Spendenaffaire
Ein Skandal von demokratischem Format
Ein CDU/CSU-Parteispendenskandal „erschüttert“ die Republik und ihre demokratische Geschäftsordnung. Öffentlichkeit und Bürger klagen genau die Einhaltung der Grundsätze und Regeln ein, auf die sich die politischen Willensbildner in einem Parteienfinanzierungsgesetz verständigt haben: Die Politiker sollen die Spendengelder offen legen, die sie zum Betören der Wählerstimmen benötigen; die Transparenz der Parteikassen soll die Sauberkeit der Politik verbürgen. Also ist „rückhaltlose Aufklärung“ der Verfehlungen gefordert, um das „zerstörte Vertrauen“ in die politischen Entscheidungen und die beschädigte Glaubwürdigkeit der einzig dem Gemeinwohl verpflichteten Parteipolitiker wieder herzustellen.
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Spendenaffaire
Ein Skandal von demokratischem Format
1. Die Geschäftsordnung der Republik
sieht vor, dass die Parteien an der politischen Willensbildung mitwirken. So bleibt ihnen gar nichts anderes übrig, als sich am Willen des Volkes gestalterisch zu betätigen. Ihren Auftrag suchen die Parteien mit ihrem Interesse zu verbinden, möglichst viele Wählerstimmen zu gewinnen – und diese Verbindung von Pflicht und Neigung gelingt ihnen auffallend gut. Indem sie für sich als die Mannschaft werben, die das Regieren besser als andere erledigt, tragen die Parteien bei aller Konkurrenz um die Macht im Staate doch sehr einmütig die gleiche Botschaft in die Lande: Mit dem Versprechen, die Staatsgeschäfte ganz ordentlich und gewissenhaft zu verwalten, präsentieren sie den Gebrauch der Staatsgewalt als einen einzigen Dienst; die Ausübung politischer Herrschaft preisen sie als Dienstleistung, nach der unter gewöhnlichen Leuten ein natürliches Bedürfnis besteht, weswegen diese auch ein Recht darauf haben, geschickt regiert zu werden. Wenn und solange die Leute wählen gehen und Politiker aus dem Angebot der Parteien dazu ermächtigen, ihnen den Gefallen zu tun und das Land zu „gestalten“, haben die auf die Staatsmacht erpichten Wahlvereine den Willen des Volkes erfolgreich gebildet. Die Massen sind politisierte und politisierende Bürger und erinnern sich mit gewitzten Reden über das „kleinere Übel“ nur noch matt daran, dass es keine Freude, eher eine Last ist, politischer Macht untertan zu sein.
Da Demokratie ohne Marktwirtschaft nicht zu haben ist, weil für die eigens gemacht, ist auch für den Erziehungsauftrag der Parteien Geld vonnöten. Also haben sich die Parteien in ihrer Eigenschaft als Gesetzgeber der Frage angenommen: „Woher nehmen und nicht stehlen?“ Werbung und eindrucksvolle Selbstdarstellung auf Parteitagen und in Kampagnen sind teuer, insbesondere wenn Werbeagenturen mit dem „Rüberbringen“ der eigenen Glaubwürdigkeit beauftragt werden, damit noch das letzte Fünkchen von Argumentation ausgemerzt ist. Dessen eingedenk regeln Gesetze, dass und wie die Finanzierung von Parteien geht.
Dem Gesetzgeber schien auf diesem Feld einerseits eine gewisse Großzügigkeit angebracht; andererseits ist es ihm nicht überflüssig vorgekommen, die Parteien auf Rechenschaft bezüglich der Herkunft ihrer Mittel festzulegen. Dieses Moment von Kontrolle beruht auf dem Verdacht, der Wille der Willensbildner könnte sich durch Geld von seinem Dienst am Gemeinwohl abbringen lassen. Die Unabhängigkeit staatlicher Entscheidungen von partikularen Interessen soll schon garantiert sein; wenn die Dienstleistungen der Politik zu speziell ausfallen und Politiker sich kraft ihres Amtes doch einmal was gönnen, ist die Volksherrschaft beschädigt und es herrscht Korruption. Manchmal zeugen die Geldgeber, wenn sie als finstere Gesellen oder als fremden Mächten (zuge)hörig bekannt sind, unmittelbar davon, dass die Empfänger von Zuwendungen den Verfassungsauftrag an die Parteien partout nicht erfüllen.
Dergleichen Sünden wider die Verantwortung der Politiker für das Gedeihen der Nation soll das Gesetz entdecken, korrigieren und vermeiden helfen: Die Offenlegung der Geldquellen, die Transparenz der Parteikassen soll die Sauberkeit der Politik verbürgen.
2. Ein Verstoß gegen die Geschäftsordnung
Reichlich spät wurde die CDU dabei erwischt, über die Herkunft und Verwendung ansehnlicher Mittel keine Rechenschaft gegeben zu haben. Aufgedeckt wurde zunächst die Übergabe eines Geldkoffers, an der ein damaliger Schatzmeister der CDU, deren Steuerberater und ein Waffenhändler mitwirkten. Das war ein verheißungsvoller Auftakt hin zu dem spannungsgeladenen Thema mit Variationen, das sich der Frage widmet: Haben die das im Auftrag der Parteiführung gemacht? Was sich auch kindisch auftischen lässt: Haben Kohl und seine führenden Mitarbeiter davon gewusst?
Das sensationelle Ergebnis gewissenhafter Recherchen sowie ein geständiger Ex-Vorsitzender und Ex-Kanzler sorgten für eine erste Klarstellung: Ja, die CDU hat das Parteiengesetz verletzt, weil es ihr offenbar als eine Beschränkung vorgekommen ist. Seine Einhaltung hat sich mit dem Eifer und den Bedürfnissen einer CDU-gemäßen Willensbildung nicht vertragen.
Während Kohl in seinem Geständnis die Einrichtung von Vor-, Neben-, Ander- und „Schwarzgeld“-Konten für „vertretbar“ hielt, und sein Bedauern für den Fall anmeldete, damit das Gesetz missachtet zu haben, stand für andere sogleich das Gegenteil fest. Die für die überparteiliche Meinungsbildung zuständige vierte Gewalt konstatierte umgehend einen Gesetzesbruch und sagt seitdem stündlich die Schwere des Vergehens auf: Rückblickend sind Jahrzehnte deutscher Politik nicht in Ordnung, weil nicht auf saubere Weise zustandegekommen.
Damit noch der letzte Blödel im Lande versteht, wie ernst moderne Journalisten ihr vernichtendes Urteil meinen, stellen sie aufgeregt die Frage: „Wer spendiert denn schon heimlich einem Wahlverein so viel Kaufkraft, ohne dafür einen Dienst zu kriegen von denen, die er fördert?“ Einen Dienst, der von den Beschenkten als Inhaber der Staatsmacht zu haben ist. Und merken gar nicht, welches Armutszeugnis sie ihrem Urteilsvermögen ausstellen, wenn sie den Verdacht der Käuflichkeit kultivieren. Jahrelang ist ihnen an den politischen Entscheidungen der zum Führen berufenen Elite, die Geld in Wahlstimmen ummünzt, nichts verdächtig, geschweige denn verkehrt und schädlich vorgekommen – aber wegen ein paar verheimlichter Spenden befinden sie das Treiben ihrer Herrschaften für rundum schändlich! Zur Bekräftigung ihres Entschlusses, auf keinen Fall die Politik zu kritisieren, loben sie die Verdienste und historischen Leistungen des Altkanzlers und seines Haufens, um zum härtesten Vorwurf überzugehen, zu dem sie im Stande sind: Die hohen Herren haben sich nicht an das Prozedere gehalten, das ein von ihnen selbst erlassenes Gesetz ihnen befiehlt!
Auf diesem Vorwurf reiten sie allerdings gnadenlos herum; denn dazu wissen sie sich als echt demokratische Moderatoren des Dialogs zwischen Volk und Führung berechtigt. Es sind dieselben Fanatiker des Rechtstaats, die ansonsten jede Kritik am Staat und seinen Werken mit dem Argument zurückweisen, die jeweiligen Maßnahmen seien schließlich auf demokratischem Weg beschlossen worden – „frei gewählt“, „Mehrheit“, „rechtsförmlich einwandfrei“ etc. lauten die Belehrungen, mit denen alle Einwände gegen die Großtaten von Regierung und Parlament für nichtig erklärt werden. Das Mittel – die demokratische Geschäftsordnung – heiligt für demokratische Öffentlichkeitsarbeiter jeden Zweck. Jetzt klagen sie es ein.
3. Der Skandal
Die Enthüllungen über das christliche Kassenwesen handeln davon, wie erfolgreich mit Geld Politik gemacht wird – und wie umgekehrt mit Politik Geld zu machen ist. Insofern könnten sie immerhin Anlass zu gewissen Bedenken in Sachen „beste aller Staatsformen“ geben, die offenbar etwas anders funktioniert als die sozialkundlichen Belehrungen über sie. Sogar das könnte ein unvoreingenommener Konsument der „unglaublichen, alle Vorstellungen übertreffenden“ Meldungen bemerken: Dass er es in der Parteispendenaffäre nur mit einem Ableger des fest institutionalisierten Zusammenwirkens von Geschäft und politischer Gewalt zu tun hat. Dergleichen aber war und ist im Drehbuch dieses Skandals nicht vorgesehen.
Der Leitfaden für die Inszenierung heißt nun einmal: Wir decken hier nicht etwa auf, wie der Laden so läuft und mit welchen Zeitgenossen man so in den oberen Etagen der Demokratie zu tun hat. Wir Enthüllungsjournalisten ermitteln lediglich unerträgliche Ausnahmen, eben Verstöße gegen die Regel, die sich ziemlich massenhaft und bislang unbemerkt in den ansonsten intakten, von uns hoch geschätzten Betrieb eingeschlichen haben. Mit diesem bescheidenen Programm in Sachen Kritik haben wir allerdings nichts Geringeres vor, als den Ruf der kompletten Führungsgarde zu demontieren. Ein bisschen Hauch von „Schaut euch diese Typen an!“ liegt in der Luft.
Nach den drei ersten Portionen, die der investigative Journalismus geliefert hatte, schimpften die Stammtische und hätten das von Kohl nicht gedacht. Von Gemeinsinn umnachtete Leserbriefschreiber entziehen der Partei das C, weil Christen notorisch nichts Unredliches tun. Die Statisten der Nation, die mit jeder Täuschung über die „Statur“ und den „Charakter“ ihrer politischen Favoriten zufrieden sind, lassen angesichts der verschobenen und gewaschenen Summen ihre Enttäuschung heraushängen. Das Volksgemurmel ist unterwegs und wird von kompetenten Leuten sonntags 12.00 und 21.45, aber auch wochentags zu jeder Stunde zusammengefasst: Die Geldschieber der CDU haben ihre Glaubwürdigkeit, womöglich die der Partei verspielt – und das Vertrauen zerstört, ohne das ein gedeihliches Miteinander von Führung und Volk nicht zu haben ist. Keiner von den klugen Frauen und Männern bemüht sich um die Klärung der Frage, womit Politiker eigentlich Vertrauen verdienen, wenn sie gerade einmal nicht beim Geldwaschen erwischt werden. Und Anstalten, den modernen Zeitgenossen das idiotische staatsbürgerliche Vertrauen auszutreiben, macht schon gleich niemand. Offenbar hat die Zunft der Öffentlichkeitsarbeiter ein Mandat, das erstens in der Erzeugung und Definition von Unzufriedenheit besteht – dafür scheut der Investigationsjournalismus keine Spesen –; mit dem er zweitens ein gerechtes Opfer, wirklich Leidtragende des Skandals zu ermitteln weiß – die CDU mit ihren finsteren Geschäften. Des Mandats dritter Teil besteht in der Behebung des eingetretenen Schadens – die fordern Journalisten von der Personalunion der Täter und Opfer, also von der CDU, der sie nämlich wohlverdientes Vertrauen durchaus gönnen. Denn wegen einiger krimineller Energie in Geldangelegenheiten wollen Demokraten keine „große Volkspartei“ zum Teufel jagen.
So kompliziert und doch wieder so einfach geht die Wahrnehmung des Sorgerechts für die Ausübung der politischen Herrschaft in Deutschland sowie ihr unanfechtbares Funktionieren.
Allerdings weist die verlangte und erwünschte Behebung des Skandals noch einige Tücken auf.
4. Die Eskalation
Weil sich das liebe Volk wieder einmal genauso benimmt und seine Macht in der Verteilung seines Vertrauens auskostet, darin also den Vorgaben der Skandalstifter entspricht, ist die Macht der Presse im Umgang mit der CDU enorm. Unter Verweis auf die Stimmenverluste, die Umfragen signalisieren, unter Berufung auf das Volk, das sich täglich seine Meinung bildet, konfrontieren die Medienleute die Spitzen der Christenpartei mit verschiedenen Fakten. Diese verbinden sie mit dem Antrag auf Beichte. Für ungültig erklären sie die forschen Versuche der ersten Tage, als sich Kohl und Bohl, Kassenwarte und andere Empfänger von Zuwendungen mit ihren guten Absichten rechtfertigten: Keine persönliche Bereicherung, nichts mit gekauften politischen Entscheidungen, lauter unbezweifelbare Notwendigkeiten – ein bisschen Krieg am Golf, die dafür unerlässlichen Waffengeschäfte, die Missionierung der Zonis fürs politische Christentum, die Verwandlung von VEBs in Kapitalanlagen etc.
Mit solchen Ausreden ist bei der künstlich aufgeregten Bande von Legitimitätshütern einfach kein Stich zu machen, weil sie sich auf die Frage nach den zulässigen Methoden verlegt haben. Sie nerven die Elite, der sie in allen politischen Belangen treu verbunden bleiben und als Repräsentanten von Einigkeit und Recht und Freiheit jahrelang in den Arsch gekrochen sind, mit der Pose unbestechlicher Buchprüfer, als gelte es Rache zu nehmen für die lange Periode ausgiebig zelebrierten Personenkults.
Das macht den erfolgsgewohnten Herrschaften sichtlich zu schaffen, weil es sie in eine Güterabwägung treibt, die Angeklagten das Leben so schwer macht. Denn jedes Geständnis disqualifiziert sie als Inhaber jener Glaubwürdigkeit, mit der sie durchs Land rennen und sich akklamieren lassen. Verweigern sie indes die Beichte und es kommt heraus, dass sie sehr wohl „etwas gewusst“ haben, womöglich sogar tätig an der illegalen Bewirtschaftung ihres Vereins mitgewirkt haben, können sie sich ihre Karrierewünsche an den Hut stecken. Wer die Journalisten, das Parlament, das Volk belügt – der verspielt das Vertrauen, verliert eben das Betriebskapital des Menschenschlags, der sich zum Führen und Gestalten berufen weiß. So kann’s gehen: Was tausend Lügen über Krieg als Frieden, Steuern, die Arbeitsplätze schaffen, über globalisierende Wohltaten des imperialistischen Geschäfts nicht vermögen, das schafft das Ableugnen eines Umschlags mit Geld drin. Politiker geraten in die Rolle des Opfers.
In der fühlen sie sich aber überhaupt nicht wohl. Sich vorführen zu lassen, ist mit ihrer Berufsauffassung einfach nicht vereinbar. Mit sicherem Instinkt klassifizieren sie das aufregende Treiben als unerträgliche Behinderung ihrer Tatkraft; solange das öffentliche Leben damit ausgefüllt ist, dass sie sich den lästigen Fragen stellen müssen – „Haben Sie davon gewusst?“ „Wo ist das Geld? Wo kommt es her, wo ging es hin?“ –, werden sie schließlich davon abgehalten, was ihres Amtes ist. Sie kommen einfach nicht mehr dazu, Regie zu führen, Willensbildung zu betreiben und den Menschen im Lande zu sagen, wo’s lang geht.
Zur Wiedergewinnung dieser ihnen zustehenden Souveränität haben Merkel & Co beschlossen, aus der Rolle der Verdächtigten, Befragten und Überprüften herauszutreten und die Aufarbeitung der gelungenen, aber inkriminierten Finanzierung der CDU selbst in die Hand zu nehmen.
5. Aufklären und Abrechnen
So weit freilich ist das Enthüllungswesen schon fortgeschritten: Leugnen, verharmlosen, relativieren lässt sich am satzungswidrigen Umgang der CDU mit Geld nichts mehr. Wenn Angela Merkel zu der Einsicht gelangt, dass „Glaubwürdigkeit die Voraussetzung für das Vertrauen der Menschen“ ist, schaut sie zwar schon erkennbar „nach vorne“; aber die Restauration des Patienten ist ohne das Eingeständnis nicht zu haben, dass er sich selber erheblich an seiner Gesundheit versündigt hat.
Also wird erst einmal „rückhaltlose Aufklärung“ gelobt, damit die Partei „glaubwürdig aus diesem Fehlverhalten herauskommt“, was ihr – die Fortschritte der deutschen Sprache im Laufe der Affäre sind enorm – gelingt, wenn ihre Repräsentanten „Fehler glaubwürdig eingestehen“. Das ist gar nicht so einfach, weil es zu immer neuen peinlichen Enthüllungen und ebenso vielen neuen Geheimnissen kommt. Insofern ist das Aufklären „schmerzlich“. Was da wehtut, wird von Angela, Schäuble und dem ganzen Verein ausführlich zur Schau gestellt:
- Die Aufklärung reduziert sich ja nicht auf die Nennung von gewaltigen Geldsummen, die von der blühenden Kunst des Umgangs mit schwarzem Geld zeugen; sie zeichnet zugleich ein Bild der innerparteilichen Sitten der großen Volkspartei, die offenbar so funktioniert, wie es die Sektenbeauftragten der Kirchen der Scientoloy bescheinigen. Das Geld diente nicht nur der Willensbildung des Volkes, sondern auch der in der Partei. Die Banalität einer ausgemachten Günstlingswirtschaft, für die es immer schon demokratische Sprachregelungen gibt, schlägt noch das blödeste Auge. So langsam befällt einen jedenfalls eine gewisse Ahnung davon, was gemeint ist mit dem „System Kohl“, mit „patriarchalischen Strukturen“, mit den „Ziehvätern, -söhnen und -töchtern“, mit „Kronprinzen“ und „Übervätern“, mit der von Kanther „straff organisierten Hessen-CDU“ etc. Und wer sich rückblickend als Opfer einer „autokratischen Symbolfigur“ entschuldigt, bezichtigt sich alle Mal auch ein wenig der Mitwirkung in einer Hierarchie mit sattem Personenkult, in der der Fahrstuhl nach oben besetzt war für jeden katholischen Abweichler…
- Die einschlägigen Eingeständnisse der Parteikarrieristen bezüglich ihres Mitmachertums in Sachen Geld und Kohl fallen, demokratisch gesehen, allerdings wieder einmal ganz anders ins Gewicht: Das Dabeisein und Mitmachen hat sich durch den Skandal von einem Mittel des Fortkommens in und mit der Partei in einen Malus verwandelt, den es loszuwerden gilt. Und für erklärte Günstlinge von Kohl, dessen historisches Gegrumpfe alle so gern als Bonus in ihre politische Zukunft mitgenommen hätten, ist nun plötzlich Distanzierung vom Alten angesagt.
- Und mit dem Abstand vom trotzigen Einheitskanzler ist die Sache ja nicht erledigt. Belastete Freunde, Männerfreunde zumal, aus den besseren Tagen des Vereins sind auch eine Belastung der Partei, mit der ihre gelernten Repräsentanten in eine neue Runde der völkischen Vertrauenswerbung starten wollen. Umgekehrt: Die öffentlich ausgesprochene Untauglichkeit von belasteten Führungsgenossen der Partei ist das Vehikel neuer Kräfte, sich auf die Plätze vorzuarbeiten, die ihnen unter dem System Kohl verwehrt waren.
- Kurz: Die „Erneuerung der Partei“ findet unter bewährten Intriganten des demokratischen Zirkus statt, wie es sich gehört – als schlichte Konkurrenz um Macht und Posten in der „großen Volkspartei“, ohne die nach Bekunden kompetenter Demokratiekenner das Leben für uns alle zur Hölle würde.
- Welche entmutigende Befürchtung heuchlerisch breit in die Welt gekommen ist, weil die abzusehende Reduktion der Finanzen – wg. Thierse und dem Parteiengesetz – den neu zu bestellenden „Integrationsfiguren“ das Willensbilden erheblich erschwert. Da trifft es sich gut, dass noch vor der Überwindung des Skandals und mitten in den innerparteilichen Gefechten um Ämter und Status aufmerksame Zeitgenossen raten, die Erben der Geldwäscher nicht zu sehr zu schröpfen.
6. Die Demokratie
dürfte bei diesem Drehbuch kaum Schaden leiden. Wenn die Christenpartei ihre internen Sortierungs- und Ausleseprobleme gelöst hat, die parallel aufgetretenen Affären in der SPD ebenso glimpflich bereinigt sind, kriegt das Volk für seine aktive Statistenrolle garantiert nicht nur ordentliche Spendenquittungen, sondern auch jede Menge glaubwürdiger Politiker.