„Stadtbild“

Das ist er also, der Geist der demokratischen deutschen Republik 2025, verkündet von ihrem Chef an alle und für alle seine guten Deutschen und alle anderen gleich mit: Laut „Migration“ zu sagen, ist dasselbe, wie „bloß nicht!“ zu meinen, also „Ausländer raus!“ zu fordern. Und weil Merz nicht nur so ein guter, sondern auch noch allermächtigster Deutscher ist, braucht er nicht zu fordern, sondern kann zupacken.

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„Stadtbild“ 

„Bei der Migration sind wir sehr weit. Wir haben in dieser Bundesregierung die Zahlen August 24, August 25 im Vergleich um 60 % nach unten gebracht, aber wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem, und deswegen ist der Bundesinnenminister ja auch dabei, jetzt in sehr großem Umfang Rückführungen zu ermöglichen und durchzuführen.“ (Merz bei Antrittsbesuch in Brandenburg, 14.10.25)

Das ist er also, der Geist der demokratischen deutschen Republik 2025, verkündet von ihrem Chef an alle und für alle seine guten Deutschen und alle anderen gleich mit: Laut „Migration“ zu sagen, ist dasselbe, wie „bloß nicht!“ zu meinen, also „Ausländer raus!“ zu fordern. Und weil Merz nicht nur so ein guter, sondern auch noch allermächtigster Deutscher ist, braucht er nicht zu fordern, sondern kann zupacken, und diesbezüglich hat er erstens eine gute und zweitens eine noch viel bessere Nachricht: Erstens kommt die Anti-Migranten-Praxis erfreulich gut voran – das liest er an den Zahlen ab, die er darum auf den Monat und die Prozentzahl genau unters migrantengeplagte Volk bringt. Und zweitens ist – großes Kanzlerehrenwort! – dieser schöne Erfolg erst der Auftakt zu noch viel mehr davon, weil das nämlich nötig ist. Und dass es nötig ist, sieht man leider nicht an den schon Abgeschobenen, dafür umso deutlicher am „Stadtbild“, und genau um dieses kümmert sich deshalb sein netter Herr Dobrindt.

Als ob es das gebraucht hätte, antwortet die Republik ihrem Kanzler mit dem Beweis, dass er ihren Geist genau getroffen hat: Allen Ernstes gönnt sie sich ausgerechnet darüber eine Runde Aufregung, ob die launige „Stadtbild“-Einlassung dem nationalen Haupt- und Großproblem angemessen ist, das der Kanzler mit ihr in aller amtsgemäß patriotischen Einfältigkeit und Eingängigkeit bebildert. Entsprechend fallen die Wortmeldungen des Dialogs zwischen den problembewussten Diskutanten aus:

„‚Wir müssen als Politik auch höllisch aufpassen, welche Diskussion wir anstoßen, wenn wir auf einmal wieder in ein »Wir« und »Die« unterteilen‘, sagte der SPD-Co-Parteichef Lars Klingbeil auf dem Gewerkschaftskongress der IG BCE. ‚Ich möchte in einem Land leben, bei dem nicht das Aussehen darüber entscheidet, ob man ins Stadtbild passt oder nicht.‘“ (tagesschau.de, 22.10.25)

Vizekanzler Klingbeil, der die ganze Abwehr- und Abschiebepolitik mit betreibt, für die Merz sich anpreist und die er zu eskalieren verspricht, sagt zu der – überhaupt nichts. Er bestreitet stattdessen, dass man ihre Notwendigkeit wirklich sehen kann. Und begründet das mit dem Staatsbürger, der in ihm, dem Staatsmann, haust und es gar nicht leiden kann, wenn optische Kriterien über Hierbleiben-Dürfen oder Rausgeschmissen-Werden entscheiden. Welche stattdessen, das muss er gar nicht sagen, irgendwie jedenfalls solche, bei denen er von einem hässlichen Diskriminieren in „Wir“ und „Die“ nichts mehr entdecken können will.

Angesichts der schönen amtlichen Klarstellung über die hässliche ausgrenzerische Qualität von unser aller deutschen Heimat über nichts anderes reden als den eigenen Willen, sich in der wohl und aufgehoben zu fühlen; und sich über nichts anderes beschweren als darüber, dass der Kanzler das mit seiner gut verständlichen Stadtbildrhetorik ein bisschen erschwert – das können Grüne auch, im eigenen Namen und stellvertretend:

„Ihre Aussage ist rassistisch, diskriminierend, verletzend und unanständig. Sie steht für eine Sprache der Ausgrenzung. Eine Sprache, die Menschen das Gefühl gibt, nie wirklich dazuzugehören. Eine solche Sprache führt zu Gewalt. Diese Haltung ist eines Bundeskanzlers unwürdig. Sie unterscheiden aufgrund äußerlicher Merkmale, wer zu Deutschland gehört... Wir fordern von Ihnen eine öffentliche Entschuldigung ... gegenüber all jenen Menschen, die seit vielen Jahren dieses Land als Nachbar*innen, Kolleg*innen, Freund*innen und Verwandte prägen. Sie sind in erster, zweiter, dritter Generation hier, trotzdem sprechen Sie ihnen ihr Deutschsein und ihre Zugehörigkeit zu Deutschland ab – allein aufgrund ihres Aussehens, ihrer Herkunft oder ihres Namens.“ (Offener Brief von „Schwarzen Menschen und People of Color, Politiker*innen von Bündnis 90/Die Grünen und nicht zuletzt Bürger*innen dieses Landes“, filiz-polat.de, 25.10.25)

‚Bitte nicht in diesem Ton!‘ – das fällt ihnen dazu ein, dass der auch in allen Fragen des Ausländer-Abschiebens und -Schlechtbehandelns richtlinienkompetente Kanzler sich mit seinem Volk per Naserümpfen übers migrantisch verunstaltete Stadtbild verbrüdert; dass so eine „Sprache“ nicht geht, weil die „zu Gewalt führt“. Wo Merz der Würde seines Amtes gerade dadurch gerecht wird, dass er die von ihm angeordnete Polizei- und sonstige Behördengewalt gegen Ausländer als pflichtschuldigst erbrachten Dienst am fremdenfeindlichen nationalen Konsens adelt und diesbezüglich nicht nachlassende Bemühungen verspricht, da plädieren sie auf „unwürdig“. Begründung? Sie fühlen sich beleidigt, wenn der oberste Deutsche sich ihrem Dafürhalten nach unterhalb jeder politmoralischen Gürtellinie an die von ihm fest unterstellte xenophobe Idiotie seiner Volksgenossen anwanzt – nämlich an die, das Hier- und Dasein als Deutscher als Privileg zu fühlen, welches die Anwesenheit der Fremden nicht verträgt, die man im Stadtbild sieht und riecht und überhaupt nicht leiden kann.

Da müssen die bunten Grünen dem Kanzler schon mal ganz heftig vorjammern, dass sie derlei patriotischen Unfug mindestens genauso gut beherrschen, obwohl man ihnen und denen, für die sie sprechen, das „aufgrund äußerlicher Merkmale“ womöglich gar nicht ansieht: Sie setzen „dieses Land“ und ihre Existenz in ihm – worin immer die bestehen, wie bekömmlich auch immer die sein mag – mit dem persönlichen, an den paar ortsüblich einschlägigen Rollenprofilen vom Nachbarn bis zum Verwandten bebilderten Anstand gleich, mit dem sie diese Existenz bestreiten; und sie übersetzen den persönlichen Anstand in das Recht auf das „Gefühl dazuzugehören“. Als ob der Sauerländer ausgerechnet ihnen ausgerechnet das wegnehmen wollte.

Der hat etwas Besseres zu tun. Er nimmt das gezielte Missverständnis und die damit verbundene Forderung nach einer „öffentlichen Entschuldigung“ zur Vorlage für eine Fortsetzung:

„Herr Bundeskanzler, Sie haben in der vergangenen Woche mit Ihrer Äußerung zu Problemen im Stadtbild für Irritationen gesorgt. Können Sie bitte sagen, wie Sie das gemeint haben, was Sie mit dieser Äußerung bezwecken wollten und ob Sie da irgendetwas zurückzunehmen haben? Es gibt ja einige, die jetzt fordern, dass Sie sich dafür entschuldigen. – Herr Fischer, ich frag mal zurück. Ich weiß nicht, ob Sie Kinder haben, und wenn unter diesen Kindern Töchter sind, dann fragen Sie mal Ihre Töchter, was ich damit gemeint haben könnte. Ich vermute, Sie kriegen eine ziemlich klare und deutliche Antwort. Ich habe gar nichts zurückzunehmen. Im Gegenteil, ich unterstreiche es noch einmal, wir müssen daran etwas ändern und der Bundesinnenminister ist dabei, daran etwas zu ändern, und wir werden diese Politik fortsetzen.“

‚Gefühl kann ich auch!‘ Also jetzt nicht direkt persönlich, aber – man ist ja Kanzler – von Amts wegen stellvertretend für die „Töchter“ der Nation. Die sind ja spätestens seit 2016 – „Ich sag’ nur ‚Köln‘!“ – im nationalen Dauerstrafprozess gegen Fremde die Kronzeuginnen dafür, dass das gesittete deutsche Volk Sittenstrolche mit zweifelhaftem Aufenthaltsstatus nicht verträgt bzw. dass ein zweifelhafter Aufenthaltsstatus letztlich mit dem Hang zur Unsittlichkeit gegenüber Deutschen jedes Geschlechts einhergeht, bzw. für beides. Von seinem ekelhaft augenzwinkernden Einfall, am „Stadtbild“ schon alles zu sehen, was ein Deutscher gar nicht leiden kann, also mit Verweis darauf alles gesagt zu haben, was jeder Deutsche denkt, braucht Merz wirklich nichts „zurückzunehmen. Im Gegenteil“: Das gar nicht weiter zu charakterisierende Unbehagen, die gar nicht weiter auszuführende „Vermutung“, diese ganze gezielt gefühlige Unsachlichkeit begründet, weil deren Inhalt und alternativlose Stoßrichtung „ziemlich klar und eindeutig“ sind, die totale Unwidersprechlichkeit seiner Politik, für die er sich darauf beruft – und weil er sich für die darauf beruft.

Über diese verlogen vereinnahmende Tour – wenigstens das – regen sich ein paar Zehntausend Töchter auf:

Herr Merz, wenn Sie sich wirklich um die Sicherheit von uns Töchtern sorgen:

Wir haben ein strukturelles Problem mit Gewalt gegen Frauen – fast immer im eigenen Zuhause. Die Täter sind nicht irgendwelche Menschen im ‚Stadtbild‘, sondern Ehemänner, Väter oder (Ex)Partner.“ (Online-Petition, innn.it/toechter)

Die Erfahrungen, die Frauen mit dem immer wieder gewalttätigen Anstand in der deutschen Heimat nicht erst seit dem kurzen Fehltritt Merkel’scher Willkommenskultur machen, sollen dafür herhalten, der fremdenfeindlichen Politik des ostentativ reaktionären Sauerland-Vatis die Weihen stellvertretender Notwehr gegen Frauenschänder zu verpassen – in der Hinsicht sehen die von ihm so vereinnahmten Töchter klar, das können sie nicht leiden, und entsprechend entschieden fällt ihre Absage an ihn aus: „Wir lassen uns von Ihrem Rassismus nicht einspannen“ und „Such dir deine eigenen rassistischen Gründe, aber lass die Töchter dieses Landes aus dem Spiel“. Eine Absage erteilen sie damit der unsympathischen Gesinnung, aber nicht dem, was der Kanzler ansagt: Wenn sie darauf bestehen, dass er sich auf sie gefälligst nicht berufen soll, dann bleibt die wirkliche Politik unkritisiert, deren Vollzug er von der Glaubwürdigkeit seiner rechtfertigenden Einlassungen ja schließlich nicht abhängig macht und deren Inhalt schon gleich nicht von seinen feministischen und sonstigen Begründungen bestimmt wird. Und nicht nur das:

„Sind Sie unser aller Bundeskanzler? Ihre Worte haben Gewicht – und Ihre jüngsten Aussagen werden der Verantwortung dieses Amtes nicht gerecht. Im Gegenteil: Sie schaden unserer Demokratie und spalten ‚das Volk‘. Wir sind das Stadtbild. Wir sind die Töchter.(Ebd.)

Ausgerechnet diejenigen, denen an dieser einen Stelle an sich selbst einmal unangenehm aufstößt, wie sich die praktizierte Politik der Herrschaft zum herrschenden nationalen Konsens, vulgo: dem gesunden Menschenverstand des Volkes verhält, den sie für sich zitiert, halten „das Volk“ als die Instanz hoch, auf die Merz sich ihrer Meinung nach nicht berufen darf, weil er es in Wirklichkeit spaltet.

Das lässt sich Merz nicht zweimal sagen und ergreift die Gelegenheit, nun ein bisschen methodischer, nämlich entschieden herrisch zu werden: Er führt den Kritikerinnen, die sich von ihm nicht als „Töchter“ für seine Ausländer-raus-Politik angrapschen lassen wollen, genau das Verhältnis von herrschaftlicher Politik und volkstümlich nationalem Konsens vor, das sie offensichtlich falsch verstehen: Als Inhaber des höchsten Machtamtes im Lande, der die Politik bestimmt und macht, für die er sich auf sein Volk und den Konsens mit ihm beruft, bestimmt er logischer- und gerechterweise auch, worin der besteht. Per definitionem blamiert sich daher jeder, der und auch – das muss man dann schon mal sagen, liebe Töchter – jede, die es anders sieht, als Abweichler bzw. -in von dem antimigrantischen Volkswillen, den Merz nach Recht und Gesetz repräsentiert und mit bestem Gewissen exekutiert. Sodass sich dem Kanzler nur noch eine „Frage“, die aber umso heftiger aufdrängt, nämlich danach, ob da jemand „ein Interesse daran hat, ein Problem zu lösen, oder ob er eher ein Interesse daran hat, möglicherweise den Keil in unsere Gesellschaft zu treiben“ – und es ist das Schöne an dieser total redlichen Frage des Kanzlers, dass sie ihre eigene Antwort ist.

Womit bewiesen ist, was eigentlich gar nicht erst zu beweisen, sondern sowieso klar war: Moralisch liegt er mit seiner Politik genau auf der Linie des nationalen Konsens, den er mit seiner „Stadtbild“-Aussage abrufen kann – und darf, weil er ihm in Ausübung seines Amtes den aktuellen praktischen Inhalt verleiht.

Aber auch die deutsche Nation lebt nicht von ihrer xenophoben Moral allein, und in der Hinsicht melden sich Bedenkenträger, die sich sicher sind, dass ihre Einwände mehr Gewicht haben als das Gemurmel von fremdenfreundlichen Humanisten, bei ihrer deutschen Ehre gepackten Integrierten oder pikierten Töchtern:

„Die Aussage ist nicht nur rassistisch, die Freunde eines ‚bereinigten‘ Stadtbildes verstehen nicht, dass Migrantinnen und Migranten längst die deutsche Wirtschaft am Laufen halten... Der Kanzler muss also wählen: zwischen einem ‚reindeutschen‘ Stadtbild und seinem erklärten Ziel, Deutschland ‚wieder auf Wachstumskurs zu bringen‘. Denn seine Aussagen diskriminieren alle Menschen mit Migrationsgeschichte... Laut IW tragen Migrantinnen zum Beispiel in Frankfurt am Main dazu bei, die Wettbewerbsfähigkeit der Finanz- und Dienstleistungsbranche zu sichern. Migrantinnen und Migranten sind im Schnitt jünger als die einheimische Bevölkerung. Dadurch stabilisieren sie das Verhältnis von Erwerbstätigen zu Rentnerinnen.“ (Stephan Kaufmann, surplusmagazin.de, 21.10.25)

Merz erklärt die Anwesenheit fremdstämmiger Menschen zur Zumutung für den Patriotismus des deutschen Volkes, von der es schon allein beim Anblick seiner Innenstädte überwältigt wird, und das wuchtigste Geschütz, das gegen diese patriotische Dummheit aufgefahren wird, ist der materielle Egoismus der deutschen Nation, die Ausländer für ihren nationalen Reichtum braucht. Den sollen die lieben Volksgenossen als ihren Wohlstand begreifen, um dessentwillen sie sich also – genauso wie ihr Kanzler! – gefälligst mit der Notwendigkeit des Hierseins von Fremden abfinden und bloß nicht weiter danach fragen sollen, wie viel Wohlstand tatsächlich bei ihnen aufläuft, wenn „die deutsche Wirtschaft am Laufen“ gehalten wird.

Bringt das vielleicht den Mann, der schließlich nicht nur der Ausländer-raus-, sondern auch der Wirtschaftskanzler aller Deutschen sein will und ist, in die Defensive? Keineswegs – im Gegenteil: Er entdeckt in solchen Anwürfen schon wieder nichts als eine wunderbare Vorlage für weitergehende Klarstellungen zu seinem Stadtbild-Spruch, die eigentlich überflüssig sind und doch niemals öde werden:

„Ja, wir brauchen auch in Zukunft Einwanderung. Das gilt ebenso für Deutschland wie für alle Länder der Europäischen Union. Wir brauchen sie auch und vor allem für unsere Arbeitsmärkte. Denn schon heute sind viele Menschen mit Migrationshintergrund, wie wir es ausdrücken, unverzichtbarer Bestandteil unseres Arbeitsmarktes. Sie arbeiten in Deutschland; sie leben in Deutschland. Sie arbeiten in Pflegeheimen und in Universitäten. Wir können auf sie gar nicht mehr verzichten, ganz gleich, woher sie kommen, welcher Hautfarbe sie sind und ob sie erst in erster oder schon in zweiter, dritter oder vierter Generation in Deutschland leben und arbeiten. Die meisten von ihnen sind auch schon Staatsbürger unserer Länder. Das gilt auch für Deutschland.“ (Merz’ Presse-Statement nach der Westbalkan-Konferenz in London, 22.10.25)

Über fremdstämmige Nützlinge wollte der Sauerländer schlicht nicht geredet haben, und hat es ja auch nicht, als er seinen Kampf gegen fremde Schädlinge bzw. schädliche Fremde als Dienst an unzufriedenen biodeutschen Stadtbild-Betrachtern angepriesen hat. Die Nützlinge dürfen kommen, ja sie müssen kommen, und dass sie da sind, rechnet Merz sich und seinem patriotischen Arbeitsmarkt-Durchblick genauso hoch an wie seine Abwehr- und Abschiebepolitik gegen die anderen; den Guten unter den Fremden – dass sie gut sind, merkt man nicht zuletzt daran, dass sie „auch schon Staatsbürger“ sind – nimmt er es nicht mehr übel, dass sie hierher migriert sind, auch wenn er ihnen ihren „Migrationshintergrund“ bis in die Kindeskindeskindergeneration hinterherrechnet. So viel dazu.

Was wie von selbst auf den Ausgangspunkt zurückführt, der nun umso klarer vor Augen steht:

„Probleme machen uns diejenigen ... die keinen dauerhaften Aufenthaltsstatus haben, nicht arbeiten und sich auch nicht an unsere Regeln halten. Viele von ihnen bestimmen auch das öffentliche Bild in unseren Städten. Deshalb haben mittlerweile so viele Menschen in Deutschland ... einfach Angst, sich im öffentlichen Raum zu bewegen. Das betrifft Bahnhöfe, U-Bahnen, bestimmte Parkanlagen, und es bestimmt ganze Stadtteile, die auch unserer Polizei große Probleme bereiten. Die Ursachen dieser Probleme müssen wir lösen... Deswegen werden wir auch morgen in Brüssel noch einmal über die gemeinsame europäische Einwanderungs‑ und Asylpolitik sprechen.“ (Ebd.)

Über das Hiersein von Fremden entscheidet das „Wir“, dem Merz politisch vorsteht. Dafür haben das „Wir“ und er so zwingende wie übersichtliche Kriterien – und zwar vor allem nur eines: den Nutzen, den diese Fremden für Deutschland entweder erbringen oder eben nicht. Und wenn mit der Gewalt der dazu Befugten über das Bleiberecht gemäß Nutzen bzw. Nutzlosigkeit entschieden ist, so ist damit zugleich alles über die menschlichen Objekte dieser Entscheidungen gesagt, nämlich über deren moralische Qualität, die – da kommen das „Wir“ und sein Kanzler ja her – man ihnen dann auch ganz äußerlich ansieht, wenn man ihrem Unwillen, „sich an unsere Regeln zu halten“, in den dreckigen Bahnhofsvierteln und stinkenden U-Bahnschächten begegnet, die ohne sie so idyllische Orte wären. So gehören die objektive Vernunft hoheitlicher Einwanderungspolitik und die ins subjektive Gefühl gelegte patriotische Moral zusammen, und genau in dieser Einheit vertritt sie Merz: Wer nützlich ist, also wer hier sein und bleiben darf, bestimmen wir, und alle anderen trifft ganz zu Recht nicht nur jede Härte unserer Ausgrenzungs- und Abschiebepolitik, sondern jedes moralische Unwerturteil dahingehend, dass sie genau diese Behandlung und nichts anderes verdienen. Das, nämlich diese Fremden hat er gemeint, und keine anderen: diejenigen, die so schäbig behandelt werden, wie sie behandelt werden, weil sie ein für allemal nicht hierhergehören. Ins heimatliche „Stadtbild“ eben.