Aus der Reihe „Was Deutschland bewegt“
Scholz will Kanzler
Der Überraschungskandidat

Damit hat wirklich keiner gerechnet, dass die SPD glatt macht, womit alle gerechnet haben. Während die anderen noch streiten, zieht sie ihren Kanzlerkandidaten aus dem Hut.

Aus der Zeitschrift
Systematischer Katalog
Länder & Abkommen

Scholz will Kanzler
Der Überraschungskandidat

Damit hat wirklich keiner gerechnet, dass die SPD glatt macht, womit alle gerechnet haben. Während die anderen noch streiten, zieht sie ihren Kanzlerkandidaten aus dem Hut. Auf der Pressekonferenz entblödet der sich nicht,

„gerne das Geheimnis [zu] verraten, dass wir uns in den letzten Wochen ab und zu angerufen haben und gefragt haben: Hat [es] noch immer keiner mitgekriegt? Und es fast am Ende gar nicht glauben wollten, dass es tatsächlich gelungen ist, dass wir, obwohl wir natürlich am Ende nicht nur auf uns fünf beschränkt waren, die hier jetzt versammelt sind, sondern auch noch ein paar andere einbeziehen mussten, es trotzdem geschafft haben, dieses heutige Ereignis vorzubereiten und eine solche Entscheidung der sozialdemokratischen Partei möglich zu machen. Ein gutes Zeichen für die kommende Zeit.“

Einmal, weil der Haufen glatt dichtgehalten hat, was eindeutig für die Geschlossenheit dieser Partei spricht. Zum andern, weil dieselbe Mischpoke, die Scholz vor acht Monaten noch als Kandidat für den Parteivorsitz hat auflaufen lassen, ihn jetzt einstimmig und ohne jede Enthaltung (Walter-Borjans) nominiert. Wenn dann tags drauf auch noch ein Kühnert die „Parteilinke“ zur Unterstützung aufruft, weil er die SPD als von seinesgleichen veränderbare und lernfähige Partei entdeckt hat, so zeugt das nicht vom banalen, alle verbindenden berechnenden Willen zur Macht, sondern endgültig von der fraglosen Eignung ihres Kandidaten.

Der betont die große Verpflichtung, den ganzen von ihm bislang mitgetragenen Aufgabenkatalog als künftiger Kanzler fortführen zu wollen – künftig natürlich mit mehr Sozialdemokratie in der Regierung. Das haut garantiert hin, wenn er dem Laden vorsteht, und hängt nur daran, dass die Wähler den männlichen Merkel, der diese Charakterisierung angesichts der großen Leistung, die die Kanzlerin zustande gebracht hat, und als Feminist [als] ein großes Lob verbucht, nach dem Abgang des Originals als die Alternative würdigen, die ihnen in der Wahl als die einzig zu entscheidende vorgelegt wird.

Die Überraschung war auch deshalb so gelungen, weil sie jetzt stattfand. Damit liegt die SPD, die in den Umfragen weit hinten rangiert, einmal ganz vorne. Auch traut sie sich zu, diesmal deutlich über 20 Prozent abzuschneiden. Diese Selbstgewissheit ist eine Chance, und die nutzen die Partei und ihr Kandidat nach allen Regeln der Kunst:

„Aber weil die Möglichkeit da ist, müssen wir es auch richtig machen. Und das ist der Grund, warum ... [wir] uns schon sehr, sehr lange einig sind, dass wir die Aufstellung, mit mir in diese Wahlkampagne hineinzugehen, sehr früh klarmachen müssen. Denn die Bürgerinnen und Bürger wollen ja auch wissen, woran sie sind; mit der Partei, mit dem Spitzenkandidaten, und sich ihre Gedanken machen.“ (Scholz)

Weil das Volk weiß, wer es ist, weiß es, woran es ist – und kann sich dazu denken, was es will...

Sofern es darüber räsoniert, ob er es kann bzw. überhaupt schafft, kann der Kandidat mit demonstrativer Zuversicht beruhigen. Zum einen hat man sich bekanntlich früh entschieden, weil wir wissen, dass wir da ordentlich was aufzuholen haben. Um den Vorsprung der Konkurrenz zu verkleinern, nimmt man diesmal beizeiten und ordentlich Anlauf. Und weil nicht wenige sportliche Wettbewerbe als Mannschaftsleistung entschieden werden, betont der Teamplayer (Walter-Borjans) bis zum Erbrechen, dass zwischen ihn und seine Partei kein Blatt passt. Das hat nebenbei schon wieder den schönen Effekt, diesmal die notorischen Unker, die auf der vermeintlichen Bruchstelle zwischen dem Kandidaten und der sich bedingungslos hinter dessen Regierungsanspruch stellenden Partei herumreiten, durch die von ihnen unerwartete Geschlossenheit der sozialdemokratischen Partei zu überraschen. Darüber hinaus weiß der Spitzenkandidat, dass Spitzenleistungen im Kopf entschieden werden, und diese Einstellung kommt wiederum mit dem Rückhalt durch die Partei voran: Nur wenn alle hinter dem Ziel, die Wahl zu gewinnen, und hinter dem Spitzenkandidaten stehen, nur dann kann man auch erfolgreich sein. Das, glaube ich, ist so, deshalb fühle ich mich jetzt auch richtig gut!

So viel überraschend früh geäußerter demonstrativer Siegeswille strahlt Solidität aus (Walter-Borjans), so viel gutes Gefühl und Entschlossenheit, gemeinsam was draus zu machen, spricht für sein Ziel. Also kommt Freude auf:

„Ich freue mich über die Nominierung – und ich will gewinnen... Und für einen Politiker ist das schon ein ganz besonderer demokratischer Moment.“

Wie wahr!