Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Streit um Religion im Biologieunterricht:
Der Schöpfung die Krone aufgesetzt
Frau Karin Wolff, Kultusministerin von Hessen und frühere Religionslehrerin, hat einen schönen Einfall für die Erziehung des deutschen Nachwuchses. Sie kommt dem Auftrag nach, wie er im Lehrplan ihres Landes formuliert ist, wonach „Auseinandersetzungen mit philosophischen und religiösen Aussagen die naturwissenschaftliche Diskussion ergänzen und erweitern müssen“, und plädiert für die Verknüpfung der biblischen Schöpfungslehre mit der Evolutionstheorie im Biologieunterricht. Mit ihrem Vorschlag erntet sie harsche Kritik von Leuten, die meinen, Wissenschaft und Glauben gehörten sich an den Schulen besser auseinander gehalten: „Die Schöpfungsgeschichte gehöre in den Religionsunterricht, in Biologie sollte ausschließlich die wissenschaftlich fundierte Evolutionstheorie gelehrt werden.“ In Biologie würde schließlich Wissenschaft unterrichtet – aber da täuschen die Widersacher sich ein wenig über den Bildungsauftrag der Schule.
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Streit um Religion im
Biologieunterricht:
Der Schöpfung die Krone
aufgesetzt
Frau Karin Wolff, Kultusministerin von Hessen und frühere
Religionslehrerin, hat einen schönen Einfall für die
Erziehung des deutschen Nachwuchses. Sie kommt dem
Auftrag nach, wie er im Lehrplan ihres Landes formuliert
ist, wonach Auseinandersetzungen mit philosophischen
und religiösen Aussagen die naturwissenschaftliche
Diskussion ergänzen und erweitern müssen
(Stern.de, 11.7.07), und plädiert für die
Verknüpfung der biblischen Schöpfungslehre mit der
Evolutionstheorie im Biologieunterricht. Mit ihrem
Vorschlag erntet sie harsche Kritik von Leuten, die
meinen, Wissenschaft und Glauben gehörten sich an den
Schulen besser auseinander gehalten: Die
Schöpfungsgeschichte gehöre in den Religionsunterricht,
in Biologie sollte ausschließlich die wissenschaftlich
fundierte Evolutionstheorie gelehrt werden.
(Jürgen Schreier, CDU, in Spiegel
29/07) In Biologie werde schließlich Wissenschaft
unterrichtet – aber da täuschen die Widersacher sich ein
wenig über den Bildungsauftrag der Schule.
Auf den nämlich kommt es der Frau Minister an, und dazu
stellt sie klar, was es mit dem Wissen auf sich
hat, das im Biologieunterricht ihrer Anstalten vermittelt
werden soll. Eine erstaunliche Übereinstimmung der
symbolhaften Erzählung der Bibel von den sieben
Schöpfungstagen mit der wissenschaftlichen Theorie der
Evolution
(FAZ, 29.6.)
hat sie da bemerkt, und das ist in der Tat erstaunlich –
wird demzufolge doch in der schulischen Abteilung
Naturwissenschaft ein Unterrichtsgegenstand verhandelt,
bei dem die Grenzen zwischen religiöser Fantasterei und
wissenschaftlicher Erkenntnis gar nicht auszumachen sein
soll. Die Expertin für Bildung verrät zwar nicht, worin
Genesis und Genetik, Bibel und Biologie für sie so
erstaunlich übereinstimmen. Doch sie lässt wissen,
wie man den Gegensatz zwischen Glauben und
Wissen um die Ecke bringt, so dass sich einem die
Erkenntnisse der Wissenschaft über den Genuss
symbolischer Dichtung auftun:
„Sie plädiere für verbindende Fragestellungen bei den Themen der Herkunft des Menschen und der Bestimmung des Lebens und für einen modernen Biologieunterricht, in dem auch die Grenzen naturwissenschaftlich gesicherter Erkenntnis sowie theologische und philosophische Fragen nach dem Sinn des Seins und der Existenz von Welt und Menschen eine Rolle spielen sollten.“ (FAZ, 29.6.)
Damit sich die naturwissenschaftliche Erkenntnis eines
Darwin über die Entwicklung der Arten mit religiösen
Deutungen vom göttlichen Schöpfungsakt verbinden
lässt, braucht man sie nur zu einem Beitrag zu
Fragestellungen
umzuinterpretieren, die mit den
Erkenntnissen der Evolution von vorneherein nichts zu tun
haben. Indem man den Erkenntnissen über die Entwicklung
der lebendigen Materie durch Mutation und Selektion die
metaphysischen Fragen nach der Herkunft des Menschen
und der Bestimmung des Lebens
unterschiebt, werden
aus Evolutionstheorie und Religion eben zwei
unterschiedliche Weisen, auf ein und dieselbe
Grundsatzfrage Antwort zu geben. Aus
Naturwissenschaft wird ein Baukasten zur Sinnstiftung,
eine Manier, die höhere Sinnhaftigkeit des menschlichen
Daseins zu bezeugen und den Absprung der Gattung homo
sapiens von den höheren Primaten weltanschaulich zu
deuten: Ausgerechnet die wissenschaftliche
Widerlegung der Teleologie aller zirkulierenden
Schöpfungserfindungen durch die Evolutionstheorie erfreut
sich der Würdigung als wertvoller Baustein zur Pflege
theologischer Mystifikationen, und wo jede Differenz
zwischen Deutung und Erklärung eingeebnet ist, lässt
sich die Quintessenz einer ‚Lehre‘, die die Wissenschaft
bereithält, dann auch prima in literarische Symbolwelten
hinein- und aus denen wieder herauslesen.
Deshalb fallen der gebildeten Frau auch gleich die
Grenzen naturwissenschaftlicher Erkenntnis
ein.
Wer der naturwissenschaftlichen Erklärung der
menschlichen Entwicklung Fragen wie die nach dem ‚Sinn
der Existenz‘ unterschiebt – die sie gar nicht zu
beantworten vorhat, weil sie eben nicht Philosophie ist –
und sie daraufhin abklopft, als wie sinnvoll
eingerichtet sie das alles präsentiert, was bei der
Evolution herausgekommen ist, braucht vom Standpunkt
seiner Interpretation aus nur die Blickrichtung
umzudrehen: Schon entdeckt er an der Wissenschaft den
Mangel, dass sie die Sinnfrage höchst
unvollkommen beantwortet. Weil sie für das, was die Frau
Ministerin für wissenswert und wesentlich hält, nur
bedingt brauchbar ist, hat Wissenschaft also ihre
Grenzen
und wird aus Erkenntnis das Gegenteil,
nämlich das Gebot zur Skepsis. Als solches ist
die Theorie der Evolution für die Erziehung der
Schuljugend dann wieder sehr brauchbar. Dann ist sie ein
einziges Dokument dafür, dass man bei der Suche nach
Antworten auf die Frage nach der Existenz von Welt und
Menschen
das Wissen über die Natur des Menschen
vergessen und sich ganz in das Menschenbild
versenken muss, welches da Aufschluss gibt: Der
Besonderheit des Menschen, die Krone der Schöpfung
zu sein, gilt es im Schulunterricht Rechnung zu tragen,
im Fach Biologie genau so wie im Fach Religion. Und so
eine Krone wird der Mensch keinesfalls darüber, dass er
sich als höchste Organisationsform der Materie begreift:
Das schafft er nur, wenn er seiner Natur immer auch
eingedenk ist als gelungenstes Werkstück und zugleich
Knecht Gottes und von unbegriffener Allmacht gelenkter
Erdenwurm – denn das macht ihm wirklich kein Affe nach!
*
Kritiker der Frau Minister monieren die Vermischung von
Biologie- und Religionsunterricht und warnen davor, die
Trennschärfe von Glauben und Wissenschaft
aufzuheben.
(Spiegel
29/07) Für Trennschärfe
zwischen Wissen und
Glauben plädiert man, hält also zusammen mit der
Ministerin die Teleologie, die im Fach Religion gelehrt
wird, keinesfalls durch den Unterricht im Fach Biologie
für argumentativ widerlegt. Man legt vielmehr
Wert auf eine friedliche Koexistenz zwischen dem, was da
in beiden Fächern als jeweilige ‚Lehre‘ im schulischen
Angebot ist. Beides soll sein gutes Recht haben, nur eben
stundenplanmäßig sauber voneinander getrennt, und damit
geben die Kritiker zu Protokoll, worin auch für sie die
Wissensvermittlung in der Schule besteht: Wer sich beim
Stichwort ‚Menschwerdung‘ an der Schule für
fachspezifische Arbeitsteilung zwischen Biologen und
Pfaffen stark macht, pocht nicht auf Wissen im Fach
Naturkunde, sondern auf die eigene Kompetenz zur
Vermittlung von ‚Lehren‘, die aus ihm zu ziehen sind.
Diese Funktion des Schulunterrichts, für die Verbreitung
weltanschaulicher Botschaften der einen oder anderen
Webart zu sorgen, ist es, die Naturwissenschaft und
Glauben miteinander derart kommensurabel macht, dass ein
bloßes Plädoyer fürs bisherige Auseinanderhalten beider
daherkommt wie ein religionskritischer Rückruf zur
Sachlichkeit. Keinesfalls fachübergreifend soll die Mär
vom Schöpfergott an der Schule verkündet werden – schon
geht für den Fan von ‚Trennschärfe‘ alles in Ordnung, was
im Religionsunterricht gepredigt wird. Ein
antiaufklärerischer Rückfall
(Leggewie) findet erst dort statt, wo dem
Biounterricht keine eigenständige Deutung der
Weltentwicklung mehr erlaubt ist – also ist in Sachen
schulischer Aufklärung auch da alles bestens bestellt,
solange die erbaulichen ‚Lehren‘, die Bienen und andere
Staaten bildende Völker, aber natürlich auch ‚die
Evolution‘ für den Menschen bereithalten, ganz ohne
religiöse Verwässerung gelehrt werden dürfen.
*
Schlichter im Sinnstiftungsstreit merken deshalb zur Beruhigung aller Beteiligten an, dass die Evolutionsbiologie erst im elften Schuljahr gelehrt werde – wer also mit der Mittleren Reife abschließt, erfährt eh nichts von ihr. Religionsunterricht hingegen haben alle von der ersten Klasse an – und so kommt zumindest in der Schule und was die dortige Bildung betrifft keiner seiner „Bestimmung“ aus.