager folgen – 21 % statt
heute 2 % bis 2018
(Vorstandsvorsitzender Winterkorn) –,
sind für diesen Vertreter der ‚Arbeitnehmerseite‘ so
unabweisbar und bedingungslos zu erbringen, dass er die
Mobilisierung seiner Mannschaft in der
Produktivitätsschlacht von keinerlei Gegenleistung der
Arbeitgeberseite abhängig macht. Dass die VW-Arbeiter
durch ihren geforderten, vermehrten Arbeitseinsatz eine
erkleckliche Anzahl ihrer Kollegen überflüssig machen,
und die ganze Operation den Zweck hat, einen Teil von
ihnen von der Lohnliste zu streichen, ist für den Herrn
Betriebsratsvorsitzenden eine Art Kollateralschaden, den
er der Arbeitgeberseite als Betätigungsfeld
unternehmerischer Verantwortung andient: Für die
generierten Personalüberhänge
wird sich doch wohl
eine Verwendung finden, zu welchen Konditionen und in
welchem Umfang auch immer!
Richtig sauer wird der Betriebsratschef
hingegen, wenn er den Verdacht hat, der neue
Hauptanteilseigner Porsche in Gestalt des
Vorstandsvorsitzenden Wiedeking wolle die angemessene
Repräsentation der VW-Arbeiter durch ihn und
seine Betriebsratskollegen im neuen Gesamtkonzern
hintertreiben. Ein unerhörter Anschlag auf die Arbeiter
liegt vor, wenn in der Mitbestimmungsvereinbarung für die
neue Porsche-Holding, in die der VW Konzern als Tochter
eingegliedert wird, den Belegschaftsvertretern im
Aufsichtsrat nicht mehr Posten zugebilligt werden als den
Vertretern der Porsche-Arbeiter. Als Anhänger einer
‚Unternehmenskultur‘, bei der die ‚Einbindung‘ des
Betriebsrats dafür sorgt, „dass die Beschäftigten
Veränderungen (schön gesagt!) akzeptieren und
mittragen (noch schöner gesagt!)“ (Osterloh,
Interview in der ‚Zeit‘ vom Januar 2008), geniert er sich
nicht, dem Porsche-Boss vorzuwerfen, „den Stolz und
den Schwung der Belegschaft zu brechen“.
(Osterloh laut Stuttgarter Zeitung online) Er droht mit
Motivationsverlust beim Produktivitätssteigern, denn im
Gegensatz zu der von den Arbeitern zu bewerkstelligenden
bzw. auszubadenden Kostenoffensive gegen Toyota – die ist
ja notwendig
– geht das eindeutig zu Lasten
unserer Kolleginnen und Kollegen
(Osterloh): 12 000 Beschäftigte von
Porsche sollen in wichtigen Fragen das gleiche Recht
haben wie 324 000 VW-Arbeitnehmer. ‚Dass das nicht in
Ordnung sein kann, versteht sich von selbst.‘, sagte
Osterloh der dpa.
Im Aufsichtsrat passen die Aktionärsvertreter darauf auf,
ob der Vorstand auch die richtigen Entscheidungen im
Sinne der Eigentümer trifft. Also für eine ordentliche
Dividende sorgt und durch erfolgreiche
Profitmaximierungsstrategien wie die oben genannte
„Steigerung der Produktivität“ den Spekulanten
Anhaltspunkte bietet, den Kurs der Unternehmensaktien in
die Höhe zu treiben, so dass sich die „Shareholder“ daran
noch einmal bereichern können. Ausgerechnet in diesem
erlauchten Gremium, das die private Macht der Eigentümer
und ihr Recht auf Reichtumsmehrung repräsentiert, hat ein
deutsches Mitbestimmungsgesetz auch denjenigen, die den
Dienst an diesem Eigentum leisten, Sitz und
Stimme reserviert. Diese schon grotesk zu nennende Form
der ‚Einbindung‘ hält Osterloh für so entscheidend, dass
er glatt in Zahlenverhältnissen eine Gerechtigkeitslücke
entdeckt, die sich die VW-Arbeiter nicht gefallen lassen
brauchen. Mehr Leute vom Schlage eines Osterloh im
Aufsichtsrat – das ist die Berücksichtigung
(Interview in der „Zeit“),
die die VW-Belegschaft für ihre Opferbereitschaft auch in
einer Aktiengesellschaft nach europäischem Recht
verlangen kann. Dafür verkracht sich Osterloh sogar mit
seinem Kollegen, dem Betriebsratsvorsitzenden von
Porsche, der seinerseits beleidigt wäre, wenn der
VW-Kollege sich durchsetzte: Wer sagt, dass eine
Belegschaft mit 324 000 Mitarbeitern mehr wert ist als
eine mit 12 000, der redet wie ein Kapitalist.
(Porsche-Betriebsratsvorsitzender
Hück, SZ, 29./30.9.) Der Kapitalist seinerseits
ist gar nicht so, sondern redet wie ein Arbeitervertreter
und definiert den Wert des Arbeiters nach den Werten, die
er für seine Anwender schafft: Die Beschäftigten von
Porsche haben schließlich die Grundlage dafür erarbeitet,
dass sich Porsche an Volkswagen beteiligen konnte.
(Vorstandsvorsitzender
Wiedeking) Und für diese erfolgreiche Ausbeutung
ist der Lohn für die „Beschäftigten“ in Gestalt von drei
Betriebsratsfunktionären im Aufsichtsrat allemal gerecht.
P.S.: Inzwischen ist Osterloh in seinem Kampf um
Gerechtigkeit ein gutes Stück weitergekommen.
Justizministerin Zypries hat eine Novelle des vom
Europäischen Gerichtshof in Teilen gekippten VW-Gesetzes
vorgestellt. Darin soll weiterhin enthalten sein, dass
Schließung und Errichtung von Produktionsstandorten nur
mit einer Zweidrittelmehrheit des Aufsichtsrats
entschieden werden kann, womit immer die Zustimmung der
Arbeitnehmervertreter notwendig ist. Und das ist gut,
weil diese dann dafür sorgen können, dass
Rationalisierungsmaßnahmen zur Renditeverbesserung nicht
einseitig von einer Belegschaft ausgebadet
werden müssen, sondern ganz gleich und gerecht zu Lasten
aller gehen: Schmerzen werden gleich
verteilt.
(Osterloh im
Zeit-Interview) So geht Arbeitersolidarität im
Aufsichtsrat.